I N H A L T
• Das Denkmal zum 1. Weltkrieg
• Die Geschichte des Kriegsgedenkens in Grube
• Die Gedenksteine zum 2. Weltkrieg
• Cap-Arcona-Opfer auf dem Alten Friedhof
• Das Gräberfeld auf dem Neuen Friedhof
• Cap-Arcona-Opfer auf dem Neuen Friedhof
• Die Ereignisse am 3. Mai 1945
• »Lerne vom Militär!«
• Das Eiserne Kreuz
• Die deutsche Eiche
• Theodor Körner
• Der Findlingsmythos
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Grube, Kreis Ostholstein
In Grube gibt es drei Friedhöfe, für die Gedenkorte ist das unglücklich. Besonders das aufgeteilte Gedenken an die Cap Arcona-Opfer sorgt für Verwirrung. So ist in der offiziellen Auflistung der Opferzahlen für Grube nur ein Stein aufgenommen.
Der älteste Friedhof ist auf dem Kirchhof von St. Jürgen. Der Alte Friedhof und der Neue Friedhof liegen an der Hauptstraße, der B501 – der Alte in der Ortsmitte, der Neue am Ortsrand. Wir beginnen mit dem Gedenken an die toten Soldaten beider Weltkriege auf dem Alten Friedhof.

Man erreicht die Anlage in der hinteren Ecke des Friedhofs über einen breiten gepflegten Kiesweg. Ganz am Ende steht ein Obelisk für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs.

Eine Umrandung aus Quadersteinen begrenzt ein Blumenbeet, rechts steht eine Ruhebank, dann erreicht man den Denkmalsplatz über zwei Steinstufen.

Der Obelisk aus Porphyr, einem rötlichem Granit, auch »Sächsischer Marmor« genannt, steht auf einem schmalen Sockel aus gelb-grauem Granit. Ursprünglich stand der Obelisk auf einem hohen dreistufigen Sockel an einem anderen Ort, siehe Kapitel »Die Geschichte«. Beim Umzug wegen einer Straßenerweiterung in den 60er Jahren musste das Denkmal auf seinen unteren Teil verzichten und sieht nun etwas gestutzt aus.
Das Eiserne Kreuz und die Schrift auf dem Obelisken sind flach eingemeißelt und weiß eingefärbt worden. Da der Porphyr ein sehr lebhafter Stein ist, muss man sich beim Lesen mühen.

Das Eiserne Kreuz ist hier mit außen liegender Kontur, ohne weitere Symbole dargestellt. Das militärische Ehrenzeichen wurde den toten Soldaten von den Denkmalsstiftern postum und kollektiv zugedacht. Der Soldatentod reichte als Grund für die symbolische Verleihung.
»Das Eiserne Kreuz wurde erstmalig 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet. Es war der erste militärische Orden, der nicht nur an Offiziere, sondern auch an einfache Soldaten für ihre militärischen Verdienste verliehen werden konnte. Kurz darauf führte der König die allgemeine Wehrpflicht ein. Das bisherige Söldnerheer wandelte sich zum Bürgerheer und für die Bürger mussten Anreize geschaffen werden, das eigene Leben im Krieg aufs Spiel zu setzen. Damit begann eine neue Zeit beim preußischen Militär: Soldaten waren nicht mehr nur Befehlsempfänger ohne Stimme und ohne Namen, sondern seit dieser Zeit wurden sie zu Vorbildern gemacht, denen nachgeeifert werden sollte. Der König versprach in der Stiftungsurkunde jedem Soldaten für den eventuellen Kriegstod ein Denkmal, das heißt, die Erwähnung auf einem Denkmal. Zumeist wurde das damals als Tafel in einer Kirche realisiert: Zeugnis der engen Verbindung von Monarchie und Kirche.
Das Eiserne Kreuz wurde sehr häufig als Relief auf Kriegerdenkmälern verwendet. Es steht hierbei als solches symbolisch für die Anerkennung der besonderen ›Vaterlandstreue‹ der gefallenen Soldaten. Ihr Tod im Krieg wurde dafür als Beweis gedeutet. Durch die Verwendung des Eisernen Kreuzes auf einem Denkmal sollten die Soldaten posthum für ihr Verhalten ausgezeichnet werden und damit als Vorbilder für die Nachwelt gelten.«
• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, Hamburg, S. 44f
Mehr zur Geschichte dieses quasi »Deutschen Ordens« im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«.

