I N H A L T
• Das Denkmal
• Die Einweihung
• Das Cap-Arcona-Gedenken
• Was geschah am 3. Mai 1945?
• Der 70. Jahrestag
• Der Obelisk vor der Kirche
• Die Tafel zu den Weltkriegen
• Das Turnerkreuz
• Theodor Körner
• Der Deutsch-Französische Krieg
• Die deutsche Eiche
• Das Eiserne Kreuz
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Klütz
Landkreis Nordwestmecklenburg
Wir besuchen die hohe, schlanke Stele für die im 1.Weltkrieg ums Leben gekommenen »Turnbrüder« des MTV (Männer Turnverein) in Klütz. Am 25. Juni 1922 wurde das Denkmal eingeweiht.
Auf dem Foto sehen wir, dass das »Turnerdenkmal« heute unmittelbar am Zaun zum Lidl-Supermarkt an der Boltenhagener Straße steht. Im ansteigenden Gelände, dem ehemaligen großen Klützer Schützen- und Sportplatz, wurde die Fläche für Supermarkt und Parkplätze auf das Niveau der Boltenhagener Straße eingeebnet. Schützenvereine waren in der DDR nach dem Ende des 2. Weltkriegs verboten worden und so war auch der Schützenplatz nicht mehr der Ort für Aktivitäten wie z.B. das früher durchgeführte dreitägige Schützen- und Heimatfest und das Gelände verwilderte über die Jahre.
Foto: Hannes Palm, Heimatverein Klützer Winkel e.V.
Nun winden sich die Reste des ehemaligen Sportplatzes um das Supermarkgelände und das Turnerdenkmal steht nah am Abhang.
Die Stele aus hellgrauem Granit hat eine gerade Frontseite, auf der eine Fläche für ein hohes, oben abgerundetes Schriftfeld geglättet wurde.
Oben sehen wir das eingemeißelte Logo der Turner – das Turnerkreuz. Es besteht aus vier horizontal und vertikal gespiegelten »F« in Versalien, die den Turner-Wahlspruch »Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei« aufgreifen. Mehr dazu im Kapitel »Das Turnerkreuz«.
Darunter folgt in einer zarten Serifenschrift, mittig gesetzt, die Widmung:
Zu Ehren
seiner lieben
im Kriege
1914 – 1918
gefallenen
Turnbrüder
»An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«
• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.60/61
Es folgen die 18 Namen der »Turnbrüder« alphabetisch geordnet von Rudolf Arph bis August Zierow, aber ohne weitere Angaben. Über die letzten Namen auf der Liste und die Nennung des Männerturnvereins als Denkmalsstifter am Ende des Schriftfeldes sind in unserer Zeit schwarze Buchstaben gesprüht worden. Ob die Sprayer »Hitler« schreiben wollten, wissen wir nicht.
Als Denkmalsstifter fungiert am Ende:
Männer
Turnverein
Klütz.
Hinter der Stele waren 1922 vier Eichen im Halbkreis gepflanzt worden. Davon stehen heute noch die beiden mittleren. Mehr dazu im Kapitel »Die Deutsche Eiche«.
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Die Einweihung
Dieses Foto muss 1922 um den Einweihungstag herum entstanden sein. Die Stele ist von angehäuften Feldsteinen umgeben und mit einem großen Kranz, Tannenzweigen und verschiedenen Pflanzen in Töpfen geschmückt. Die vier jungen Eichen stecken noch in Kübeln.
In der Fest-Zeitung zum 25-jährigen Stiftungsfest des Männer-Turn-Vereins (MTV) Klütz, verbunden mit dem Turn- und Spielfest des 3. Bezirks Travegau D. T. in Klütz, stand folgender Bericht zur Einweihung der Stele:
»62 Mitglieder des MTV Klütz standen unter Waffen, von denen 16 [18] ihr Leben fürs Vaterland opferten. Der Verein unterstützte während dieser schweren Zeit seine Mitglieder nach Möglichkeit durch Geld und Liebesgaben. Den Gefallenen aber zum Gedächtnis errichtete er auf dem neuen Sportplatz einen Gedenkstein aus Granit, mit dem Wahrzeichen der D.T. [Deutschen Turner] und den Namen der Gefallenen.
Am 25. Juni 1922 wurde das Denkmal unter Anteilnahme fast sämtlicher Vereine geweiht ...«
Wir danken Hannes Palm vom Heimatverein Klützer Winkel e.V. und vom Freundeskreis Alm (Archäologisches Landesmuseum e.V.) für das Foto aus dem Jahr 1922 und für die vielen Informationen, die wir von ihm erhalten haben.
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Das Cap-Arcona-Gedenken
Auf dem kirchlichen »Alten Friedhof« an der Wismarschen Straße besuchen wir die neu gestaltete, kleine Gedenkstätte.
An einer abgerundeten Buchenhecke ...
.... weist uns ein Schild den Weg.
