TRADITIONEN WERDEN GEPFLEGT

Kriegerdenkmäler in Schleswig-Holstein

»Die Auseinandersetzung mit den Denkmälern gehört zu unserer Erinnerungskultur. Dabei wird sichtbar, dass wir auch als Kirche lernen, die eigenen Verstrickungen in die Geschichte von Krieg und Gewalt kritisch zu beleuchten. Die Erinnerung ist notwendig, um in der Gegenwart Versöhnung zu leben und auch in Zukunft dem Frieden zu dienen.

Unter dem Motto: ›Erinnern – Erkennen – Gestalten‹ greift die Evangelische Akademie Hamburg einen Appell der Synode der Nordkirche auf, sich kritisch mit den vielen hundert Ehrenmalen im Lande auseinanderzusetzen.

Gerade die vielen öffentlichen Ehrenmäler zum ersten Weltkrieg zeigen den damals prägenden Einfluss nationalistischer und auch nationalsozialistischer Ideologie. Ehrenmale zum Zweiten Weltkrieg stehen nicht selten noch unter dem Einfluss der Formensprache jener Zeit.«

Gothard Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein


Die in den Dörfern und Städten Schleswig-Holsteins zahlreichen Kriegerdenkmäler sind oft im Zentrum des Ortes aufgebaut oder in eigene Grünanlagen integriert. Die häufig zu findenden Namenstafeln getöteter Soldaten, die der persönlichen Erinnerung dienen sollen, sind gleichwohl mit den verbreiteten Deutungen versehen: Verehrung der Soldaten als Helden, Verklärung ihres Todes als Opfer für König und Vaterland und Legitimation des Krieges bestimmen diese Denkmäler. Aufrufe zum Frieden und gegen Krieg finden sich eher selten. Soweit bekannt, werden diese Kriegerdenkmäler fast überall am Volkstrauertag für die traditionellen Rituale des Gedenkens genutzt. Einige sind weitgehend unbeachtet, zum Beispiel der überlebensgroße »Held« in Eckernförde und selbst Einheimischen nicht immer bekannt.

Ein Klick auf das Bild öffnet die Spalte mit Texten und Fotos zum Denkmal. Haben Sie weitere interessante Informationen oder historische Bilder zu den vorgestellten Kriegerdenkmälern? Dann würden wir sie gerne auf dieser Seite veröffentlichen.

Ein Klick auf den schwarzen Balken am Anfang der Denkmaldokumentation von

Ahrensburg   Bünningstedt   Hoisbüttel

öffnet die Berichte über die temporäre Kunstaktion der Evangelischen Akademie in Zusammenarbeit mit dem KunstHaus am Schüberg im Sommer 2014: »Kriegerdenkmäler – Stumme Zeugen ins Gespräch bringen«.

Fotos: Marlise Appel, Evangelische Akademie der Nordkirche, wenn nicht anders angegeben.

 


I N H A L T
Das Denkmal
Die Informationstafel
Die Geschichte
Historische Postkarten
Graf Waldersee
Freiherr von Fritsch
Der Stahlhelm
Die Deutsche Eiche

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Itzehoe, Kreis Steinburg

Das Soldatendenkmal neben der St. Laurentii-Kirche, vorm Haus der Propstei-Verwaltung

Im August 1925 wurde das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten der in Itzehoe stationierten Feldartillerie aufgestellt – auf einem damals freien Platz neben der Kirche. Heute ist die terassenartige Anlage von Büschen und hohen Bäumen umgeben. Ein sich nach unten verjüngender Sockel aus hellem Stein wurde mit einer breiten quadratischen Steinplatte belegt. Sie zeigt auf umlaufenden Reliefs vier Szenen mit Soldaten und ihren Artilleriegeschützen in verschiedenen Gefechtsstellungen. Darüber steht die Steinskulptur eines Soldaten mit Stahlhelm, in Uniformmantel und mit militärischem Zubehör. Seine rechte Hand liegt auf einem jungen Eichbaum, der linke Stiefel steht auf einer Granate, die in dieser Art im 1. Weltkrieg mit den Feldkanonen der Artillerie abgefeuert wurden. Der Soldat ähnelt einem Großwildjäger, der in Siegerpose seinen Fuß auf die erlegte Beute stellt.

Mehr in den Kapitel »Der Stahlhelm« und »Die Deutsche Eiche«.

Das Denkmal soll die Toten des ehemaligen Schleswig-Holsteinischen Feldartillerie-Regiments Nr. 9 würdigen, das in den Kriegen 1870/71 und 1914-1918 eingesetzt worden war. Otto Jacobsen schreibt im »Heimatbuch des Kreises Steinburg«, dass das Regiment Nr. 9 im Jahr 1866 gegründet wurde. Nach verschiedenen Standorten in Schleswig-Holstein wurde Itzehoe am 1. April 1891 die Hauptgarnison der »Neuner«, die ab 1899 mit der I. und II. Abteilung mit je 3 Batterien hier stationiert und ausgebildet wurden.

Die nur noch schwer zu entziffernde Inschrift auf dem Sockel lautet:

DEN GEFALLENEN DES
FELDARTILLERIEREGIMENTS
GENERALFELDMARSCHALL
GRAF WALDERSEE (SCHLESW.) NO. 9
DES RESERVE-FELDART. REGIMENTS
NR. 17
UND DEREN KRIEGSFORMATIONEN
1914-1918

Die Denkmalsanlage ist später durch zwei Gedenksteine ergänzt worden, die Portraitreliefs aus Kupfer von Alfred Graf Waldersee und von Freiherr Werner von Fritsch tragen. Sie wurden am 5. Juni 1955 enthüllt. Weitere Informationen können Sie weiter unten lesen.


SH Itzehoe Soldat


Der Soldat auf seinem Podest: Die linke Hand am Koppel, ...

 

SH Itzehoe Soldat mit Eiche web

... die rechte liegt auf einer jungen, kräftig sprießenden Eiche. In den Zwischenkriegsjahren war dies ein Symbol für die Hoffnung, dass die Schmach des aufgezwungenen »Schandvertrags von Versailles« nach dem verlorenen 1. Weltkrieg von der nächsten Soldatengeneration revidiert werden würde.

Auf dem Kriegerdenkmal in Hamburg-Wilhelmsburg steht z.B. unter einer halb abgeknickten, halb sprießenden Eiche der Spruch:

Den für Volk und Vaterland Gefallenen zur Ehre und im Glauben an die deutsche Zukunft errichtet 1932

»Wir Toten fordern als unser Recht, die alte Treue vom neuen Geschlecht« so steht es auf dem Kieler Nordfriedhof und an zahlreichen anderen Orten. Andernorts wurde offen die Revanche gefordert: »Wir sind die Saat, von Deutschland ausgesät / mit bebender Hand. / Wollt ernten ihr, so gebt euch hin wie wir / dem Vaterland« in Hörnerkirchen und in Rümpel: »Der heranwachsenden Jugend zur Nacheiferung«.


SH Itzehoe Fries vorne web


Das Relief der Frontseite, Soldaten zu Pferd sind noch zu erkennen, aber der Zahn der Zeit nagt am Stein ...


SH Itzehoe rechte Seite web


... je nach Wetterseite unterschiedlich stark!


SH Itzehoe mit Tafel


Bei unserem Besuch im August 2014 sah die Anlage ziemlich verwahrlost aus. In der Norddeutschen Rundschau hatte schon am 11. April 2012 gestanden, dass sich Reservisten um Sauberkeit und Pflanzen kümmern wollen. Und weiter:

»Es ist ungepflegt und löst immer wieder Beschwerden aus: das Neuner-Denkmal vor dem Propstenhaus in der Kirchenstraße. Ein anderer Standort war angedacht, doch daraus wird wohl erstmal nichts. Nun soll die Gedenkstätte wenigstens besser gepflegt werden. Propst Dr. Thomas Bergemann würde das Denkmal gern verlegen. Der Platz zwischen Propstenhaus und dem altem Katasteramt würde dadurch sicherlich gewinnen, ist der Bergemann überzeugt. Ebenso sieht es Pastor Dr. Wolfgang Lau, Kirchenvorstandsvorsitzender der Innenstadtgemeinde: ›Wir wollen es einfach an einem Ort haben, wo es sinnvoller in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden kann.‹

Bürgermeister Dr. Andreas Koeppen unterstützte den Gedanken einer Verlegung: ›Das Neuner-Denkmal ist ein bisschen verwaist und wird nicht mehr richtig wahrgenommen.‹ Keinesfalls sollten Gefühle verletzt werden, betont er. Gedacht war an ein Umsetzen auf den Friedhof Brunnenstraße, wo bereits das Mahnmal für Opfer des Zweiten Weltkriegs steht und wo das Gedenken am Volkstrauertag stattfindet. So hätte das ›schöne Ensemble‹ mit Kirche, altem Katasteramt und Propstenhaus besser zur Geltung gebracht, der Platz besser von den Bürgern genutzt werden können.

Konjunktiv – denn inzwischen weiß der Bürgermeister: ›Das wird nichts.‹ Das Denkmal ist viel zu schwer. Das Mittelteil sei ein großer, massiver Sockel, sechs bis sieben Tonnen schwer, bestätigt Thomas Kolbe vom gleichnamigen Natursteinwerk, dessen Großvater das Monument einst aufbaute [siehe das Kapitel »Die Geschichte«]. Die Umsetzung scheitere schon am Transport. Mit dem benötigten Kran käme man wohl gerade noch in die Fußgängerzone, meint Koeppen. ›Aber wie sollen wir mit einem 60-Tonnen-Kran auf den Friedhof kommen?‹ Und das Denkmal solle nicht zerlegt und damit beschädigt werden.

Während Pastor Lau noch das Gelände am Germanengrab als alternativen Standort-Vorschlag vernommen hat, scheint die kleine Lösung festzustehen: ›Wir wollen unbedingt, dass das Ganze ein bisschen aufgehübscht wird‹, sagt Koeppen. Das wird eine Aufgabe für die Reservisten im Kreis: ›Wir wollen die Pflege übernehmen‹, bestätigt Volker Susemihl, Vorsitzender der Reservistenkameradschaft im Kreis. Das Neuner-Denkmal soll mit Hochdruck gesäubert und mit Pflanzen verschönert werden.«

Die folgenden Fotos sind im Januar 2022 entstanden: Das Denkmal schimmert inzwischen grünlich, Moos und Flechten haben sich im weichen Gestein angesiedelt, aber ...

SH Itzehoe Wikipedia Commons Fonzie Propstei web


... die terrassenförmig aufgebaute Anlage wirkt jetzt gepflegter.

SH Itzehoe Wikipedia Commons Fonzie mit Kirche web


Die Reliefs werden weiter zerfressen. Das Langmesser und die Patronentasche am Koppel des Soldaten kann man aber noch gut erkennen, ebenso die Granate unter seinem linken Fuß.

Das Denkmal in Itzehoe ist den toten Soldaten des Feldartillerieregiments 9 gewidmet. Artillerie (deutsch: Geschützwesen) ist der militärische Sammelbegriff für großkalibrige Geschütze und Raketenwaffen und auch der Name der Truppengattung, die diese Waffen einsetzt. Ihre Angehörigen werden als Artilleristen bezeichnet.

Die Artillerie zählt – damals wie auch heute in der Bundeswehr – zu den Kampfunterstützungstruppen des Heeres. Mit ihrem weitreichenden Artilleriefeuer verstärken die Artilleristen die Kampftruppe.

SH Itzehoe Feldkanone 1914 webFoto: Wikimedia Commons / Lizenz 2.0. Quelle: https://www.flickr.com/photos/drakegoodman/3448414043

Postkarte aus dem Jahr 1914: Eine Geschützmannschaft, Geschützführer und 6 Kanoniere, mit ihrer Feldkanone kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs. Die Soldaten tragen noch die alten Pickelhauben aus Leder. Die neuen Methoden des Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten dringend einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Die neu erfundenen Helme aus Stahl wurden dann ab Dezember 1915 an die Truppen der Westfront ausgeliefert.

Mehr im Kapitel »Der Stahlhelm«

In der im 1. Weltkrieg verlustreichsten Schlacht von Verdun zum Beispiel wurden 50 Millionen Granaten von den Artilleristen abgefeuert. Seitens der deutschen Soldaten waren es etwa 27 Millionen Granaten, seitens der französischen etwa 23 Millionen. Das Erstarren der Fronten und der blutige Stellungskrieg führten zu den riesigen Opferzahlen. Insgesamt wurden in der »Hölle von Verdun« etwa 700.000 Soldaten verwundet oder getötet.

SH Itzehoe Wikipedia Commons Fonzie von vorne web


Zurück zur Gegenwart: Das Soldatendenkmal und die beiden Ehrenmäler für die »hochrangigen Heerführer«, wie auf der Informationstafel ehrfürchtig formuliert wird, stehen weiter direkt vor dem Verwaltungsgebäude der Propstei in Itzehoe, links das Mal für Graf Waldersee, der 1900 das Expeditionskorps in China befehligte.


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Die Informationstafel

Der Heimatverband für den Kreis Steinburg hat vor dem Denkmal eine Tafel aufgestellt:

SH Itzehoe Wikipedia Commons Fonzie Tafel webDie letzten vier Fotos: Wikimedia Commons / Fonzie. Lizenz: 4.0 international


Der Text:
Das »Neunerdenkmal« ist ein Ehren- und Mahnmal für die im 1. Weltkrieg gefallenen 378 Soldaten des Feldartillerieregiments Nr. 9.

Es wurde 1925 mit Spenden aus der Bevölkerung errichtet – ein Zeichen Ihrer Verbundenheit mit den »Neunern«, dem Traditionsregiment der Itzehoer Garnison seit 1889, in dem viele Freiwillige der Stadt und aus dem Umland gedient hatten.

Ausgeführt wurde das Denkmal vom Itzehoer Steinmetzbetrieb F. Kolbe nach dem Entwurf des Bildhauers Hans Jenkel, Berlin.

Der Platz, auf dem das Denkmal steht, gehörte seit dem 12. Jahrhundert bis 1762 zum ersten Friedhof der Kirchengemeinde.

Die später an beiden Seiten hinzugefügten Gedenksteine erinnern an hochrangige Heerführer, beide ehemals Regimentschefs der Itzehoer Artilleristen.

Gestiftet von der Sparkasse in Steinburg

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Die Geschichte

Zuerst schuf der Bildhauer Hans Jenekell das Modell des Denkmals. »Preisgekrönter Entwurf für das Neuner Ehrendenkmal in Itzehoe« steht unter diesem Bild.

SH Itzehoe Entwurf web


Gestiftet wurde es vom Neunerbund Hamburg-Itzehoe, der Kameradschaftsvereinigung des Regiments Generalfeldmarschall Graf Waldersee (schlesw.) Nr. 9, der die Mittel über Spendensammlungen aufbrachte. Es soll an das Regiment, seinen Kriegsruhm und seine Gefallenen im 1. Weltkrieg erinnern. 374 Soldaten der Itzehoer Teile des Regiments waren gefallen. Nach einer Aufstellung im Heimatbuch des Kreises Steinburg, Bd. 3 sind insgesamt 790 Soldaten aus der Stadt und der Gemeinde Klosterhof Itzehoe im 1. Weltkrieg getötet worden.

Der Entwurf des Denkmals stammt von Hans Jenekell [auf der Informationstafel des Heimatverbandes für den Kreis Steinburg steht »Hans Jenkel«], Berlin-Friedenau. Durch die Inflation bedingt konnte der Neunerbund die Mittel für die Bauausführung des Denkmals durch den Künstler nicht aufbringen. Die Itzehoer Firma F. Kolbe übernahm dies zu einem wesentlich niedrigeren Preis, wobei Prof. Emmerich Oehler aus Hamburg die bildhauerischen Arbeiten übertragen bekam.

Das Modell zeigt noch den ursprünglich geplanten Spaten in der rechten Hand des Soldaten, er wurde in der Ausführung durch die junge Eiche mit der oben beschriebenen starken Symbolik ersetzt.

SH Itzehoe Errichtung web

Die Inschrift auf dem Sockel lautet:

Den Gefallenen des Feldartillerieregiments Graf Waldersee (Schl.) No.9
Des Reservefeldartillerieregiments und deren Kriegsformationen 1914-1918.

Das Regiment hatte 1889 die städtischen Kasernen in der Moltkestraße bezogen, später auch das sog. Fiskalische Kasernement an der Oelixdorfer Straße. Anfänglich hieß es Schleswigsches Feldartillerie-Regiment Nr. 9 und wurde 1901 nach ihrem Chef in Regiment Generalfeldmarschall Graf Waldersee (schleswigsches) Nr. 9 umbenannt.

Das Denkmal wurde von zwei Seiten kritisiert. Zum einen stand die Stadt dem Projekt des Neunerbundes ablehnend gegenüber. Die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung befürchtete in dem Denkmal ein monarchisches Symbol und beschloss, sich nicht an der Finanzierung zu beteiligen. Nachdem das Denkmal aber von der Bevölkerung zum großen Teil begeistert akzeptiert wurde, hielt auch der Bürgermeister Rohde bei der Einweihung eine Festrede. Dass die Bedenken nicht unberechtigt waren, zeigt sich darin, daß viele Itzehoer bei der großangelegten zweitägigen Einweihungsfeier die schwarz-weiß-rote Fahne des Kaiserreichs hissten. Zum anderen stießen sich viele an der modernen Form des Denkmals. Sowohl am Sockel, der nach oben breiter wird und den Block mit dem Relief »emporhebt«, als auch an der Soldatenfigur, die die »Ruhe und Kraft« eines Soldaten auf Posten ausdrücken soll, schieden sich die Geister. Das Relief des Steinblocks, auf dem der Soldat steht, zeigt auf der einen Seite Kampfdarstellungen und auf der Gegenseite die »Todesruhe der zusammengeschossenen Batterie« (nach den Äußerungen des Bildhauers).

SH Itzehoe Einweihung web


Am 2. August 1925 wurde das fertige »Neuner-Denkmal« enthüllt. 

 

SH Itzehoe Kranz neu web
Fotos: Gemeinsames Archiv des Kreises Steinburg und der Stadt Itzehoe

Gedenkfeier Juni 1952 in der Kirchenstraße, noch ohne die beiden Heerführer-Gedenksteine.

• Text zum Neuner-Denkmal nach dem Band »Itzehoe – genauer hingesehen: Wege durch die Stadt«. Herausgegeben vom Arbeitskreis Itzehoer Geschichte und dem Gemeinsamen Archiv des Kreises Steinburg und der Stadt Itzehoe, 2000.

Wir danken Kirsten Puymann und Andrea Hahn für die historischen Fotos aus dem Archiv des Kreises Steinburg und der Stadt Itzehoe.

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Historische Postkarten

Eine Vielzahl von Postkarten gibt es vom »Neuner-Denkmal«. Es war über viele Jahrzehnte ein beliebtes Motiv.

SH Itzehoe Postkarte web2

SH Itzehoe Postkarte 1939 web


Damals stand der Soldat auf einem großzügigen dreistufigen Podest. Zackig geschnittene Hecken umgaben das Denkmal.

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So frei stand das Kriegerdenkmal in seinen ersten Jahren.

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SH Itzehoe Karte3 web

... und da stehen sie schon rechts und links: die damals wohl nagelneuen »Ehrenmäler für die hochrangigen Heerführer«. 1955 sind sie dort aufgestellt worden.

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Graf Waldersee

Von links guckt Graf Waldersee auf den Soldaten. Der Stein mit dem Relief aus Kupfer hat die Inschrift:

DEM REGIMENTSCHEF (1896 - 1904)
GENERALFELDMARSCHALL
GRAF WALDERSEE

ZUM ANDENKEN GEWIDMET
VOM NEUNERBUND
HAMBURG-ITZEHOE


Das Relief wurde gestaltet von Hugo Klugt (14. Dezember 1879 - 15. Mai 1939). Der Bildhauer und Maler Hugo Eduard August Klugt war Mitglied in der Hamburgischen Künstlerschaft. Der Stein wurde vom Neunerbund Hamburg-Itzehoe gestiftet.