Der mittig gesetzte Sinnspruch unter dem Eisernen Kreuz lautet:
Vergesst
die treuen Toten
nicht!
Er erinnert an die Zeile eines Gedichts von Theodor Körner, die manchmal auf Kriegerdenkmälern zitiert wird – immer mit verstärkendem Ausrufezeichen!
Theodor Körner war ein Dichter zur Zeit der Freiheitskriege. Nach seinem Kriegstod wurde er zur patriotischen Identifikationsfigur für nachfolgende Generationen. Mehr im Kapitel »Theodor Körner«.
Dies ist die letzte Strophe seines Gedichts:
Der Himmel hilft, die Hölle muß uns weichen!
Drauf, wack'res Volk! Drauf! ruft die Freiheit, drauf!
Hoch schlägt dein Herz, hoch wachsen deine Eichen.
Was kümmern dich die Hügel deiner Leichen?
Hoch pflanze da die Freiheitsfahne auf!
Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
In deiner Vorzeit heil'gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Toten nicht und schmücke
Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz!
• Theodor Körner, Leyer und Schwerdt. Berlin, 1814.

Gleich unter dem Sinnspruch beginnt die Aufzählung der toten Soldaten. Es sind insgesamt 34, an der Frontseite 8 und an den Seiten je 13, die nach Todesdatum geordnet sind. Jedem Soldaten wurde eine Zeile zugebilligt. Es sollen darin der Dienstgrad (abgekürzt), die Vornamen (abgekürzt), die Nachnamen, die Todestage und die Todesorte genannt werden. Das ist bei der relativ großen Schrifttype ein ehrgeiziges Ziel. Man musste sich mit vielen Wiederholungszeichen, sogenannten Unterführungen, behelfen. Jetzt rächt sich die Wahl des Porphyrs doppelt. Hier die ersten acht Zeilen:
Gfr.O.Bumann8.9.1914. Fr
Msk.R.Frank25.9. ." "
" E.Schwardt2.10. " "
Inf.W.Will1.11. " "
Gard.Fr.Kuchel15.6.15 Lz.
Msk.J.Schmidt6.7. " Fr.
Ldst.H.Kloth24.7. " Gal.
Msk.H.Klahn24.8. " Sib.
Zu den Dienstgraden siehe auch das Kapitel »Lerne vom Militär!«.
Bei den Todesorten werden genannt: 21x Fr. (Frankreich), 1x Sib. (Sibirien), 1x Gal. (Galizien), 4x Lz. (Lazarett), 1x Pl. (Polen), 1x Rs. (Russland), 1x Yp. (Ypern, Belgien), 1x Ser. (Serbien), 2x Eg. (England) und 1x ist kein Ort angegeben worden.
Der Kriegsverlauf auf LeMO

Die rechte Seite des Denkmals lag bei unserem Fototermin 2022 im Schatten – das hilft beim Lesen!

Die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs sind aus dem flachen Granitsockel in klobigen Ziffern herausgearbeitet worden.
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Die Geschichte des Kriegsgedenkens in Grube
Der Heimatforscher Hans-Uwe Hartert hat uns Fotos und seine Zusammenfassung des Kriegsgedenkens in Grube zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
1915: Über die Art des künftigen dauernden Ehrendenkmals sind zurzeit noch keine Beschlüsse gefasst.
• Kirchenchronik Grube III, S. 133-36
6.5.1919: Die hiesige Kirchengemeinde beauftragte den Architekten Heinrich Stav, Kiel, mit der Entwurfsbearbeitung für eine Ehrengedächtnisstätte mit Denkmal für gefallene Krieger auf dem alten Friedhof in Grube.
• Wagrisch-Fehmarnsche Blätter vom 13.5.1919
1920: Nachdem der Plan, auf dem 2ten Kirchhofe eine Gedächtnisstätte für die Gefallenen der ganzen Gemeinde herzurichten, auf unüberwindliche Hindernisse gestoßen war, wurde beschlossen, dass jeder Pfarrbezirk für sich vorgehen und Gedenktafeln in den beiden Kirchen angebracht werden sollten. Für den ersten Pfarrbezirk wurde der Architekt Heinrich Stav in Kiel mit der Herstellung des Ehrenmals beauftragt, und ihm ist es gelungen, ein sehr würdiges, allen künstlerischen Ansprüchen genügendes Werk in Gestalt einer schweren Eichentafel, welche in 3 Reihen die 87 Namen der Toten enthält, zu entwerfen und auszuführen. Um für die sehr große Tafel eine genügende Wandfläche zu gewinnen, wurde der sogenannte Gruber Chor an der Nordwand der Kirche in der Nähe des Altars entfernt und die Eingangstür zugemauert. Ebenfalls wurde das Fenster zwischen dem Gruber Chor und der Kanzel mit einer 1⁄2 Stein dicken Mauer geschlossen. Dabei wurde auch das sehr verfallene und unschöne Treppenhaus für den Gruber Chor an der Außenseite der Kirchenmauer abgebrochen. An der so entstandenen großen Fläche ist die Ehrentafel angebracht und am Sonntag, den 2. Januar 1921 durch einen sehr stark besuchten Gedächtnisgottesdienst eingeweiht worden. Die Kosten des Ehrenmals, rund 20.000 M, sind durch freiwillige Beiträge im 1. Pfarrbezirk aufgebracht.
• Kirchenchronik Grube III, S. 144

• Foto aus dem Jahr 1962. 1972 wurde die Tafel abgebaut und das Fenster wieder eingesetzt.

