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AKTUELL
2025: Das Projekt »Steinerne Zeugen« macht die jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein sichtbar.
Jüdische Begräbnisstätten haben eine besondere Bedeutung, denn sie sind Teil des Lebens und auf Dauer angelegt: Beit Olam – Haus der Ewigkeit. Sie sind oft die einzig sichtbare Erinnerung an die jüdische Geschichte des Ortes. Das NS-Regime schändete fast alle jüdischen Friedhöfe, konnte sie aber oft nicht vollständig zerstören, und so gibt es noch mehr als 2000 jüdische Friedhöfe in Deutschland.
Ziel eines neuen Projekts der jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein mit dem Historischen Seminar der CAU, der Christian-Albrecht-Universität Kiel, ist es, alle 21 jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein mit Informationstafeln auszustatten, die über die Bedeutung der Friedhöfe und ihre Geschichte, aber auch über die beim Besuch eines jüdischen Friedhofs einzuhaltenden Regeln informieren. Vertiefende Informationen zur jüdischen Bestattungskultur oder zur Geschichte der ehemaligen und heutigen jüdischen Gemeinden sollen per QR-Codes über die Homepages der jüdischen Landesverbände und Gemeinden bereitgestellt werden.
Unter der Leitung des Historikers Helge-Fabien Hertz haben zwölf Studierende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel einheitliche Informationstafeln für die Friedhöfe erstellt.

Am 22. Mai wurde die Tafel am jüdischen Friedhof in Eutin eingeweiht.

Von links: Dr. Gerhard Ulrich, bis 2019 Landesbischof der Nordkirche, heute Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus des Landes Schleswig-Holstein; Dietrich Mau, Regionalforscher; Bürgervorsteherin von Eutin Elgin Lohse; Projektleiter Dr. Helge-Fabien Hertz und David Gutzeit, projektbegleitender Student der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist Autor der Texte zum jüdischen Friedhof Eutin.
Dietrich Mau verlas die Grußworte der Familie Markovits, Nachkommen des Friedhofgründers Nathan Nachmann Nathan ...

Grußwort seiner Nachkommen
... und der Familie Lewitt, Nachkommen von Hynek Lewitt.

Grußwort seiner Nachkommen
Projektleiter Hertz ist auch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Salomon Ludwig-Steinheim-Institut für deutschjüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Seit 2022 leitet er zudem das Projekt Net Olam, das sich mit Schändungen jüdischer Friedhöfe in Deutschland beschäftigt. Seit 1945 seien rund 3000 solcher Taten erfasst worden. »Daran dürfen wir uns nie gewöhnen. So wurde in Absprache mit den jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein klar: Wir wollen die Sichtbarkeit der Friedhöfe erhöhen«, sagte er in seiner Rede.
Der jüdische Friedhof in Eutin ist weiter unten im letzten Kapitel dokumentiert – schwerpunktmäßig mit der Geschichte von fünf 1945 hier beigesetzten weiblichen jüdischen KZ-Häftlingen aus Ungarn und Rumänien.
Dietrich Mau und Alfred Grüter haben 2025 eine neue Untersuchung zum Tod der fünf Frauen veröffentlicht: »Cap-Arcona-auf-Schienen: Zum Gedenken an die Tragödie vom 2. Mai 1945 vor Eutin«.
Download »Cap-Arcona-auf-Schienen«
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Aktuell
2025: Die Ausstellung »Gegen das Vergessen«
von Schüler:innen der Beruflichen Schule Eutin
Im Schuljahr 2023/24 wurde eine AG gegründet, die sich in jedem Schuljahr wieder neu aus interessierten Schüler:innen zusammensetzt. Dazu die Schule: »Die Zunahme von rechtsradikalen und verfassungsfeindlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft in jüngster Zeit hat uns dazu bewogen, eine AG zur Erinnerungskultur mit dem Schwerpunkt auf die Opfer des Nationalsozialismus ins Leben zu rufen. Unsere Motivation war und ist, der allgemein gesellschaftlichen und politischen Gleichgültigkeit im Hinblick auf Diskriminierung und Rassismus entgegenzuwirken. Ziel ist es, alle für unsere Demokratie zu sensibilisieren, zu leben und zu verteidigen. Der Blick zurück soll die gesellschaftsverändernden und verheerenden Folgen von alternativen Staatsformen aufzeigen und der Geschichtsvergessenheit entgegenwirken.«
Im letzten Jahr hat die AG vor allem zu Einzelschicksalen von Diskrimnierung geforscht, Plakate erstellt und diese veröffentlicht. Diese AG wurde in Berlin von der Stiftung Bildung ausgezeichnet. Die Schüler:innen berichten: »Während der Veranstaltung im Stiftungsforum am Brandenburger Tor wurde unser Projekt mit einem ›Pokal‹ und einer gerahmten Urkunde ausgezeichnet. Die Schirmherrin, Elke Büdenbender, fand anerkennende und freundliche Grußworte für das Engagement der Schülerinnen und Schüler bundesweit. Jedes Projekt wurde im Verlauf kurz vorgestellt. Diese Auszeichnung gibt uns Rückenwind für unser neu gestartetes Projekt, welches sich mit den ›Grenzen der Menschlichkeit‹ beschäftigt.«
In diesem Jahr arbeitete die AG zu den Themen: Todesmarsch, Cap Arcona-›Katastrophe‹, Konzentrationslager in Eutin ...
• Die Schüler:innen bei der Recherche im Eutiner Stadtarchiv. Diese Arbeit ist aktuell in der Kreisbibliothek Eutin zu sehen.
Herzlichen Dank, dass wir Eure Ausstellungstafeln zum Download zur Verfügung stellen dürfen. Dem Leitgedanke der politisch-historischen Bildung »Grabe, wo Du stehst!« seid Ihr perfekt gefolgt!
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I N H A L T
• Das Denkmal
• Die Baugeschichte
• Die Einweihung
• In späteren Jahren
• Bischof Wilhelm Kieckbusch
• Volkstrauertag 2019
• Volkstrauertag 2015
• Das Eiserne Kreuz
• »Sie starben für uns«
• Der neue, alte Brunnen
• Gedenkstein des Bund der Vertriebenen
• Der jüdische Friedhof
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Eutin, Kreis Ostholstein
Am Kreisverkehr beim Schlossgarten
Die große Anlage aus Quadermauerwerk mit Akzenten aus Ziegelsteinen im expressionistischen Stil ist den toten Soldaten beider Weltkriege gewidmet. 1928, im Jahr der Einweihung, wird sie in einem Bericht der Vaterstädtischen Blätter aus Lübeck »festungsartig anmutender Ehrenhof« genannt.