SH Itzehoe links Waldersee web


Der Stein wurde an diesem Ort am 5. Juni 1955 enthüllt. Ursprünglich stand er in der Kaiserstraße am Offizierskasino:


SH Itzehoe Einweihung Waldersee web


»Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee war sechs Jahre lang Chef des Schleswigschen Feldartillerie-Regiments Nr. 9, das ab 1889 in Itzehoe stationiert war. Nach dem Ausbruch des sog. Boxeraufstandes in China im Mai 1900 wurde er Oberbefehlshaber der internationalen Armee bzw. des Expeditionskorps, die ihn niederwerfen sollten. Dem Boxeraufstand fielen viele Europäer zum Opfer, unter ihnen der Deutsche Gesandte. Boxeraufstand ist die ironische Bezeichnung der europäischen Mächte für den I-ho-ch’üan-Aufstand. Die chinesische Bewegung machte die Fremden, d.h. die Vertreter der europäischen Mächte, der USA, Rußlands und Japans für das um sich greifende Elend verantwortlich. Die Staaten hatten sich im Rahmen ihrer Kolonialpolitik in China festgesetzt. Als am stärksten gekränkte Nation übernahm Deutschland die Führung einer internationalen Truppe, um die Ordnung wiederherzustellen. Als Graf von Waldersee eintraf, war der Aufstand weitgehend niedergeworfen, und er führte nur noch blutige Strafexpeditionen durch. [...] Beim Offizierskasino in der Kaiserstraße wurde ihm zu Ehren ein Gedenkstein aufgestellt. Dieser Stein wurde 1955 zum Gedenkstein am Neuner-Denkmal umgestaltet.«

zitiert aus »Itzehoe – Genauer hingesehen II«, Wege durch die Stadt. Herausgegeben vom Arbeitskreis Itzehoer Geschichte und dem Gemeinsamen Archiv des Kreises Steinburg und der Stadt Itzehoe, 2005.

Wir danken Birgit Struck für die Bereitstellung der Publikation.

Itzehoe – Genauer hingesehen II, S. 107 - 109

 
Alfred Heinrich Karl Ludwig Graf von Waldersee, geboren am 8. April 1832 in Potsdam, gestorben am 5. März 1904 in Hannover, war ein preußischer Generalfeldmarschall. Er war von 1888 bis 1891 Chef des Großen Generalstabs und um 1900 Oberbefehlshaber eines multinationalen Truppenkontingents, das zur Niederschlagung des chinesischen »Boxeraufstands« nach Peking entsandt worden war.

Unter dem westlichen Bezeichnung »Boxeraufstand« versteht man eine chinesische Bewegung gegen den europäischen, US-amerikanischen und japanischen Imperialismus. Um die Jahreswende 1899/1900 kam es in der Provinz Schantung zu vereinzelten offenen Ausbrüchen.

In der Folge stellten sechs europäische Staaten sowie die USA und Japan ein Expeditionskorps für eine Intervention in China zusammen. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte unverzüglich auf den Vorschlag einer gemeinsamen Militäraktion europäischer Staaten reagiert, weil sich in diesem Rahmen die verstärkte Rolle des Deutschen Reiches in der Weltpolitik demonstrieren ließ. Zu seiner Genugtuung konnte er erreichen, dass dem ehemaligen deutschen Generalstabschef Feldmarschall Alfred Graf von Waldersee der Oberbefehl über dieses gemeinsame Expeditionsheer übertragen wurde. Bei der Verabschiedung eines Teils der deutschen Truppen am 27. Juli in Bremerhaven hielt Wilhelm II. seine berüchtigte Hunnenrede:

»Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre alte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußische Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freudigen Ertragen von Leiden, mögen Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel […] Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschlands in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!«

nach Wikipedia, abgerufen am 7. Januar 2018

SH Itzehoe Waldersee NEU web

• Detail einer im Jahr 1901 mit der chinesischen Kaiserlichen Post in die Schweiz verschickten Postkarte.

Hauke Neddermann hat für »freedom roads! – postkoloniale Erinnerungskultur« eine Charakterisierung von Graf Waldersee geschrieben:

Waldersee


Bei seiner Rückkehr im Jahr 1902 wurde Graf von Waldersee zum Ehrenbürger der Stadt Itzehoe ernannt. Das ist er bis heute.


Mehr Informationen:

»Der chinesische ›Boxeraufstand‹ von 1900 war sowohl das Ergebnis lang andauernder europäischer, amerikanischer und japanischer Einmischung in die chinesische Wirtschaft und des Zerfalls der korrupten und ineffizienten Ching-Dynastie als auch die kurzfristige Folge des Versuchs der Regierung, die verständlichen Ressentiments der Bevölkerung gegen koloniale Niederlassungen auszunutzen. Die Mitglieder des Geheimbundes Yi-he quan (›Faust für Recht und Einigkeit‹) – bekämpften Missionierung und Industrialisierung Chinas durch Ausländer ...«

Website: deutsche-schutzgebiete.de     


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Freiherr von Fritsch

Von rechts guckt Freiherr von Fritsch auf den Soldaten. Der Stein mit dem Relief aus Kupfer seiner Büste hat die Inschrift:

GENERALOBERST
FREIHERR V. FRITSCH

OBERBEFEHLSHABER DES HEERES
KDR. 2. (PREUSS) ARTL. RGT.
CHEF ARTL. RGT. 12

Auch dieser Gedenkstein wurde vom Neunerbund Hamburg-Itzehoe gestiftet. Der Entwurf stammt von Ingeborg Blankenstein. Die Bildhauerin (1923-1983) verbrachte ihr gesamtes Leben in Itzehoe. Nach einem kurzen Bildhauerei-Studium in Hamburg arbeitete sie unermüdlich in ihrer Werkstatt, trat nach dem Krieg dem Steinburger Künstlerbund bei und lebte später sehr zurückgezogen.

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Thomas Ludwig Werner Freiherr von Fritsch, geboren am 4. August 1880 in Benrath, gestorben am 22. September 1939 bei Praga, Warschau, war ein deutscher Offizier, zuletzt Generaloberst sowie von 1936 bis zu seinem Sturz 1938 Oberbefehlshaber des Heeres.

Von April 1913 bis März 1914 gehörte er der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabes an, welche die Kriege Friedrichs des Großen bearbeitete, bevor er in die Aufmarsch-Abteilung versetzt wurde und somit an der deutschen Mobilmachung im August 1914 beteiligt war. Im 1. Weltkrieg diente Fritsch als Generalstabsoffizier in verschiedenen Funktionen.

Nach dem Regierungsantritt Hitlers wurde Fritsch von Hindenburg im Januar 1934 zum Chef der Heeresleitung ernannt. Im Juni 1935 wurde er Oberbefehlshaber des Heeres mit Beförderung zum Generaloberst am 20. April 1936. Er galt als Vertreter des alten, preußischen Konservatismus, was ihn in Konflikt mit Kriegsminister Werner von Blomberg und der SS brachte.

SH Itzehoe von Fritsch web
Foto: Bundesarchiv

• Werner von Fritsch (Mitte) mit Werner von Blomberg (links) und Erich Raeder (rechts) im Jahre 1936.

Im Zuge der Blomberg-Fritsch-Affäre wurde Fritsch der Homosexualität bezichtigt und von seinem Posten als Oberbefehlshaber des Heeres entfernt. Es kam zu einem Prozess, in dem Fritsch am 18. März 1938 wegen erwiesener Unschuld von den Anschuldigungen freigesprochen und rehabilitiert wurde.

Am 11. August 1938 wurden Fritsch förmlich seine Rehabilitierung sowie seine Ernennung zum Chef seines alten Artillerieregiments 12 in Schwerin (Mecklenburg) bekanntgegeben.

Am 11. Dezember 1938 – also nach der Reichspogromnacht – schrieb Fritsch an Baronin Schutzbar:

»Bald nach dem Krieg kam ich zur Ansicht, daß drei Schlachten siegreich zu schlagen seien, wenn Deutschland wieder mächtig werden sollte: 1. die Schlacht gegen die Arbeiterschaft, sie hat Hitler siegreich geschlagen; 2. gegen die katholische Kirche, besser gesagt den Ultramontanismus, und 3. gegen die Juden. In diesen Kämpfen stehen wir noch mitten drin. Und der Kampf gegen die Juden ist der schwerste.«

Einen Monat vor Beginn des Zweiten Weltkrieges erklärte Fritsch: »Der Endsieg ist eben nur möglich, wie der Führer betont hat, wenn das ganze Volk innerlich einig ist und fest dasteht, bereit alles einzusetzen.«

Er begleitete als Chef sein Artillerieregiment 12 im Polenfeldzug und fiel am 22. September 1939 bei Praga, einer Vorstadt von Warschau.

nach Wikipedia, abgerufen am 7. Januar 2018

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Der Stahlhelm

Neben dem militärischen Ehrenzeichen Eisernes Kreuz ist die Darstellung des Stahlhelms das meist gezeigte Symbol auf Kriegerdenkmälern. Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der Lazarettarzt Professor August Bier (nach ihm ist z.B. eine Klinik in Malente benannt) beobachtete höchst gefährliche Granatsplitterverletzungen des Gehirns in erschreckender Häufigkeit und entwickelte darum zusammen mit dem Ingenieur Dr. Friedrich Schwerd den neuen Helm aus Stahl, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30.000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

SH Sprenge Karte web

Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.

Auf dem Verwundetenabzeichen, das 1939 eingeführt wurde, war ein Stahlhelm zu sehen, obwohl offensichtlich seine Schutzwirkung nicht ausgereicht hatte:

SH Haffkrug Verwundetenabzeichen in Silber web


Adolf Hitler hatte die Verordnung über die Stiftung des Verwundetenabzeichen am 1. September 1939, dem Tag des Überfalls der Deutschen Wehrmacht auf Polen, erlassen.

Hitlers Verwundetenabzeichen auf Wikipedia


Die Einführung eines Stahlhelms für die Bundeswehr im Juni 1956 war ein Politikum. Den Forderungen des Militärs nach einem wirksamen Kopfschutz für die Soldaten wurde nur sehr zögerlich entsprochen. Unter keinen Umständen sollte der Helm für die Bundeswehr auf Konstruktionen beruhen, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.

Für den aktuellen »Gefechtshelm, allgemein«, der am 15. Januar 1992 eingeführt wurde, galten dann diese politischen Bedenken nicht mehr. Der Helm sollte unter Wahrung der modernsten militärischen Gesichtspunkte auch alle Vorteile des Stahlhelms der Wehrmacht in sich vereinigen.

Die Stahlhelme der alten Form blieben weiterhin auch im Gebrauch beim Bundesgrenzschutz und der Polizei.

Im Internet bieten eine Menge Militaria-Händler »Original-Stahlhelme der Deutschen Wehrmacht« zum Kauf an. Auch ein »Kinderhelm wie Stahlhelm M35 Wehrmacht Luftwaffe« für 190 Euro ist im Angebot. Ein T-Shirt, das Amazon anpries mit dem Aufdruck »SS-Stiefel, die besten Wanderschuhe aller Zeiten« wurde erst nach scharfen Protesten aus dem Sortiment genommen.

»Früher musste der Wehrmachtsfan noch in schmuddelige Militaria-Läden schleichen oder dreimal nachdenken, ob er seine Adresse bei einschlägigen rechtsextremen Versandhäusern hinterlassen will. Dank Amazon genügt jetzt ein Klick und der Wehrmachtsstahlhelm liegt auf dem Gabentisch«, empört sich die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke auf www.stimme.de. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagt dazu: »Ein angemessener Schritt wäre, die bisherigen Gewinne aus diesen Produkten an Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu spenden.«

Mehr dazu auf www.stimme.de: Stahlhelm unterm Christbaum


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Die deutsche Eiche

Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.

Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019

 
»Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«

Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525


»Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«

Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de

»1933 wurde mit einer offiziellen Zeremonie eine Adolf-Hitler-Eiche auf dem Dorfplatz gepflanzt (s. Foto). Auf dem Foto sieht man Heinrich Behnke, [...] sowie Hartwig Gäde. Herbert Hansen, mit weißen Kniestrümpfen, musste damals ein Gedicht aufsagen. Lehrer Kühl hielt eine Rede.

Am 8. Mai 1945, am Tag der deutschen Kapitulation, wurde die Eiche von Ernst Meier mit den Worten umgehauen: ›Du Aas kümmst af!«
Hartwig Gäde erzählt dazu: ›As ik ut de Gefangenschaft, ut den Krieg kam, da käm de ole Meier to mi hin un seggt: ›Soll ik di mal wiesen, wo diene Adolf Hitler Eiche is? Denn komm mal mit!‹. Da ist er dann mit mir in seinen Garten gegangen und zeigte auf einen Zaunpfahl. Die Eiche hatte er abgesägt und einen Zaunpfahl daraus zurechtgeschnitten. Der alte Meier war der SPD treu geblieben.«

SH Rethwisch Hitlereiche web

• Diese schöne Geschichte steht in der »Chronik der Landgemeinde Rethwisch« von Doris Moßner und Inga Rogga aus dem Jahr 2001.

 

NDR-Zeitreise: Die Geschichte der »Hitlereichen«

Schleswig-Holstein Magazin vom 14. April 2023



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Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0


Eichenlaub als höchste Zier: SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS Theodor Eicke im Jahr 1942.


»Eichenlaub« war ab 1999 ein rechtsextremes Liedermacher-Duo aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes

Hartmut Häger schreibt in seinem Buch ›Kriegstotengedenken in Hildesheim‹ auf Seite 133: »Während des Ersten Weltkriegs sah sich der Lorbeer nationalistischer Verdächtigungen ausgesetzt. Er werde aus ›welschem Feindesland‹ eingeführt und sei deshalb ungeeignet für den Siegeskranz der Gefallenen. Eichen- und Tannenkränze seien dem italienischen Importartikel vorzuziehen. Verdrängen konnte das Eichenlaub den Lorbeer nicht, bedrängen offenbar schon.«

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I N H A L T
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Das Denkmal
Volkstrauertag 2019
Aus der Geschichte
Die Kyffhäuser-Kameradschaft
Findlinge

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Jersbek, Kreis Stormarn

An der Landstraße in Höhe der Abzweigung »Langereihe«

Auf dem »Ehrenfriedhof« gedenken die Jersbeker der toten Soldaten beider Weltkriege. Hier befinden sich deren Namenssteine, nicht ihre Gräber. 1919, sehr schnell nach Ende des Krieges, baute die örtliche Kyffhäuser Kameradschaft die Anlage nach den Plänen des bekannten Kieler Architekten Ernst Prinz für die 28 toten Soldaten der Gemeinde.

SH Jersbek weit web


Direkt an einer viel befahrenen Durchgangsstraße liegt diese Anlage, inmitten von Feldern. Im Hintergrund sieht man die Bäume des Jersbeker Forst. Dieser Ort verwundert im ersten Moment, aber da die Ansiedlungen der Gemeinde weit zerstreut sind, bot sich dieser Platz in der geografischen Mitte der Gemeinde an. Die Anlage ist 50 Meter breit.

SH Jersbek beide web


Parallel zur Straße riegeln mit Ketten verbundene Pfeiler und in der Mitte ein mit Steinen begrenztes Beet das Halbrund der Namenssteine ab. Um dort hinzukommen muss man entweder über eine Kette steigen oder sich in der Mitte am Beet vorbei zwängen.

Die Pfeiler sind mit einer Eisenkette verbunden, die oft an den Denkmalsanlagen nach dem 1. Weltkrieg die Fesselung Deutschlands an den Versailler »Schandvertrag« verkörpern sollte. Manchen Orts wurde die Kette dann in späteren Jahren symbolträchtig von den Nazis der Gemeinde durchgehauen.

Der Versailler Vertrag auf LeMO

 

SH Jersbek Eingangsstein web


Die Inschrift auf dem rundlicher Findling im Beet fungiert als Eingangsschild:

EHRENFRIEDHOF
JERSBEK

Die Wortwahl und das militärische Ehrenzeichen »Eisernes Kreuz« über der Inschrift sagen uns: hier geht es ausschließlich um tote Soldaten.

SH Jersbek Denkmal web

 
Weiter hinten der große zentrale Findling mit der ehrenden Widmung für die toten Soldaten. Was bedeutet das auffällige Symbol zwischen den Jahreszahlen, das fast bis zum Boden reicht?

SH Jersbek Inschrift web


Die Inschrift lautet:

UNSEREN GEFALLENEN
ZUM EHRENDEN GEDÄCHTNIS
1914   1918
1939   1945

Sie ist, wie auf dem Eingangsstein, in einer extravaganten Künstlerschrift gesetzt – ambitioniert wie der Architekt, der das Denkmal entworfen hat.

SH Jersbek Schwert web


Die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs sind nachträglich angebracht, sie sind weniger gedrungen und dadurch breiter.

In der Vergrößerung sehen wir auch deutlich, dass das langgezogene Symbol zwischen den Jahreszahlen kein Kreuz als Zeichen der Trauer, sondern ein Degen ist. Auch wenn er hier in Jersbek gesenkt ist, sollten die Waffensymbole auf den Denkmälern nach dem 1. Weltkrieg, die nur vorübergehend erzwungen ruhende Wehrhaftigkeit des Deutschen Reichs darstellen.

Der Degen ist hier stilisiert abgebildet, er gehört zu den Waffen mit vornehmer Symbolkraft. Im 1. Weltkrieg wurde er nicht mehr als Stichwaffe benutzt. Der technologische Fortschritt durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert machte es möglich, dass für den 1. Weltkrieg neue Waffen entwickelt und produziert wurden, die Angriffe aus weiter Entfernung gestatteten. Es musste nicht mehr Mann gegen Mann gekämpft werden. Zu den neuartigen Waffen gehörten U-Boote, Panzer, Flugzeuge, Maschinengewehre, Handgranaten und Giftgas. Der Degen hatte ausgedient.

Er wurde aber bis heute ein nobles Assessoire für Galauniformen bei Paraden oder besonderen Zeremonien. Seine Bedeutung hatte der Degen in der Vergangenheit erlangt: er gehörte u.a. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zur vollständigen Garderobe von Offizieren und Adeligen und war insofern auch Rangabzeichen. Das Degenfechten gilt auch heute als ein akademischer Sport.

Der Degen auf dem Weltkriegsdenkmal ist also auch als zusätzliche Ehrung zu verstehen.

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Nah hinter dem großen Findling läuft das Halbrund der Namenssteine. Die hintere Reihe gilt den 28 toten Soldaten des 1. Weltkriegs, die Steine sind mit der gleichen, extrem schmalen Schrift der Findlinge gekennzeichnet.

SH Jersbek Stein1 web

Von den 28 Toten kamen je drei Söhne aus der Hofpächterfamilie Daniels und der Arbeiterfamilie Noffz.

SH Jersbek 3Steine web


Im Frühjahr 1954 wurden die Steine zum 2. Weltkrieg in langer Reihe davor gesetzt. Sie benennen 48 tote Soldaten, davon dreimal je zwei Brüder und zweimal Vater und Sohn. 20 von 48 toten Soldaten gehörten zu den Heimatvertriebenen, zumeist aus Ostpreußen, die nun in Jersbek lebten. Die Steine wurden, wie 1919, von Landbesitzern kostenfrei geliefert. Am 19. September 1954 wurde die Anlage dann ein zweites Mal durch Pastor Thomsen geweiht.

Der große Stein auf dem Foto links benennt in »normaler« Schrift Ulrich Polenz, der 17-jährig im August 1944 in Frankreich zu Tode kam und seinen 49 Jahre alten Vater Richard, der seit April 1945 in Königsberg vermißt wurde.

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Emil Nuppenau starb mit 31 Jahren im August 1916 als einziger Jersbeker Soldat in Galicien.

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Heinrich Reimers starb mit 20 Jahren in Frankreich – wie 13 andere auf diesem »Ehrenfriedhof«, d.h. die Hälfte der 28 Soldaten aus Jersbek starben dort.

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Die Brüder Erich und Ernst Gramm werden seit 1944 und 1945 in Rußland vermißt.

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Richard Siggelkow erlag 54-jährig »in der Heimat« seinen Kriegsverletzungen.

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Optisch markiert wird das Halbrund der Steinreihen durch dahinter gepflanzte Bäume.

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Volkstrauertag 2019

Am pikobello hergerichteten zentralen Ort des Jersbeker »Ehrenfriedhofs« ist ein Kranz niedergelegt worden.