• 1972: Die drei Namenstafeln zum 1. Weltkrieg wurden aus der Umrandung gelöst und dicht nebeneinander im Turmraum, gleich links hinter dem Kircheneingang, aufgehängt.
10.1.1921: Die Feier gestaltete sich erhebend. Die Kirche war überfüllt, vor der Tafel standen die Kriegervereine mit ihren umflorten Fahnen. Orgelklang und gemischter Chorgesang rahmte die packende, warmherzige Ansprache des Ortsgeistlichen ein ...
• Chronik der Schule in Grube, geführt vom Lehrer Fritz Reese ab 1. August 1914, S. 14
In den nächsten Jahren muss es dann doch zur schon lange geplanten Errichtung eines Ehrenmals gekommen sein. Es gibt Fotos des Obelisken in seiner ursprünglichen Form am ursprünglichen Ort:

Postkarte undatiert

Postkarte von 1953

Postkarte von 1962
Für die Zeit bis zur Umsetzung 1963 notierte Hans-Uwe Hartert noch Folgendes:
17.7.1932: Am Sonntag veranstaltete die N.S.D.A.P. Ortsgruppe Grube ein großes Volksfest. Nach einer Kranzniederlegung am Ehrenmal und einem Umzuge durch den mit zahlreichen Ehrenpforten und Fahnen geschmückten Ort fanden auf dem Festplatz verschiedene sportliche Wettkämpfe statt. Im Mittelpunkt stand ein Ringreiten, an dem sich 81 Reiter beteiligten.
• Wagrisch-Fehmarnsche Blätter vom 20.7.1932
7.3.1952: Eine ebenso freudige Zustimmung dürfte der Beschluß finden, ein Ehrenmal zu schaffen. Nach bisher vorliegenden fachmännischen Entwürfen ist die Errichtung eines Ehrenkreuzes an der Ostseite der Kirche geplant, das wiederum in einem nach Osten geöffneten Halbkreis von mehreren mit den Namen der zum Kirchspiel gehörenden Ortschaften versehenen Findlingen flankiert sein wird. Da im Zuge des früher oder später zu erwartenden Straßenbaues Grube-Dahme eine Verlegung des bisherigen Kriegerdenkmals von 1914-18 zwangsläufig erfolgen müßte, soll das neue Ehrenmal der gemeinsamen Ehrung unserer Gefallenen beider Weltkriege gewidmet sein. Ein Ehrenbuch wird die Namen der Gefallenen des Kirchspiels enthalten und der Nachwelt Kunde geben von den Söhnen der Heimat, die ihr Leben für das Vaterland opferten.
• Kreisrundschau 1952
28.10.1953: Die Jahreshauptversammlung der Alten Gruber Bürgergilde, die sehr gut besucht war, wurde mit einer Ansprache des Gildebruder Pastor Seeliger eröffnet. Er gedachte anläßlich der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche der unzähligen Deutschen, die widerrechtlich noch immer in Gefangenschaft gehalten werden. »Wenn auch in den letzten Wochen einige tausend Kriegsgefangene in die Heimat zurückkehren durften, bewegt uns bange Sorge um das Schicksal der Brüder und Schwestern, die in allen Teilen der Sowjetunion auf die Stunde der Freiheit warten.«
• Kreisrundschau 1953
12.3.1954: Weihe des Ehrenmals Grube. Während am Sonnabend in einer vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstalteten Gedenkfeier der Millionenopfer der beiden Weltkriege gedacht werden soll, wird die Einwohnerschaft der Kirchengemeinde Grube am Sonntag um 14 Uhr sich in einem Gedenkgottesdienst ihrer Väter und Söhne besonders erinnern, die in den Jahren des zweiten Weltkrieges aus ihrer holsteinischen oder ostdeutsehen Heimat hinauszogen und ihr Leben für den Schutz des Vaterlandes opferten. Auch derer soll gedacht werden, deren Schicksal bis heute noch im Dunkel ruht. Ein Ehrenmal an der Ostseite der Kirche wird seine Weihe erhalten ...
• Kreisrundschau 1954

• Foto aus dem Jahr 1956: die erste Denkmalsanlage zu 2. Weltkrieg an der Ostseite der Kirche. Hier sehen wir den ursprünglichen Ort der Findlinge. Das Steinkreuz blieb bis heute alleine an der Kirche zurück.
17.3.1954: Nach einer Ansprache von Pastor Seeliger in der Gruber Kirche wurden durch Pastor Rohrlach als Vorsitzenden des Kirchenvorstandes die 237 Namen der Gefallenen und Vermissten der einheimischen und heimatvertriebenen Einwohner verlesen, die von Malermeister Schuldt, Grube, in künstlerisch vollendeter Ausführung, in ein Ehrenbuch eingetragen wurden.