Auf dem Sandplatz mit altem Baumbestand und einfachen Holzbänken gibt es zuerst rechts den großen Tafelstein aus DDR-Zeiten, mit ihm wurde 1970 die Gedenk- und Grabstätte für 16 Opfer der Cap-Arcona-»Katastrophe« eingeweiht.
Unter der Überschrift:
DEN TOTEN ZUR EHRE – DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG
CAP ARCONA
lesen wir den Text: »Am 3. Mai 1945 versenkten britische Bomber die ›Cap Arcona‹ und die ›Thielbeck‹ in der Lübecker Bucht. Von 7600 Häftlingen aus 24 Nationen, die die Faschisten nach der Räumung des KZ Neuengamme und anderer Lager auf diesen Schiffen gefangen hielten, fanden 7000 wenige Tage vor Beendigung des Krieges den Tod. 16 Opfer fanden hier ihre letzte Ruhestätte.«
Der große Granitstein ist mit dem für DDR-Gedenksteine typischen Symbol des »Roten Winkel« versehen, ursprünglich das Symbol für politische Häftlinge in der NS-Zeit.
Unter der Überschrift »Erinnerung an die NS-Opfer« im Beitrag »Erinnerungskultur in der DDR« schreibt Birgit Müller für die Bundeszentrale für politische Bildung:
»Unmittelbar nach Beendigung des Krieges galt die Erinnerung in der sowjetischen Besatzungszone allen Opfergruppen. Es war unerheblich, ob es sich um Widerstandskämpfer kommunistischer, bürgerlicher oder christlicher Couleur handelte oder ob die Verfolgung aus rassistischen Gründen erfolgte. Kurz nach Kriegsende 1945 wurden als ›Opfer des Faschismus‹ diejenigen bezeichnet, die ››unter der Hitlerdiktatur heldenmütig für die Freiheit des deutschen Volkes‹ gekämpft hatten, sowie die ›Hinterbliebenen der von den Faschisten ermordeten Helden des deutschen Freiheitskampfes‹‹. Die Weiterführung des Zitats verdeutlicht jedoch, dass eine Hierarchisierung der Opfergruppen im Interesse der kommunistischen Erinnerungskultur und des Geschichtsbewusstseins vorgenommen wurde. Denn es heißt weiter: ››Opfer des Faschismus‹ sind die Juden, die als Opfer des faschistischen Rassenwahns verfolgt und ermordet wurden, sind die Bibelforscher und Arbeitsvertragssünder. Aber so weit können wir den Begriff ›Opfer des Faschismus‹ nicht ziehen. Sie haben alles geduldet und Schweres erlitten, aber sie haben nicht gekämpft.‹‹ […]
›Der Historiker Olaf Groehler resümiert: ›Höchst zielstrebig wurde in den zu Nationalen Gedenk- und Mahnstätten erklärten Objekten die Absicht verfolgt, sie von Orten des Leidens und der Verfolgung zu Gedenkstätten der antifaschistischen Kämpfer und Helden umzufunktionieren, letztere damit letztlich auch zu Siegern der Geschichte zu verklären, wobei die wirklichen Toten vergessen wurden.‹ Die Hierarchisierung der Opfergruppen wurde auch in der Denkmalsarchitektur deutlich, so war das Symbol des ›Roten Winkel‹ für die politischen Häftlinge überall präsent. Zudem erinnerten zahlreiche Gedenktafeln, Straßenschilder und Mahnmale vornehmlich an kommunistische Widerstandskämpfer oder generalisierend an die ›Opfer des Faschismus‹«.
Der ganzer Beitrag »Erinnerungskultur in der DDR«
Im Sommer 2020 wurde der Gedenkplatz umgestaltet. Er wurde erweitert und bietet nun Platz für Veranstaltungen und Gruppenbesuche, z.B. von Schulklassen. Ausserdem wurden zwei Informationsstelen und ein Kunstwerk aus Cortenstahl aufgestellt, das ist ein Stahl mit Rostoberfläche, der im Moment weit verbreitet ist. Zusätzlich wurde der alte Gedenkstein von 1970 restauriert.
Ein Großteil der Texte kann auch auf Englisch gelesen werden. Unter der Überschrift »Wir gedenken« lesen wir an der ersten Stele: »Willkommen auf dem Klützer Friedhof, auf dem sich eine der CAP-ARCONA-Gedenkstätten, entlang der Lübecker Bucht, befindet.
Wir gedenken hier den Opfern, die der Cap-Arcona-Katastrophe vom 3. Mai 1945 zum Opfer fielen. 16 Opfer wurden nach der Bergung hier auf dem Friedhof bestattet.
Im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten wurde ab 1933 ein Netz von 24 Konzentrationslagern (KZ), ca. 42.500 Neben- und sieben Vernichtungslagern errichtet. Die KZ-Lager dienten der Inhaftierung, Absonderung und Ausbeutung, der Erniedrigung und Einschüchterung.
Am 19. April 1945 beginnen SS-Einheiten das KZ Neuengamme und seine Außenlager zu räumen. Die Transporte finden unter den Augen der Öffentlichkeit statt.