 

SH Jersbek Denkmal mit Kranz web


Die Gemeinde Jersbek hat ihn gestiftet. »Unseren Toten im stillen Gedenken« steht auf der Schleife in den Farben Schleswig-Holsteins.

 

SH Jersbek VTT2019 web


»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.29

 

SH Jersbek 1985 Raimund Marfels StA Ausschnitt webFoto (Ausschnitt): Stormarner Archiv, CC BY NC SA 4.0

Traditionell haben die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren ein enges Verhältnis zu den »Soldatenkameraden«, so beteiligen sie sich auch meist am Programm zum Volkstrauertag an den Denkmälern. 1985 zog der Festzug der Freiwilligen Feuerwehr Jersbek sogar aus Anlass ihres 85-jährigen Jubiläums zum »Ehrenmal«.

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Aus der Geschichte

Diese Schilderung verfasste Gutsinspektor Heitmann, der langjährige Vorsitzenden des örtlichen Reichskriegerbundes Kyffhäuser im Jahr 1954:

»Im Jahre 1919 baute die damalige Kameradschaft des Reichskriegerbundes Kyffhäuser in Jersbek nach einem Entwurf des Architekten Prinz in Kiel einen Ehrenfriedhof für die 28 im ersten Weltkrieg gefallenen Söhne der Gemeinde Jersbek. Er liegt im Mittelpunkt der weit zerstreuten Gemeinde, wird flankiert von 3 mehrhundertjährigen Eichen und schließt sich an die altehrwürdige Lindenallee gut an. Der Platz war wie geschaffen für diesen Zweck.

In Gemeinschaftsarbeit der Kameraden erfolgte nun die Herrichtung des Platzes. In weitem Halbrund von etwa 50 m Durchmesser wurde für jeden Gefallenen ein Granit-Findling mit Namen, Geburts- und Todes-Datum und Ort gesetzt. Zweimal trugen die Steine die Namen von je 3 gefallenen Brüdern. In der Mitte des Platzes befindet sich ein großer Findling mit der Inschrift ›Unseren Gefallenen zum ehrenden Gedenken 1914/18‹. Der Platz wurde durch 7 neugepflanzte Linden und eine Fliederhecke umrahmt und hatte im Hintergrund den schönen Jersbeker Wald.

Schon bald nach Beendigung des zweiten Weltkrieges wurde mehrfach der Plan erwogen, auch die Namen der Kameraden, welche im letzten Kriege wiederum ihr Leben hingeben mußten, zu ehren und ihre Namen der Nachwelt zu überliefern. Verschiedene Gründe verzögerten das Beginnen. Erst im Frühjahr 1954 wurde von der inzwischen wieder zum Leben erweckten Kameradschaft in Verbindung mit dem Bürgermeister zur Tat geschritten. Der Grundstock zu den Kosten entstand dadurch, daß die Jagdgenossen für dieses Jahr auf das ihnen zustehende Jagdpachtgeld Verzicht leisteten. Damit war der größte Teil der vermutlichen Kosten bereits gedeckt. Die Granit-Findlinge wurden wiederum von den Grundbesitzern kostenlos geliefert und – wie 1919 – in einer zweiten Reihe aufgestellt. Sie tragen die Namen von insgesamt 48 Gefallenen und Vermißten – davon 20 der Heimatvertriebenen, fast sämtlich aus Ostpreußen –. Von den 48 Namen sind dreimal je 2 Brüder und zweimal Vater und Sohn.

SH Jersbek Foto2 altFoto zur Verfügung gestellt von Arthur Paap

Am 19. September 1954 erfolgte bei herrlichem Wetter des sonst so verregneten Sommers und stärkster Beteiligung der Gemeindemitglieder die erneute Weihe dieses wunderschönen Platzes durch Pastor Thomsen.«

Quelle: Amtsarchiv Bargteheide-Land für Gemeinde Jersbek aus der Chronik Jersbek von 1989. Wir danken Doris Krogh vom Amtsarchiv für ihre Hilfe.

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Die Kyffhäuser-kameradschaft

»Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 erfuhren Vereine und Organisationen, in denen das Andenken an den Deutsch-Französischen Krieg wachgehalten werden sollte, enorme Popularität. 1896 wurde durch Sammlung der Kriegervereine auf dem thüringischen Kyffhäuser-Berg ein Mahnmal zum Andenken an die deutsche Einheit eingeweiht. Der vier Jahre später gegründete ›Deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser‹ umfaßte als Dachverband schon bald nahezu sämtliche Kriegervereine des Kaiserreichs. In der Weimarer Republik bildete der formell unpolitische Kyffhäuserbund einen fruchtbaren Boden für die Verherrlichung des Ersten Weltkriegs und die Verbreitung der Dolchstoßlegende sowie der behaupteten Kriegsschuldlüge.

Die etwa 29.000 lokalen Kriegervereine im Deutschen Reich pflegten neben einer intensiven Kameradschaft und der Fürsorge für Kriegsversehrte den Mythos des Frontkämpfertums. Zumeist waren sie die Initiatoren für den Bau von Kriegerdenkmalen, die nach 1918 in nahezu jeder deutschen Gemeinde zu finden waren und deren größtes das Tannenberg-Denkmal in Ostpreußen war. Dem kollektiven Gedenken an die Kriegserlebnisse dienten auch die ab 1925 alle zwei Jahre stattfindenden Reichskriegertage, an denen sich neben Kriegervereinen Wehrverbände wie der Stahlhelm beteiligten.

1932 rief der Kyffhäuserbund seine ca. zwei Millionen Mitglieder auf, ihre Stimme bei der bevorstehenden Reichspräsidentenwahl seinem seit 1919 amtierenden Ehrenpräsidenten Paul von Hindenburg zu geben. Für seinen Gegenkandidaten, den ehemaligen Frontsoldaten Adolf Hitler, eine allzu schmerzliche Erfahrung. Vier Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP verfügte er 1937 die Umbenennung des traditionsbewußten Kyffhäuserbunds in ›NS-Reichskriegerbund‹, der 1943 aufgelöst wurde.«

Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, Text: CC BY NC SA 4.0

Link zum Beitrag

 

»Am 3. März 1943, einen Monat nach der Niederlage in der Schlacht von Stalingrad, löste Adolf Hitler den Kyffhäuserbund auf Reichsebene auf. Das Vermögen wurde der NSDAP übertragen und die weiter bestehenden lokalen Vereine, die in der Endphase des Zweiten Weltkriegs den Grundstock für die Volkssturm-Einheiten bildeten, der Partei unterstellt.

Nach 1945: Durch Kontrollratsgesetz Nr. 2 (Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen) vom 10. Oktober 1945 wurden alle Organisationen und Einrichtungen, die der nationalsozialistischen Herrschaft gedient haben, ›abgeschafft und für ungesetzlich erklärt‹, so unter anderem auch der NS-Reichskriegerbund.

1952 begann die Wiedergründung des Verbandes mit allen Landesverbänden. Heute betont er seine Rolle als Reservisten- und Schießsportverband. Ein Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1990 legte nahe, dass er sich am rechten Rand des politischen Spektrums bewegt. Der Verband sieht sich durch die ›Kyffhäusertreffen‹ der Partei ›Alternative für Deutschland‹ (AfD) unbegründet mit dieser Partei assoziiert und betont die Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit und Grundgesetz als zentrale Aufgaben des Verbandes.«

• Nach Wikipedia, abgerufen am 14. Juli 2020


2006 beantwortete die Bundesregierung die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu Traditionsverbänden, Kameradschaftsvereinen und Rechtsextremismus.

Deutscher Bundestag Drucksache 16/1282


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Findlinge

»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

Häger, S.134

»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.

• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203

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AKTUELL

Die Inschrift auf dem Monument aus dem Jahre 1953 »Denen, die für uns starben« inszenierte allein die Opfersicht. Sie war der Versuch einer nachträglichen Sinngebung für die gefallenen Krieger und deutete den Soldatentod als heldenhaftes Sterben für Deutschland. Sie verschleierte aber auch die Täterschaft und Schuld der politisch Handelnden und die Rolle des deutschen Militärs bei der Entfesselung beider Weltkriege sowie insbesondere die Funktion der Wehrmacht im System der NS-Diktatur. Das Denkmal erinnert auch nicht an zivile Tote und an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

Die Parkanlage ist damit durchaus umstritten und problematisch. Sie erklärt sich nicht von selbst. Der zuständige Fachausschuss der Stadtvertretung hat daher beschlossen, auf der Anlage erklärende Informationstafeln aufzustellen. Bürgervorsteher Raimund Neumann präsentierte diese der Öffentlichkeit am 19. November 2023 im Rahmen der Kranzniederlegung am Volkstrauertag. Der Kaltenkirchener Historiker Dr. Gerhard Braas, der die Geschichte des »Heldenhains« erforscht und die Texte der sieben Informationstafeln formuliert hatte, erläuterte den Anwesenden die Parkanlage.

Gerhard Braas, 100 Jahre »Heldenhain« in Kaltenkirchen. Auszug aus dem Heimatkundlichen Jahrbuch für den Kreis Segeberg. 69. Jahrgang, 2023

Infotafeln der Stadt Kaltenkirchen in der Parkanlage »Am Ehrenhain«, 2023

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I N H A L T
Monument aus dem Jahr 1953
Parkanlage »Am Ehrenhain«
Gerhard Braas zur Rezeption des »Ehrenhains«
Pastor Ernst Szymanowski
Volkstrauertag 2023
Das Denkmal zum Krieg 70/71
Der Deutsch-Französische Krieg
Der Adler
»Wir sind die Herren der Welt«
Militär-Vereine
Friedenseichen
Die Kriegsnagelung in der Michaeliskirche

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Kaltenkirchen, Kreis Segeberg

In der Parkanlage am Ortsrand in Richtung Schmalfeld

Das über sechs Meter hohe Monument für die toten Soldaten beider Weltkriege steht auf einem erhöhten runden Platz, der von einer ca. 80 cm hohen Bruchsteinmauer begrenzt wird. Diese Mauer umgab schon das Denkmal zum 1. Weltkrieg, sie war von Steinsetzmeister Rudolf Fock 1931 errichtet worden und ist beim Ausbau der Denkmalsanlage erhalten geblieben. Das neue Backsteindenkmal ist 1953 eingeweiht worden, Kreisoberbaurat Otto Eberwein hat es entworfen und als »eine geschlossene Anlage für die Gefallenen und Vermissten beider Weltkriege« konzipiert.  »Auch rein geschichtlich gesehen besteht zwischen beiden Kriegen ein Zusammenhang, so dass es durchaus sinnvoll wäre, wenn ein einziges, aber würdiges Ehrenmal geschaffen würde«, so seine Begründung.

Eine breite fünfstufige Bruchsteintreppe führt hinauf zum sich nach oben verjüngenden Monument, das von ausladenden Rhododendronbüschen flankiert wird. Neben der ersten Stufe steht seit dem Volkstrauertag 2023 eine der neuen Informationstafeln.

SH Kaltenkirchen Monument 1953 webAlle Fotos der Anlage: Sammlung Braas

Das gemauerte Backsteinmonument trägt in aufgesetzten, goldfarbenen Lettern den Sinnspruch:

Denen
die für uns
starben

Darunter sind versetzt drei Kranzhalter angebracht. In die umgebende Bruchsteinmauer sind 1953 die abgebauten Gedenksteine zum 1. Weltkrieg ringsherum eingefügt worden.

SH Kaltenkirchen Hauptstein 1WK web2
 

An der Westseite der größere Findling mit geschliffener Oberfläche und der Inschrift:

1914 (Eisernes Kreuz) 1918
Dem Andenken unserer Gefallenen
Die dankbare Gemeinde


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Links und rechts davon stehen zwei Steine mit je 16 Namen.

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Je ein Namensstein auf der Nord- und Südseite mit 15 bzw. 13 Namen.


Gerhard Braas schreibt: »Die Inschriften aus den Jahren 1923 und 1953 inszenierten allein die Opfersicht, waren Versuch einer nachträglichen Sinngebung für die gefallenen Krieger und deuteten den Soldatentod als heldenhaftes Sterben für Deutschland. Darüber hinaus verschleierten sie Täterschaft und Schuld der politisch Handelnden und die Rolle des deutschen Militärs bei der Entfesselung beider Weltkriege sowie insbesondere die Funktion der Wehrmacht im System der NS-Diktatur. Das Denkmal erinnert auch nicht an die zivilen Toten und an die zahlreichen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.«

 

SH Kaltenkirchen PK web


Postkarte aus Kaltenkirchen im 60er Jahre-Look: Da grüßt auch das Monument für die toten Soldaten beider Weltkriege.

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Parkanlage »Am Ehrenhain«

Schon im August 1915 hatte das preußische Innenministerium verfügt, zur Ehrung der getöteten Soldaten in jedem Ort einen »Heldenhain« einzurichten. Die diesbezüglichen Beratungen in der Kaltenkirchener Gemeindevertretung und im Kirchenvorstand verliefen jedoch schnell im Sande. Das Geschehen im Dorf bestimmten statt dessen die Propagandaaktion zur Nagelung des Michaelsbildes Ende 1915 (mehr darüber im Kapitel »Die Kriegsnagelung in der Michaeliskirche«), die Versorgungskrise mit dem Hungerwinter 1916/17 als Höhepunkt, die spürbare Umbruchphase vom Kaiserreich zur Republik sowie die bis 1920 fortdauernden Probleme mit den Kriegsgefangenen aus dem Lager in Springhirsch.

Gut drei Jahre nach Ende des 1.Weltkrieges, im Frühjahr 1921, beschloss die Gemeindeversammlung, als Standort für einen »Heldenhain« ein 20.870 qm großes Gelände an der Schmalfelder Chaussee vorzusehen und das Projekt durch eine Kommission zu planen und voranzutreiben.

Da die Gemeinde keine finanziellen Mittel für das Vorhaben aufbringen konnte, bat der »Ausschuß für Kriegerehrung Kaltenkirchen« die Bevölkerung mehrfach um Spenden. Die mangelnde Bereitschaft hierzu führte mehrfach zu öffentlicher Kritik.

SH Kaltenkirchen Zeitung 1922 webAbbildung: Sammlung Braas


Hier die Anzeige in der »Kaltenkirchener Zeitung« vom 14. Januar 1922: »Die Einrichtung des Heldenhaines im hiesigen Orte ist vergeben. Im Hinblick auf die Bedeutung wird etwas Würdiges geschaffen werden. Wir haben mit einem Kostenaufwand von ca. 35.000 Mark zu rechnen, etwa 22.000 Mark sind aufgebracht. Wir wenden uns daher nochmals an die Einwohner mit der dringenden Bitte um Überweisung weiterer Beiträge ...«.

Trotz Benefizveranstaltungen des Gesang- sowie auch des »Krieger- und Militärvereins von Kaltenkirchen und Umgebung« sowie des Arbeitseinsatzes von Erwerbslosen musste die Gemeinde die restlichen Kosten übernehmen.

Am 5. August 1923 wurde der »Heldenhain« eingeweiht. Über dem Eingangstor prangte auf einer Eichenbohle folgender Text: »1914 – 1918. Dieser Ehrenhain grüne zum Gedächtnis der aus unserer Gemeinde auf dem Felde der Ehre Gefallenen«.

Am Ende der Weimarer Republik geriet der »Heldenhain« zunehmend in den Blickwinkel der sich verschärfenden politischen Auseinandersetzungen. Die antidemokratischen Formationen von Militärverein und Stahlhelm sowie die nationalsozialistischen Verbände nutzten den »Heldenhain« als Kultstätte. Später feierten die örtlichen NS-Gliederungen dort offiziell den »Heldengedenktag«.

SH Kaltenkirchen 1936 PK web

Der »Heldenhain« Mitte der 1920er Jahre als Postkartenmotiv, es ist das älteste bekannte Foto der ursprünglichen Anlage.


Nach starken Regenfällen geriet der Gedenkstein jedoch auf der unbefestigten Hügelspitze immer wieder in Schieflage.

SH Kaltenkirchen Anlage 1931 webFoto: Sammlung Braas

Steinsetzmeister Rudolf Fock errichtete daher den Steinwall, der bis heute auch die neue Anlage umgibt.

Bei der Einweihung des neuen Backsteindenkmals 1953 betonten Vertreter von Kirche, Politik und Verbänden insbesondere die Opferrolle der Deutschen in beiden Weltkriegen. Die jährlichen Feierlichkeiten zum Volkstrauertag im »Heldenhain« folgten über Jahrzehnte weitgehend diesem Muster.

Die Gemeinde benannte den ehemaligen »Heldenhain« schließlich in den 1960er Jahren in »Ehrenhain« um.

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Gerhard Braas zur Rezeption des »Ehrenhains«

Aus 100 Jahre »Heldenhain« in Kaltenkirchen. Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg, 2023:

Der »Heldenhainausschuss« terminierte die Einweihungsfeier für den 5. August 1923. Er hatte sie unter anderem wegen eines Sängerfestes mehrfach verschoben, aber den Zeitpunkt mit Bedacht gewählt – exakt neun Jahre zuvor hatte England dem Deutschen Kaiserreich den Krieg erklärt. Wohl auch wegen der werbewirksamen Zeitungsanzei- gen geriet die Eröffnung des neuen »Heldenhains« zu einer mit gro- ßem Aufwand und propagandistisch in Szene gesetzten Militärschau unter reger Beteiligung der Kaltenkirchener Bevölkerung.

Hinrich Sielk, Chef des einflussreichen und stramm nationalistischen Krieger- und Militärvereins, leitete standesgemäß den Festzug, der vom Marktplatz zum »Heldenhain« führte: »Voran die Schulkinder unter Aufsicht der Lehrer, dann folgend die Kranzträger, die Vereine, der Heldenhainausschuss, die Gemeindevertretung, die Musik, die Fahnensektionen der Vereine und die übrigen Gemeindemitglieder.« Umrahmt von musikalischen Darbietungen stand die Weiherede von Pastor Friedrich Siegmann im Mittelpunkt der Feier. Mit Bezug auf die Bibelworte »Fahre auf die Höhe« (Lucas 5,4) erinnerte der Geistliche an die Zeit seit Beginn des Ersten Weltkrieges, es waren neun »volle, harte dunkle Jahre – eines immer düsterer als das andere«. Er gab dem Tod der Kaltenkirchener Soldaten einen Sinn: »Sie litten und stritten und starben für ein hohes Gut«, denn »Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen!« (Das Zitat des Dichters Heinrich Lersch findet sich auch auf dem 1936 eingeweihten Kriegerdenkmal am Hamburger Dammtorbahnhof). Pastor Siegmann beklagte die Gebietsverluste nach 1918, die innere Zerrissenheit, den Parteienstreit, die wirtschaftliche Lage und die Inflation – die Tagesnotierung eines Dollars betrug 1.648.750 Reichsmark. Nach der Weihe des »Heldenhains« – »Alles Ruchlose und Unwürdige bleibe dir fern« – nahm Gemeindevorsteher Ernst Schümann ihn »namens der Gemeinde in deren Obhut und Pflege und empfahl der Allgemeinheit den Schutz der heiligen Gedenkstätte«. [...]

Die NS-Regierung erklärte 1934 den Volkstrauertag per Gesetz zum »Heldengedenktag«. Dem vorauseilend feierte Pastor Ernst Szymanowski bereits fünf Jahre zuvor im „Heldenhain« öffentlich einen »Heldengedenktag«, wie die »Kaltenkirchener Zeitung« berichtete. Das NSDAP-Mitglied zog vor der versammelten Feuerwehr, Vertretern der Gemeinde, dem Krieger- und Militärverein, dem Gesangverein, der Kaltenkirchener Turnerschaft und dem Stahlhelm einen Vergleich zwischen dem Opfertod Jesus und dem Sterben der deutschen Soldaten: »Auch unsere Kameraden, mit denen wir Seite an Seite gekämpft haben, haben einen gerechten Kampf gekämpft, indem sie für ihr Vaterland, für ihr Volk, für uns ihr Leben hergaben.« Die Geistlichen – unter ihnen Pastor Johannes Thies am Volkstrauertag 1930 – verlasen im »Heldenhain« regelmäßig die Namen der Gefallenen. »Nach der Niederlegung der Kränze krachte die Ehrensalve über den Hügel«, so ein weiteres Ritual.