Die Geistlichen Rohrlach und Seeliger legten das Ehrenbuch in der eigens dafür geschaffenen Ehrennische nieder.
• Kreisrundschau 1954
7.3.1956: Ein Ehrenbuch wird die Namen der Gefallenen des Kirchspiels enthalten und der Nachwelt Kunde geben von den Söhnen der Heimat, die ihr Leben für das Vaterland opferten. Ein Appell, durch Geldspenden zur Schaffung einer schlichten und eindrucksvollen Gedächtnisstätte beizutragen, wird von jedem Gemeindemitglied in dem Gefühl einer Dankespflicht freudig aufgenommen werden.
• Keisrundschau 1956

• Das »Ehrenbuch« zum 2.Weltkrieg in der Gruber Kirche. Zu den drei Eichenblättern im Kreuz siehe das Kapitel »Die deutsche Eiche«.

• Im »Ehrenbuch« haben 255 tote Soldaten eine Erinnerungsseite erhalten, nicht nur Soldaten aus Grube, sondern auch die aus der weiteren Umgebung und die Angehörigen der Heimatvertriebenen im Kirchenkreis. Im »Ehrenbuch« sind vier SS-Mitglieder aufgenommen worden. Ihr Dienstgrad ist mit den SS-Runen geschrieben. Seit 1983 ist die Verwendung der S-Rune strafbar.
1.8.1956: »Wie der Militärischen Kameradschaft Grube im VDS bekannt geworden ist, sieht der Wirtschafts- und Bebauungsplan der Gemeinde Grube im Zuge der Planung vor, die Straße Rüting – Grube in gerader Richtung nach Dahme zu verlängern und über den jetzigen Denkmalsplatz in den Weg nach Gruberdieken einmünden zu lassen. Das würde bedeuten, daß über kurz oder lang das Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges verlegt werden müßte. Die Militärische Kameradschaft Grube im VDS fühlt sich verpflichtet, in Fragen der Gefallenenehrung und Denkmalsbetreuung tatkräftig mitzuwirken und hat sich in der Mitgliederversammlung am 9. Juli 1955 mit dieser Angelegenheit befaßt. [...] Wir hoffen auf freundliche Prüfung unseres Antrages und auf fruchtbare Zusammenarbeit in der in Frage stehenden Angelegenheit im Interesse unserer gefallenen Kameraden und deren Hinterbliebene und sehen einer geneigten Stellungnahme nach Anhörung des Kirchenvorstandes gerne entgegen. Mit vorzüglicher Hochachtung: gez. Höppner, 1. Vorsitzender«. In dem handgeschriebenen Antwortschreiben des Herrn Pastor Seeliger vom 22. Juli teilte dieser der Kameradschaft mit, daß die Kirchengemeinde durch einstimmigen Beschluß vom 19. Juli 1955 »jederzeit bereit sei, Gelände für diesen Zweck abzugeben«. [...] da die veranschlagten Gelder nicht ausreichten, [mussten] durch den Herrn Landrat des Kreises Oldenburg genehmigte Geldsammlungen bei der Bevölkerung und den Geschäftsleuten durchgeführt werden. Auch mußte eine abgespeckte Version des Ehrenmals hingenommen werden.
• Hans-Uwe Hartert, Chronik der Militärischen Kameradschaft Grube 1897-1997, S.41
8.12.1963: Was lange währt, wird endlich gut, kann man von dem neuen Ehrenmal für die Toten beider Weltkriege sagen, dass nach jahrelanger Vorplanung, wir berichteten darüber, am Volkstrauertag seiner Bestimmung übergeben werden konnte.
• Keisrundschau 1963
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Die Gedenksteine zum 2. Weltkrieg
Es sind sieben Findlinge in ihrer natürlichen Form, völlig zurückgenommen tragen sie weder Widmung noch Inschriften und Sinnsprüche. Auch keine Namen und schon gar keine militärische Symbolik. So erfahren wir aber auch nicht, wem hier gedacht werden soll: der toten Soldaten (womöglich aller toten Soldaten dieses Krieges?), der zivilen Kriegsopfer, der Opfer des Naziregimes wie in KZs, Zwangsarbeiterlagern und psychatrischen Tötungsanstalten?