Viel Schmiedekunst sehen wir bei einem Besuch der Anlage. Die Eingangspforte zeigt als zentrales Element ein Eisernes Kreuz.
Vier Stufen führen zur zentralen Steinquadermauer mit sieben Nischen für die Namenstafeln der toten Soldaten.

Über den Nischen ist das schwer lesbare Motto in aufgesetzten Metallbuchstaben angebracht:
SIE STARBEN FÜR UNS – SIE LEBEN IN UNSEREN HERZEN
1914 – 18

Die Nischen haben oben sechseckige Durchbrüche, die mit unterschiedlich gestalteten Metallgittern verziert sind.

Sie zeigen allerlei Symbole, auch christliche wie verschiedene Kreuzformen und einen Abendmahlskelch.

Auf der Widmungstafel in der Mitte der Mauer sehen wir oben ein Eisernes Kreuz in der Variante der Kaiserzeit mit Krone, »W« für Wilhelm II. und 1914 für das Stiftungsjahr des Ordens, flankiert von Eichen- und Lorbeerlaub. Es folgt die Widmung, mittig gesetzt:
DEN GEFALLENEN
DES
EUTINER (III.) BATAILLONS
INF. REGTS. LÜBECK (3. HANSEAT.)
Nr. 162.
Danach werden die Orte von 14 Schlachten aufgezählt, in gleicher Zeile getrennt durch einen Stern.
Neun haben in Frankreich stattgefunden, auch die Schlacht auf der Gieslerhöhe, fünf in Belgien (Flandern).

»Gieslerhöhe« hieß bis in die 60er Jahre auch eine Eutiner Cafe-Pension im Seeschaarwald. Die Bürgergemeinschaft Eutin e.V. schreibt dazu auf ihrer Website: »Wie mögen sich ›unsere Jungens‹ gefühlt haben, die mit ›Gieslers Höh’‹ einen landschaftlich wunderschön gelegenen Ausflugspunkt am Nordhang des Großen Eutiner Sees verbinden. Wie oft werden Erinnerungen an einen warmen Sommertag, an ein Picknick oder auch an den ersten Kuss wohl die Gedanken und Gespräche beflügelt haben, inmitten von Geschützdonner, Nässe, Kälte und unvorstellbarer Grausamkeit.«
Zurück zur Denkmalstafel, denn nach den Schlachtenorten folgt noch das Wappen des Bataillons Nr. 162, wieder flankiert von Eichen- und Lorbeerlaub.

Die sechs weiteren Metalltafeln in den Nischen tragen die Namen der toten Soldaten der Stadt- und Landgemeinde Eutin, Bockholt, Braak, Fissau, Gothendorf, Klenzau, Majenfelde, Meinsdorf, Neudorf, Quisdorf, Sagau, Stendorf, Sibbersdorf, Griebel-Vinzier und Zarnekau. Es werden Vor- und Familiennamen genannt, innerhalb der Heimatorte sind sie alphabetisch geordnet.
Auf der hier gezeigten Namenstafel stehen auch die toten Soldaten aus Neudorf, zwei davon hießen Drückhammer. Dieser Name taucht weiter unten in der Baugeschichte wieder auf.

1953 wird vor der Wand ein Sandsteindenkmal, einem Sarkophag ähnlich, aufgestellt mit der Inschrift:
Den Opfern des Zweiten Welt Krieges

Auch die Seitenwände haben über Sitzbänken verzierte Nischen. Der Zahn der Zeit ist nicht zu übersehen.

Die abgeschrägten Mauerflügel an beiden Seiten haben jeweils eine Gittertür, die in den Schloßpark führen.

