I N H A L T
• Das Denkmal
• Für das Vaterland gefallene Helden
• Noch mehr Gedenktafeln
• »Für uns!«
• Die Schmuckelemente der Wände
• »Christus« von Thorvaldsen
• St. Nicolai in der Röbler Neustadt
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Röbel/Müritz
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte
St. Nikolai ist eine gotische Kirche im Stadtkern von Röbel. In einer Seitenkapelle wurde (von der Stadt Röbel finanziert, die Kirche stellte nur den Raum) nach dem 1. Weltkrieg ein »Gedächtnisraum« eingerichtet, der dann aber in späteren Jahren eher als Abstellkammer benutzt wurde. 2006 begann ein Verein von Röbler Bürgern mit der Restaurierung des Raums.
»Die Gedenkstätten sind ausnahmslos Ausdruck des Bedürfnisses, das Gedenken an den Tod der Soldaten zu sakralisieren, also zu etwas Heiligem zu stilisieren. In Form von Kreuzen, Säulen, Räumen der Stille oder Plastiken wird nicht der Tod, sondern der vorgebliche Sinn dieses Todes dargestellt [...]
Die Sakralisierung schirmt die Gedenkorte auch gegen Widerspruch ab, denn wer würde in einem Raum der Stille oder vor einem Kreuz laut protestieren? Die Ent-Profanisierung beschützt den Tod der Soldaten besonders vor Ansprüchen der Überlebenden. Obwohl diese im Einsatz eine Gruppe bildeten, grenzen die Denkmäler die Toten von den Versehrten ab. Nur wer starb, wird in Inschriften und auf Tafeln geehrt, wer überlebte nicht. [...] Psychische Krankheiten, lebenslange körperliche Schäden, Schwierigkeiten bei der beruflichen Widereingliederung ließen sich mit der Sakralisierung des Gedenkens nicht in Einklang bringen.«
• Clemens Tangerding, Für Deutschland gestorben, Beitrag des Deutschlandfunks vom 18.11.2012
Die Wände sind im unteren Bereich mit Sandsteinplatten kunstvoll und aufwändig verkleidet. Sie sind mit Namen und Jahreszahlen (bis 1920) beschriftet und tragen als Schmuckelemente Reliefs eines antiken Soldatenhelms, ein gesenktes Kurzschwert auf einem Strahlenkranz und bronzene Kappen mit je vier brennenden Herzen. Oberhalb der großen Platten zieht sich ein Fries durch den gesamten Raum. Dort sind wiederum Gruppen von insgesamt 143 Namen, getrennt von den Jahreszahlen des 1. Weltkriegs, zu lesen.

