I N H A L T
• Das Denkmal
• Unser Besuch 2021
• »Ihren gefallenen Helden«
• Nicht für Unwürdge geblutet?
• Carl Theodor Körner
• Der Stahlhelm
• Das Eiserne Kreuz
• Der Findlingsmythos
• Historisches Lernen
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Gostorf
Landkreis Nordwestmecklenburg
Am 1. Mai 1922 wurde das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs in der Ortsmitte von Gostorf eingeweiht. Die folgenden Fotos zeigen das Denkmal im Jahr 2014:
Die Anlage ist sehr gepflegt, sie scheint im großen Garten eines Privathauses zu stehen, die schwarzen Inschriften sind frisch nachgemalt. Das zentrale Denkmal besteht aus einem großen Findling auf einem gemauerten Feldsteinsockel, umgeben von abgestuften Kies- und Sandbetten.
Oben aufgesetzt ist eine etwas lädierte Stahlhelmskulptur aus Stein. Ein früher darunter angebrachtes Eisernes Kreuz ist entfernt worden. Die Widmung lautet:
Ihren gefallenen Helden
von 1914-1918 gewidmet.
Gemeinde Gostorf
Darunter folgen in zwei Spalten die 16 Namen der toten Soldaten des 1. Weltkriegs der Gemeinde Gostorf. Es werden Familiennamen und mit dem Initial abgekürzte Vornamen genannt. Die Liste ist chronologisch nach den hinter den Namen genannten Sterbetagen geordnet.
Unter den Namen steht der Sinnspruch:
Daß ihr Tod uns Lebende ermutet.
Daß sie für Unwürdge nicht geblutet.
Das beweise deutsches Vaterland.
Dieser überhöht nationalistische Wunsch läßt keinen Spielraum für Interpretationen.
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Unser Besuch 2021
Die Gedenkanlage ist weiterhin gepflegt und sogar ergänzt worden. Ein Teil der Rasenfläche und Bepflanzung ist verschwunden.
Das Denkmal hat in der Zwischenzeit ein neues Eisernes Kreuz erhalten:
Ganz modisch in 2 mm Stahlblech mit Edelrost-Oberfläche, die »gefallenen Helden« würden sich wahrscheinlich im Grabe umdrehen – auch Ehrenzeichen sind eben dem Zeitgeist unterworfen.
Das Grundstück ist jetzt zum Gehweg der Dorfstraße mit einem aufwendig gestalteten Zaun abgegrenzt.
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Nicht für Unwürdge geblutet?
Der Sinnspruch für die toten Soldaten ist ein Zitat aus Theodor Körners Gedicht »Auf den Schlachtfeldern von Aspern« aus dem Jahr 1812. Im Kontext der »Befreiungskriege« gegen Frankreich 1813/15 hat er dieses pathetisch-patriotische Gedicht geschrieben:
»In dem blut’gen Tal der Thermopylen, wo der Griechen freie Scharen fielen, grub’s in Marmor ihrer Brüder Dank, dass fürs Vaterland auf diesen Feldern Spartas kühne Heldenjugend sank. […] Drum soll es die Nachwelt laut erfahren, wie auch deutsche Bürger dankbar waren, wie wir der Gefallenen Tat erkannt. Dass ihr Tod uns Lebende ermutet, dass sie für Unwürd‘ge nicht geblutet, das beweise deutsches Vaterland. Deine Sänger lass in Liedern stürmen, und zum Steine füge kühn der Stein. Und die Pyramide lass sich türmen, der gefall’nen Brüder wert zu sein.«
Auf dem Findling in Gostorf wird so die »kühne Heldenjugend Spartas« und die »Schlachtfelder von Aspern«, auf denen Napoleon seine erste militärische Niederlage hinnehmen musste, verknüpft mit den 16 toten Soldaten der Gemeinde im 1. Weltkrieg.