Die NSDAP nutzte fortan den »Heldenhain« als Kultstätte. Als Abordnung der Kaltenkirchener Ortsgruppe marschierten »SA und SA-Reserve« Ende November 1931 durch das Dorf und legten im »Heldenhain« einen Kranz nieder »zum Gedächtnis der Gefallenen im Weltkriege und der in der Nachkriegszeit gefallenen SA-Leute der heutigen braunen Armee Adolf Hitlers«. Gemeint waren die beim gescheiterten Hitler-Putsch 1923 und vor allem seit Ende der 1920er Jahre bei blutigen Auseinandersetzungen ums Leben gekommenen Mitglieder der NS-Organisationen. Am Ende der Weimarer Republik wurden die Töne deutlich rauer. Pastor Szymanowski titelte im Sommer 1932 beim »Kreiskriegerverbandstag« seine Predigt im »Heldenhain« mit dem Bibelwort: »Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu senden, sondern das Schwert.« Sein Appell zum »Willen der Wehrpflicht« verdeutlichte die von ihm verbreiteten NS-Vorstellungen.

Die nach der NS-Machtübernahme neu gebildete Gemeindevertretung benannte als eine der ersten Maßnahmen zur Gleichschaltung den örtlichen NSDAP-Chef Artur Lemke sowie seinen Parteigenossen Pastor Szymanowski [mehr im Kapitel Ernst Szymanowski] in die Kommission für den »Heldenhain«. Sie setzte zur Verschönerung der Anlage »Wohlfahrtserwerbslose« ein, die dort Notstandsarbeiten als Beschäftigungsprogramm durchführten. [...]

Rechtzeitig zum Volkstrauertag im November 1953 war das [heutige] Denkmal fertig. Unter der Überschrift »Sie starben, damit Deutschland lebe!« berichtete die »Segeberger Zeitung« von der mit großem Aufwand, militärischen Ritualen und breitem öffentlichen Aufsehen inszenierten Einweihungsfeier der neuen »Stätte der Erinnerung und Besinnung in Kaltenkirchen«. In geschlossener Formation zogen die im Ort organisierten Vereine und Verbände unter Trommelwirbel und mit ihren Fahnen vom Marktplatz zum »Heldenhain«, wo der Männerchor mit dem »Sanctus« von Franz Schubert die Feierstunde eröffnete. Offiziell beteiligt waren auch Vertreter der Evangelischen Kirchengemeinde und der Schulen. Bürgervorsteher Gustav Ströh betonte, »das Monument solle ein Zeichen der Dankbarkeit darstellen für das größte Opfer, das Menschen je bringen könnten«. Pastor Werner Heilmann gab dem neuen Denkmal den Segen der Kirche und weihte es »im Namen Gottes im Gedächtnis derer, die für das Vaterland, die für uns starben, damit wir leben können«. Damit stand, wie schon bei der Einweihung des „Heldenhains« 1923, auch 1953 die Opferrolle der Deutschen im Mittelpunkt. Den Schlusspunkt setzte Bürgermeister Karl Hamdorf – er »übernahm das Ehrenmal in die Obhut der Gemeinde«. Die Zeremonie endete mit Kranzniederlegungen, während die Feuerwehrkapelle ganz in der Tradition von Wehrmacht und »Heldengedenktagen« das Lied vom »Guten Kameraden« anstimmte. Der Chronist des Männergesangvereins stellte die Veranstaltung als ein besonderes Ereignis heraus: »Wir traten zum ersten Mal nach dem großen Kriege einheitlich mit Sängermütze auf.« [...]

Vor allem die Kaltenkirchener Geistlichen betonten ununterbrochen die Opferrolle der Deutschen, so auch Pastor Ernst Voigt am Volkstrauertag 1956: »Aufrichtig müsse die Trauer angesichts der vielen Erschlagenen unseres Volkes sein. Eine große Dankesschuld sei abzutragen an alle, die ihr Leben für das Vaterland hingegeben hätten. Das Ziel aller Menschen müsse es sein, einen dauerhaften Frieden zu sichern.« Ähnlich äußerte sich ein Jahr später Pastor Sweers, der Pastor Werner Heilmann vertrat: »In seiner Gedenkrede erinnerte er an die Tragödie von Stalingrad, die symbolisch war für den Leidensweg unseres Volkes.« Den Opferkult krönte Pastor Heilmann 1960 mit einem Zitat der Dichterin Ina Seidel: »Das Opfer ist des Opfers letzter Sinn.« Die Autorin hatte sich ab 1933 in den Dienst des NS-Regimes gestellt, unterschrieb ein Gelöbnis auf Adolf Hitler und wurde noch in der Endphase des Krieges vom Propagandaministerium auf eine Sonderliste der wichtigsten deutschen Literatur gesetzt.

Die Feiern anlässlich der Volkstrauertage waren gleichzeitig auch antikommunistische Kundgebungen während des »Kalten Krieges« im Ost-Westkonflikt. Ein Beispiel aus dem Jahr 1963: »Pastor Döring gedachte in seiner Ansprache der Opfer der beiden Weltkriege, der politischen Verfolgung, der Austreibung sowie der Toten an der Berliner Schandmauer und an der Zonengrenze. Mit eindringlichen Worten wies der Geistliche auf die Gefahren des auch das Christentum bedrohenden Weltbolschewismus hin. Solange der Bolschewismus nicht von seinem Machtanspruch auf die ganze Welt ablasse, könne es keinen wirtschaftlichen Frieden geben.«

Pastor Dieter Stein erwähnte bei der Feier des Volkstrauertages 1965 im »Heldenhain«, »dass in Moorkaten auf dem Friedhof nicht nur fremde Soldaten ruhten, sondern auch viele KZ-Tote, deren Namen niemand kenne«. Das war einer der vielen nicht beachteten Hinweise auf ein KZ-System in der Region. [...]

Zwölf Bürgerinnen und Bürger äußerten sich 1973 erstmals kritisch zum Opferkult der Kaltenkirchener Volkstrauertage. Die SPD-Stadtzeitung »Info« veröffentlichte ihren Leserbrief im Wortlaut, nachdem der »Heimatspiegel«, der »Kaltenkirchener Wochenbote« und die »Segeberger Zeitung« den Abdruck verweigert hatten: »Wieso Schützenvereine ausgerechnet an Volkstrauertagen an den Gedenksteinen für die Kriegstoten aufmarschieren, ist nicht nur widersinnig, sondern lässt den Verdacht zu, dass die Schützenvereine dazu dienen, eine gewisse verlogene heldische Ideologie zu stützen, die besagt, dass die Toten ›für Deutschland‹ starben, obwohl dieser Krieg die faschistische Unterjochung Europas durch Nazideutschland zum Ziel hatte.«

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Pastor Ernst Szymanowski

Ernst Szymanowski wurde schon 1926 als junger Pastor Mitglied der NSDAP. 1927 trat er eine Pastorenstelle in Kaltenkirchen an, im Ort und in der Umgebung unterstützte er den Aufbau der NS-Organisationen. Im Oktober 1933 wurde er zum kommissarischen Propst in Neumünster und kurz darauf zum Propst von Bad Segeberg ernannt. 1934 bemühte er sich vergeblich um das Lübecker Bischofsamt. Er gehörte dem 1921 vom Flensburger Pastor Friedrich Andersen gegründeten völkischen »Bund für Deutsche Kirche« an, der einen radikalen Antisemitismus und die Ablehnung des Alten Testaments propagierte. Als Szymanowski 1935 in Itzehoe die erste »deutschkirchliche« Konfirmation durchführte, kam es zu starken Protesten aus der Bekennenden Kirche. Im selben Jahr wechselte er in das Reichskirchenministerium in Berlin.

1936 schied er aus dem kirchlichen Dienst aus und begab sich mit seinem Beitritt zur SS in das Zentrum des NS-Terrorsystems. Für den Sicherheitsdienst (SD) der SS spionierte er im Kirchenministerium und lieferte regelmäßig Berichte.

1938 trat er aus der Kirche aus. 1941 wurde er Gestapo-Chef im damaligen Oppeln. Dort war er verantwortlich für die Deportation der einheimischen Juden in Vernichtungslager. Damals benannte er sich wohl wegen seines »slawisch« klingenden Namens in »Biberstein« um. 1942 versetzte man ihn ins südrussische Rostow, wo er als Leiter des »Einsatzkommandos 6« die Ermordung von zwei- bis dreitausend Menschen befehligte.

1947 wurde Szymanowski/Biberstein vor einem amerikanischen Militärgericht im Nürnberger »Einsatzgruppen-Prozess« angeklagt. Hier verteidigte er die Massenmorde durch Gaswagen als »humanitären« Tötungsakt und leugnete seine Schuld.

 

SH Kaltenkirchen Ernst Biberstein at the Nuremberg Trials webFoto: Wikimedia-Commons

Ernst Szymanowski-Biberstein als Angeklagter beim Einsatzgruppen-Prozess in Nürnberg

Richter Michael A. Musmanno über Ernst Biberstein 1948 in seinem Urteilsspruch im Nürnberger »Einsatzgruppen­-Prozess«: »Als das Führerprinzip an die Stelle der goldenen Lebensregel trat, wurde die Wahrheit zerschlagen und die Lüge herrschte mit einem Absolutismus, wie ihn ein Monarch nie kannte. Unter dem despotischen Regime der Lüge verdrängte das Vorurteil die Gerechtigkeit, die Arroganz hob das Verständnis auf, der Hass erhob sich über die Güte – und die Kolonnen der Einsatztruppen marschierten. Und in einer der vordersten Reihen schritt der Ex-Pfarrer Ernst Biberstein.«

Die gegen ihn verhängte Todesstrafe wurde 1951 in lebenslängliche Haft umgewandelt. Nun setzte sich der Neumünsteraner Propst Richard Steffen für ihn ein. Durch die Zusage einer Bürgschaft und einer halbjährigen Anstellung ermöglichten der Propst und seine Landeskirche die Freilassung Szymanowski/Bibersteins im Jahr 1958.

• Text der Biografietafel in der Wanderausstellung »Neue Anfänge nach 1945?«


www.nordkirche-nach45.de


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Volkstrauertag 2023

Am 19. November stellte Bürgervorsteher Raimund Neumann die Informationstafeln bei der Zeremonie am Denkmal für die toten Soldaten beider Weltkriege vor.

Rede VTT2023 webFoto: Braas
Der Kaltenkirchener Historiker Dr. Gerhard Braas hat die Texte der sieben Informationstafeln formuliert und erläuterte den Anwesenden die Parkanlage »Am Ehrenhain«.

Er schreibt: »Verbunden mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu den beiden Weltkriegen und mit der kaum noch vorhandenen persönlichen Betroffenheit hat sich auch in Kaltenkirchen ein Wandel des Gedenkens vollzogen. Am Volkstrauertag stehen jetzt Verständigung, Versöhnung und Frieden im Mittelpunkt des gemeinsamen Mahnens für die Opfer von Krieg, Vertreibung und Gewaltherrschaft.«


Hier noch einige Zeilen aus dem Gedicht »Einsicht an einem Sommertag« von Georg Schwikart:

... Ein Mahnmal mahnt so wenig wie

ein Denkmal denkt und ein Grabmal gräbt

man wollte sie nicht vergessen, die Burschen

man wollte allerdings vergessen die Tränen

der Frauen, Geliebten, der Eltern, Geschwister
verdrängen das Ende: zerschossen, zerfetzt
verhungert, erfroren, von Krankheiten dahin-
gerafft. Neue Kriege, neue Tote, neue

Ehrenmale. Bis heute geht es weiter ...

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Das Denkmal zum Krieg 1870/71

Der nationalistische »Krieger- und Militärverein für Kaltenkirchen und Umgebung« hatte 1907 seinen nach dem Ende des Deutsch-Französischen Kriegs aufgestellten schlichten Gedenkstein der Nachbargemeinde Nützen überlassen und an gleicher Stelle unter der Friedenseiche in der Dorfmitte ein repräsentatives Monument errichtet. Am 21. Juli 1907 wurde das neue Denkmal eingeweiht. Es war am damaligen Dorfplatz zentraler Treffpunkt der Kaltenkirchener Bevölkerung für politische Kundgebungen und festliche Veranstaltungen.

1952 musste der Marmorobelisk mit dem Bronzeadler dem zunehmenden Autoverkehr weichen, er wurde abgetragen und erhielt 1954 im »Heldenhain« etwas abseits im Wald in Richtung DRK-Pflegeheim seinen neuen Platz. Damit verlor er seine Bedeutung als Versammlungsort im Mittelpunkt des Ortes.

Zum Gedenken an Kriegstote taugte das Monument nicht, da kein Kaltenkirchener Soldat im Krieg 1870/71 getötet worden war. Es diente dem Krieger- und Militärverein dazu, an den Sieg über Frankreich und an die Reichsgründung zu erinnern.

Mehr im nächsten Kapitel »Der Deutsch-Französische Krieg«

 

SH Kaltenkirchen Denkmal 70 71 webFoto: Sammlung Braas


Der Obelisk mit Adler auf einem zweistufigen Sandsteinsockel am neuen Standort am Rand des »Heldenhains«.

Mehr im Kapitel »Der Adler«

Eine schwarze Steintafel verkündet die Widmung der Stifter:

Zur Erinnerung
an 1870/71
Krieger- u. Militär - Verein
Kaltenkirchen
und Umgebung
Anno 1907

Mehr im Kapitel »Militär-Vereine«


SH Kaltenkirchen 70 71 1917 web


Postkarte aus dem Jahr 1917: Der Obelisk steht unter der Friedenseiche in einer höhergelegten quadratischen Anlage, umgeben von mit einer aufgespannten Eisenkette auf der Feldsteinmauer.

Mehr im Kapitel »Friedenseichen« 

SH Kaltenkirchen 70 71 1929 web


Postkarte aus dem Jahr 1929: Das ortsprägende Ensemble aus Dorfbrunnen, Friedenseiche und Kriegerdenkmal war ein beliebtes Postkartenmotiv.

Wir haben für unsere Dokumentation der Denkmäler in Kaltenkirchen Texte von Dr. Gerhard Braas verwendet, wir dürfen seine Fotos zeigen und seinen Beitrag 100 Jahre »Heldenhain« in Kaltenkirchen. Auszug aus dem Heimatkundlichen Jahrbuch für den Kreis Segeberg 2023 und die Informationstafeln in der Parkanlage »Am Ehrenhain« verlinken. Wir bedanken uns sehr herzlich dafür.

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Der Deutsch-Französische Krieg

... war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits.

Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. die französischen Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.

Von den großen Schlachten gingen im gesamten Kriegsverlauf alle für Frankreich verloren oder endeten im Patt. Im Februar 1871 fand sich die französische Regierung, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit.

Noch während Paris von deutschen Truppen belagert wurde, proklamierten die deutschen Fürsten und Vertreter der Freien Städte am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser, eine Demütigung für die Franzosen. Hohe Reparationszahlungen und vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich.


SH Oldesloe Anton von Werner Kaiserproklamation web

Die Kaiserproklamation in Versailles, Wandgemälde von Anton von Werner für die Ruhmeshalle Berlin. 1944 wurde es nach einem Bombentreffer zerstört.


»Die Deutung der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Versailler Spiegelsaal als Demütigung Frankreichs gehörte ebenso zum erinnerungspolitischen Konzept des im Kaiserreich vereinten Deutschland wie die alljährliche Zeremonie des Sedantages, an dem der entscheidende Sieg vom 2. September 1870 gefeiert wurde. Doch jede Demütigung zieht die nächste nach sich, und so muss es kaum verwundern, dass Frankreich im Sommer 1919 nach Beendigung des Ersten Weltkrieges seinen Sieg über Deutschland ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles auskostete. Es gehört sicherlich zu den grössten Verdiensten Charles de Gaulles, dass er nach 1945 kein «drittes Versailles» folgen liess, sondern mit dem Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 die Kette gegenseitiger Demütigungen durchbrach.«

Der Historiker Clemens Klünemann in Neue Zürcher Zeitung, 9.1.21

Mehr auf www.bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung


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Der Adler

Der Adler am Denkmal zum Deutsch-Französischem Krieg in Kaltenkirchen ist detailreich gearbeitet. Aufmerksam, mit aufgestellten Schwingen zum Abflug bereit, sitzt er auf seinem Ausguck. Das ist kein gemütliches Ausruhen, angespannt wartet er auf seinen Einsatz, der unmittelbar bevorzustehen scheint.

SH Kaltenkirchen Adler 70 71 webFoto: Sammlung Braas

»Der Adler ist als ›der mächtigste König im Luftrevier‹ (Anfang des ›Seeräuberlied‹, das zum Marschliederkanon der Wehrmacht gehörte), der König der Lüfte und wehrhafter Beschützer seines Horstes.«

• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, S. 137

»Als Hoheitszeichen des Deutschen Reiches und als Symbol für deutsche Macht und Stärke galt der Seeadler. Der Raubvogel konnte nach 1871 wachsam nach Westen spähen, oft aufreizend mit den Flügeln schlagen und/oder den geöffneten Schnabel drohend dem französischen Feind entgegenstrecken. [...]
Unmittelbar vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrages stieß die ›Deutsche Tageszeitung‹ vom 26. Juni 1919 den Stoßseufzer aus, es möge ›vielleicht doch in nicht so ferner Zeit [...] – der Tag komm[en], an welchem das Deutsche Volk sich aus seinem tiefen Fall wieder erheben kann und der deutsche Adler von neuem den Flug zur Sonne unternimmt.‹ Dieser sehnsüchtige Wunsch wurde in die Gedenkwelt hineingetragen – Hamburg-Gross Borstel, Oktober 1922: ›Mit kräftigen Krallen steht er trotzig und lauernd auf seinem eisernen Grund, den scharfen Blick nach Westen gerichtet‹; Wasserkuppe/Rhön, 1923, Weiherede des Oberstleutnants a.D. Walter von Eberhardt: ›Und eigene Kraft wird es sein, die alle Fesseln, die Schmach und Schande, die Not und Elend uns angelegt haben, wieder sprengen wird. Nach Westen blickt der Adler. Er weist uns den Weg, den wir gehen müssen.‹ Auch dort die Kranzschleife des ›Bundes der Jagdflieger‹ am Tag der Einweihung: ›Adler, Du, halte die Wacht! Um uns ist Schande und Nacht. / Siehe, dort hinter dem Rhein / Schlummert der Brüder Gebein / Bis einst der Morgen erwacht. Adler, Du, halte die Wacht!‹.«

Loretana de Libero, Rache und Triumph, Krieg Gefühle und Gedenken in der Moderne, De Gruyter Oldenbourg, S.95f


Oberst a.D. Roethe beschrieb den steinernen Adler in der Festrede vor der Enthüllung des Denkmals in Waren an der Müritz am 26. Juni 1932 folgendermaßen:

»Der Adler des Steins, der nun sogleich vor Ihren Augen erscheinen wird, er ist das Bild des Adlers der Deutschen, das Sinnbild von Deutschlands Macht und Herrlichkeit. Noch verkrampft sich die rechte Klaue auf dem am Boden liegenden Stahlhelm, dem Zeichen der deutschen Wehrhaftigkeit. Aber schon sieht er in der Ferne das Morgenrot des kommenden Tages, schon regt er die Flügel.

So gebe der allmächtige Lenker der Geschicke der Völker, der uns diese Prüfungszeit auferlegt hat, daß gar bald der Adler des Deutschen Volkes die mächtigen Schwingen breite zum stolzen kühnen Fluge der Sonne entgegen in die ferne glückhafte Zukunft unseres Volkes. Und daß wir bald die Gelegenheit finden, das stolze Lied in die Lüfte zu jubeln, das der Dichterherold unserer Väter ihnen mitgab in die Kämpfe und Märsche nach Paris, wo sie sich die Kaiserkrone und das einige mächtige Reich holten – das Lied:

Flieg, Adler, flieg! Wir folgen nach
Ein Einig Volk in Waffen.
Wir folgen nach, ob tausendfach
Des Todes Pforten klaffen.
Und fallen wir: Flieg, Adler, flieg!
Aus unserm Blute wächst der Sieg.
V o r w ä r t s ! «


Sieben Jahre später flog er dann wieder, der Adler: der 2. Weltkrieg begann mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen.
 