Der größte Stein ist dem Denkmal zum 1. Weltkrieg am nächsten. Seine Frontseite ist bearbeitet worden, sodass die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs, verbunden mit einem Schrägstrich, erhaben stehen geblieben sind.

Es folgen sechs Findlinge, auf die in gleicher Schrift die Orte des Pfarrbezirks Grube graviert sind. Die Reihe beginnt mit Fargemiel und Süssau ...

... es folgt Dahme ...

... dann Thomsdorf und Alt-Rathjensdorf ...

... weiter geht’s mit Gut Rosenhof und ...

... Gut Augustenhof und Kalkberg.

Die Reihe endet mit dem Ort, in dem die Kirche St. Jürgen des Pfarrbezirks steht: Grube.
Im Ehrenbuch in der Kirche sind 255 Namen der Gefallenen bzw. Vermissten der einheimischen und heimatvertriebenen Einwohner im Kirchspiel Grube verzeichnet. Diese Zahl verteilt sich wie folgt auf die einzelnen Ortschaften: Fargemiel und Süssau 20, Dahme 78, Thomsdorf 9 und Alt-Rathjensdorf 17, Gut Rosenhof 22, Augustenhof und Kalkberg 13 und Grube 96.
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Cap-Arcona-Opfer auf dem Alten Friedhof
Dies ist ein Stein des zweigeteilten Gedenkens an die Opfer der Cap-Arcona-»Katastrophe«. Er steht auf dem früheren Massengrab von 25 namenlosen KZ-Häftlingen.
Mit Ende des 2. Weltkriegs waren Häftlinge aus Konzentrationslagern auf Todesmärsche verschleppt worden. Ungefähr 7.000 Häftlinge waren u.a. auf die »Thielbek« und die »Cap Arcona« gebracht worden, die durch einen koordinierten Großangriff britischer und amerikanischer Kampfflugzeuge versenkt wurden. Etwa 6.400 Häftlinge wurden getötet, nur 400 konnten sich an den Strand von Pelzerhaken retten. Etliche von Ihnen wurden am Strand von SS-Männern erschossen. Wochenlang wurden tausende Leichen an der Lübecker Bucht angeschwemmt. Von Grube bis Poel entstanden viele improvisierte Grabfelder, viele davon wurden später zusammengelegt.

Die Inschrift auf dem Stein lautet:
Hier ruhen 25
bei Versenkung der Kap Arcona
vor Neustadt untergegangene
Namenlose KZ-Häftlinge
Wir sind ein Volk
vom Sturm der Zeit
gespült ans Erdeneiland.
Der Sinnspruch am Ende ist ein Zitat aus einem christlichen Lied, das eigentlich »Wir sind ein Volk, vom Strom der Zeit« heißt. Johannes Kögel (1829 - 1896) hat den Text gedichtet:
Wir sind ein Volk vom Strom der Zeit,
gespült ans Erdeneiland,
voll Unfall und voll Herzeleid,
bis heim uns holt der Heiland.
Das Vaterhaus ist ewig nah'
wie wechselnd auch die Lose
es ist das Kreuz von Golgatha,
Heimat, für Heimatlose,
Heimat, für Heimatlose!
Wir sind ein Volk, vom Strom der Schuld
umspült und schier verschlungen;
doch hat der Lotse voll Geduld
dem Tod uns abgerungen.
Sein Retterauge uns ersah,
mag auch die Brandung schwellen;
hoch ragt das Kreuz von Golgatha
aus dunkler Fluten Wellen,
aus dunkler Fluten Wellen.
Wir sind ein Volk voll Müdigkeit,
in schwachen Leibes Hütte;
doch ist der Herr der Herrlichkeit
als Kraft in unsrer Mitte.
Sein Hirtenstab ist immer nah
den Müden und den Matten:
es ist das Kreuz von Golgatha
uns Trost im Todesschatten,
uns Trost im Todesschatten.
Wir sind dein Volk im Strom der Zeit,
Du, aller Zeiten Meister.
Wir sind dein Volk in Ewigkeit,
Du König aller Geister!
Und Du bist unser O und A,
Du Anfang und Du Ende;
hoch ragt das Kreuz von Golgatha
ob aller Zeiten Wende,
ob aller Zeiten Wende.