Ziemlich direkt wird mit diesem Zitat die »Dolchstoßlegende« aufgegriffen, die nach dem 1. Weltkrieg wesentlich zur Destabilisierung der Weimarer Demokratie und dem daraus folgenden Aufstieg des Nationalsozialismus beigetragen hat.
Der Historiker Gerhard Schneider schreibt in seinem Buch »erinnern, vergessen, verdrängen« auf Seite 339f:
»Der siegreiche Verlauf des Krieges von 1870/71, die Verwirklichung der langersehnten Reichseinigung und die Aufrichtung des Kaisertums ließen den Gefallenentod in diesem Krieg als sinnvoll erscheinen. Das mit jenem Krieg neugewonnene und durch entsprechende Gesinnungsakte immer wieder erneuerte nationale Prestige und das Gefühl, einer aufstrebenden Großmacht anzugehören, waren hinreichender Trost für die Hinterbliebenen.
Nach dem ersten Weltkrieg konnten sich dergleichen hohe und tröstliche Gefühle nicht einstellen. Die Erfahrung des Massensterbens an der Front, die noch lange nachwirkenden Eindrücke des Stellungskrieges im Westen und der neuen Kampfmittel, dann der für die meisten Menschen überraschende und niederschmetternde Kriegsausgang, die unbegreifliche Niederlage, das Bekanntwerden der immensen Zahl an Kriegsopfern und schließlich die trostlose Perspektive, die das ›Versailler Diktat‹ dem Deutschen Reich eröffnete, verlangten geradezu nach einer Sinngebung des Gefallenentodes. das ›Ihr-seid-nicht-umsonst-gefallen‹, das jede Denkmalseinweihung und jede Kriegergedächtnisfeier begleitete, war als Trotzreaktion der Überlebenden immer auch eine Drohung, daß mit diesem Kriegsausgang das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. [...]
Man gedachte des ›Opfers‹ der Gefallenen in der Absicht, die ›zukünftigen Geschlechter‹ auf bestimmte Werthaltungen und kämpferische Charaktereigenschaften, die den Gefallenen angeblich zu eigen gewesen seien, einzuschwören. In Kreisen des Militärs, der Veteranenorganisationen und der vaterländischen Verbände verband man damit die Absicht, dadurch die unerwünschte pazifizierende Kraft der Trauer neutralisieren zu können. Der Opfertod der Gefallenen behalte nur dann seinen Sinn, wenn das deutsche Volk den Gefallenen im Geiste der Opferbereitschaft und im Geiste der Frontkameradschaft nachzufolgen bereit sei.«
Der Versailler Vertrag auf LeMO
Die »Dolchstoßlegende« auf LeMO
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»Ihren gefallenen Helden«
Die Trauer ist zurückgenommen, beherrscht durch die Annahme eines Trostes, die den Tod des Soldaten aus einer höheren Bestimmung heraus erklären will. »Ihren gefallenen Helden« steht auf dem Findling in Gostorf für die toten Soldaten des 1.Weltkriegs – als ob das Sterben die Bestimmung eines Soldatenlebens, die Erfüllung des militärischen Auftrags ist.
»Der Gefallenenkult wurde zu einem zentralen Bestandteil nationaler Selbstdarstellung und entwickelte besonders in Deutschland eine gewaltige politische Wirkung.
Das Ideal der Kameradschaft wurde auf die ganze Nation ausgedehnt. Die Gedächtnisfeiern an den Ehrenmälern auf öffentlichen Plätzen betonten den Vorbildcharakter der Gemeinschaft der Frontsoldaten. Im besiegten Deutschland wurde die ›Volksgemeinschaft‹, aus der heraus die Nation zu neuer Stärke erwachen sollte, zum Vermächtnis, das die Gefallenen den Überlebenden hinterlassen hatten.
Die allerorts errichteten Denkmäler trugen dazu bei, diesen Sinn, der dem Soldatentod beigelegt wurde, in die Öffentlichkeit zu tragen und im Bewusstsein zu erhalten.