Bei unserem letzten Besuch im Frühjahr 2021 war die Eingangspforte verschwunden.
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Die Baugeschichte
Am 12. Juni 1916 beschloß das Innenministerium Oldenburg einen Erlass zur Anlage von »Ehrenhainen«. Der Eutiner Gemeinderat setzte daraufhin eine städtische Kommission ein. Mitglieder waren: Krützfeld, Niesen, Kohler und Heger. Der Vorstand der Landgemeinde erklärte sich am 30. November 1916 mit einer gemeinsamen Kommission einverstanden.
1922 wurde entschieden, dass das ursprünglich vorgesehene Gelände am kleinen Eutiner See für das Krankenhaus gebraucht wird. Der neue Vorschlag lautete Dreiecksplatz Weberstraße/Oldenburger Landstraße.
Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben und ein Preisgericht, bestehend aus: Oberbaurat Virck, Baurat Meyer, Architekt Klücher, Geheimrat Springer, Rose oder auch Raue, Bürgermeister Mahlstedt, bestimmt.
20 Entwürfe wurden eingereicht, davon kamen sechs in die engere Wahl. Der erste Preis ging schließlich im August 1923 an die »Trauernden mit Sturmhelm und Brustpanzer« des Berliner Bildhauers Ernst Gorsemann*. Er hatte im August 1922 Lisbeth Drückhammer geheiratet, war nun Schwiegersohn des Neudorfer Hofbesitzers F. Drückhammer und hatte darum einen Verbindung zu Eutin.
Die vereinten Eutiner Kriegerverbände baten die Stadt nun dringend, endlich eine Ehrenstätte zu errichten. Vom 28. Juni 1923 bis 1. Juli 1924 fanden darum Haussammlungen zur Finanzierung des Bauwerkes statt.
Es begann ein umfangreicher Schriftwechsel mit Ernst Gorsemann. Er bedankte sich und wollte mit einem Tonmodell und Kostenvoranschlägen nach Eutin kommen. Im September 1923 ging der Kostenvoranschlag eines Steinmetzes aus Berlin über 6.750 Friedensmark, ohne Transport und Aufbau, in Eutin ein. Bürgermeister Mahlstedt fragte Gorsemann, ob er damit einverstanden sei, dass die Steinmetzarbeiten in Eutin ausgeführt würden. Gorsemann forderte einen Abschlag für die weitere Arbeit, er könne sich für das Preisgeld gerade »ein Brot« kaufen. Das Modell in 1:1 Größe ließ jedoch auf sich warten ...
Am 12. Februar 1924 bat der Bürgerbund die Kommission, den Beschluss zugunsten der Gorsemannschen Frauengestalt zu überprüfen. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht ein anderer Entwurf und ein anderer Aufstellungsort gewählt werden sollte, da die jetzige Planung dem Wunsch der Bevölkerung nicht mehr entspräche.
Im Sommer 1927 wurden Findlinge aus dem Kuhlbusch von der Regierung zur Verfügung gestellt.
Der Entwurf von Gorsemann war zwischenzeitlich verworfen worden, und bereits im Herbst verhandelte der Denkmalausschuss mit dem Malenter Architekten Alfred Schulze. Am 24. November 1927 wurden seine Pläne veröffentlicht.

Am 27. Dezember 1927 beschloß der Stadtrat einstimmig, das Ehrenmal am Schlossgarten zu errichten und aus städtischen Mitteln 3000 Mark zur Verfügung zu stellen.
Das Ehrenmal wurde am 30. Juni 1928 eingeweiht.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde wieder Kontakt zu Alfred Schulze aufgenommen, um »ein Ehrenmal für die Opfer des Krieges und zwar für die Kriegsopfer in ihrer Gesamtheit« zu schaffen. Am 29. September 1953 billigte der Magistrat den Entwurf von Schulze und an Stelle des Springbrunnens wurde ein Stein, einem Sarkophag ähnlich, aufgestellt.
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* Gorsemann (15. Februar 1886 - 19. Juli 1960) war Professor der Nordischen Kunstschule in Bremen, der einzigen Kunsthochschulgründung während des »Dritten Reichs«. Besonders seine Werke aus dieser Zeit stehen immer wieder in der öffentlichen Kritik. Bekannt ist das Kriegerdenkmal auf der Altmannshöhe in Bremen (1934/35). Gegenwärtig ist die Anlage gesperrt, am Eingang ist eine ausführliche Informationstafel angebracht. Sie endet mit dem Satz »Im nationalsozialistischen Bremen wurde das Denkmal zu einem Ort für Massenveranstaltungen im ideologischen und propagandistischen Sinn der damaligen Machthaber.«
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Die Einweihung
Am 30. Juni und 1. Juli 1928 versammelten sich Mitglieder des ehemaligen Regiments Lübeck Nr. 162 und des früher in Eutin stationierten 3. Bataillons der 162er zum 3. Regimentstag des 162er-Bundes. Während des Zusammentreffens wurde zusammen mit der Eutiner Bevölkerung die neue Denkmalsanlage am Schloßpark eingeweiht.

• Am 30. Juni 1928 mit Pastor Harms
Wir danken Regine Jepp von der Bürgergemeinschaft Eutin e.V., dass wir einige Fotos und Texte von der Website des Vereins übernehmen durften.
www.bg-eutin.de
Am 8. Juli 1928 berichten die Vaterstädtischen Blätter aus Lübeck auf der Titelseite über den neuen »Ehrenhof«:
»Ein Quadermauerwerk umgibt einen Ehrenhof, an dessen ausgedehnter rückseitiger Wand sieben Tafeln mit den Namen der Gefallenen des Eutiner Truppenteils und die Gefechts= und Schlachtorte enthält, an denen er beteiligt war. Inmitten des Ehrenhofes ein laufender Brunnen, gleichsam ein Symbol frisch sprudelnden Lebens an dieser Stelle des Gedenkens, an jene, von denen die Inschrift sagt: ›Sie starben für uns, sie l e b e n in unserm Herzen‹. Zwei Trauerbirken im Innern des festungsartig anmutenden Ehrenhofes heben sich mit ihrem hellen Grün von dem Dunkel der gewaltigen Eiche ab, die von außen und oben her in den Hof hineinblickt und dem Ganzen den naturschönen Hintergrund gibt.