Neben dem Findling liegt eine Bodenplatte mit der Inschrift:
Hier ruhen
5 deutsche Besatzungsmitglieder der
Cap Arcona
_________________
Arthur Frauendorf Paul John
Wilh. Brudna Ehrenfried Endler
Frl. Schuhmacher
Da es wohl demnächst ein Forschungsprojekt zu den genauen Opferzahlen und den einzelnen Gedenkorten geben wird, hoffen wir, dass aufgeklärt wird, ob es sich hierbei um Männer der SS handelt.
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Das Gräberfeld auf dem Neuen Friedhof
Hinter der Friedhofskapelle, von einer Hecke umgeben, liegt die Kriegsgräberstätte für 27 Soldaten des 2. Weltkriegs und eine Luftwaffen-Helferin.

Es sind 16 Kreuze für 29 Tote. Sie sind alle 1945 gestorben. 22 nach Kriegsende, wir nehmen an, dass sie im Lazarett gestorben sind. Zwei Oberfeldwebel und ein Feldwebel der Luftwaffe und die Luftwaffen-Helferin sind am 2. Mai 1945 abgeschossen worden. Ein Obermaat ist am 3. Mai 1945 am Strand von Dahme angetrieben worden. Zwei Tote sind unbekannte deutsche Soldaten.

Bis vor einiger Zeit war am Hauptstein ein Holzkreuz angebracht. Es wurde abgenommen als es anfing zu verrotten.

Auf drei Kreuzen steht je ein Name, auf 13 stehen je zwei Namen. Es werden der Dienstgrad, Vor- und Nachname. Geburts- und Sterbetag bzw. Beerdigungstag genannt.

Beim Schützen Ludwig Gerhardt ist nicht der vollständige Dienstgrad angegeben, er war SS-Mann.

Die einzige Frau: Luftwaffen-Helferin Martha Schmalisch.

Einer der beiden unbekannten deutschen Soldaten. Es ist eine deutsche Kriegsgräberstätte.
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Cap-Arcona-Opfer auf dem Neuen Friedhof
Hier steht der zweite Gedenkstein zur Cap-Arcona-»Katastrophe«.

Er hat genau den gleichen Text, sogar das Adjektiv »namenlos« ist auch hier fälschlicherweise groß geschrieben. Nur die Zahl ist eine andere: 31 Opfer wurden hier 1945 im Massengrab bestattet. Der komplette Text des Sinnspruchs unten am Stein steht beim Stein auf dem Alten Friedhof.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass hier Kränze zum Jahrestag am 3. Mai abgelegt wurden. Doch wir erfuhren, dass am Stein Kränze abgelegt werden, die an anderen Gräbern keinen Platz mehr haben. Ein Cap-Arcona-Gedenken zum Jahrestag findet in Grube nicht statt.
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Die ereignisse Am 3. Mai 1945
Der Rückzug der deutschen Truppen führte ab Sommer 1944 dazu, dass die in Frontnähe geratenen Konzentrationslager mit ihren zahlreichen Außenlagern aufgelöst wurden. Beim Herannahen der Roten Armee beziehungsweise der westalliierten Truppen begannen mit der Räumung der Lager von Auschwitz im Januar 1945 die »Todesmärsche« und Transporte in offenen Viehwaggons der Gefangenen. Zuletzt wurden vom KZ Neuengamme bei Hamburg aus Mitte April 1945 mehr als 10.000 Gefangene von der SS nach Lübeck gebracht. Dort wurden sie auf drei Frachtschiffe verladen, auch das Kreuzfahrtschiff »Cap Arcona« nahm mehrere tausend auf. Die Bedingungen an Bord der Schiffe waren katastrophal, viele verhungerten und verdursteten.
Am 3. Mai griffen britische Flugzeuge die Schiffe an, die sie für deutsche Truppentransporter hielten. Auch die »Cap Arcona« geriet in Brand und kenterte. Die Gefangenen hatten kaum eine Chance, sich zu retten. Viele, die das Land schwimmend erreichten, wurden dort von SS-Männern erschossen. Insgesamt über 7.000 verloren am 3. Mai, wenige Stunden vor ihrer möglichen Befreiung, das Leben.
Mehr dazu auf www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de
»Der Untergang der Cap Arcona« auf www.ndr.de
Pastorin Almuth Jürgensen, Gedenkstättenbeauftragte im Kirchenkreis Ostholstein und Koordinatorin des »Netzwerk Cap-Arcona-Gedenken«, schreibt im Jahresbericht 2021 des Netzwerk Erinnerungskultur im Bereich der Nordkirche:
Update: Netzwerk Cap-Arcona-Gedenken
Der komplette Jahresbericht 2021 des Netzwerk Erinnerungskultur
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»Lerne vom Militär!«
34 Soldaten aus Grube sind im 1. Weltkrieg zu Tode gekommen. Auf dem Gedenksteinsie werden alle mit ihrem militärischen Rang genannt.
Vzw., Msk., Gfr., Ldst., und Kan. – die Dienstgradbezeichnungen der Soldaten und ihre Abkürzungen sind uns heute fremd, damals kannte sie jedes Kind. Im Kaiserreich blühte der Militarismus: so schneidig wie die preußischen Soldaten sollte die gesamte Gesellschaft sein: vom Greis bis zum Knirps. Unbedingter Gehorsam war das Ziel.
»Bereits die Kinder wuchsen in einer militarisierten Umgebung auf. Kriegsspiele waren äußerst beliebt. In kaum einem Kinderzimmer fehlte ein Satz Bleisoldaten, ebenso gehörte der Matrosenanzug zur Grundausstattung. Zu Weihnachten sangen die Kleinen: ›Morgen kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben, Trommel, Pfeifen und Gewehr, Fahn’ und Säbel und noch mehr, ja ein ganzes Kriegerheer möcht ich gerne haben.‹ In der Schule setzte sich die Einübung militärischer Denk- und Verhaltensmuster fort. Vielerorts glich das Schulleben einem zackigen Paukbetrieb, der wenig Raum ließ für Spontanität und Kreativität. [...]