Bis zum 26. April transportiert die SS etwa 10.000 Häftlinge in Güter- und Viehwaggons nach Lübeck. Die Gefangenen werden auf drei, in der Lübecker Bucht ankernde, fahruntüchtige Schiffe gebracht: das Passagierschiff CAP ARCONA sowie die beiden Frachtdampfer THIELBEK und ATHEN.«
Darunter steht ein Zitat von Dr. William Wolff, Landesrabbiner Mecklenburg-Vorpommern, aus dem Jahr 2005:
Vergessen ist die letzte Grausamkeit,
die wir den Opfern antun können.
Auf der zweiten Tafel lesen wir unter der Überschrift »Die Katastrophe«: Am 3. Mai 1945 greifen gegen 14.30 Uhr britische Jagdbomber in mehreren Wellen die CAP ARCONA und die THIELBEK in der Lübecker Bucht an. Bomben- und Raketentreffer führen zum Untergang der nicht gekennzeichneten Schiffe.
Mehr als 7.000 Menschen aus 24 Ländern finden am 3. Mai 1945 den Tod. Nur etwa 450 Häftlinge der CAP ARCONA und 50 Häftlinge der THIELBEK überleben das Inferno. Einen Tag später, am Abend des 4. Mai 1945, unterschreibt der deutsche General Hans-Georg von Friedeburg im Hauptquartier des englischen Oberbefehlshabers Bernard Montgomery die Kapitulationsurkunde. Für die 7.000 Opfer der Lübecker Bucht kommt das Kriegsende nur um Stunden zu spät.
Etwa 4.000 Leichen werden bis in die 1970er Jahre an die Strände der Lübecker Bucht in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern angeschwemmt. Von fast 3.000 Toten fehlt bis heute jede Spur. Ihr Grab ist die Ostsee.
Foto: Royal Air Force / Wikimedia Commons
• Die brennende Cap Arcona kurz vor dem Untergang
Auch hier folgt ein Zitat, dieses ist vom polnischen Häftling Mieczyslaw Chemielewski:
Ich kann mich noch entsinnen, wie neben mir auf dem Deck
ein (...) Mithäftling mit außerhalb des Körpers liegenden
Eingeweiden lag. (...) Er war vollkommen bei Sinnen und bat
mit natürlicher Stimme seine Kameraden um Hilfe, welche ihm
niemand erteilen konnte.
Wenn man die Texte auf den Informationsstelen liest, hat man das Kunstwerk im Rücken. Man muss es wohl als Darstellung einer Zielscheibe interpretieren, nah am Mittelpunkt sind stilisierte hellgraue Schiffsformen angebracht, die in oranger Feuerfarbe die Namen CAP ARCONA und TIELBEK tragen.
Auf dem äußeren Ring lesen wir wieder das Zitat von Landesrabbiner Dr. William Wolff:
Vergessen ist die letzte Grausamkeit, ...
... die wir den Opfern antun können.
Rund 6400 der etwa 7000 KZ-Häftlinge auf der Cap Arcona und der Thielbek verbrannten, ertranken oder wurden erschossen. media.offenes-archiv.de dokumentiert Berichte von Überlebenden. Auch den von Erwin Geschonneck, später einer der populärsten Schauspieler der DDR. Er war u.a. der Hauptdarsteller in der Dokumentation »Der Mann von der Cap Arcona« aus dem Jahr 1982. Der Film gibt einen Teil seiner Lebensgeschichte wieder. Der Berliner, Arbeitersportler und seit 1929 KPD-Mitglied, war mit einer linken jüdischen Theatergruppe nach der NS-Machtübernahme in die Tschechoslowakei, nach Polen und in die Sowjetunion emigriert. Aus der UdSSR wurde er 1937 ausgewiesen, in der Tschechoslowakei faßten ihn die Nazis. Erwin Geschonneck war Häftling in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme. Er überlebte den Untergang der Cap Arcona als einer von 400.
Berichte auf media.offenes-archiv.de (45KB)
Etwas entfernt von der Cap Arcona-Gedenkstätte steht ein schwarzes Steinkreuz auf einem hohen Podest, in der Art gibt es mehrere auf Gräbern des kirchlichen Friedhofs. Dieses Kreuz steht ganz allein, etwas verloren da. Es ist den Opfern des 2. Weltkriegs gewidmet.
Im Querbalken des Kreuzes steht »Ich lebe«. Das ist ein Teil des Bibelspruchs aus dem Johannesevangelium (Joh. 14,19): »Jesus Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben«. Warum hier auf den zweiten Teil des Bibelspruchs mit der tröstlichen Aussicht auf eine Wiederauferstehung nach dem Tod verzichtet wurde, können wir nicht deuten.
Auf dem Sockel steht:
ALLEN OPFERN
1939 – 1945
Da könnte man viele Opfergruppen aufzählen. Welche hier gemeint sind, erfahren wir nicht.