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»wir sind die Herren der Welt«

Der mächtigste König im Luftrevier
Ist des Sturmes gewaltiger Aar.
Die Vöglein erzittern, vernehmen sie nur
Sein rauschendes Flügelpaar.
Wenn der Löwe in der Wüste brüllt,
Dann erzittert das tierische Heer.
Ja, wir sind die Herren der Welt
Die Könige auf dem Meer.
Tirallala, tirallala
Tirallala, tirallala
hoi! hoi!

Zeigt sich ein Schiff auf dem Ozean,
So jubeln wir freudig und wild;
Unser stolzes Schiff schießt dem Pfeile gleich
Durch das brausende Wogengefild.
Der Kaufmann erzittert vor Angst und vor Weh,
Den Matrosen entsinket der Mut,
Und da steigt am schwankenden Mast
Unsre Flagge, so rot wie das Blut.
Tirallala, tirallala
Tirallala, tirallala
hoi! hoi!

Wir stürzen uns auf das feindliche Schiff
Wie ein losgeschossener Pfeil.
Die Kanone donnert, die Muskete kracht,
Laut rasselt das Enterbeil,
Und die feindliche Flagge, schon sinkt sie herab.
Da ertönt unser Siegesgeschrei:
Hoch lebe das brausende Meer,
Hoch lebe die Seeräuberei!
Tirallala, tirallala
Tirallala, tirallala
hoi! hoi!


SA-Version (ca. 1930)
Der mächtigste König von Groß-Berlin
das ist der Isidor Weiß
Doch Dr. Goebbels der Oberbandit
der macht ihm die Hölle schon heiß
Seine eigene Schupo die nimmt ihn sich vor
man hört es bis zum Brandenburger Tor
Er nennt sich Dr. Bernhard Weiß doch bleibt er der Isidor


»Der mächtigste König im Luftrevier«, auch bekannt als Piratenlied, ist ein seit 1915 belegtes Volkslied, das im 1. Weltkrieg als eine Art inoffizielle Hymne der deutschen U-Bootfahrer zu besonderer Popularität kam. Wegen Formulierungen, die während der NS-Diktatur hinzugefügt wurden, wird das Singen des Liedes durch Bundeswehrsoldaten kontrovers beurteilt.

Während der NS-Diktatur wurde das Lied vom Regime gefördert und umgeschrieben. So wurden aus den »Fürsten der Welt« in der NS-Version die »Herren der Welt«. Auch wurde das Lied textlich von der SA so umgedichtet dass es ein Spottlied auf den damaligen jüdischen Polizeivizepräsidenten von Berlin Bernhard Weiß wurde. Nach dem 2. Weltkrieg ist »Der mächtigste König im Luftrevier« unter anderem im Liedgut der Pfadfinderbewegung belegt und in dem Liederbuch »Die Mundorgel« enthalten.

»Der mächtigste König im Luftrevier« wurde nach dem 2. Weltkrieg auch ins Liedgut der Bundeswehr übernommen. So findet es sich 1983 im Liederbuch der Fallschirmjäger und 1991 im offiziellen Liederbuch der Bundeswehr »Kameraden singt!« Nachdem der ARD-Kulturreport am 25. November 2001 einen Beitrag über die Geschichte des Schlagers Lili Marleen und das Liedgut der Bundeswehr ausstrahlte, wurde auch der Text des Piratenliedes kontrovers diskutiert. Für Kritik sorgte vor allem, dass die Bundeswehr nicht die ursprüngliche Version, sondern die Version mit dem während der NS-Diktatur umgeschriebenen Text übernommen hatte.

Nach Wikipedia, abgerufen am 8.3.2021

Das erste Liederbuch der Bundeswehr erschien 1958. Getreu dem Adenauerschen Appell »Vergesst mir die Musike nicht, das ist eine wichtige Sache für die Soldaten!« Ab Juni 2017 wurde das Liederbuch der Bundeswehr »Kameraden singt!« von 1991 dann auf Geheiß der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen überarbeitet.


»Als es im 2. Weltkrieg gegen England ging, sang die Wehrmacht ›Der mächtigste König im Luftrevier‹. Darin heißt eine Zeile: "Ja, wir sind die Herren der Welt". Und auch heute wird das Lied mit dieser Zeile noch so gesungen. [Der Musikwissenschaftler Eberhard] Frommann fürchtet, dass sich die Bundeswehr bei einem eventuellen Auslandseinsatz mit solch einem Lied unbeliebt machen könnte.

›Die Soldaten, die da jetzt nach Afghanistan gehen oder auch im Kosovo stationiert sind, sollten sich hüten, diese Lieder, die diesen Aggressionsgeist der Wehrmacht noch in sich tragen, so wie ›Ja, wir sind die Herren der Welt‹, noch zu singen.«

Mehr auf www.ag-friedensforschung.de

 

Auch Volksbarde Heino hat den mächtigsten König im Luftrevier vertont, beim »Tirallala, tirallala« läßt er sich von einem fröhlichen Mädelchor begleiten:

YouTube, Heino: Der mächtigste König ...


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Militär-Vereine

»Militärische Vereine spielten früher im gesellschaftlichen Leben eine weit größere Rolle als heute! Geachtet war nur der Mann, der ›gedient‹ hatte. Im Zivilleben konnte man durch die Mitgliedschaft in einem Militärverein am Ansehen, dass der Soldatenstand genoß, weiter teilhaben. So wurden die ›Kriegervereine‹, wie sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts genannt wurden, die mitgliederstärkste Vereinsform in Deutschland. Am Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte ihr Zusammenschluß zum ›Kyffhäuserbund‹. Neben allgemeinen Kriegervereinen bildeten sich Kameradschaften bestimmter Regimenter oder Waffengattungen. [...]
In engem Zusammenhang mit dem Kriegsvereinswesen stehen viele Denkmäler in Stadt und Land: Die Vereine regten ihre Errichtung an, spendeten Geld dafür und marschierten bei ihrer Einweihung auf.«

Ludwig Arndt, Militärvereine in Norddeutschland, BOD, Werbetext zum Buch, 2008


SH Witzhave Elbe Jeetzel Zeitung 2005 web


Eine Todesanzeige in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 23. März 2005 (!)

»Besondere Bedeutung hat die Kameradschaft in der soldatischen Gemeinschaft. Insbesondere bedeutet dies die Pflicht jedes Soldaten, seinem Kameraden unter allen Umständen – auch unter Lebensgefahr – beizustehen. Das besondere an der soldatischen Kameradschaft ist, dass sie nicht an persönliche Verbundenheit im Sinne von Freundschaft, Kumpanei o. ä. gebunden ist, sondern von jedem Soldaten als Dienstpflicht gefordert wird. Dies ergibt sich in der Bundesrepublik Deutschland aus § 12 Soldatengesetz (SG).«

Wikipedia, abgerufen am 17. 12. 2019


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Friedenseichen

Nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg forderte die Regierung im Deutschen Kaiserreich dazu auf, Friedenseichen zu pflanzen und zu pflegen, damit »dieses Sinnbild deutscher Kraft und deutscher Treue sich in aller Herrlichkeit entwickeln könne und künftigen Geschlechtern Gelegenheit geben würde, sich in seinem Schatten dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern.«

In der Chronik von Meddewarde wird der Eintrag im Amtsblatt des Regierungs-Vizepräsidenten dazu dokumentiert: »Den Herren Landräten gebe ich zur gefälligen Erwägung anheim, ob es sich nicht empfehlen möchte, in geeigneter Weise darauf hin zu wirken, dass (sofern die Boden- und klimatischen Verhältnisse es gestatten) zur Erinnerung an die gewaltigen Ereignisse des letzten Jahres, ähnlich wie das an vielen Orten nach Beendigung der Freiheitskriege und vor einigen Tagen in Bremen geschehen ist, in den verschiedenen Guts- und Gemeindebezirken unter angemessenen Feierlichkeiten, insbesondere unter Zuziehung der Schuljugend möglichst hochstämmige Friedenseichen gepflanzt werden.

Selbstverständlich muss es dann aber auch von den betreffenden Gemeinden als Ehrensache angesehen werden, diese Friedenseichen zu schützen und zu pflegen, damit dieses Sinnbild deutscher Kraft und deutscher Treue sich in aller Herrlichkeit entwickeln kann und künftigen Geschlechtern Gelegenheit gegeben wird, sich in seinem Schatten dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern.«

Der Landrat des Kreises Schleswig gab diese Empfehlung im Kreisblatt weiter: »Vorstehende Aufforderung unterlasse ich nicht, auf diesem Wege zur Kunde der Eingesessenen des Kreises zu bringen und ersuche die Gemeindevorstände sowie auch die Herren Prediger dafür sich interessieren wollen, dass die darin enthaltene Idee in geeigneter Weise in den Gemeinden des Kreises zur Ausführung komme.«

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Die KriegsNagelung in der Michaeliskirche

Als Kriegsnagelung werden hunderte von Aktionen im Deutschen Kaiserreich bezeichnet, bei denen während des 1. Weltkriegs gegen eine Spende ein Nagel in ein dafür aufgestelltes hölzernes Objekt eingeschlagen wurde. An den Nagelungen beteiligten sich im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen mit feierlichem Charakter breite Bevölkerungskreise. Die dadurch eingenommenen Gelder dienten der Unterstützung von Kriegsopfern. Die Einnahmen im geschätzten einstelligen Millionenbetrag an Mark waren eher nicht entscheidend für den Erfolg der Nagelungen.

Weit bedeutender war ihre propagandistische Wirkung, da sie den Patriotismus und das Gemeinschaftsgefühl der Menschen ansprachen und so zur Stärkung der »Heimatfront« beitrugen. Lesen Sie Auszüge nach dem Eintrag in Wikipedia, abgerufen am 18. Mai 2015:

Kriegsnagelungen

 

Im Vorraum der Michaeliskirche in Kaltenkirchen:

SH Kaltenkirchen Nagelbild Hl Michael web2


Auf der frühen Informationstafel ist zu lesen, dass das 1915 begonnene Nagelbild 13 Jahren später, im Jahr 1928 (!) vollendet wurde:

Info-Tafel


Helge Buttkereit im Hamburger Abendblatt / Norderstedt über die Forschungen des Historikers Dr. Gerhard Braas zum Nagelbild in der Michaeliskirche:

Artikel im HA


Nachdem der Kirchengemeinderat beschlossen hatte, die Bedeutung des Michaelsbildes als genageltes Kriegsdenkmal zu kommentieren, wurde im Rahmen des Gottesdienstes am Volkstrauertag 2017 eine Hinweistafel der Öffentlichkeit vorgestellt.


Kaltenkirchen Tafel Nagelbild web2


Der Text: Diese Darstellung des Erzengels Michael, des Namenspatrons unserer Kirche, ist eine Kriegsnagelung aus dem 1. Weltkrieg, begonnen im Jahre 1915. Die Menschen waren aufgefordert, einen Nagel für einen festgelegten Geldbetrag zu erwerben und ihn als Teil des Bildes in das Eichenholz zu schlagen. Alle Spender trugen sich darüber hinaus in ein »Eisernes Buch« ein, das heute im Kirchenkreisarchiv in Neumünster verwahrt wird. Hinter der Kriegsnagelung stand die Absicht, den gesammelten Erlös den Kriegsversehrten und Kriegshinterbliebenen zukommen zu lassen. Vor allem aber sollte der ideelle Rückhalt der kriegführenden Nation in der Bevölkerung gefestigt werden. Die Einnahmen sind in Wirklichkeit niemals ihrem Zweck zugeführt worden.

Der apokalyptische Drachenkämpfer Michael wird in der Bibel erwähnt in der Offenbarung des Johannes 12,7-9. In der Darstellung des Nagelbildes steht er für das Deutsche Kaiserreich im Kampf gegen seine Feinde. Damit hat sich die Kirchengemeinde Kaltenkirchen damals in den Dienst der Kriegspropaganda gestellt. Umso mehr mag das Bildnis heute daran gemahnen, wie sehr es darauf ankommt, die völkerverbindende Friedensbotschaft des Evangeliums freizulegen und sie vor ideologischer Überlagerung und Vereinnahmung zu bewahren.

Die Geschichte des Kaltenkirchener Nagelbildes wird ausführlich dargestellt von Gerhard Braas, in: Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Bd. 4 (2018).

Artikel in der Segeberger Zeitung vom 20.11.2017


Zur Bedeutung des heiligen Michaels:

»Während des 1. Weltkriegs galt der Erzengel Michael als Führer und Schirmherr der Deutschen. Dabei vereinte seine Wiedergabe Relikte verschiedenster Herkunft ... Im Resultat ergab die Mixtur einen jugendlich-strahlenden Kämpfer, einen Siegfried als Schutzheiligen des deutschen Heeres. ... Das in diesen Darstellungen liegende Siegesbewußtsein, bei gleichzeitigem Gottvertrauen und der Gewißheit des gerechten Kampfs, kam auch in gleichzeitigen Gedichten zum Ausdruck:

Jetzt, Michel, zeig’ dich treu und groß,
Gürt’ nur dein altes gutes Schwert! ...
und zeig’ dem Feind in Ost und West,
wie deine Klinge zischt und loht ...

In einem 1915 zum Jahrestag des Kriegsausbruchs verfassten ›Lied vom deutschen Michel‹ von Cäsar Flaischlen heißt es über den Zustand nach dem erhofften Sieg:

Unserem Herrgott / Preis und Ehr! / Im übrigen aber / wie vorher: / Deutsche Kanonen, / zu Hütern bestellt, / bleiben der sicherste / Frieden der Welt!

Für die Situation am Kriegsende, die in der Weimarer Republik nachwirkte, ist ein Büchlein von 1918 symptomatisch. Der Verfasser Adolf Hauffen, Professor an der deutschen Universität in Prag, rekonstruierte darin die germanische Vergangenheit der Michaelsfigur, die auch das Ende der Siegesgewißheit noch unbeschadet überlebte.«

• Zitiert nach Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland Bd. 3, Esprint-Verlag 1985, S.96-97


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I N H A L T
• 
Das Denkmal
Historische Postkarte
Tote Soldaten des 2. Weltkriegs
Die jüdische Familie Eichwald
Der Bildhauer Heinrich Missfeldt

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Kappeln, Kreis Schleswig-Flensburg

Auf dem kirchlichen Friedhof von St. Nikolai

Das Kriegerdenkmal für die getöteten Soldaten des 1. Weltkriegs liegt perfekt in der zentralen Sichtachse des Kappeler Friedhofs.

SH Kappeln FH Allee web2


Es wurde erbaut nach einem Entwurf des Bildhauers Heinrich Missfeldt (1872 - 1945). Er zeichnet für diverse Kriegerdenkmäler in Schleswig-Holstein verantwortlich, das in Bad Bramstedt ist dem Kappeler am ähnlichsten.

Dokumentation Bad Bramstedt

 

SH Kappeln ganz web


Das etwa drei Meter hohe Denkmal besteht aus einem sarkophagähnlichen Sockel aus Sandstein, am Fuß ist er vierstufig gestaltet. Auf der Deckplatte kniet eine trauernde Frau, die rechte Hand ans Herz gedrückt, die linke Hand hält einen Eichenlaubkranz. Missfeldt hat sie dem Erscheinungsbild der Gottesmutter Maria nachempfunden. Vor ihr liegen Kriegsgerätschaften.

 

SH Kappeln Widmung web


Auf der Mitte der Frontplatte steht die Widmungsinschrift und unter einer Linie der Sinnspruch, umgeben von zwei Lorbeerzweigen, die den ehrenden Spruch verstärken sollen.

Ihren im Weltkriege 1914-18
gefallenen Söhnen in Dankbarkeit
die Kirchengemeinde Kappeln

Vaterland, für dich sterben
heißt im Andenken der Menschen
ewig leben.

In dieser Inschrift steht nicht die Trauer im Vordergrund, vielmehr wird der Tod im Krieg in einen Zusammenhang gestellt, der ihn zu einem nicht zu hinterfragenden Opfer macht, das Dankbarkeit verdient. Mehrheitlich ehren die Denkmäler die getöteten deutschen Soldaten des 1. Weltkriegs als Helden, als Brüder, als Söhne und in der Steigerung als Heldensöhne, die ihr Leben gaben für einen höheren Zweck: Kaiser und Reich, Volk und Vaterland. Dadurch soll das Töten und das Getötetwerden auf den Schlachtfeldern in den vom Deutschen Reich angegriffenen Ländern einen höheren und gerechtfertigten Sinn bekommen.

 

SH Kappeln Figur web


Missfeldt hat die Darstellung einer trauernden Frau als Symbol verwendet. Uns ist kein Kriegerdenkmal zum 1. Weltkrieg bekannt, auf dem eine kämpferische Frau mit revanchistischem Gestus, analog zur männlichen »Rächerfaust«, in Szene gesetzt wurde.

Loretana de Libero schreibt in ihrem Buch »Rache und Triumph« (De Gruyter 2014) auf Seite 80: »Auf deutschen Erinnerungszeichen ballt keine Frau ihre Faust. Ihr obliegt es zu trauern. Die weiblichen Figuren brechen nicht aus der ihnen von der Gesellschaft zugewiesenen passiven Rolle des stillen Leidens und Duldens aus. Eine Faust im Frauenbild war nicht vorgesehen. Selbst ein allzu expressiver Ausdruck der Klage wurde in der Ikonographie vermieden ...«.

 

SH Kappeln Detail web


Vor der Trauernden und dem ehrenden Eichenlaubkranz liegt ein lorbeergeschmückter Stahlhelm, der auf einem Koppel und einem Bajonett liegt. Ein Koppel ist ein Ledergürtel, der Teil der Soldatenuniform ist. Das Symbol auf der Schließe ist in Kappeln nicht mehr zu erkennen. Die übliche Zier wäre ein Reichsadler und die Aussage »Gott mit uns«. Missfeld hat ein ähnliches Arrangement für das Kriegerdenkmal in Bad Bramstedt verwendet.

SH Kappeln von hinten web


An allen Seiten ist die Skulptur detailreich ausgearbeitet.

SH Kappeln Seite web

 

SH Kappeln Seite Namen web


Auf acht Sandsteintafeln an den vier Seiten des Sarkophags sind 139 Namen von getöteten Soldaten graviert und in falunrot (ochsenblutrot) ausgemalt. Genannt werden das Initial des Vornamens, der Nachname, Geburts- und Sterbedatum, wobei letzteres nicht immer bekannt war. Auf der Südseite sind aufgeführt die Toten aus Mehlby und Kappeln; im Osten aus Kappeln, Stutebüll und Roest; im Norden aus Kappeln und im Westen aus Grimsnis, Rabel, Mehlby und Buckhagen.

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Auf der angrenzenden Rasenfläche befinden sich 51 Kriegsgräber aus beiden Weltkriegen, teils mit Kreuzen, teils mit Bronzetafeln gekennzeichnet.

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Historische Postkarte

 

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Postkarte ohne Datum: Rundum das Denkmal liegen Kränze.


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tote Soldaten des 2. Weltkriegs

SH Kappeln Namenplatte web

Erinnerungstafel für eine Gruppe von 13 Soldaten, die am 7. Mai 1945 getötet wurden – einen Tag vor der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht.

SH Kappeln 2WK web


Diese Bodenplatte aus Metall ist den getöteten Soldaten des 2. Weltkriegs gewidmet. Die 433 Namen, in zwei Spalten gesetzt, sind nach Sterbejahren geordnet, etwa ein Viertel der Sodaten ist als »VERMISST« angegeben. Oben und unten läuft das Spruchband:

Alle die gefallen in Meer und Land
sind gefallen in deine Hand.
Gib uns das Leben durch deinen Sohn
uns und den Toten vor deinem Thron.

Diese Anrufung Gottes ist einem Gedicht von Siegfried Goes entnommen, der auch als Soldat im 2. Weltkrieg getötet wurde:

All’, die gefallen in Meer und Land,
sind gefallen in deine Hand;
alle, die kämpfen im weiten Feld,
sind auf deine Gnade gestellt;
alle, die weinen in dunkler Nacht
sind von deiner Güte bewacht.
Gib uns Augen, daß wir es sehn,
wie deine Hände mit uns gehn;
gib uns Herzen, die deine Gnad
gläubig ergreifen früh und spat;
gib uns das Leben durch deinen Sohn,
uns und den Toten vor deinem Thron.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. gibt auf seiner Website die Dienstgrade der getöteten Soldaten an, soweit sie bekannt sind. Dort sind für die 433 Namen auf dieser Platte alle möglichen Dienstgrade aufgeführt: vom SS-Rottenführer bis zum Feldwebel.