In den Außenmauern befinden sich schöne Schmiedearbeiten, die Symbole des Christentums, Anker, Herz und Kelch: Glaube, Liebe, Hoffnung versinnbildlichend. Das vortreffliche Ehrenmal wird eine Wallfahrtstätte für Viele sein, die ihr Vaterland lieben und es nach Außen und Innen in alter Stärke wiedersehen möchten.«
Aus diesem Text, wie auch aus dem Motto der Anlage: »Sie starben für uns, sie l e b e n in unserm Herzen«, spricht der Revanchismus der Zeit. Nach der militärischen Niederlage im 1. Weltkrieg galten die Soldaten als »im Felde unbesiegt«. Auf den Kriegerdenkmälern wurden darum Heldentum und Wehrhaftigkeit der nächsten Soldatengeneration, dem neuen Leben, beschworen, um den »schmachvollen« Frieden von Versailles zu rächen.
Der Versailler Vertrag erklärt vom Deutschen Historischen Museum
Der letzte Satz nimmt Bezug auf die »Dolchstoßlegende«, eine Verschwörungstheorie der damaligen politisch Rechten, die besagt, dass der Krieg durch äußere und innere Feinde, nämlich durch linke politische Agitation, Streiks und Sabotagen verloren wurde. 1928, im Jahr der Einweihung des Denkmals, hatte die »Legende« schon eine sich immer radikaler entwickelnde antisemitische Richtung angenommen.
Die »Dolchstoßlegende« erklärt vom Deutschen Historischen Museum
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In Späteren Jahren


1942: Aufmarsch an der Gedenkstätte

Die Gedenkstätte war mit einem Springbrunnen vor der zentralen Wand erbaut worden. 1953 wurde er entfernt und der Stein für die Toten des 2. Weltkriegs wurde aufgestellt.
Foto: LKAK 91.0 Nr. 5629
Bischof Wilhelm Kieckbusch bei einer Ansprache am Kriegerdenkmal nach 1953. Jetzt steht schon der sarkophagähnliche Gedenkstein zum 2. Weltkrieg vor der Quadersteinmauer.
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Bischof Wilhelm Kieckbusch
Hansjörg Buss schreibt in seinem Aufsatz »Die ›Ära Kieckbusch‹ (1930 - 1976)« zur Einführung Wilhelm Kieckbuschs als Hauptpastor in Eutin:
»Der veränderte Umgang der Landeskirche gegenüber der NSDAP zeigte sich augenfällig bereits bei der Einführung Kieckbuschs als Hauptpastor knapp zwei Wochen nach den Reichstagswahlen vom 14. September 1930, die den politischen Durchbruch der Nationalsozialisten auf Reichsebene bedeuteten. Erstmals nahmen Mitglieder der NSDAP mit Hakenkreuzfahne und in brauner Uniform am Gottesdienst teil, die – so der sozialdemokratische ›Lübecker Volksbote‹ – ›dem geistlichen Herrn noch eine Huldigung darbrachten. Auch das Blasen der Posaunenchöre wurde in den Pausen durch den Gesang der Hitlerschen vervollständigt.‹ Diese positive Haltung setzte sich mit der Teilnahme an und der aktiven Gestaltung von Feierlichkeiten der NSDAP und ihrer Gliedorganisationen, vor allem aber durch die Zusammenarbeit mit dem Stahlhelm und der NSDAP im Winterhilfswerk und dem Freiwilligen Arbeitsdienst fort (Lawrence D. Stokes, Kleinstadt und Nationalsozialismus, S. 637).
• Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, AKENS 44, S.9
Auszug aus der Festansprache Kieckbuschs zum 450. Geburtstags Martin Luthers im November 1933:
»Der November 1933 mit seinem herrlichen Bekenntnis heute und für alle Zeit zum 3. Reich und damit für Heimat, Volk und Vaterland möge auch dafür sorgen, dass der Glaube nicht zu kurz kommt. Nach den schweren Novembertagen 1918, als unser Heer unbesiegt, aber doch entwaffnet zurückkehrte, da mussten wir uns unter der Not der Nachkriegszeit beugen, und nicht nur der wirtschaftliche Niedergang, sondern auch Gemeinheit, Charakterlosigkeit und sittlich-religiöse Not kamen zum Ausdruck. Internationale Gedanken und Liebäugelei mit den Feinden wurden in uns wachgerufen. Da kam endlich der November 1933 mit seiner unvergeßlichen, wunderbaren Wendung, die uns die Führung durch den durch Gott begnadeten Kanzler Adolf Hitler brachte, der mit seiner zündenden Persönlichkeit zu den Größten des deutschen Volkes gehört, die ihr Bestes für ihr Vaterland hingeben wollten.«
• Lawrence D. Stokes, Kleinstadt und Nationalsozialismus, S. 661