In der Mitte des Raums steht ein Steinblock in Form eines Sarkophags, auf dem mit Bronzebuchstaben die Inschrift angebracht ist:
Die Stadt Röbel u die vereinigt Kirchengemeinden v St Marien u St Nicolai ihren im Weltkriege für das Vaterland gefallenen Helden
Darunter sind ein Blumenkorb und rechts und links je ein Füllhorn im Relief herausgearbeitet worden. Rechts und links neben dem Sarkophag liegt je eine Kanonenkugel, davor steht zu den Öffnungszeiten eine brennende Kerze. Auf dem Sarkophag steht jetzt eine segnende Christusfigur nach dem bekannten Entwurf Bertel Thorvaldsen (siehe weiter unten). Auf früheren Fotos kann man sehen, dass die Christusfigur erst vor einigen Jahren wieder dort hinauf gestellt wurde, vorher lagen nur die Kananenkugeln auf dem Sarkophag, die Figur stand auf dem breiten ersten Sockel und davor ein Taufbecken mit Spendenbox. 2006 hat der Verein von Röblern begonnen, den als Abstellkammer benutzten Raum aufzuräumen. Eine Nachbargemeinde erhielt das dort abgestellte Taufbecken, die Christusfigur, die wohl zu ihrem Schutz auf den Boden gestellt worden war, wurde wieder auf den Sarkophag gehoben. Danach begann die Wiederherstellung des Raums unter der Leitung der Diplom-Restauratorin Bettina Strauß, die zuvor schon für den Kirchenraum zuständig gewesen war. Ab 2010 ist der Raum nun wieder in seinem ursprünglichen Zustand zu sehen. Ein Erinnerungsbuch für toten Soldaten des 2. Weltkriegs, alle anderen Röbler, die im Krieg ums Leben gekommen sind und die Röbler, die im benachbarten Kriegsgefangenenlager Stalag IIA auf dem Gelände des Gutes Fünfeichen ermordet worden sind und verschiedene Tafeln zum 1. Weltkrieg aus anderen Kirchen, auch aus der älteren Stadtkirche St. Marien, sind dazu gekommen.
In dem Gewölbebogen auf der linken Seite steht die Aufschrift:
Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßet für seine Freunde. Joh. 15, vers 13.
Hier wird zitiert aus der Abschiedsrede des letzten Abendmahls. Zitat und Figur auf dem Sarkophag zeigen den gewünschten Bezug vom Opfertod Christi zum Kriegstod der Soldaten.
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Für das Vaterland gefallene Helden
»Wenn in den Inschriften explizit erwähnt wird, für was die Soldaten gestorben sind, ist es in den häufigsten Fällen das »Vaterland«. Die Verwendung dieses Begriffes war nach dem Ersten Weltkrieg meist mit einer nationalistischen Haltung verbunden: das deutsche Vaterland, mit dem die eigene Identität untrennbar verknüpft ist, und nur das deutsche Vaterland stellt höchsten Wert dar. Dass dieses ›Vaterland‹ aus dem Streben nach europäischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet.«
• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg
»›Gefallenendenkmal‹ verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort.«
• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.22
»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.
Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«
• Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S. 100
»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«
• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S.89
»Keine neue Gedenktafel relativiert den sträflichen Unfug von ›Ehre‹, ›Heldentod‹ und ›Vaterland‹, kein Schaukasten erläutert, dass ein ›heiliger Kampf‹ niemals der für Kolonien, Absatzmärkte, Macht, Einflusssphären oder Rohstoffe sein kann, sondern [...] nur der für Gott und seine Liebesbotschaft, für die Zuneigung zum Nächsten und den Frieden in der Welt; dass also ein christlicher Kampf genau das Gegenteil von dem ist, was damals über Europa gebracht wurde.«
• kommunal.blogspot.de / Region Aschaffenburg-Miltenberg
»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«
• Kurt Tucholsky
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Noch mehr Gedenktafeln
Im Gedächnisraum stehen noch diverse andere Gedenktafeln. Diese besonders aufwändig dekorierte aus Holz wollen wir hier noch zeigen:
Das kunstvoll geschnitzte Werk enthält über allem thronend die Kaiserkrone und darunter im Wappen die Aufschrift »Für uns!«, geraffte Vorhänge, jede Menge Kordeln und Quasten, Fahnen mit speerartigen Stangen, Lorbeerzweige usw.
Auf der Schriftplatte stehen 48 Namen von getöteten Soldaten geordnet nach Sterbejahr im 1. Weltkrieg, dahintergesetzt ist jeweils der abgekürzte Herkunftsort und der Sterbetag.

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»Für Uns!«
Fern im Osten gähnt ein Grab
Fern, fern im Osten, da gähnt ein Grab
da senkt man zu tausend die Toten hinab
für uns!
Im Westen, da ragt manch Kreuz schlicht und klein
da liegen sie stumm in langen Reih’n
für uns
Und wo im Winde rauschet das Meer
da gaben sie freudig ihr Leben her
für uns
Sie opferten Zukunft und Jugendglück
sie kehren nie wieder zur Heimat zurück
für uns
Sie gaben ihr Alles, ihr Leben, ihr Blut
sie gaben es hin mit heiligem Mut
für uns
Und wir? wir können nur weinen und beten
für sie, die da liegen bleich, blutig, zertreten
für uns
Denn es gibt kein Wort, für das Opfer zu danken
und es gibt keinen Dank für sie, die da sanken
für uns
• Neue Kriegslieder für den Schulgebrauch, Breslau 1916 , herausgegeben von Kreisschulinspektor Dr. J. Radtke. Bei einer Schulfeier für den im Osten gefallenen Lehrer eines Charlottenburger Gymnasiums wurde dieses Gedicht 1915 erstmals vorgetragen. Der Obertertianer Reinhold Samuelsohn hat es verfasst.
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Die Schmuckelemente der wände