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Die jüdische Familie Eichwald

1989 haben sich die Lehrerin der Gorch-Fock-Schule, Elisabeth Andresen, und ihre 9. Hauptschulklasse mit dem Schicksal der Familie Eichwald beschäftigt und eine Gedenktafel auf dem Friedhof angeregt, für die sie auch den Text formuliert haben. Die Schrifttype und den Platz auf dem Friedhof hat der Kirchenvorstand der St. Nikolai-Kirche bestimmt.

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Direkt neben der Platte für Männer der SS und Soldaten der Deutschen Wehrmacht, die unmittelbar oder mittelbar am Massenmord an den Juden in Europa beteiligt waren, liegt die Erinnerungstafel für die jüdische Familie Eichwald aus Kappeln, die Opfer des Nazi-Terrors wurde.

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Am 20. August 2004 hielt der Journalist Bernd Philipsen folgende Rede bei der Verlegung der Stolpersteine für die Familie Eichwald durch den Kölner Künstler Gunter Demnig:

Sieben Stolpersteine in Kappeln

Wer jemals in Auschwitz oder in einer anderen ehemaligen Todesfabrik Hitler-Deutschlands war, ist sprachlos angesichts der Monstrosität des Grauens, die jedes Vorstellungsvermögen sprengt. Dass aber hinter den endlos langen Zahlenkolonnen individuelle Lebensgeschichten und Schicksale stehen, wird einem erst dann richtig bewusst, wenn – wie heute hier – deutlich wird: es waren Nachbarn, Kollegen, Mitschüler, die zunehmend ausgegrenzt, dann verfolgt und schließlich umgebracht wurden.

Wie die Eichwalds in Kappeln. Sie waren – und ich benutze dieses Wort bewusst – echte Mitbürger, also Bürger, die mitmachen, sich einbrachten in das Kappelner Stadtleben, bürgerschaftliches Engagement übernahmen. »Ich war ein Kappelner Jung«, sagte – gewissermaßen stellvertretend für die gesamte Familie – einst Johnny Blunt, der als John Eichwald in Kappeln geboren wurde und hier seine Kindheit verbrachte.

Seit drei Generationen war die Familie Eichwald in Kappeln zu Hause. Sie besaß seit 1895 ein Textil- und Schuhwarengeschäft, später kam ein Tabakwarenladen hinzu.

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Der Tabakladen der Familie Eichwald in der Mühlenstraße 36

Für Richard und Arthur Eichwald war es selbstverständlich, 1914 für Deutschland und den Kaiser in den Krieg zu ziehen. Sie bemühten sich um das Wohl der Stadt und ihrer Bürger, zum Beispiel durch ihren Einsatz bei der Freiwilligen Feuerwehr. Oder durch ihre Mitwirkung in einer Guttemplerloge. Doch die Integration war trügerisch. Am 1. April 1933, schon kurz nach dem Machtantritt Hitlers, wurde ihr Geschäft von SA-Angehörigen boykottiert. Es sollte noch schlimmer kommen: in der Nacht zum 10. November 1938, dem so genannten Novemberpogrom, wurde die Familie Eichwald überfallen und verhaftet. In den Wohnungen kam es zu Plünderungen und Verwüstungen.

Hätten die Eltern keine Vorahnung gehabt, was noch weiter an Grausamkeiten auf jüdische Familien zukommen würde, dann hätten wir hier heute drei weitere Steine zu setzen gehabt. Die Jungs John, Kurt und Erik wurden noch 1938 mit Hilfe des Kindertransports nach England in Sicherheit gebracht. Dort überlebten sie die NS-Zeit.

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Die Brüder Eichwald vor dem Tabakladen: John, der älteste der drei Eichwald-Söhne, war beim Kindertransport nach England 15, Erik war zwölf und Kurt erst zehn Jahre alt.


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Foto: Jüdisches Museum Rendsburg

Schülerausweis von John Eichwald, ausgestellt von der Talmud-Tora-Schule in Hamburg 1938


Eltern, Großeltern und weitere Familienmitglieder der Eichwalds wurden deportiert und umgebracht:

- Senior Alfred Eichwald und seine Frau Emma wurden in Minsk ermordet
- ihre Söhne Arthur und Richard Eichwald in Neuengamme bzw. Minsk
- deren Ehefrauen Emilie Eichwald und Selly Eichwald in Minsk
- die Tochter von Alfred und Emma Eichwald, Jeanette Simenauer, ebenfalls in Minsk.

Damit war die gesamte in Deutschland verbliebene Familie Eichwald aus Kappeln ausgelöscht.

»Ob der alte Gott noch lebte? Manchmal könnte man daran verzweifeln«, schrieb Emma Eichwald 1941 angesichts der Deportationen in den Osten an Kappelner Freunde. In einem späteren Schreiben von Emma Eichwald nach Kappeln heißt es: »Wir wollen Deutschland nicht verlassen, ohne Ihnen noch Lebewohl zu sagen. Wir wurden [von Hamburg aus] evakuiert. [...] Wir werden uns wohl in diesem Leben nicht wiedersehen.«

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Am 21. April 1939 wurde der Hausstand der Eichwalds öffentlich versteigert.


Selbst im Tod wurden sie gedemütigt, indem ihr Name durch eine Nummer ersetzt wurde. Sie erhielten kein eigenes Grab und keinen Stein, auf dem ihr Name steht. Von heute an erinnern wenigstens kleine Steine an das Schicksal einer Kappelner Familie.

Es ist zugleich das Vermächtnis von John Eichwald, der als britischer Staatsbürger Johnny Blunt 1988 Kappeln besuchte und sich gegen ein Vergessen und Verdrängen dieses dunklen Kapitels deutscher Gesichte wandte: »Vergessen? Nein, das darf nie vergessen werden!« Insofern sind die kleinen Steine auch Stolpersteine der Lokalgeschichte.

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Foto: Herbstwald / Wikimedia Commons


• Im Spätherbst 2007 wurde auf Initiative von Dietrich Weißmann, Lehrer an der Christopherus-Schule in Kappeln, und drei seiner Schüler der ehemalige »Arnisser Platz« in »Eichwaldplatz« umbenannt. Die Schüler hatten eine Projektarbeit über die Familie Eichwald geschrieben und den Antrag auf Umbenennung gestellt.

• Ein halbes Jahr haben sechs Schülerinnen und Schüler des 12. und 13. Jahrganges der Klaus-Harms-Schule und zwei Lehrer an der multimedialen Aufbereitung der jüdischen Vergangenheit von Kappeln gearbeitet. Wir verdanken ihnen die Bilder zur Familie Eichwald. Lesen Sie hier den Bericht, der 2006 auch in Nr. 47 der Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte (»AKENS«) erschienen ist:

Ein Kappeler Jung

 

• Hier noch der Link zu einem Bericht von Bernd Philipsen, erschienen im Schleiboten am 27. Januar 2009

Schleibote 2009


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Der Bildhauer Heinrich Missfeldt

Am 20. Dezember 1872 wurde er in Suchsdorf bei Kiel geboren, er starb am 27. Oktober 1945 in Torgau. Seine Eltern waren der Ziegeleibesitzer Detlef Missfeldt und Elsabe Sinn. Nach einer Lehre als Holzbildhauer in Kiel ging er zum Studium nach Berlin. Viele Kriegerdenkmäler in Schleswig-Holstein wurden in seinem Berliner Atelier entworfen. Zum Beispiel das in Bad Segeberg, Glückstadt, Bad Bramstedt, Bokel (zum Teil abgetragen), Garding, Husum, Kappeln und Kiel.

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1936 entwarf er Reliefbilder vom Kopf Hermann Görings und Adolf Hitlers, 1937 wurden sie in der Lehrgießerei des Lautawerks der Vereinigte Aluminium-Werke AG hergestellt – Sandguss, Aluminium, poliert.


Ebenfalls dokumentiert ist auf dieser Website Missfeldts Kriegerdenkmal in Bad Segeberg:

Der Soldat in Bad Segeberg


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I N H A L T
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Das Denkmal
Der Stahlhelm
Das Schwert
Volkstrauertag 2018
Historisches Foto und Karten
 Die Kyffhäuser Kameradschaft
Sedankate
Erinnerung an Krieg und den »Erbfeind« Frankreich

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Kasseedorf, Kreis Ostholstein

Am Ortseingang, vor dem Haus »Sedankate«

Auf einer großen Grünfläche steht im hinteren Teil die Denkmalsanlage für die toten Soldaten beider Weltkriege. Sie wurde viele Jahre von Mitgliedern der Kyffhäuserkameradschaft von Kasseedorf betreut, bis 2018 wurde noch die Hecke von ihnen geschnitten. Jetzt hat die Gemeinde die Pflege übernommen.

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Das Grundstück wird hinten begrenzt durch die Stützmauer zum Garten der »Sedankate«, Eutinerstraße 25; an den Seiten durch verschiedene Gehölze; vorne durch eine Buchenhecke auf einer niedrigen Feldsteinmauer. Zwischen zwei Pfosten betritt man durch eine schlichte hölzerne Pforte das Areal.

 

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Inmitten der Wiese geht man über eine gemauerte Feldsteintreppe über drei tiefe, flache Stufen dem Denkmal entgegen. Am Ende dieser Treppe stand das Denkmal zum 1. Weltkrieg ursprünglich, siehe historisches Foto weiter unten. Laut Hermann Knaack, einem Bewohner der »Sedankate«, wurde es zur Erweiterung nach dem 2. Weltkrieg nach hinten versetzt.

 

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Das Denkmal in der Mitte für die 17 toten und vermissten Soldaten des 1. Weltkriegs wurde am 26. Juni 1921 eingeweiht. Es steht zwischen zwei Säuleneiben, die über die Jahre die doppelte Größe des Denkmals erreicht haben. Der schroffe Findlingsstein steht auf einem gemauerten Sockel, an der rechten, unteren Seite wird er auch durch Felssteine ergänzt. Am Fuß der Eiben wurden runde Feldsteine aufgetürmt.

 

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Auf den Findling ist eine oben geschwungene Bronzetafel gesetzt. Sie ist mit großen Ziernägeln an den herausragenden Ecken befestigt. Die Widmung lautet:

1914    1918
ES LIESSEN IHR LEBEN
FÜR DIE HEIMAT

»Kriegerdenkmäler für den ›gemeinen Mann‹ stehen in einer eigenen Tradition, die begann, als im 18. Jahrhundert das stehende Heer das Söldnerheer verdrängte und das stehende Heer sich durch die allgemeine Wehrpflicht – in Preußen 1814 eingeführt – zum Volksheer wandelte. Das Söldnerheer verrichtete ein riskantes aber Profit versprechendes Handwerk. Das Freiwilligen- oder Volksheer griff nicht des Geldes wegen zu den Waffen. Die Vorstellung, das Vaterland [die Heimat] von feindlicher Besetzung zu befreien oder vor feindlichem Zugriff zu schützen, wurde auch in den Kriegen aufrechterhalten und propagiert, wo die Führung den Angriff befahl. Denkmäler tradieren seit ihrem ersten Auftreten die Überzeugung, im Krieg für drei traditionsreiche Werte gekämpft zu haben: ›für das Vaterland als höchstem Gut, dem der Einzelne unter Aufbietung aller Kräfte diente, zweitens der Monarchie, der er sich bereitwillig unterordnete und drittens seinem überzeugtem Christentum.‹ (zitiert nach Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland, Band 1, S. 260) Ein solches Bewusstsein lässt nicht daran zweifeln, auf der richtigen Seite und für die gute Sache gekämpft zu haben.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.78

 

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Die Namen der 17 Soldaten sind in abgerundeter Schrift, oft kunstvoll verschränkt, geschrieben. Hinter einem sechszackigen Stern wird das Geburtsdatum genannt, hinter »gef.«, »verm.« oder »gest.« das Todesdatum, die Monate jeweils in römischen Ziffern. Die Namen sind sind zweispaltig gesetzt, der 17. in der Mitte darunter.

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Zwischen den Jahreszahlen ist ein detailreiches Relief eingearbeitet worden: ein Stahlhelm auf einem herorisierenden Strahlenkranz, darunter ein Langmesser mit reichlich Lorbeerzweigen.

 

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Schon zwischen der letzten Zeile beginnt der verzierte Knauf eines gesenkten Schwertes im Relief, das sich zwischen den Namensspalten fortsetzt.

Für die Militärsymbolik bevorzugten Stifter und Bildhauer nach dem 1.Weltkrieg oft die antiken, weniger bedrohlichen Waffen. Der Eindruck eines heldenhaften Zweikampfs und eines mutigen Einsatzes der Kombattanten manifestiert sich, der Blick auf die grausame Wirklichkeit eines Kriegs mit modernen Waffen wird verstellt. Völlig ungeachtet, nachgerade in bewusster Ignoranz der Realität der Schlachten des 1.Weltkriegs mit Panzern, Maschinengewehren und Giftgas wird eine zeitlose Form von Heldentum propagiert, bei der der Einzelne im Kampf Mann gegen Mann höchste Mannestugend verwirklichen kann. Das Erinnern an die Schwerter der edlen Ritter in zahlreichen Legenden suggeriert einen per se gerechten Kampf. Nach dem »Schmachfrieden« von Versailles galt es den Kampf wieder aufzunehmen – gegen die inneren und äußeren Feinde. 

Weiter unten können Sie mehr über die Bedeutung von Schwertern lesen.

 

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Links und rechts vom Findlingsstein wurde nach dem 2. Weltkrieg eine hohe Feldsteinmauer angefügt, jeweils mit hervorstehendem Abschluss und seitlich angehäuften Findlingssteinen.

In symmetrischer Anordnung stehen jeweils aussen die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs, innen sind zwei polierte Tafeln aus rötlichem Granit eingelassen. Auf weißem Schriftband, mit überstehenden Ober- und Unterlängen der Buchstaben, kann man in versetzter Anordnung die Widmungen und Namen lesen. Die Namen der 26 getöteten und 14 vermissten Soldaten sind nach Sterbejahren geordnet.

Oben werden die Tafeln mit einem dreigliedrigen Linienband über Eck verziert.

 

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Auf der linken Seite lautet die Widmung:

Die Heimat ehrt Euch
Unsere Gefallenen:

»... verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge. [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort. [...]

Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Ebd. S. 22 + 60f.

 

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Die rechte Seite der Mauer mit der aufgesetzten Zahl »1945«, das Jahr des Kriegsendes, der Befreiung vom Nationalsozialismus.

 

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Die Widmung lautet:

Ihr bleibt uns unvergessen

Es folgen die Namen der toten Soldaten aus dem Jahr 1945 und die der Vermissten.

Die Kyffhäuser Kameradschaft von Kasseedorf setzt sich für den Erhalt der Denkmalsanlage ein. 2007 wurde mit Unterstützung eines Steinmetzes die alte Farbe von den Granittafeln entfernt und die Schrift durch Ausmalen mit einem hellen Grauton wieder lesbar gemacht. Auch die verlorengegangenen Jahreszahlen 1939 und 1945 wurden ersetzt.

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Der Stahlhelm

Neben dem militärischen Ehrenzeichen Eisernes Kreuz ist die Darstellung des Stahlhelms das meist gezeigte Symbol auf Kriegerdenkmälern. Wie kam es zu dieser Wirkmacht?

Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der Lazarettarzt Professor August Bier (nach ihm ist z.B. eine Klinik in Malente benannt) beobachtete höchst gefährliche Granatsplitterverletzungen des Gehirns in erschreckender Häufigkeit und entwickelte darum zusammen mit dem Ingenieur Dr. Friedrich Schwerd den neuen Helm aus Stahl, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30 000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.


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Plakat von Ludwig Hohlwein zum 10. Reichsfrontsoldatentag 1929

»Der Historiker Jürgen Kraus macht drei vorherrschende semantische Felder aus, die dem Stahlhelm in diesem propagandistischen Zusammenhang schon für die Zeit des Krieges zugeordnet werden können. Zum einen hoben die Kriegsanleiheplakate den einzelnen Soldaten aus dem ›massenhaften Elend der Materialschlachten‹ heraus, der nun ›gleichermaßen geschützt wie heroisiert durch den neuen Stahlhelm siegessicher als Heldenfigur auf den Plakaten erschien.‹ In seiner Funktion als Schutzhelm verwies er auf die Gefahren und den Tod auf dem Schlachtfeld und wurde von daher zum Symbol für die Front schlechthin. Viel stärker als die Pickelhaube, die nun endgültig als Symbol für das Militär abgelöst war, vermochte der Stahlhelm den veränderten Bedingungen des Krieges kurz vor dessen Ende auch symbolisch Rechnung zu tragen.

Ein zweites semantisches Feld ergab sich besonders in der zweiten Kriegshälfte aus ›der Vorstellung der ›stählernen‹ Schutzwirkung des Stahlhelms‹, die nahe legte, daß der so behelmte Soldat an der Front imstande war, dem permanenten Beschuß durch den übermächtigen Feind, dem ›Stahlgewitter‹, standzuhalten und damit ein Vorbild für den Durchhaltewillen an der Front und auch in der Heimat zu sein.

Das dritte semantische Feld folgt laut Kraus schließlich aus der großen formalen Ähnlichkeit des neuen Stahlhelms mit typischen Helmformen des Mittelalters. [...] Indem der Träger des Stahlhelms so in die Nähe der historischen Gestalt des Ritters ›als Repräsentant des deutschen Heeres‹ gerückt wurde, was auf zahlreichen Plakaten der Zeit in vielfältiger Weise geschah, konnte er als überzeitlicher ›Kämpfer für Deutschland‹ stilisiert werden, der ›ganz wie seine Vorkämpfer über die Jahrhunderte hinweg Unheil von Deutschland abzuwehren bestimmt war.‹«

Gottfried Korff (Hg.), Kriegsvolkskunde, Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V. 2005, S.130f

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Das Schwert

Das Schwert verweist auf die Helden der Antike und damit auf  eine »edle Gesinnung der Kämpfenden«. Artus, Parzival, Roland, Siegfried & Co. – tragen ihre Schwerter als Recken der Tapferkeit und Treue. Auf den Kriegerdenkmälern fordern Schwerter, selbst wenn sie als Zeichen der Niederlage gesenkt oder abgebrochen dargestellt werden, die nachfolgenden Generationen zu »Wehrwillen und Mannhaftigkeit« auf.

Das Schwert ist in der Menschheitsgeschichte die erste ausschließlich zum Töten anderer Menschen geschaffene Waffe. Ein Symbol der Macht: Wer auf dem Schlachtfeld unterlag, übergab dem Sieger seine Waffe. Das Schwert verleiht den Status eines Herrschers. Die englische Königin führt den Ritterschlag bis heute mit dem Schwert aus.

Nach dem Mittelalter verlor das Schwert seine Bedeutung als Waffe – und wurde in der Symbolsprache der Propaganda umso wichtiger. Im 1. Weltkrieg, dem ersten industriellen Krieg in der Geschichte, hatte das Schwert als Bild-Symbol auf Orden und Medaillen Hochkonjunktur. Auch im Nationalsozialismus galt das Schwert als Zeichen für heldenhaften Kampf. 

Ab 1980 wurde die Symbolkraft des Schwertes umgekehrt: Wer »Schwerter zu Pflugscharen« macht, schafft Frieden. »Schwerter zu Pflugscharen« ist ein Teilzitat aus der Bibel beim Propheten Micha, das zur Redewendung geworden ist. Es drückt das Ziel des Völkerfriedens durch weltweite Abrüstung und Rüstungskonversion aus. Es wurde der Slogan staatsunabhängiger Abrüstungsinitiativen in der DDR, den auch Teile der westdeutschen Friedensbewegung übernahmen.


Schwerter zu Pflugscharen bei Wikipedia


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Volkstrauertag 2018

»In stillem Gedenken« möchte die Dorfschaft Kasseedorf mit dem Kranz unter der Inschrift »Ihr bleibt uns unvergessen« an die getöteten Soldaten des 2. Weltkriegs erinnern.