›Lerne vom Militär!‹ – so lautete das Mantra der pädagogischen Fachliteratur. Das Aufstehen der Schüler beim Eintreten des Lehrers ins Klassenzimmer habe ›mit einem einzigen Ruck zu geschehen‹ und müsse ›klappen wie ein Bataillonstritt bei der Parade‹, hieß es in einem Lexikon der Pädagogik. Im ›Gänsemarsch mit regelrechtem Soldatenschritt‹ müssten die Schüler in den Pausen das Klassenzimmer verlassen und ›zwei und zwei im Schulhof ordnungsgemäß auf und ab marschieren‹.«
• Volker Ullrich, ZEITGeschichte 4/2018, S. 45
... und noch eine revanchistische Postkarte »Deutsche Jugend« nach dem 1. Weltkrieg:

Heil Dir Deutschland, deine Zukunft
Schimmert vor dir hell und klar
Denn der Heldensinn der Väter
Schlummert in der Jugend Schaar.
Aber auch 1956 billigt ein Leser der Frankfurter Illustrierten dem Militär, damals der gerade neu gegründeten Bundeswehr, in einem Leserbrief erzieherische Expertise zu:

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Das Eiserne Kreuz
Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.
Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu d e m deutschen Orden.

• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.
Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.
Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle ...

... oder als Statement am Auto.

1970: Ehrenurkunde für die Kameradschaft Grube ausgestellt vom DSV-Kyffhäuser Ortsverband Riepsdorf mit markigem Soldatenkopf, Schwert, Eisernem Kreuz und Eichenlaub.
... und ganz aktuell: Die Redaktion des SPIEGEL illustriert den Titel Nr.50 / 10.12.2022 zur Razzia bei »Reichsbürgern« und »Querdenkern«, denen vorgeworfen wird, einen Staatsstreich geplant zu haben, mit einem Eisernen Kreuz:

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Die deutsche Eiche
Eichenlaub ist in der militärischen Symbolsprache ein Zeichen hoher Ehre. Darum findet man es oft auf Orden, z.B. auf dem Ritterkreuz in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie kam es zu dieser Symbolkraft?
Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.
Mit der Nationalromantik des 19. Jahrhunderts, mit der Deutschen Revolution 1848/1849 und der Reichsgründung 1871, die das Gefühl nationaler Einheit bestärkten, zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen und dergleichen dient Eichenlaub in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches bzw. der Lorbeerkranz.
• Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019
»Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«
• Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525
»Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«
• Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de
Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0
Eichenlaub als höchste Zier: SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS Theodor Eicke im Jahr 1942.
»Eichenlaub« war ab 1999 ein rechtsextremes Liedermacher-Duo aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes.
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Theodor Körner
Carl Theodor Körner, geboren am 23. September 1791 in Dresden; im Gefecht gestorben am 26. August 1813 im Forst von Rosenow bei Gadebusch war ein deutscher Dichter und Dramatiker. Berühmt wurde er vor allem durch seine Lieder in den antinapoleonischen Befreiungskriegen. Nachdem er als »Sänger und Held« im Lützowschen Freikorps gefallen war, wurde er zur patriotischen Identifikationsfigur.
Körners teils stürmische, teils gefühlvolle Lyrik entsprach der ebenso romantischen wie vaterländisch kampfbereiten Gesinnung der Generationen in einem Deutschland, das auch nach den Befreiungskriegen noch lange Zeit in viele Einzelstaaten zersplittert war. Körners Sterben als Lützower Jäger erhob ihn zur vorbildhaften Gestalt. Die glaubwürdige Übereinstimmung von Dichtung und Leben empfahl seine Werke für die Lehrpläne erst des Deutschen Bundes, später des Deutschen Reichs. Körners Gedichte aus seinem Buch »Leyer und Schwert« wurden zum Vorbild für Kriegslyrik späterer Zeit.