Der als »vaterländisch geprägte Persönlichkeit« und »soldatische Natur« charakterisierte Wilhelm Kieckbusch amtierte von 1930 bis 1976 ohne Unterbrechung als leitender Geistlicher der Eutinischen Landeskirche. In aller Öffentlichkeit setzte er sich nach 1945 für ehemals führende Theologen der nationalsozialistischen »Deutschen Christen« ein. Anderswo galten sie als untragbar. Kieckbusch nahm unter anderem die »Deutschen Christen« Hugo Rönck und Joachim Hossenfelder als Pastoren in seine Landeskirche auf. Hossenfelders Einstellung wurde vom damaligen Ratsvorsitzenden der EKD Otto Dibelius befürwortet. Weder Rönck noch Hossenfelder ließen nach 1945 jemals Reue über ihre Rolle im Nationalsozialismus erkennen.
Hugo Rönck war einer der radikalsten Vertreter der aggressiv antijüdischen Nationalkirchlichen Thüringer »Deutschen Christen«, frühes NSDAP-Mitglied und ab 1943 Präsident beziehungsweise Landesbischof der Thüringer Evangelischen Kirche. Und als glühender Antisemit einer der Initiatoren des Eisenacher »Entjudungsinstituts«. Noch 1944 bezeichnete er in seinen Predigten Hitler als »Führer von Gottes Gnaden«. Nach dem Krieg sah Rönck keine Notwendigkeit, sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren, auch dann nicht, als »Der Spiegel« 1963 Einzelheiten aus seiner Thüringer Zeit aufdeckte. Er schmückte sich auch weiterhin mit dem Bischofstitel, den er sich kurz vor Kriegsende selbst verliehen hatte. Der Berliner Pfarrer Hossenfelder war treibendes Gründungsmitglied und erster Reichsleiter der »Deutschen Christen«. Er bekannte sich nach 1945 ebenfalls stolz zu dem Bischofsamt, das er als »Deutscher Christ« 1933 kurzzeitig inne gehabt hatte. Ansonsten bewahrte er über seine frühere Karriere strengstes Stillschweigen.
• Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen«, Kapitel 4
Neue Anfänge nach 1945?
Foto: Bitterling, Eutin
Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Eutin an Wilhelm Kieckbusch anlässlich seines 70. Geburtstags, Eutin, 28. Mai 1961
Wilhelm Kieckbusch zwischen 1929 und 1933
Nach dem überraschenden Tod von Landespropst Rathgens im Jahr 1929 wurde Wilhelm Kieckbusch (1891-1987) im darauffolgenden Jahr mit knapper Mehrheit zu dessen Nachfolger gewählt. Mit ihm begann die Öffnung der Landeskirche zum Nationalsozialismus. In Ostholstein war die NSDAP bereits 1930 mit fast 40 Prozent die stärkste Partei geworden. Bei seiner Einführung als Landespropst 1930 nahmen NSDAP-Mitglieder in Parteiuniform und mit Hakenkreuzfahnen teil.
Zeitlich fiel Kieckbuschs Aufstieg an die Spitze der Landeskirche mit dem politischen Durchbruch der Nationalsozialisten auf Reichsebene zusammen.
Mit der aktiven Beteiligung an Feierlichkeiten der NSDAP und deren Gliedorganisationen, vor allem aber mit der Zusammenarbeit im Freiwilligen Arbeitsdienst, setzte sich 1931 die von Kieckbusch eingeleitete kirchliche Öffnung gegenüber den Nationalsozialisten fort.
Wie in den meisten protestantischen Landeskirchen des Deutschen Reiches führte die nationalsozialistische Machtübernahme auch in Eutin zu einer Neuordnung der landeskirchlichen Verhältnisse, die Ende Juni 1933 mit der Einführung des Führerprinzips, der Auflösung der Kirchengemeinderäte und der Übertragung von deren Befugnissen und Pflichten auf den Landeskirchenrat eingeleitet wurde.
Von der neugewählten, mehrheitlich mit Mitgliedern der Deutschen Christen besetzten Synode wurden diese Regelungen im Kern am 11. September 1933 bestätigt, sodass schließlich ein achtköpfiges Gremium mit Kieckbusch an der Spitze die gesamte kirchenleitende Gewalt ausübte.
Einen Abschluss fand dieser Konzentrationsprozess am 20. März 1936, als die Rechte und Pflichten des Landeskirchenrates vollständig auf den Landespropst übertragen wurden.
• https://www.forumgeschichte-nordkirche.de/eutin
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Volkstrauertag 2019
Ehrenwache mit militärischem Ritual vor den Kränzen:
Foto: https://kameradschaft-aufklaerer-eutin.de
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Volkstrauertag 2015
Die Bundesministerin der Verteidigung, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., ...