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»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter. ›Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.‹ [Ralph Giordano, Die zweite Schuld, S. 324].«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 29

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Historisches Foto und Postkarten

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Vor der Erweiterung nach dem 2. Weltkrieg stand der Denkmalsfindling an der Treppe zu der von der Holzpforte ein Kiesweg führte. Auf dem Gelände wuchs ein Wald aus Kiefern und anderen Gehölzen und Bäumen. Rechts und links am Denkmalstein standen einfache Sitzbänke.

Wir danken dem Ehepaar Knaack für das historische Foto und die Informationen.

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Die Kyffhäuser kameradschaft

Hermann Knaack, seit vielen Jahrzehnten Bewohner der Sedankate und Mitglied der Kyffhäuser Kameradschaft, erzählt: Heute sind wir noch 29 Mitglieder, in den 50er Jahren waren wir 120. Dann teilte sich der Verein 1979, die Kasseedorfer Schwentine-Schützen sind nur am Schießsport interessiert. Wir von der Kyffhäuser Kameradschaft treffen uns zweimal in der Woche im Vereinsheim. Aber wir haben Nachwuchsprobleme, es kommen keine Jungen nach.

»Um die Pflege der oft aufwendig gestalteten Orte der Erinnerung ist es nicht selten schlecht bestellt. Meist sind es einzelne die sich um den Erhalt kümmern.

In Kasseedorf ist dies die Kyffhäuser Kameradschaft. Sie setzte sich 2007 für das damals dem Verfall preisgegebene Ehrenmal ein und leistete mit dem Ersatz der verloren gegangenen Jahreszahlen 1939 und 1945 auch einen finanziellen Beitrag. Die ursprünglich auch gärtnerisch anspruchsvoll gestaltete Fläche vor den Gedenktafeln ist inzwischen einer Rasenfläche gewichen. Sie lässt sich so durch die Gemeindearbeiter einfacher pflegen. Bernhard Schrader, der sich bereits 2007 für den Erhalt eingesetzt hatte, wünscht sich zumindest eine ansprechende Bepflanzung direkt vor den Steinen an denen nur einmal im Jahr die niedergelegten Kränze für etwas Schmuck sorgen. Seiner Meinung nach ist eine Gesamtrenovierung des Ehrenmals längst überfällig, denn der Zahn der Zeit nage weiter an ihm. Die Kyffhäuser Kameradschaft fühle sich weiterhin verpflichtet beim Erhalt entsprechend der eigenen Möglichkeiten mitzuhelfen. Daher habe man nun die beiden Steintafeln mit den Namen saniert. Mit Unterstützung eines Steinmetzes wurde die alte Farbe entfernt, die Granittafeln gründlich gereinigt und die Schriftzüge und Namen durch Ausmalen mit einem hellen Grauton wieder lesbar und ansehnlich gemacht.«

• shz.de, Hartmut Buhmann, 9. November 2014


Der »Kyffhäuser-Bund der Deutschen Landes-Krieger-Verbände« führte diesen Namen seit dem 2. Mai 1900. Die Gesamtzahl der Stimmen im »Kyffhäuser-Bund« betrug 61, welche sich auf 27 deutsche Landesverbände mit 30 651 Vereinen und 2 703 772 Mitgliedern verteilten (1913).
Die Zeit des neuen Kyffhäuserbundes bis zum 1. Weltkrieg war, neben der Pflege der Kameradschaft und Wahrung alter Traditionen, geprägt von ideologischen Auseinandersetzungen mit der erstarkenden Sozialdemokratie. »Für Gott, König und Vaterland – Gegen die Sozialisten«. Nach dieser Devise handelten die deutschen Kriegervereine, der Sozialismus wurde als innerer nationaler Feind angesehen. Eine vom Vorstand des Deutschen Kriegerbundes bereits im Jahre 1888 herausgegebene Schrift bezeichnete ehemalige Soldaten, die sich zur Sozialdemokratie bekannten, als ihrem Fahneneid untreu und daher als unwürdig zu betrachten seien, den Kriegervereinen anzugehören. Dieser Kampf, besonders nach den Ergebnissen der Reichstagswahl 1903, rückte immer mehr in den Vordergrund und wurde schließlich von den Kriegervereinen selber als ihre wichtigste Pflicht betrachtet. Erst mit Beginn des 1. Weltkrieges hob der Kyffhäuserbund unter Zustimmung aller Landesverbände im Mai 1915 diese Satzungsbestimmung auf. Ein Zugeständnis auf die parteilose Kameradschaft auf den Schlachtfeldern.
Mit Ende des Krieges, der gleichzeitigen Auflösung der Monarchie und dem Chaos der Nachkriegszeit lebten die ideologischen Differenzen verstärkt wieder auf. Wenn auch viele ehemaligen Soldaten das Ende der Monarchie als Verrat ansahen und darüber enttäuscht und wütend waren, viel schlimmer wurde der »Schandvertrag« von Versailles angesehen.
Am 13./14. September 1919 fand die erste Vertreterversammlung nach dem Krieg statt. Es galt, neue Ziele und Wege zu finden, die dem verlorenen Krieg und der aufgelösten Monarchie Rechnung trugen. Der Präsident des Kyffhäuserbundes, Excellenz von Heeringen, bekräftigte nochmals in seiner Eröffnungsrede die Kyffhäuser-Idee. Es sei die Aufgabe des Kyffhäuserbundes, dem Kaiser und den Fürsten treue Erinnerung zu bewahren und nationales Pflichtbewusstsein zu leben. Deutsch leben und Deutsch denken hieß die Devise. Als äußeres Zeichen diesen Gedankens übertrug der Kyffhäuserbund dem Generalfeldmarschall von Hindenburg die Ehrenpräsidentschaft.

Ab 1922 – Deutscher Reichskriegerbund »Kyffhäuser«

1925 war ein besonderes Jahr für den Kyffhäuserbund. Erstmals fand ein gesamtdeutscher Kriegertag statt. Der Anklang bei den Veteranen war so groß, dass dieser Tag in den darauf folgenden Jahren wiederholt stattfand.
Auf der Kyffhäusertagung vom 7. Mai 1933 in Berlin bekannte sich der damalige Präsident mit dem ganzen Kyffhäuserbund zu Adolf Hitler und besiegelte damit das Ende der bis dato selbständigen Landesverbände. Die parlamentarische Vereinsführung wurde abgeschafft. An die Stelle des Mehrheitsbeschlusses trat die Führeranordnung. Eine Bundestracht mit Kyffhäusermütze und Kyffhäuserarmbinde wurde eingeführt, dazu musste die Hakenkreuz-Armbinde getragen werden.
Der Abschluss der inneren Organisation erfolgte am 1. April 1937 mit der Neugliederung des Kyffhäuserbundes, der in 13 Landesgebiete (nicht mehr Landesverbände) eingeteilt wurde. Diese entsprachen jetzt den Oberabschnitten der SS.

Ab 1938 – NS-Reichskriegerbund (»Kyffhäuserbund«) e.V.

Mit der Verordnung vom 4. März 1938 wurden alle anderen Soldatenbünde in den NS-Reichskriegerbund eingegliedert. Am 3. März 1943 löste Adolf Hitler den Kyffhäuserbund auf Reichsebene auf. Anlass war die verlorene Schlacht von Stalingrad. Das Vermögen wurde der NSDAP übertragen und die weiter bestehenden lokalen Vereine, die in der Endphase des 2. Weltkriegs den Grundstock für die Volkssturm-Einheiten bildeten, der Partei unterstellt.

Nach 1945

Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 (Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen) vom 10. Oktober 1945 werden alle Organisationen und Einrichtungen, die der nationalsozialistischen Herrschaft gedient haben, »abgeschafft und für ungesetzlich erklärt«, so unter anderem auch der NS-Reichskriegerbund.
1952 begann die Wiedergründung des Verbandes mit allen Landesverbänden. Heute betont er seine Rolle als Reservisten- und Schießsportverband. Dass er sich dabei eher am rechten Rand des politischen Spektrums bewegt, macht ein Spiegel-Artikel von 1990 ansatzweise deutlich.

• Nach Wikipedia, abgerufen am 28. Februar 2017

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Sedankate, heute »Bunter Hund«

Das große Gelbklinkerhaus hinter der Denkmalsanlage ging als »Sedankate« in die Dorfgeschichte ein. Die Schlacht von Sedan fand am 1. und 2. September 1870 im Deutsch-Französischen Krieg statt und da das Richtfest des Hauses an einem 2. September gefeiert wurde, erhielt es diesen Namen.

Die Schlacht von Sedan bei Wikipedia


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Erinnerung an Krieg und den »Erbfeind« Frankreich

Pastor i.R. Ulrich Hentschel erläutert am 30. Dezember 2020 in der Hamburger Morgenpost seinen Standpunkt zum Namen der Sedanstraße in Hamburg:


Immer lauter wird die Forderung erhoben, die Sedanstraße in Hamburg, die an Krieg und Franzosenhass erinnert, umzubenennen. Sedan steht für Hunderttausende getöteter Menschen, für Kriegsgemetzel, für deutschen Größenwahn.

Diesem Schlachtort und damit auch der Feindschaft gegen Frankreich eine Straße zu widmen mag den völkischen und militaristischen Gruppen und Parteien gefallen. Aber mit dem Selbstverständnis einer Stadt, die sich demokratischen und friedensfördernden Werten verpflichtet weiß, ist das unvereinbar. Deshalb fordere ich: Benennt diese Straße endlich um. Es ist überfällig.

Für den preußischen Reichskanzler Otto von Bismarck war der 2. September 1870 ein guter Tag. Die Truppen seines Königs Wilhelm I. siegten bei Sedan über die Armeen des französischen Kaisers Napoleon III., der sich daraufhin am nächsten Morgen in Gefangenschaft begeben musste. 


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• Übergabe von Kaiser Napoleon III. an den preußischen König Wilhelm am 2. September 1870


»Welch eine Wendung durch Gottes Führung«, jubelte der König, der auch gleichzeitig oberster Herr der evangelischen Kirche war. Es brauchte dann nur noch wenige Monate, bis am 18. Januar 1871 im Schloss von Versailles die endgültige Niederlage Frankreichs gefeiert wurde und sich der bisherige preußische König als Deutscher Kaiser proklamieren ließ. Unter Einverleibung etlicher kleinerer deutscher König- und Fürstentümer wurde das Deutsche Reich geschaffen. Und um dessen Wirtschaftsaufschwung in den Gründerjahren zu finanzieren, presste man Frankreich Reparationen von fünf Milliarden Francs in 1450 Tonnen Feingold ab.

»Blut und Eisen« begründete das deutsche Reich

Neben Bismarcks raffinierter Diplomatie war es weniger »Gottes Führung«, sondern vor allem »Blut und Eisen«, mit denen dieses deutsche Reich begründet wurde. 50 000 deutsche und 140 000 französische Soldaten blieben auf den Schlachtfeldern zurück, zerfetzt, erschossen, verstümmelt. Viele Verletzte wurden im Schloss von Versailles behandelt. Man hatte extra dicke Vorhänge angebracht, damit ihr Stöhnen nicht die Kaiserproklamation direkt nebenan im Krönungssaal beeinträchtigen konnte.

Der blutige Sieg in der Schlacht von Sedan und die Kaiserkrönung begeisterten Adel, Militär und Bürgertum im neuen Deutschen Reich. Schon im Frühjahr 1871 gab es eine erste Petition für die Einführung eines jährlichen Sedan-Feiertages, vor allem auch aus kirchlichen Kreisen. Es war im Juni 1872 der westfälische Pastor Friedrich Wilhelm von Bodelschwingh, der den 2. September als Datum für ein Dank- und Friedensfest vorschlug. Das sollte dann, wie vom Rheinisch-Westfälischen Provinzialausschuss für Innere Mission propagiert, gefeiert werden mit dem Absingen patriotischer Lieder, Freudenfeuern und Glockengeläut, mit Umzügen der Veteranen und Offiziere, begleitet von der »Ortsobrigkeit«, durch festlich geschmückte Straßen hin zur Kirche, anschließend das Mittagsmahl im Familienkreis und dann wieder Musikkapellen, Festreden sowie Volksbelustigungen aller Art im Freien.

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• Das Brandenburger Tor am 2. September 1895 zum 25. Jahrestag der Schlacht von Sedan

Bismarck trug für die Sedan-Schlacht die entscheidende politische Verantwortung

Doch nicht alle wollten sich an diesen völkischen Inszenierungen beteiligen. Die katholische Kirche sah sich heftigen Attacken Bismarcks ausgesetzt und bewahrte einen Rest von Mitgefühl für das geschlagene Frankreich, das weitgehend katholisch war. Und die Sozialdemokraten, ebenfalls von Bismarck bedrängt, verweigerten sich, so gut es ihnen möglich war, dem Hurra-Patriotismus. Ende der 1880er Jahre sollen sogar einige SPD-Redakteure wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden sein. Doch ungeachtet solcher Proteste wurde der Sedan-Mythos mit einer Fülle von Aktivitäten ins National-Religiöse gesteigert: Huldigungsdenkmäler für den Kaiser und bald darauf für Bismarck wurden errichtet. In Altona dominiert das mächtige Kaiser-Wilhelm-Denkmal seit 1898 bis heute unangefochten das Altonaer Rathaus und sein Parlament. Auch das umstrittene Bismarck-Denkmal hoch über dem Hafen ehrt den Mann, der für die Sedanschlacht die entscheidende politische Verantwortung trug. Billiger als solche Monumente sind Straßenschilder. 

In Hamburg wurden Feldzüge und Massenmorde vorbereitet

In Hamburg bot sich dafür die Louisenstraße neben der Kaserne des schon im Krieg gegen Frankreich eingesetzten Infanterieregiments 76 an, die 1899 auf dessen Initiative in Sedanstraße umbenannt wurde.  Die Kasernen, in denen in der Nazi-Zeit auch das Reserve-Polizeibataillon 101 stationiert war, bevor es zu Massenerschießungen in Polen eingesetzt wurde, sind inzwischen abgerissen. Man will sich in Hamburg nicht gern sichtbar daran erinnern lassen, welche Feldzüge und Massenmorde in seinen Mauern vorbereitet wurden. Und Sedan wurde wieder zum Schlachtfeld. In seiner Nähe  fanden die letzten großen Gemetzel des Ersten Weltkriegs statt. Sedan war Lazarettort und Friedhof.

Das von den Deutschen dort errichtete Tor-Monument trägt die Inschrift: »Kämpfend für Kaiser und Reich, nahm Gott uns die irdische Sonne. Jetzt vom Irdischen frei, strahlt uns sein ewiges Licht. Heilig die Stätte, die ihr durch blutige Opfer geweiht habt! Dreimal heilig für uns durch das Opfer des Danks.« Dass dieses Monument nach 1945 verfiel, empörte nicht wenige deutsche Kriegsfans. Und im Zweiten Weltkrieg war die deutsche Wehrmacht wieder in Sedan, diesmal nicht am Ende, sondern 1940 zum Beginn der Annexion Belgiens, der Niederlande und Frankreichs.

Sedanstraße in Hamburg: Ein unerträglicher Anachronismus

Dass in Hamburg immer noch eine Straße Sedanstraße heißt, ist ein Anachronismus. Schlimmer noch: Es ist unerträglich. Deshalb mein Vorschlag: Nehmt die Straßenschilder ab und zeigt sie in einem Dokumentations- und Erinnerungsort, der aufklärt über all das Töten und Sterben in den drei Frankreich-Kriegszügen und über die Kasernen, in denen das kriegerische Massenmorden trainiert wurde. Ehrt stattdessen einen Soldaten, der auch in Frankreich eingesetzt wurde, sich dann aber dem Töten und Getötet-Werden entzog und desertierte. Ludwig Baumann überlebte und wurde später zum Antimilitaristen und Vorkämpfer für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure. Er wurde in Hamburg geboren, in der Bundestraße, nicht weit entfernt von den Kasernen an der Sedanstraße.

 

Prof. Dr. Detlef Garbe, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, hat Argumente für eine Benennung der Sedanstraße nach Ludwig Baumann.

Argumente von Prof. Dr. Detlef Garbe


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I N H A L T
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Das Denkmal
Volkstrauertag 2020
Was sagen uns die Wörter?
Degen
Die deutsche Eiche
Lorbeerkranz
Das Eiserne Kreuz
Die Kyffhäuser-Kameradschaft
»Wie lange noch ...«
Die Denkmalstraße und mehr

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Kellenhusen, Kreis Ostholstein

Bei der Bushaltestelle, Adresse: Denkmalstraße 1

Eine gewaltige Eiche überragt den Denkmalsplatz. Laut Hans-Uwe Hartert, dem Gemeindearchivar von Kellenhusen, ist es eine Friedenseiche.

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Nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg forderte die Regierung im Deutschen Kaiserreich dazu auf, Friedenseichen zu pflanzen und zu pflegen, damit »dieses Sinnbild deutscher Kraft und deutscher Treue sich in aller Herrlichkeit entwickeln könne und künftigen Geschlechtern Gelegenheit geben würde, sich in seinem Schatten dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern.«

Info für Baumexperten: Die Eiche auf dem Denkmalplatz in Kellenhusen ist jünger als 150 Jahre. Hans-Uwe Hartert hat im Gemeinderatsprotokoll vom 20. April 1929 gefunden, dass die ursprüngliche Friedenseiche gefällt und durch eine junge Eiche ersetzt werden musste.

Mehr Informationen im Kapitel »Die deutsche Eiche«.

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Die Friedenseiche steht auf einem leicht erhöhten, langen Rasenstück in der Mitte des Platzes. Links und rechts führen Sandwege zum Denkmalsplatz. Rechts neben dem Denkmal sehen wir eine weitere Bushaltestelle mit Wartehäuschen. Wegen Platzmangel an beiden Haltestellen wurde kurzerhand ein Fahrradständer hinter dem Häuschen auf dem Denkmalsplatz aufgestellt. Das empfand auch die Untere Denkmalsbehörde des Kreises in einem Auszug aus der Denkmälerkartei 2013 als »störend«. Unser Foto wurde 2022 aufgenommen, der Ständer steht noch, allerdings war dort gerade kein Fahrrad abgestellt.

Vor der Eiche ist für die Tafel der Stifter des ursprünglichen Denkmals zum 1. Weltkrieg ein abgeschrägtes Podest aus Bruchsteinen gemauert worden.

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Die Widmung auf der eingelassenen hellen Marmorplatte folgt mittig gesetzt nach dem ehrenden militärischen Symbol eines Eisernen Kreuzes in Kontur:

Den gefallenen Brüdern zur Ehre
der Gegenwart und der Zukunft
zur Erinnerung an die große Zeit,
errichtete diese Stätte
der Kameradschaftsbund

1929 Kellenhusen


1929 hatte der Kameradschaftsbund das Denkmal zum 1. Weltkrieg errichtet und er begleitete es auch bei der Erweiterung bzw. dem Neubau der Anlage. An »die große Zeit« wollten die Kameraden damals erinnern. So sah sie aus, die große Zeit: Mit dem Ziel seine Herrschaftsgebiete auszuweiten, trat Deutschland im August 1914 in den 1. Weltkrieg ein. In den folgenden vier Jahren kam es zu Materialschlachten mit dem erstmaligen Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Aus dem Deutschen Reich kamen fast zwei Millionen Soldaten ums Leben, weltweit etwa 17 Millionen, das übertraf alles bisher Dagewesene bei weitem.

Mehr Informationen im Kapitel »Die Kyffhäuser-Kameradschaft«.

Das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein stellt in seiner Datenbank Beschreibungen der geschützten Denkmäler zur Verfügung. Hier ein Auszug zur Anlage in Kellenhusen: »Die gesamte Anlage ist städtebaulich aufwändig angelegt und spiegelt das Gedenken der Zwischenkriegszeit mit ihrer kriegsverherrlichenden Attitüde, etwa in dem Ausdruck ›große Zeit‹ wider. Straßenbildprägende Anlage, die sprechendes Zeugnis der Geschichte des Ortes und ihrer Menschen ist sowie für die Entwicklung der Gedenkkultur.«

Die Beschreibung des Landesamtes  Lizenz CC BY-SA 4.0

 

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Das Monument ist nach dem 2. Weltkrieg komplett mit Bruchsteinen neu aufgemauert worden. An beiden Seiten führen zwischen einer Podestmauer zwei Stufen auf den erhöhten Sandplatz.