Dies ist eine von vielen Propagandapostkarten, die im 1. Weltkrieg gedruckt und verschickt wurden. Ein Soldat verliest vor dramatischer Kulisse das Gebet »Vater ich rufe Dich!« von Theodor Körner:
»Brüllend umwölkt mich der Kampf der Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze,
Lenker der Schlachten ich rufe Dich,
Vater, Du führe mich!
Vater, Du führe mich!
Führ mich zum Siege, führ mich zum Tode!
Herr, ich erkenne Deine Gebote;
Gott, ich erkenne Dich!
Gott, ich erkenne Dich!
So im herbstlichen Rauschen der Blätter, –
Als im Schlachtendonnerwetter, –
Urquell der Gnade erkenn’ ich Dich!
Vater, Du segne mich!
Vater, Du segne mich!
In Deine Hände befehl’ ich mein Leben!
Du kannst es nehmen, Du hast es gegeben!
Zum Leben, zum Sterben segne mich!
Vater, ich preise Dich!
Vater, ich preise Dich!
’s ist ja kein Kampf für die Güter der Erde. –
Das heiligste schützen wir mit dem Schwerte!
Drum fallend und singend preis’ ich Dich!
Gott, Dir ergeb’ ich mich!
Gott, Dir ergeb’ ich mich!
Wenn mich die Donner des Todes begrüßen,
Wenn meine Adern geöffnet fließen: –
Dir, mein Gott, Dir ergeb ich mich!
Vater ich rufe Dich!
Auch die Nationalsozialisten haben Theodor Körner für sich reklamiert. Das Gelände um die Grabstätte Körners und seiner Familie in Wöbbelin wurde 1938 aufwendig zur »nationalen Weihestätte« umgebaut und diente als Kulisse für Aufmärsche und Vereidigungszeremonien. Die Zeile »Das Volk steht auf, der Sturm bricht los« aus dem Gedicht »Männer und Buben« lieferte Joseph Goebbels die Textvorlage für die Phrase »Nun Volk, steh’ auf, und Sturm, brich los!«, das Finale der Sportpalastrede.
Nach 1945 wurde Theodor Körner in der BRD kritisch beleuchtet, in der DDR wurde er hingegen als patriotischer »Heldendichter« verehrt. Im 21. Jahrhundert werden ihm von Rechtsradikalen Verse unterschoben, die er nie geschrieben hat: »Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, / vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. / Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, / dann richtet das Volk und es gnade euch Gott.« Dieser Spruch wird über das Internet verbreitet und u. a. bei Kundgebungen und Demonstrationen der Pegida eingesetzt. Am 23. September 2016 publizierte »Der Flügel«, eine von Björn Höcke geführte AfD-nahe Gruppierung, Körners Satz »Das Volk steht auf, der Sturm bricht los« fälschlicherweise mit dem obigen Spruch.
• Text nach Wikipedia, abgerufen am 28. November 2018
Foto: Ulrich Witt, Friedland; 2005 / Wikimedia Commons
Glasfenster nach einem Gemälde von Rudolf Eichstaedt im Haus einer Göttinger Studentenverbindung: Theodor Körner, am 26. August 1813, eine Stunde vor dem Angriff auf einen französischen Tross, trägt seinen Kameraden das von ihm gedichtete »Schwertlied« vor. Bei dem folgenden Gefecht im Forst von Rosenow bei Gadebusch wurde Theodor Körner getötet.
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der FindlingsMythos
Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.
»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]
Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]
Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«
• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66
»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«
• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134
»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.
• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203
In den Jahren danach steigert sich der Kult um die »germanischen Steine« noch beträchtlich.
»Gleich ihren Vorbildern und Ahnen, den Hünengräbern aus der Kultur der germanischen Steinzeit, sind diese gewaltigen Gebilde ein Sinnbild der Urkraft und der feierlich weltentrückten stillen Ehrung. Mehr vielleicht als Worte es tun können, reden diese massigen Urformen zu uns von Ruhe, Erhabenheit, Selbstbewußtsein und stahlharter Kraft. Ihre Unbehauenheit ist wie der Frontsoldat selbst, hart und grobknochig und doch riesengroß, urhaft. Jeder für sich und in sich ruhend, hart und grobknochig, drohend und machtvoll, ein einziger Trotz und Wille.«
• Karl von Seeger, Das Denkmal des Weltkriegs, Stuttgart 1930, S.28
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