... die Marine Kameradschaft Eutin, die Stadt Eutin, die Freiwillige Feuerwehr, der Sozialverband Deutschland – alle sind mit ehrenden Kränzen dabei.
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Das Eiserne Kreuz
Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.
Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.
Auf Kriegerdenkmälern wird das Eiserne Kreuz den toten Soldaten posthum verliehen. Der Tod im Krieg wird als Beweis für die »Vaterlandstreue« und die Tapferkeit der Soldaten gewertet, darum wird der militärische Orden hier kollektiv verliehen. Ein Soldat, der lebend oder lebend invalide zurückgekommen ist, erhält ihn nicht.

• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.
Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.
• Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017
Das Eiserne Kreuz das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.
Am 26. November 2018 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrem Tagesbefehl ein Veteranenabzeichen eingeführt. Am 15. Juni 2019 sind die ersten Abzeichen ausgehändigt worden. Das Verteidigungsministerium erklärt dazu: »Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die alle Bundeswehrangehörigen verbinden: ›Gemeinschaft, Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft‹.« Am 10. Januar 2020 meldet das ›Bundeswehrjournal‹, dass bisher rund 35.700 Anträge auf ein Veteranenabzeichen eingegangen sind.

Foto: Doc.Heintz/Wikimedia Commons
Überreicht wird das Abzeichen mit einem Dankesschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr:
»... Dieser Dienst in der Bundeswehr verdient hohen Respekt und große Dankbarkeit, welche auch in der Gesellschaft spürbar und sichtbar werden soll. Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die uns alle verbinden: Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft ...«
Ein anonymisiertes Anschreiben bei Wikipedia
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»Sie starben für uns«
... verbreitet die Botschaft, die Toten hätten mit ihrem Leben für die Gemeinschaft eingestanden. Sie hätten ihr Leben für »uns«, für die »Heimat«, für das »Vaterland« gegeben. Keine Tafel erläutert hier, dass die Soldaten nicht »für uns«, sondern für Macht, Einflusssphären, Kolonien, Absatzmärkte oder Rohstoffe gestorben sind.
Kerstin Klingel beschreibt es in ihrem Buch ›Eichenkranz und Dornenkrone‹ so: »Wenn in den Inschriften explizit erwähnt wird, für was die Soldaten gestorben sind, ist es in den häufigsten Fällen das ›Vaterland‹. Die Verwendung dieses Begriffes war nach dem Ersten Weltkrieg meist mit einer nationalistischen Haltung verbunden: das deutsche Vaterland, mit dem die eigene Identität untrennbar verknüpft ist, und nur das deutsche Vaterland stellt höchsten Wert dar. Dass dieses ›Vaterland‹ aus dem Streben nach europäischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet.«
»Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.« schreibt Ralph Giordano in ›Die zweite Schuld‹.
Dieses Gedicht stand ab 1916 in ›Neue Kriegslieder für den Schulgebrauch‹, herausgegeben von Kreisschulinspektor Dr. J. Radtke:
»Fern im Osten gähnt ein Grab
Fern, fern im Osten, da gähnt ein Grab
da senkt man zu tausend die Toten hinab
für uns!
Im Westen, da ragt manch Kreuz schlicht und klein
da liegen sie stumm in langen Reih’n
für uns
Und wo im Winde rauschet das Meer
da gaben sie freudig ihr Leben her
für uns
Sie opferten Zukunft und Jugendglück
sie kehren nie wieder zur Heimat zurück
für uns
Sie gaben ihr Alles, ihr Leben, ihr Blut
sie gaben es hin mit heiligem Mut
für uns
Und wir? wir können nur weinen und beten
für sie, die da liegen bleich, blutig, zertreten
für uns
Denn es gibt kein Wort, für das Opfer zu danken
und es gibt keinen Dank für sie, die da sanken
für uns«
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Der neue, alte Brunnen
Nach den Plänen von Architekt Alfred Schulze aus Malente war der Brunnen 1928 oberhalb der Stufen direkt vor der Denkmalswand aufgebaut worden.

1953 wurde an dieser Stelle der sarkophargartige Gedenkstein zum 2. Weltkrieg plaziert. Mit Einverständnis von Alfred Schulz, der auch den neuen Gedenkstein entworfen hatte, wurde der Sandsteinbrunnen in einer Ecke der Anlage abgestellt. 1992 wurde er als »verkehrslenkendes Möbel« zum Berliner Platz verfrachtet, wo er zunehmend vermüllte.

2015 beschlossen dann die politischen Gremien, den Brunnen wieder in die Denkmalsanlage zu versetzen. Er ist für rund 7000 Euro restauriert und mit neuer Technik versehen worden und sprudelt nun täglich von 10 bis 17 Uhr, so die Ankündigung im August 2018.
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Gedenkstein des Bund der Vetriebenen
Seit dem 9. März 1965, 20 Jahre nach Kriegsende, steht dieser Stein am Kreisverkehr beim Schlossgarten, der Kriegerdenkmalsanlage gegenüber.

Die Inschrift lautet:
1945–1965
Wo unsere Toten ruhen
liegt unsere Heimat!
Wo unsere Heimat liegt
lebt unser Recht!
Durch die Intervention einer Touristin im Herbst 2020 und einem entsprechenden Bericht in den Lübecker Nachrichten wurden viele Leserbriefe zur Botschaft des Steins eingesendet. Die Touristin hatte ihren »Unglauben und Fassungslosigkeit« geäußert und die Stadt Eutin und die Fraktionsvorsitzenden der Parteien aufgefordert, die Geschichte dieser Inschrift aufzuarbeiten und eine Auseinandersetzung darüber zu befördern.
Der Vorstand der Bürgergemeinschaft Eutin e.V. begrüßt das: »Die beanstandeten Inschriften sind aus ihrer Zeit heraus zu betrachten. Sie spiegeln allerdings ein Weltbild, das schwer mit einer heutigen kritischen Auseinandersetzung mit Ursachen und Folgen des Zweiten Weltkrieges zu vereinbaren ist. [...] Vergangenheit lässt sich nicht ungeschehen machen oder leugnen. Aber wir Heutigen, obwohl frei von persönlicher Schuld, tragen eine Verantwortung, alles für ein ›Nie wieder‹ zu tun. Dazu kann auch eine Kommentierung alter Inschriften gehören, wie sie derzeit auch anderenorts stattfindet.« (LN 6.10.2020)
Die Verantwortlichen im Rathaus wollen die Eingabe der Touristin prüfen und einen Historiker mit der Bewertung beauftragen.
Zitate aus den Leserbriefen:
»Spätestens seit den Ostverträgen Anfang der 70er verbieten sich solche Inschriften wie auf dem Eutiner Gedenkstein – Beseitigung oder Kommentierung!«
»Dieser Stein des Gedenkens ist in einer Zeit aufgestellt worden, in der noch viele schmerzliche Erinnerungen an die verlorene Heimat im Osten bestanden haben.«
»Der kritisierte Stein an der Oldenburger Landstraße stellt heute [...] einen durch die Einstellung der Bevölkerung und durch Verträge überholten Revisionismus dar.«
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Der jüdische Friedhof
Der jüdische Friedhof befindet sich unmittelbar am Kleinen Eutiner See an einem Hanggrundstück unterhalb der Gebäude der Klinik – in der Nähe, aber ohne Verbindung zum Friedhof der evangelischen Kirchengemeinde.