Die von den Nationalsozialisten angestrebte Volksgemeinschaft ist ohne das idealisierte Vorbild der Frontkameradschaft des Ersten Weltkriegs nicht vorstellbar. Der Gefallenenkult erlebte im nationalsozialistischen Deutschland dann auch seine äußerste Steigerung.«
• Christian Lopau, 2017, Vortrag im Ratzeburger Dom im Begleitprogramm der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945?«
www.nordkirche-nach45.de
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Carl Theodor Körner
Carl Theodor Körner, 1791–1813, wurde durch seine patriotischen Gedichte und seinen frühen Tod als Angehöriger des Lützowschen Freikorps in den »Befreiungskriegen« zu einer patriotischen Heldenfigur, die zum Vorbild kriegerischer Prozesse wurde.
Von den Nationalsozialisten wurde Theodor Körner zu Propagandazwecken vereinnahmt. Das Gelände um die Grabstätte der Familie Körner in Wöbbelin wurde 1938 zum »Ehrenhain« für Kundgebungen und Aufmärsche umgebaut. Die Zeile »Das Volk steht auf, der Sturm bricht los« aus Körners Gedicht »Männer und Buben« (1813) wurde von Propagandaminister Joseph Goebbels zur Phrase »Nun Volk, steh’ auf, und Sturm, brich los!« für die Sportpalastrede 1943 abgewandelt.
Mehr zu Körner bei Wikipedia
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Der Stahlhelm
Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der neue Helm aus Stahl wurde entwickelt, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30.000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.
Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.
Die Einführung eines Stahlhelms für die Bundeswehr im Juni 1956 war ein Politikum. Den Forderungen des Militärs nach einem wirksamen Kopfschutz für die Soldaten wurde nur sehr zögerlich entsprochen. Unter keinen Umständen sollte der Helm für die Bundeswehr auf Konstruktionen beruhen, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.
Für den aktuellen »Gefechtshelm, allgemein«, der am 15. Januar 1992 eingeführt wurde, galten diese politischen Bedenken nicht mehr. Der Helm sollte unter Wahrung der modernsten militärischen Gesichtspunkte auch alle Vorteile des Stahlhelms M35 in sich vereinigen.
Die Stahlhelme der alten Form blieben weiterhin im Gebrauch beim Bundesgrenzschutz und der Polizei.
Im Internet bieten eine Menge Militaria-Händler »Original-Stahlhelme der Deutschen Wehrmacht« zum Kauf an. Auch ein »Kinderhelm wie Stahlhelm M35 Wehrmacht Luftwaffe« für 190 Euro ist im Angebot. Ein T-Shirt, das Amazon anpries mit dem Aufdruck »SS-Stiefel, die besten Wanderschuhe aller Zeiten« wurde erst nach scharfen Protesten aus dem Sortiment genommen.
»Früher musste der Wehrmachtsfan noch in schmuddelige Militaria-Läden schleichen oder dreimal nachdenken, ob er seine Adresse bei einschlägigen rechtsextremen Versandhäusern hinterlassen will. Dank Amazon genügt jetzt ein Klick und der Wehrmachtsstahlhelm liegt auf dem Gabentisch«, empört sich die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke auf www.stimme.de. SPD-Vorstandsmitglied Kevin Kühnert sagt dazu: »Ein angemessener Schritt wäre, die bisherigen Gewinne aus diesen Produkten an Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu spenden.«
Mehr dazu auf www.stimme.de: Stahlhelm unterm Christbaum
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Das Eiserne Kreuz
Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.
Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.
Auf Kriegerdenkmälern wird das Eiserne Kreuz den toten Soldaten posthum verliehen. Der Tod im Krieg wird als Beweis für die »Vaterlandstreue« und die Tapferkeit der Soldaten gewertet, darum wird der militärische Orden hier kollektiv verliehen. Ein Soldat, der lebend oder lebend invalide zurückgekommen ist, erhält ihn nicht.
• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.
Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.
• Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017
Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.
Am 26. November 2018 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrem Tagesbefehl ein Veteranenabzeichen eingeführt. Am 15. Juni 2019 sind die ersten Abzeichen ausgehändigt worden. Das Verteidigungsministerium erklärt dazu: »Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die alle Bundeswehrangehörigen verbinden: ›Gemeinschaft, Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft‹.« Am 10. Januar 2020 meldet das ›Bundeswehrjournal‹, dass bisher rund 35.700 Anträge auf ein Veteranenabzeichen eingegangen sind.
Foto: Doc.Heintz/Wikimedia Commons
Überreicht wird das Abzeichen mit einem Dankesschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr:
»... Dieser Dienst in der Bundeswehr verdient hohen Respekt und große Dankbarkeit, welche auch in der Gesellschaft spürbar und sichtbar werden soll. Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die uns alle verbinden: Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft ...«
Ein anonymisiertes Anschreiben bei Wikipedia
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Der Findlingsmythos
Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.
»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]
Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]
Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«
• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66
»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«
• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134
»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.
• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203
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Historisches Lernen
Auf der Website der Universität Bamberg werden im Profil »Geschichte und Tradition« zwei Gedenktafeln Bambergs bewertet, von denen eine ebenfalls den Gostorfer Sinnspruch enthält. »Verstehen der damals relevanten Zeitumstände« und die »Entwicklung einer Orientierung schaffenden Urteilskompetenz« werden für das historische Lernen als notwendig erachtet.
»In beiden Fällen [gemeint sind die Gedenktafeln] geht es um Legitimation und Sinnstiftung eines Krieges, der als ›Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‹ Millionen von Menschen das Leben kostete. Mag insbesondere die Gedenktafel im ehemaligen Alten Gymnasium mit Körners Zitat durchaus auf zarte Anfänge einer entstehenden deutschen Demokratiebewegung anspielen, so propagiert sie eben auch den militärischen Einsatz gegen Napoleon, dessen Expansion Europa (und vor allem die deutschen Staaten) massiv bedrohte, als leuchtendes Vorbild, das notfalls auch den ›Heldentod‹ einkalkuliert. Just in solchem historischen Kontext liegen bekanntlich auch die Wurzeln dessen, was in propagandistischer Verzerrung als deutsch-französische ›Erbfeindschaft‹ seinen langen, dunklen Schatten auf Europa vorauswerfen sollte.
Folgt man Astrid Erll als einer der besten Kennerinnen des Diskurses, so sind ›Erinnerungskulturen‹, als deren Ausdruck auch die beiden untersuchten Gedenktafeln gelten müssen, ›historisch und kulturell variable Ausprägungen von kollektivem Gedächtnis‹ (Erll, 2008, S. 176). Sind jene ursprünglich als ehrendes, identifikations- und sinnstiftendes Element konzipiert und entsprechend realisiert worden, so irritieren sie den heutigen Betrachter gerade dadurch in Duktus, Stil und Botschaft.
Da eben das ›kollektive Gedächtnis‹ unserer Gesellschaft in weiten Teilen nicht mehr damaligem Zeitgeist entspricht, sollte es nachgerade Aufgabe heutiger politischer Bildung sein, solche Produkte ihrer Zeit entsprechend kritisch zu hinterfragen und deren Logik(en) in größere historische Zusammenhänge zu setzen. Dementsprechend zeigt sich historisches Lernen etwa zu Gedenktafeln des Ersten Weltkriegs nicht nur im Verstehen der damals relevanten Zeitumstände (gemäß Rankes Diktum ›Wie es eigentlich gewesen ist‹), sondern auch in der bedachten Entwicklung einer Orientierung schaffenden Urteilskompetenz.«
Mehr auf www.uni-bamberg.de
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