Am Ausgang sehen wir das Hinweisschild:
Cap Arcona
Ehrengedenkstätte auf dem Friedhof
Der Begriff »Ehrengedenkstätte« wirkt etwas aus der Zeit gefallen, sicher: wir wollen dieses unvorstellbare Inferno wenige Stunden vor dem Ende eines grausamen, von Deutschland verschuldeten Krieges und seine Opfer nicht vergessen, aber ob wir die Opfer »ehren« wollen?
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Was geschah am 3. Mai 1945?
Der Rückzug der deutschen Truppen führte ab Sommer 1944 dazu, dass die in Frontnähe geratenen Konzentrationslager mit ihren zahlreichen Außenlagern aufgelöst wurden. Beim Herannahen der Roten Armee beziehungsweise der westalliierten Truppen begannen mit der Räumung der Lager von Auschwitz im Januar 1945 die »Todesmärsche« und Transporte in offenen Viehwaggons der Gefangenen. Zuletzt wurden vom KZ Neuengamme bei Hamburg aus Mitte April 1945 mehr als 10.000 Gefangene von der SS nach Lübeck gebracht. Dort wurden sie auf drei Frachtschiffe verladen, auch das Kreuzfahrtschiff »Cap Arcona« nahm mehrere tausend auf. Die Bedingungen an Bord der Schiffe waren katastrophal, viele verhungerten und verdursteten.
Am 3. Mai griffen britische Flugzeuge die Schiffe an, die sie für deutsche Truppentransporter hielten. Auch die »Cap Arcona« geriet in Brand und kenterte. Die Gefangenen hatten kaum eine Chance, sich zu retten. Viele, die das Land schwimmend erreichten, wurden dort von SS-Männern erschossen. Insgesamt über 7.000 verloren am 3. Mai, wenige Stunden vor ihrer möglichen Befreiung, das Leben.
Mehr dazu auf www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de
»Der Untergang der Cap Arcona« auf www.ndr.de
Pastorin Almuth Jürgensen, Gedenkstättenbeauftragte im Kirchenkreis Ostholstein und Koordinatorin des »Netzwerk Cap-Arcona-Gedenken«, schreibt im Jahresbericht 2021 des Netzwerk Erinnerungskultur im Bereich der Nordkirche:
Update: Netzwerk Cap-Arcona-Gedenken
Der komplette Jahresbericht 2021 des Netzwerk Erinnerungskultur
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Der 70. Jahrestag
»Im Gedenken an die Cap-Arcona-Katastrophe vor 70 Jahren wurde für den 7. Mai 2015 von der Stadt Klütz, dem Literaturhaus ›Uwe Johnson‹ und der Regionalen Schule Klütz eine Filmvorführung organisiert.
Bürgermeister Guntram Jung zitierte in seiner Begrüßungsrede unter anderem Hugo Rübesamen, einen Sprecher des Förderkreises Cap-Arcona-Gedenken, indem er davon sprach, dass es sich nicht um eine Katastrophe, sondern um ein Kriegsverbrechen gehandelt habe. Dr. Anja-Franziska Scharsich schilderte sehr eindrucksvoll, dass sich auch Uwe Johnson in seinem Roman ›Jahrestage‹ mit dem schrecklichen Geschehen um die Häftlinge auf der Cap Arcona auseinandergesetzt hatte. Der gezeigte, im Vorfeld teils umstrittene Film ›Der Mann von der Cap Arcona‹ (DDR-Produktion, 1982) regte in vielerlei Hinsicht zum Nachdenken an und sorgte für Betroffenheit.
Foto: Dr. Anja-Franziska Scharsich
Die Schüler und Lehrer der Regionalen Schule bedanken sich für die entgegengebrachte Anerkennung bezüglich der Ausgestaltung der Räumlichkeiten im Literaturhaus für diesen Abend.«
Website der Schloßstadt Klütz
Auch das Netzwerk Cap-Arcona-Gedenken schreibt im Wort Cap-Arcona-»Katastrophe« Katastrophe in Anführungszeichen. Eine Katastrophe ist ein großes, schweres Unglück, das als Unwetter, Überschwemmung, Vulkanausbruch etc. über die Menschen hereinbricht. Dieses Inferno am 3. Mai 1945 war menschengemacht, aber war es ein Kriegsverbrechen? Wer hat es begangen?
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Der Obelisk vor der Kirche
Auf dem Foto vom Hinweisschild haben wir im Hintergrund schon die Marienkirche gesehen. Hier steht das nächste Denkmal, das wir betrachten wollen.
Vor der Südseite der Kirche ist ein flacher Hügel aufgeschüttet worden. Darauf steht das Denkmal genau vor dem Kircheneingang auf einer Rasenfläche. Auf einem breiten Sandweg kann man den Obelisken umrunden. Diese klassische Denkmalsform hat sich bis in die Zeit des Nationalsozialismus als Kriegerdenkmal erhalten. Sie ist eine sich nach oben verjüngende, vierkantige Säule mit einer Pyramide als Spitze. Als meistgewählte Form wurde sie jedoch seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, besonders in Norddeutschland, vom Findling abgelöst.