• Antiker Soldatenhelm
»Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. [...] Die ersten 30 000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.
Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.
Der Historiker Jürgen Kraus macht drei vorherrschende semantische Felder aus, die dem Stahlhelm in diesem propagandistischen Zusammenhang [...] zugeordnet werden können. Zum einen hoben die Kriegsanleiheplakate den einzelnen Soldaten aus dem »massenhaften Elend der Materialschlachten« heraus, der nun »gleichermaßen geschützt wie heroisiert durch den neuen Stahlhelm siegessicher als Heldenfigur auf den Plakaten erschien.« [...]
Ein zweites semantisches Feld ergab sich besonders in der zweiten Kriegshälfte aus »der Vorstellung der ›stählernen‹ Schutzwirkung des Stahlhelms«, die nahe legte, daß der so behelmte Soldat an der Front imstande war, dem permanenten Beschuß durch den übermächtigen Feind, dem ›Stahlgewitter‹, standzuhalten und damit ein Vorbild für den Durchhaltewillen an der Front und auch in der Heimat zu sein.
Das dritte semantische Feld folgt laut Kraus schließlich aus der großen formalen Ähnlichkeit des neuen Stahlhelms mit typischen Helmformen des Mittelalters. [...] Indem der Träger des Stahlhelms so in die Nähe der historischen Gestalt des Ritters »als Repräsentant des deutschen Heeres« gerückt wurde, was auf zahlreichen Plakaten der Zeit in vielfältiger Weise geschah, konnte er als überzeitlicher »Kämpfer für Deutschland« stilisiert werden, der »ganz wie seine Vorkämpfer über die Jahrhunderte hinweg Unheil von Deutschland abzuwehren bestimmt war.«
• Aus Kriegsvolkskunde, Gottfried Korff (Hg.), Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V., 2005, S.130f

• Gesenktes Bajonett im Strahlenkranz

• Bronzekappe, bestehend aus der Darstellung eines undifferenziert gestalteten Militärordens mit vier brennenden Herzen in den Zwischenräumen.
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»christus« von Thorvaldsen
»Christus« ist eine klassizistische Statue von Bertel Thorvaldsen (1770–1844). Die Statue aus Carrara-Marmor stellt den auferstandenen Jesus Christus dar. Seit ihrer Fertigstellung 1838 steht sie in der Frauenkirche, der Domkirche des Bistums Kopenhagen, in Dänemark. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde sie in ganz Europa populär und vielfach kopiert.

Foto: Ib Rasmussen / Wikimedia Commons
Die Originalstatue im Dom von Kopenhagen ist 3,20 Meter hoch
Die Kopenhagener Domkirche war zusammen mit großen Teilen der Stadt beim Bombardement Kopenhagens 1807 zerstört worden. Der klassizistische Neubau wurde 1817 begonnen und war 1829 vollendet. Thorvaldsen wurde beauftragt, für den neuen Dom Statuen von Jesus und den Aposteln anzufertigen. Die Statue von Jesus wurde 1821 fertig. Der Habitus erinnert an Darstellungen der Schutzmantelmadonna. Der Gestus ist der des zum Himmel auffahrenden Christus, der die zurückbleibenden Jünger mit ihnen zugewandten Händen segnet. Diese Darstellung erlangte im 19. Jahrhundert in ganz Europa Berühmtheit. 1896 bezeichnete ein amerikanischer Schriftsteller sie als die »perfekteste Statue von Christus in der Welt«.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kam die Figur in kirchlichen Kreisen in Mode. Viele Pfarrer hatten damals kleine Repliken in ihren Amtszimmern stehen. Die Figur war auch als Grabdenkmal beliebt. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage benutzt das Bild des Christus auf seiner Homepage und in anderen offiziellen Publikationen.

Foto: Wikimedia Commons
Das Motiv wurde auch für das australische Werbeposter von David Henry Souter (1862–1935) zur Rekrutierung von Krankenschwestern für den Einsatz im 1. Weltkrieg verwendet.
• nach Wikipedia, abgerufen am 21. September 2020
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St. Nicolai in der Röbler Neustadt

Foto: Christian Pagenkopf/Wikimedia Commons
Die Kirche wurde zwischen 1270 und 1290 geweiht, im 19. Jahrhundert wurde sie umfassend restauriert. Ausbau und Renovierung von St. Nicolai sind stets 20-40 Jahre nach der Marienkirche in der Altstadt erfolgt, in allem jedoch repräsentativer, wie es dem Selbstverständnis der Bürger in der Neustadt entsprach. So auch der massige Turm, der zur Zeit der Raubritterkriege im 15. Jahrhundert nicht zuletzt auch als Wehr- und Wachturm erbaut wurde. Die im Jahr 2000 freigelegten Wandmalereien wurden dokumentiert und dann wieder mit weißer Farbe übertüncht.

Das vierstufige Südportal erhält – wie beim Höhendrang der gotischen Architektur üblich – durch eine giebelartige Bekrönung, einen sogenannten Wimperg, durch Strebepfeiler und Türmchen, ein zum Himmel strebendes Aussehen.
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