Das Grundstück des jüdischen Friedhofes wurde durch den Arzt und späteren oldenburgischen Landtagsabgeordneten Nathan Nachmann Nathan gekauft, damit er und seine Familie in der Heimatstadt Eutin beigesetzt werden konnten. 1850 hatte Nathan den Kauf beantragt, 1851 wurde der Kauf zur »Heuer« genehmigt und 1852 konnte er dann durchgeführt werden. Bis heute ist das Grundstück im Grundbuch als Familieneigentum eingetragen. Die Familie Nathan hatte auf der Rechtskonstruktion »Familienbegräbnisplatz« bestanden, konnte sich aber offensichtlich zivilgerichtlich nicht durchsetzen und so gibt es heute dort auch Gräber der Familie Würzburg. Ausserdem drei Grabsteine für fünf weibliche jüdische KZ-Häftlinge und ein Einzelgrab.
Die erste dokumentierte Beisetzung fand 1867 für den dreijährigen Sohn Ernst Joel von Nathan Nachmann Nathan statt. Das Kind starb an Zahnfieber. Das oberste Grab am Berghang ist das des Sohnes Carl Nachmann Nathan (1858-1929). Nach Zerstörung des Steins wurde er in der Nachkriegszeit neu aufgestellt.
Die letzte Beisetzung fand 1954 für Hynek Lewitt, geboren 1895 in Leipzig, gestorben 1954 in Haffkrug, statt. Die Beisetzung ließ Klaus Konrad vornehmen. Konrad war der Rechtsbeistand für Lewitt in seinem Wiedergutmachungsprozess. Lewitt war 1946 nach Eutin gekommen, er war der Sprecher der in Eutin lebenden Juden und Jüdinnen. Er kümmerte sich um eine würdevolle Grabgestaltung des jüdischen Friedhofs und um das Massengrab in der Nähe der Blockstelle Hainholz. Lewitt plante eine Umbettung. Aber die wurde erst nach seinem Tod, 1960, durchgeführt. Die sterblichen Überreste wurden auf dem Friedhof Moisling beigesetzt. Mehr dazu im Text nach dem nächsten Bild.
Heute finden sich auf dem jüdischen Friedhof in Eutin 15 Grabsteine, zwei davon ohne Angaben.

Auf dem Friedhof wurden 1945 fünf weibliche jüdische KZ-Häftlinge aus Ungarn und Rumänien beigesetzt. Gegen Ende des Krieges war ein Arbeitslager der Lufthauptmunitionsanstalt Lübberstedt bei Bremen, das unter Aufsicht der SS stand, geräumt worden. Die Frauen wurden in Güterwaggons der Reichsbahn abtransportiert. Nach einer Odyssee durch Norddeutschland wurde der Zug am 2. Mai 1945 in der Nähe von Eutin durch britische Flieger beschossen.
38 tote jüdische Frauen wurden gleich vor Ort in der Nähe der Blockstelle Hainholz, nach neuen Erkenntnissen liegt die Blockstelle auf der Bahnstrecke Eutin – Lübeck, in einem Massengrab beigesetzt. 36 der Frauen sind namentlich unbekannt, zwei sind namentlich bekannt.
Die Verletzten wurden am 3. Mai in das Luftwaffenlazarett der Weber-Schule gebracht, später wurden sie auch auf das Lazarett in der Voß-Schule und das Kreiskrankenhaus verteilt. In den Krankenakten ist sowohl von Bombensplitterverletzungen als auch von Schussverletzungen die Rede. Unter den Verletzten waren auch Angehörige des Wach- und Zugpersonals. Nach den Standesamtsunterlagen starben in den Tagen nach dem 3. Mai sieben von ihnen an den Folgen des Fliegerbeschusses.
Auch fünf der jüdischen Frauen starben, drei Verletzte am 3. Mai 1945, eine am 12. und eine am 13. Mai.

Sie wurden auf dem jüdischen Friedhof im unteren Bereich beigesetzt. Drei unterschiedlich geformte Steinplatten markieren ihre Gräber.

Alle haben einen Davidstern und die deutsche Inschrift: Hier ruht bzw. ruhen fern von ihrer Heimat ...
Dieser Stein ist für Clara Fried.

Hier ruht Emöne Daskel ...

... und »Hier ruhen fern von ihrer Heimat«: Margot Fried, Elli Gardos* und Rebekka Gerpel.
An dieser Stelle danken wir Dietrich Mau sehr herzlich für die Überarbeitung, Ergänzung und Aktualisierung unseres Textes. Dietrich Mau aus Neustadt erforscht unter anderem die jüdischen Friedhöfe in Ostholstein. Zum Grabstein oben schreibt er: »Das herausgebrochene Dreieck habe ich im Laub gefunden. Es ist mittlerweile wieder ›eingeklebt‹ worden. Der Zustand der Grabplatten verlangt nach einer Restaurierung. Einen entsprechenden Antrag habe ich bereits beim Landesamt für Denkmalschutz gestellt.« Danke, lieber Herr Mau!
Der geheilte Grabstein bei unserem Besuch im Februar 2025:

* Bemerkung von Karsten Dölger, die auch für seinen nun folgenden Text gilt: »Elli Gandos – unter den Toten von Plön findet sich eine Paula Gandos, da vielfach Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Gruppe bestanden, könnte es sich auch hier um solche handeln. Auch auf der Inschrift lese ich ein ›n‹«.
Der Historiker Karsten Dölger war bis 2017 Geschichtslehrer am Gymnasium Schloss Plön. Seit 1988, als ihr Schicksal in einer Schulprojektwoche Thema für einen alternativen Stadtrundgang durch Plön wurde, hatte er über das Schicksal der 320 ungarischen Jüdinnen geforscht, die nach Ghetto, Konzentrationslager Auschwitz und Zwangsarbeit in Plön von britischen Einheiten befreit und versorgt wurden. Durch seine Untersuchung können wir mehr über den Leidensweg der fünf Frauen auf dem jüdischen Friedhof in Eutin erfahren.