Es ist ein steinerner Obelisk auf einem vielstufigen Sockel. Nahe der Spitze ist ein Eisernes Kreuz eingemeißelt. Das militärische Ehrenzeichen ist hier ohne weitere Symbole dargestellt. Es wurde den toten Soldaten von den Denkmalsstiftern postum und kollektiv zugedacht. Der Soldatentod reichte als Grund für die symbolische Verleihung.
»Das Eiserne Kreuz wurde erstmalig 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet. Es war der erste militärische Orden, der nicht nur an Offiziere, sondern auch an einfache Soldaten für ihre militärischen Verdienste verliehen werden konnte. Kurz darauf führte der König die allgemeine Wehrpflicht ein. Das bisherige Söldnerheer wandelte sich zum Bürgerheer und für die Bürger mussten Anreize geschaffen werden, das eigene Leben im Krieg aufs Spiel zu setzen. Damit begann eine neue Zeit beim preußischen Militär: Soldaten waren nicht mehr nur Befehlsempfänger ohne Stimme und ohne Namen, sondern seit dieser Zeit wurden sie zu Vorbildern gemacht, denen nachgeeifert werden sollte. Der König versprach in der Stiftungsurkunde jedem Soldaten für den eventuellen Kriegstod ein Denkmal, das heißt, die Erwähnung auf einem Denkmal. Zumeist wurde das damals als Tafel in einer Kirche realisiert: Zeugnis der engen Verbindung von Monarchie und Kirche.
Das Eiserne Kreuz wurde sehr häufig als Relief auf Kriegerdenkmälern verwendet. Es steht hierbei als solches symbolisch für die Anerkennung der besonderen ›Vaterlandstreue‹ der gefallenen Soldaten.«
• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, Hamburg, S. 44f
Mehr zur Geschichte des Ordens im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«.
Das Kriegerdenkmal wurde 1884 vom Kriegerverein Klütz den toten Soldaten des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 gewidmet. Mehr dazu im Kapitel »Der Deutsch-Französische Krieg«.
Auf einer weißen Marmortafel mit ausgestellten Ecken lesen wir den Sinnspruch:
Vergesset
die treuen Todten nicht
Er erinnert an die Zeile eines Gedichts von Theodor Körner, die manchmal auf Kriegerdenkmälern zitiert wird – oft mit verstärkendem Ausrufezeichen!
Theodor Körner war ein Dichter zur Zeit der Freiheitskriege. Nach seinem Kriegstod wurde er zur patriotischen Identifikationsfigur für nachfolgende Generationen. Mehr im Kapitel »Theodor Körner«.
Dies ist die letzte Strophe seines Gedichts:
Der Himmel hilft, die Hölle muß uns weichen!
Drauf, wack'res Volk! Drauf! ruft die Freiheit, drauf!
Hoch schlägt dein Herz, hoch wachsen deine Eichen.
Was kümmern dich die Hügel deiner Leichen?
Hoch pflanze da die Freiheitsfahne auf!
Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
In deiner Vorzeit heil'gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Toten nicht und schmücke
Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz!
• Theodor Körner, Leyer und Schwerdt. Berlin, 1814.
Unter dem Sinnspruch und einer mittig gesetzten Linie folgt auf der Denkmalstafel die Widmung:
Seinen gefallenen (im tiefergelegten Zierfeld)
Kameraden gewidmet
vom Kriegerverein
zu Klütz
1884.
»Militärische Vereine spielten früher im gesellschaftlichen Leben eine weit größere Rolle als heute! Geachtet war nur der Mann, der ›gedient‹ hatte. Im Zivilleben konnte man durch die Mitgliedschaft in einem Militärverein am Ansehen, dass der Soldatenstand genoß, weiter teilhaben. So wurden die ›Kriegervereine‹, wie sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts genannt wurden, die mitgliederstärkste Vereinsform in Deutschland. Am Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte ihr Zusammenschluß zum ›Kyffhäuserbund‹. Neben allgemeinen Kriegervereinen bildeten sich Kameradschaften bestimmter Regimenter oder Waffengattungen. [...]
In engem Zusammenhang mit dem Kriegsvereinswesen stehen viele Denkmäler in Stadt und Land: Die Vereine regten ihre Errichtung an, spendeten Geld dafür und marschierten bei ihrer Einweihung auf.«
• Ludwig Arndt, Militärvereine in Norddeutschland, BOD, Werbetext zum Buch, 2008
Die Rückseite des Obelisken. Hier fehlt die Marmorplatte, die tiefergelegte Fläche auf der Hauptsockelfläche, wieder mit ausgestellten Ecken, weist darauf hin, dass es eine gegeben hat.
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Die Tafel zu den Weltkriegen
In der Klützer Kirche St. Marien ist eine Wand dem Gedenken an beide Weltkriege gewidmet. Über den sechs steinernen Namenstafeln sind Metallbuchstaben angebracht:
UNSEREN GEFALLENEN 1914-1918
UND ALLEN OPFERN 1939-1945
»Das sind natürlich Erinnerungen an Menschen, die man lieb hat. [...] Da fällt es schwer zuzugestehen, dass jemand, um den man trauert, einerseits Opfer war – auf jeden Fall Opfer – und auf der anderen Seite auch Teil eines verbrecherischen Regimes war, ob er nun wollte oder nicht. Aber es ist eine Frage der historischen Ehrlichkeit, dass wir uns solchen Fragen stellen.«
• Wolfgang Froese, Stadtarchivar von Gernsbach, Badische Neueste Nachrichten 4.10.2019
Wir vermuten, dass die sechs Namenstafeln ursprünglich Bestandteil eines Kriegergedenkens zum 1. Weltkrieg waren. Die 133 Namen der toten Soldaten sind nach 17 verschiedenen Heimatorten geordnet: Arpshagen, Boltenhagen, Bothmer, Christinenfeld, Gantenbeck, Goldbeck, Grundshagen, Hofzumfelde, Klein-Prantshagen, Klütz, Niederklütz, Oberhof, Oberklütz, Redewisch, Tarnewitz, Tarnewitzerhagen und Wichmannsdorf. Mehr erfahren wir nicht. Einschlägige Quellen ordnen die genannten Soldaten dem 1. Weltkrieg zu.
Wir sehen in diesem Detailfoto die mittig gesetzten Namen und die größeren Versalien der Ortschaften. Einzelne Buchstaben sind eigenwillig, z.B. ist das große »W« ein offenes Quadrat mit einem christlichen Kreuz in der Mitte.
Die erste und die letzte Tafel zeigen am unteren Ende das militärische Ehrenzeichen, ein Eisernes Kreuz in Kontur. Mehr dazu im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«.
Könnte es sein, dass der Zeilenfall bewusst gewählt ist?
UNSEREN GEFALLENEN 1914-1918
UND ALLEN OPFERN 1939-1945
»Unsere Gefallenen« sind die 133 genannten Männer im 1. Weltkrieg. ... »und allen Opfern« meint die Opfer des 2. Weltkriegs? Das st eine durchaus übliche, aber inhaltslose Ergänzung der alten Kriegerdenkmäler. Denn wer ist mit »Opfern« gemeint? Die toten Soldaten der Deutschen Wehrmacht, der SS, der Polizei oder auch die zivilen Opfer, die in den KZs Ermordeten, die verschleppten Zwangsarbeiter:innen, die Opfer der »Euthanasie«-Morde ... womöglich auch die toten Soldaten der von Deutschland überfallenen Länder? Wir erfahren es nicht.
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Das Turnerkreuz
Das Turnerkreuz ist eine graphisch gestaltete Bildmarke, die im Jahr 1844 von dem Kupferstecher und Drucker Johann Heinrich Felsing (1800–1875) aus Darmstadt entwickelt wurde.
Es steht noch heute als Symbol für das Turnen. Das Original-Logo gemäß Deutschem Turner-Bund ist heute immer quadratisch und formt ein achsengleiches griechisches Kreuz. Es besteht aus vier Exemplaren des horizontal und vertikal gespiegelten Buchstabens F in Versalien, die den Turner-Wahlspruch »Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei« aufgreifen.
»Den Spruch in seinen vier Anfangsbuchstaben habe ich zusammengestellt in 4 F. Ich habe sie zum Zeichen vereint, […] sie bilden wie die Turnerschaft – gleiche Kraft, gleiche Form, gleiche Stärke nach allen Seiten, es ist das Viereck überall gleich stark, fest in den vier Ecken stehend, nehmt’s, wie ihr wollt: es ist das F aus dem FF. Vergeßt mir nicht, daß es auch das Christenzeichen ist« schrieb Johann Heinrich Felsing 1846.
Der Spruch steht in seiner Urfassung »Frisch, Frei, Fröhlich, Fromm« an der Giebelseite des letzten Wohnhauses von »Turnvater« Friedrich Ludwig Jahn in Freyburg an der Unstrut, das heute das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum beherbergt.
Jahn hat den Turner-Wahlspruch nicht erfunden, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit einen studentischen Spruch aus dem 16. Jahrhundert übernommen. In seinem Buch »Die deutsche Turnkunst« hat Jahn den Wahlspruch »Frisch, Frei, Fröhlich, Fromm« im Kapitel »Turngesetze« dann gleichsam manifestiert.
Jahn hat sich stets gegen eine Umstellung der vier F-Begriffe gewandt, so zum Beispiel 1846: »In den vier Worten ist die Steigerung unverkennbar, jede Umstellung verändert den Sinn und verschwächt ihn. Der Spruch ist Inschrift eines Ringes um das turnerische Leben. Das Weglassen nur eines Wortes macht den Reifen brüchig. Selbst die Verwandlung des ›fröhlich‹ in ›froh‹ entstellt die Sinnschrift, weil, so nahe verwandt, sich auch beide Worte fügen, froh mehr die innere Stimmung bezeichnet und das Wirkende, fröhlich hingegen das Offenbarwerden in äußerer Erscheinung […], fröhlich muß mitteilen, gemeinsam empfinden […], bedarf der Gesellschaft«.