• Stationen der nationalsozialistischen Verschleppung der ungarischen Jüdinnen
Wir lesen auf Seite 15 + 16: »Kurz vor Eutin, bei Bockholt, kam es zu einem ersten Angriff durch britische Tiefflieger. Wohl auch Dank der Verteidigung durch Wachmannschaften ging der Angriff glimpflich ohne Verletzte ab. Als sich der Zug wieder in Bewegung setzte, gab es nur wenige hundert Meter entfernt einen erneuten Angriff. Diesmal gab es ein Blutbad.
In den Budapester Protokollen der Frauen wird von brennenden Waggons und Wachmannschaften, die auf flüchtende Häftlinge das Feuer eröffneten, berichtet. Die Angaben der Frauen zu Todesopfern und Verletzten schwanken stark. Die Ickovic-Frauen gaben an, es seien sechzig Tote gewesen, Eszter Rosenfeld spricht von achtzig Toten und zwanzig Schwerverletzten. 38 Frauen wurden an Ort und Stelle, ›bei der ehemaligen Blockstelle 1 der Bahnstrecke Eutin-Neustadt, Hainholz‹, in einem Massengrab bestattet. Anfang November 1960 sind diese Frauen in ein Gemeinschaftsgrab auf dem jüdischen Friedhof in Lübeck-Moisling umgebettet worden.
Wilhelm Lange hat im Rahmen seiner Dokumentation der Cap Arcona-Katastrophe herausgefunden, dass der brennende, total zerschossene Waggon abgekoppelt worden war. Erst in den frühen Morgenstunden hätten örtliche Stellen den Waggon und die ›etwa 40, zumeist schwerverwundete[n], abgemagerte[n] ungarische[n] und baltische[n] Jüdinnen in Häftlingskluft auf der taunassen Wiese‹ entdeckt. Sanitätspersonal eines Eutiner Lazaretts habe schließlich Hilfe geleistet.
Barbara Hillmann, Volrad Kluge und Erdwig Kramer von der Arbeitsgemeinschaft Muna Lübberstedt haben 1993 einen der damaligen Sanitätssoldaten des Eutiner Lazaretts ausfindig gemacht. Karl-Heinz Albrecht aus Neustadt berichtete ihnen: ›Während der Fahrer des Sanitätsfahrzeuges jeweils zwei Frauen nach Eutin transportierte, blieb ich bei den anderen und erfuhr von einer deutschsprechenden Ungarin, daß sie in einer unterirdischen Fabrik bei Bremen gearbeitet hätten. Sie waren z. T. sehr schwer verwundet und sehr verängstigt. Als sie uns zwei Uniformierte kommen sahen, glaubten sie den ›Gnadenschuß‹ zu bekommen. Sie heulten und jaulten jämmerlich, und es dauerte lange, bis ich sie mit den Worten wie z. B. ›Krieg zu Ende, alles wird gut‹ und ›Hospital‹ – ›Doktor‹ einigermaßen beruhigen konnte. [...] Ich war damals 21 Jahre alt und vergesse dieses Erlebnis nie‹
Die Unterlagen des Lazaretts belegen, dass 18 Verletzte am Vormittag des 3. Mai in das Eutiner Lazarett eingeliefert wurden. Fünf der Verletzten erlagen in den folgenden Tagen ihren schweren Bombensplitterverletzungen: Elli Gardos, Margot Fried, Rebekka Gerpel, Clara Fried und Emöne Daskel wurden auf dem kleinen Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinde Eutin auf einer Anhöhe am Kleinen Eutiner See unweit des ehemaligen Kreiskrankenhauses bestattet.«
»Von Auschwitz nach Plön – Für 350 ungarische Jüdinnen endete die nationalsozialistische Verschleppung am 4. Mai 1945 in Plön«, so heißt Karsten Dölgers detaillierte Untersuchung, die im Jahrbuch für Heimatkunde erschienen ist.
Er schreibt: »Mindestens 109 dieser im Mai 1945 in Plön befreiten Jüdinnen sind allein oder in Gruppen zwischen Juli und September 1945 in Budapest beim Landesdeportiertenkomitee für die Deportiertenfürsorge (DEGOB) zu ihrer Verfolgung und Verschleppung befragt worden und haben in 18 Einzel- und Gruppenberichten Zeugnis abgelegt. Die Protokolle dieser Befragungen, die meist den Stempel ›The Jewish Agency for Palestine‹ tragen, sind von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in deren Digital Archives ins Netz gestellt worden. Die z.T. recht knapp gehaltenen Angaben zu Herkunft, Verhaftung, Ghettoaufenthalt, Verschleppung nach Auschwitz-Birkenau und später weiter in das Außenlager des KZ Neuengamme in Lübberstedt-Bilohe bei Bremen und schließlich die ›Evakuierung‹, die in Plön endete, bilden die Grundlage für diesen Aufsatz.«
Unser Dank gilt Dr. Karsten Dölger für die Genehmigung, seine umfangreiche Untersuchung hier veröffentlichen zu dürfen.
Von Auschwitz nach Plön, Seite 1 - 10
Von Auschwitz nach Plön, Seite 11 - 34
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