Dennoch wurde die Aneinanderreihung der vier Begriffe über »Frisch, Fromm, Froh, Frei« zum heute gebräuchlichen »Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei« verändert. 1933 entstand im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 1936 von Berlin eine Diskussion darüber, ob das Turnerkreuz oder die olympischen Ringe für die Olympiade in Berlin Verwendung finden sollten. Die Entscheidung fiel zugunsten der fünf Ringe.
Nach Einführung des Reichsflaggengesetzes vom 15. September 1935 übernahmen alle deutschen Turnvereine das von den Nationalsozialisten gebrauchte Hakenkreuz als einziges Symbol.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fand man auf Vereinsebene sehr rasch wieder zum Turnerkreuz zurück, zumal die historischen Vereinswappen und -fahnen dieses zumeist beinhalteten. Demgegenüber benötigten die Verbände dazu längere Zeit. Beim Deutschen Turnfest in München 1958 fand es in der offiziellen Festzeitung noch keinerlei Verwendung, eine aus diesem Anlass herausgegebene Briefmarke der Deutschen Bundespost griff es hingegen wieder auf.
• Nach Wikipedia, abgerufen am 25. Mai 2018
• Das Turnerkreuz auf dem Kriegerdenkmal in Klütz
Angehörige der Wissenschaftlichen Dienste arbeiten Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu. Lesen Sie hier einen Text aus der Zusammenfassung der Ausarbeitung »Die Entwicklung der Deutschen Turnerschaft von 1933 bis zu ihrer Auslösung 1936« aus dem Jahr 2005:
»Der Deutsche Turner-Bund weist im Rahmen seiner Selbstdarstellung im Internet unter dem Punkt »Turngeschichte beim Turnfest 2005 in Berlin« auf die jüngsten historischen Aufarbeitungsbemühungen hin: »Der Deutsche Turner-Bund hat das internationale Deutsche Turnfest 2005 in Berlin auch zu einer historischen Betrachtung der Turnbewegung genutzt. Schließlich befindet sich die Hasenheide als traditioneller Turnplatz Friedrich Ludwig Jahns, von dem 1811 das Turnen seinen Anfang nahm, mitten in Berlin. Mit Berlin, der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, verbindet sich auch das dunkelste Kapitel der Turnbewegung: die Durchsetzung des ›Arierparagraphen‹ in vorauseilendem Gehorsam durch die Deutsche Turnerschaft. Vor diesem Hintergrund und angesichts der aktuellen Gedenkveranstaltungen um den 8. Mai 2005 zum Kriegsende vor 60 Jahren inklusive der Einweihung des Holocaust-Mahnmals in Berlin eine Woche vor dem Turnfest wollte das Präsidium des Deutschen Turner-Bundes ganz bewusst Zeichen setzen im Umgang mit der Geschichte des eigenen Verbandes.« Auf der wissenschaftlichen Tagung auf dem Turnfest 2005 wies der amtierende Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB), Rainer Brechtken, auch auf die kritische Auseinandersetzung mit der historischen Figur des »Turnvater« Jahns hin: »Wir haben unsere Geschichte aufgearbeitet und sind immer noch dabei, (...) es gibt da für uns keinen Schlussstrich.«
Vollständige Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienst
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Theodor Körner
Carl Theodor Körner, geboren am 23. September 1791 in Dresden; im Gefecht gestorben am 26. August 1813 im Forst von Rosenow bei Gadebusch war ein deutscher Dichter und Dramatiker. Berühmt wurde er vor allem durch seine Lieder in den antinapoleonischen Befreiungskriegen. Nachdem er als »Sänger und Held« im Lützowschen Freikorps gefallen war, wurde er zur patriotischen Identifikationsfigur.
Körners teils stürmische, teils gefühlvolle Lyrik entsprach der ebenso romantischen wie vaterländisch kampfbereiten Gesinnung der Generationen in einem Deutschland, das auch nach den Befreiungskriegen noch lange Zeit in viele Einzelstaaten zersplittert war. Körners Sterben als Lützower Jäger erhob ihn zur vorbildhaften Gestalt. Die glaubwürdige Übereinstimmung von Dichtung und Leben empfahl seine Werke für die Lehrpläne erst des Deutschen Bundes, später des Deutschen Reichs. Körners Gedichte aus seinem Buch »Leyer und Schwert« wurden zum Vorbild für Kriegslyrik späterer Zeit.
Dies ist eine von vielen Propagandapostkarten, die im 1. Weltkrieg gedruckt und verschickt wurden. Ein Soldat verliest vor dramatischer Kulisse das Gebet »Vater ich rufe Dich!« von Theodor Körner:
»Brüllend umwölkt mich der Kampf der Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze,
Lenker der Schlachten ich rufe Dich,
Vater, Du führe mich!
Vater, Du führe mich!
Führ mich zum Siege, führ mich zum Tode!
Herr, ich erkenne Deine Gebote;
Gott, ich erkenne Dich!
Gott, ich erkenne Dich!
So im herbstlichen Rauschen der Blätter, –
Als im Schlachtendonnerwetter, –
Urquell der Gnade erkenn’ ich Dich!
Vater, Du segne mich!
Vater, Du segne mich!
In Deine Hände befehl’ ich mein Leben!
Du kannst es nehmen, Du hast es gegeben!
Zum Leben, zum Sterben segne mich!
Vater, ich preise Dich!
Vater, ich preise Dich!
’s ist ja kein Kampf für die Güter der Erde. –
Das heiligste schützen wir mit dem Schwerte!
Drum fallend und singend preis’ ich Dich!
Gott, Dir ergeb’ ich mich!
Gott, Dir ergeb’ ich mich!
Wenn mich die Donner des Todes begrüßen,
Wenn meine Adern geöffnet fließen: –
Dir, mein Gott, Dir ergeb ich mich!
Vater ich rufe Dich!
Auch die Nationalsozialisten haben Theodor Körner für sich reklamiert. Das Gelände um die Grabstätte Körners und seiner Familie in Wöbbelin wurde 1938 aufwendig zur »nationalen Weihestätte« umgebaut und diente als Kulisse für Aufmärsche und Vereidigungszeremonien. Die Zeile »Das Volk steht auf, der Sturm bricht los« aus dem Gedicht »Männer und Buben« lieferte Joseph Goebbels die Textvorlage für die Phrase »Nun Volk, steh’ auf, und Sturm, brich los!«, das Finale der Sportpalastrede.
Nach 1945 wurde Theodor Körner in der BRD kritisch beleuchtet, in der DDR wurde er hingegen als patriotischer »Heldendichter« verehrt. Im 21. Jahrhundert werden ihm von Rechtsradikalen Verse unterschoben, die er nie geschrieben hat: »Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, / vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. / Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, / dann richtet das Volk und es gnade euch Gott.« Dieser Spruch wird über das Internet verbreitet und u. a. bei Kundgebungen und Demonstrationen der Pegida eingesetzt. Am 23. September 2016 publizierte »Der Flügel«, eine von Björn Höcke geführte AfD-nahe Gruppierung, Körners Satz »Das Volk steht auf, der Sturm bricht los« fälschlicherweise mit dem obigen Spruch.
• Text nach Wikipedia, abgerufen am 28. November 2018
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Der Deutsch-Französische Krieg
... war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits.
Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. die französischen Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.
Von den großen Schlachten gingen im gesamten Kriegsverlauf alle für Frankreich verloren oder endeten im Patt. Im Februar 1871 fand sich die französische Regierung, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit.
Noch während Paris von deutschen Truppen belagert wurde, proklamierten die deutschen Fürsten und Vertreter der Freien Städte am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser, eine Demütigung für die Franzosen. Hohe Reparationszahlungen und vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich.
• Die Kaiserproklamation in Versailles, Wandgemälde von Anton von Werner für die Ruhmeshalle Berlin. 1944 wurde es nach einem Bombentreffer zerstört.
»Die Deutung der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Versailler Spiegelsaal als Demütigung Frankreichs gehörte ebenso zum erinnerungspolitischen Konzept des im Kaiserreich vereinten Deutschland wie die alljährliche Zeremonie des Sedantages, an dem der entscheidende Sieg vom 2. September 1870 gefeiert wurde. Doch jede Demütigung zieht die nächste nach sich, und so muss es kaum verwundern, dass Frankreich im Sommer 1919 nach Beendigung des Ersten Weltkrieges seinen Sieg über Deutschland ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles auskostete. Es gehört sicherlich zu den grössten Verdiensten Charles de Gaulles, dass er nach 1945 kein «drittes Versailles» folgen liess, sondern mit dem Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 die Kette gegenseitiger Demütigungen durchbrach.«
• Der Historiker Clemens Klünemann in Neue Zürcher Zeitung, 9.1.21
Mehr auf www.bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung
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Die deutsche Eiche
Eichenlaub ist in der militärischen Symbolsprache ein Zeichen hoher Ehre. Darum findet man es oft auf Orden, z.B. auf dem Ritterkreuz in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie kam es zu dieser Symbolkraft?
Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.
Mit der Nationalromantik des 19. Jahrhunderts, mit der Deutschen Revolution 1848/1849 und der Reichsgründung 1871, die das Gefühl nationaler Einheit bestärkten, zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen und dergleichen dient Eichenlaub in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches bzw. der Lorbeerkranz.
• Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019
»Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«
• Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525
»Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«
• Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de
Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0
Eichenlaub als höchste Zier: SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Theodor Eicke im Jahr 1942.
»Eichenlaub« war ab 1999 ein rechtsextremes Liedermacher-Duo aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes.
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Das Eiserne Kreuz
Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.
Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu d e m deutschen Orden.
• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.
Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.
Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle ...
... oder als Statement am Auto und ganz aktuell: Die Redaktion des SPIEGEL illustriert den Titel Nr.50 / 10.12.2022 zur Razzia bei »Reichsbürgern« und »Querdenkern«, denen vorgeworfen wird, einen Staatsstreich geplant zu haben, mit einem Eisernen Kreuz:
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