 

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Die aufwändig mit Abstufungen, Türmchen, Podesten und Rundungen gestaltete Mauer trägt die Namenstafeln und die entsprechende militärische Symbolik für die toten Soldaten beider Weltkriege. Die Mitte wird mit einem gestuften Podest für die Kranzablage betont.

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Das Denkmal wird gekrönt von einem dreidimensionalen Eisernen Kreuz mit hervorgehobener Kontur auf einem doppelten Sockel. Das Eiserne Kreuz in der Version der Kaiserzeit zeigt dunkel hervorgehoben die preußische Königskrone, in der Mitte das »W« für Kaiser Wilhelm II. und unten das Jahr der dritten Stiftung: 1914. Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden. Mehr Informationen im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«.

Das Eiserne Kreuz wird auf Kriegerdenkmälern den toten Soldaten von den Stiftern posthum und kollektiv verliehen. Allein ihr Soldatentod beweist die dafür erwartete Tapferkeit und die Treue.

In Kellenhusen steht obendrein auf der breiten untersten Sockelstufe der gereimte Sinnspruch:

Ruht Ihr auch in fernem Lande
Treu gedenken wir Euer am Heimatstrande

 

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Auf der mittleren, höchsten Mauerfläche ist unter dem Eisernen Kreuz eine fast weiße Marmortafel zum 1. Weltkrieg eingemauert worden.

Der Text beginnt mit einer Aussage in großen Lettern, mittig gesetzt:

Den Heldentod fürs Vaterland
starben (in sehr kleinen Lettern)
1914  (Lorbeerkranz auf gekreuzten Degen)  1918.

Es folgt die Liste der 16 Soldaten aus Kellenhusen, die im 1. Weltkrieg ihr Leben ließen. Jeder Soldat erhielt eine Zeile, in der Vor- und Familienname, der Geburtstag, abgekürzt geb. und der Sterbetag, abgekürzt gef. genannt werden. Drei Soldaten sind als vermißt gemeldet, abgekürzt verm.

Die Liste ist nach den Todestagen geordnet, die sind fast gleichmäßig über die vier Kriegsjahre verteilt.

Mehr Informationen zu der Symbolik in den Kapiteln »Degen« und »Lorbeerkranz«.

 

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Unter der Tafel ist eine Art Mosaik aus dunklen und hellgrauen Steinen eingemauert, das aus einer anderen Zeit zu stammen scheint. Drei schwarze Steine sind zu einem Kreuz zusammen gesetzt, halb Totenkreuz, halb Eisernes Kreuz. Wir vermuten, dass das aufgesetzte Eiserne Kreuz mit dem Sinnspruch, die Namenstafel und das Steinmosaik Teile des ursprünglichen Denkmals zum 1. Weltkrieg sind, die dann in diese neue Wand eingesetzt wurden.

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Die Zuschreibung auf den beiden in die Seitenflügeln der Gedenkmauer eingelassenen Marmortafeln zum 2. Weltkrieg lautet:

1939  Für Volk und Vaterland  1945
                  

Die Formulierung »Volk und Vaterland« läßt vermuten, dass sich die Denkmalsstifter auch nach dem 2. Weltkrieg noch anhaltend mit dem Begriff der »Volksgemeinschaft« identifiziert haben.

»Das Ziel nationalsozialistischer Politik lag in der Herstellung der ›Volksgemeinschaft‹, einer Gesellschaftsordnung, der nur die ›erbbiologisch wertvollen‹ und ›rassereinen‹ Deutschen angehören und aus der die ›Fremdvölkischen‹ und ›Gemeinschaftsfremden‹, allen voran die Juden, ausgeschlossen werden sollten.«

Michael Wildt, Bundeszentrale für politische Bildung, 2012

Mehr dazu auf www.bpb.de


Ergänzt wird auf der linken Tafel, wieder in kleinen Lettern:

gefallen:

Es folgen in zwei Spalten gesetzt 36 Namen: Vor- und Familiennamen und die Lebensdauer der Soldaten mit Geburts- und Sterbejahr. Die Liste ist wieder nach dem Sterbedatum geordnet. 13 Soldaten sind 1942 gestorben. Der letzte auf der Liste starb am 19.12. 46 mehr als anderthalb Jahre nach Kriegsende, er ist also nach militärischer Sprachregelung eigentlich gestorben und nicht gefallen, d.h. er hat nicht im Kampf sein Leben verloren.

 

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Mit gleicher Zuschreibung »Für Volk und Vaterland« werden auf der rechten Tafel zwei weitere Soldatengruppen aufgelistet.

in Kriegsgefangenschaft verstorben:

Das betrifft sieben Soldaten, fünf von ihnen sind über 40 Jahre alt geworden. Einer starb kurz vor Kriegsende, fünf in den ersten vier Nachkriegsmonaten, einer im Mai 1947.

vermißt:

Hier werden 28 Soldaten aufgeführt. Naturgemäß kann nicht immer der genaue Todestag angegeben werden. Gut drei Jahre nach Kriegsbeginn wird der erste Soldat vermißt, 1943 vier, 1944 elf, 1945 ebenfalls elf Soldaten, einer davon nach Kriegsende. Der jüngste Vermißte wurde 17 Jahre, der älteste 53 Jahre alt.

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Über beiden Tafeln ist eine Betongussplatte mit dem Hochrelief eines Lorbeerkranzes mit Schleife, dem Zeichen für einen militärischen Sieg, fast in Originalgröße eingelassen. Die Reliefs sind silberweiß angemalt.

Mehr Informationen im Kapitel »Lorbeerkranz«.

 

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In gleicher Manier sind in die beiden Außenpfeiler länglich hohe Betongussplatten eingesetzt worden, hier sehen wir jeweils detailreich das Hochrelief eines ehrenden Eichenlaubkranzes mit Schleife auf einem gesenkten Bajonett.

Mehr Informationen im Kapitel »Die deutsche Eiche«.

 

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Auch wenn die Waffe als Zeichen für den verlorenen Krieg gesenkt ist, soll das Zeigen von Waffensymbolen auf einem Kriegerdenkmal doch auch eine nur erzwungen ruhende Wehrhaftigkeit darstellen.

 

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Vor dem Denkmalsplatz ist auf einem Betonsockel ein Ziegelsteinklotz mit einer Nische für eine Holzskulptur aufgemauert worden. Sie zeigt zwei Hände, die einen Stacheldraht umklammern. Wir erfahren nichts über die Bedeutung der Skulptur, die ganze Ausprägung dieses Kriegerdenkmals läßt uns aber vermuten, dass hier Anfang der 50er Jahre die Hände eines deutschen Soldaten in einem Kriegsgefangenenlager dargestellt werden sollen.

Mehr Informationen dazu im Kapitel »Wie lange noch ...«.

 

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Volkstrauertag 2020

Die Gemeinde Kellenhusen und die VDS Kyffhäuser Kameradschaft wählten für ihre Kranzschleifen die heute übliche, oft erwünscht alle Kriegsopfergruppen umfassende Formulierung: »Den Toten zum Gedenken« – egal ob Wehrmachtssoldaten, SS-Männer, zivile Opfer, ermordete Juden, Zwangsarbeiter ...

 

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Vor der Kulisse eines Denkmals mit Soldaten herorisierender Symbolik bis hin zum Eisernen Kreuz auf der Kranzschleife kann nicht gleichzeitig ihrer Opfer gedacht werden.

»Das sind natürlich Erinnerungen an Menschen, die man lieb hat. [...] Da fällt es schwer zuzugestehen, dass jemand, um den man trauert, einerseits Opfer war – auf jeden Fall Opfer – und auf der anderen Seite auch Teil eines verbrecherischen Regimes war, ob er nun wollte oder nicht. Aber es ist eine Frage der historischen Ehrlichkeit, dass wir uns solchen Fragen stellen.«

Wolfgang Froese, Stadtarchivar von Gernsbach, Badische Neueste Nachrichten 4.10.2019

 

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Was sagen uns die Wörter?

Heldentod fürs Vaterland:

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S.89: »Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. Das soll die Hinterbliebenen stolz machen. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden/Gedenkorte-fuer-Verstorbene-der-Weltkriege: »Prinzipiell existieren keine Helden, sondern sie werden per Zuschreibung von außen dazu gemacht. Dies erkennt man bereits daran, dass heute andere Menschen als Helden gelten, als zur Zeit des 1. und  2. WK. Es handelt sich um eine Konstruktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll, denn nicht jeder Soldat ist ein Held. Auch werden andere am Krieg direkt oder indirekt Beteiligte (Dichter, Ärzte, Hausfrauen, Invaliden usw.) deutlich seltener als Helden verehrt – von Kriegsgegnern ganz zu schweigen.«

Kurt Tucholsky: »Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

Klingel, S.94: »Wenn in den Inschriften explizit erwähnt wird, für was die Soldaten gestorben sind, ist es in den häufigsten Fällen das ›Vaterland‹. Die Verwendung dieses Begriffes war nach dem Ersten Weltkrieg meist mit einer nationalistischen Haltung verbunden: das deutsche Vaterland, mit dem die eigene Identität untrennbar verknüpft ist, und nur das deutsche Vaterland stellt höchsten Wert dar. Dass dieses ›Vaterland‹ aus dem Streben nach europäischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet.«

Den gefallenen Brüdern zur Ehre:

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.60/61: »An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Häger, S.33: »Der Krieger mutiert zum Held, das Kriegerdenkmal zum Heldenehrenmal – und ist damit jeder kritischen Betrachtung entzogen. Der deutsche Soldat hat sich sui generis heldenhaft verhalten, so wenig wie er dürfen die Reichswehr oder die Wehrmacht in Zweifel gezogen werden. Die von Hindenburg am 18. November 1919 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Reichstags als Erklärung für die Niederlage des Ersten Weltkriegs vorgetragene ›Dolchstoßlegende‹ oder die Proteste gegen die ›Wehrmachtsausstellung‹ über von ihr begangene Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sind Ausdruck der Bemühungen, sowohl die militärischen Institutionen wie auch die ihnen angehörenden Personen der geschichtlichen Realität und damit auch der Verantwortung zu entziehen.«

Telegraphist J. Croad, SMS »Broke«, Jütland 1916 (Deutsches Marinemuseum Wilhelmshaven): »Als wir etwas sehen konnten und Zeit zum Nachdenken hatten, wurde mir langsam klar, was für ein schreckliches Szenario sich hier abgespielt hatte. Wir dachten an Begriffe wie ›Ehre‹ und ›Ruhm‹, die so viele Menschen in ihrer Unwissenheit mit dem Krieg in Verbindung bringen. Sie hätten die Decks der SMS ›Broke‹ am 1. Juni 1916 um 4 Uhr morgens sehen sollen. Da hätten Sie gesehen, wie der ›Ruhm‹ und die ›Ehre‹ tatsächlich aussahen. Achtundvierzig unserer Männer waren gefallen und die meisten waren so zugerichtet, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen waren. Weitere vierzig waren sehr schwer verwundet. Ungefähr fünf Stunden lang versuchten wir, alle unsere toten Kameraden zu finden, sie von dem halbzerstörten Mannschaftsdeck zu schleifen und ihre Leichen über Bord zu werfen, damit sie in der tiefen See ihre letzte Ruhe finden konnten. Das waren die ›Ehre‹ und der ›Ruhm‹, die uns zuteilwurden. Es kommt einem vor wie ein Massenmord. Man fragt sich, wie die Menschen diese Kühnheit aufbringen konnten. Hätten wir nur einmal kurz überlegt, auf was wir uns da einlassen, wären wir niemals in den Krieg gezogen.«


Treu gedenken wir und Den Toten zum Gedenken:

Häger, S.29: »Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter.«


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Degen

Auf dem Denkmal in Kellenhusen kreuzen sich zwei Degen wie in einem Gefecht, gerade so als hätte man im 1. Weltkrieg noch mit Degen gekämpft. Wider die Realität ließen die Denkmalsstifter einen Lorbeerkranz als Siegeszeichen auf die Kriegswaffen legen. »Im Felde unbesiegt«, das war ein gängiges Narrativ der Deutschen zum verlorenen 1. Weltkrieg.

Die Dolchstoßlegende besagte, das deutsche Heer sei im Weltkrieg »im Felde unbesiegt« geblieben und habe erst durch oppositionelle »vaterlandslose« Zivilisten aus der Heimat einen »Dolchstoß von hinten« erhalten. Antisemiten verknüpften »innere« und »äußere Reichsfeinde« dabei zusätzlich mit dem Trugbild vom »internationalen Judentum«.

Diese Legende diente deutschnationalen, völkischen und anderen rechtsextremen Gruppen und Parteien zur Propaganda gegen die Ziele der Novemberrevolution, die Auflagen des Versailler Vertrags, die Linksparteien, die ersten Regierungskoalitionen der Weimarer Republik und die Weimarer Verfassung. Sie gilt in der Zeitgeschichte als bewusst konstruierte Geschichtsfälschung und Rechtfertigungsideologie der militärischen und nationalkonservativen Eliten des Kaiserreichs. Sie lieferte dem Nationalsozialismus wesentliche Argumente und begünstigte seinen Aufstieg entscheidend.

nach Wikipedia, abgerufen am 28. Juni 2018

 

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Der Degen gehört zu den Waffen mit vornehmer Symbolkraft. Im 1. Weltkrieg wurde er nicht mehr als Stichwaffe benutzt. Der technologische Fortschritt durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert machte es möglich, dass für den 1. Weltkrieg neue Waffen entwickelt und produziert wurden, die Angriffe aus weiter Entfernung gestatteten. Es musste nicht mehr Mann gegen Mann gekämpft werden. Zu den neuartigen Waffen gehörten U-Boote, Panzer, Flugzeuge, Maschinengewehre, Handgranaten und Giftgas. Der Degen hatte ausgedient.

Er wurde aber bis heute ein nobles Assessoire für Galauniformen bei Paraden oder besonderen Zeremonien. Seine Bedeutung hatte der Degen in der Vergangenheit erlangt: er gehörte u.a. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zur vollständigen Garderobe von Offizieren und Adeligen und war insofern auch Rangabzeichen. Das Degenfechten gilt auch heute als ein akademischer Sport.

Der Degen auf dem Weltkriegsdenkmal ist also auch als zusätzliche Ehrung zu verstehen.


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Die deutsche Eiche

Eichenlaub ist in der militärischen Symbolsprache ein Zeichen hoher Ehre. Darum findet man es oft auf Orden, z.B. auf dem Ritterkreuz in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie kam es zu dieser Symbolkraft?


Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.

Mit der Nationalromantik des 19. Jahrhunderts, mit der Deutschen Revolution 1848/1849 und der Reichsgründung 1871, die das Gefühl nationaler Einheit bestärkten, zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen und dergleichen dient Eichenlaub in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches bzw. der Lorbeerkranz.

Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019

 
»Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«

Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525


»Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«

Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de


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Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0


Eichenlaub als höchste Zier: SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS Theodor Eicke im Jahr 1942.


»Eichenlaub« war ab 1999 ein rechtsextremes Liedermacher-Duo aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes.

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Lorbeerkranz

Im alten Rom wurden siegreiche Waffen mit Lorbeerzweigen umwunden, später wurden den »Helden« von der Siegesgöttin Viktoria Lorbeerkränze gereicht oder auf’s Haupt gesetzt. In Kellenhusen liegt auch ein Lorbeerkranz auf den gekreuzten Degen des verlorenen 1. Weltkriegs.

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Den toten Soldaten der Deutschen Wehrmacht nach dem verbrecherischen Angriffskrieg einen Lorbeerkranz, sei es auch nur als Symbol, zu spendieren ist absurd.

»Für Volk und Vaterland« sollen die Soldaten ihr Leben verloren haben? Ralph Giordano sagt dazu: »Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«

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Das Eiserne Kreuz

»Das Eiserne Kreuz wurde erstmalig 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet. Es war der erste militärische Orden, der nicht nur an Offiziere, sondern auch an einfache Soldaten für ihre militärischen Verdienste verliehen werden konnte. Kurz darauf führte der König die allgemeine Wehrpflicht ein. Das bisherige Söldnerheer wandelte sich zum Bürgerheer und für die Bürger mussten Anreize geschaffen werden, das eigene Leben im Krieg aufs Spiel zu setzen. Damit begann eine neue Zeit beim preußischen Militär: Soldaten waren nicht mehr nur Befehlsempfänger ohne Stimme und ohne Namen, sondern seit dieser Zeit wurden sie zu Vorbildern gemacht, denen nachgeeifert werden sollte. Der König versprach in der Stiftungsurkunde jedem Soldaten für den eventuellen Kriegstod ein Denkmal, das heißt, die Erwähnung auf einem Denkmal. Zumeist wurde das damals als Tafel in einer Kirche realisiert: Zeugnis der engen Verbindung von Monarchie und Kirche.

Das Eiserne Kreuz wurde sehr häufig als Relief auf Kriegerdenkmälern verwendet. Es steht hierbei als solches symbolisch für die Anerkennung der besonderen ›Vaterlandstreue‹ der gefallenen Soldaten. Ihr Tod im Krieg wurde dafür als Beweis gedeutet. Durch die Verwendung des Eisernen Kreuzes auf einem Denkmal sollten die Soldaten posthum für ihr Verhalten ausgezeichnet werden und damit als Vorbilder für die Nachwelt gelten.

Nach 1813 wurde es 1870 von Kaiser Wilhelm I. und 1914 von Kaiser Wilhelm II. neu gestiftet. Auch Adolf Hitler führte 1939 das Eiserne Kreuz als militärische Auszeichnung wieder ein, mit einem Hakenkreuz im Zentrum.

Heute ist das Eiserne Kreuz das »nationale Erkennungszeichen der Bundeswehr‹.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 44f


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Soldaten der Wehrmacht kämpfen nicht nur pflichtschuldig  und gehorsam. Ohne die Gefühlswelt aus Stolz, Ehre und Männlichkeit ist nicht zu erklären, warum so viele an die Front streben – und dem Krieg bis zum Untergang verhaftet bleiben. (Frank Werner in ZEITGeschichte 4/2018)

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Geschickte Propaganda: Begehrenswerte Ordensbrust in »Die Woche« Januar 1940.

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Manchmal wird es dort auch als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz verwendet. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z.B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

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... und ganz aktuell: Die Redaktion des Spiegel illustriert den Titel Nr.50 / 10.12.2022 zur Razzia bei »Reichsbürgern« und »Querdenkern«, denen vorgeworfen wird, einen Staatsstreich geplant zu haben, mit einem Eisernen Kreuz.

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Die Kyffhäuser-Kameradschaft

Auf der Website des Kyffhäuser-Landesverband Schleswig-Holstein lesen wir am 2. Mai 2022 die folgende Statistik:

»Der Kyffhäuser-Landesverband Schleswig-Holstein besteht aus 53 Kameradschaften in 8 Kreisverbänden sowie einer einzelnen Kameradschaft mit rund 2.000 Kameradinnen und Kameraden.

Im Verband deutscher Soldaten (VdS) sind 9 Ortsverbände in einem Kreisverband und 2 einzelne Ortsverbände mit rund 150 Mitgliedern aktiv.

Die Kyffhäuser-Jugend Schleswig-Holstein betreibt in 32 Kameradschaften Jugendarbeit mit ca. 350 Jugendlichen.«

 

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Der VDS (Verband Deutscher Soldaten) Kyffhäuser Kameradschaft gedenkt am Volkstrauertag 2020 in Kellenhusen der Toten mit zwei gewichtigen Eisernen Kreuzen, dem militärischen Ehrenzeichen.

»Militärische Vereine spielten früher im gesellschaftlichen Leben eine weit größere Rolle als heute! Geachtet war nur der Mann, der ›gedient‹ hatte. Im Zivilleben konnte man durch die Mitgliedschaft in einem Militärverein am Ansehen, dass der Soldatenstand genoß, weiter teilhaben. So wurden die ›Kriegervereine‹, wie sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts genannt wurden, die mitgliederstärkste Vereinsform in Deutschland. Am Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte ihr Zusammenschluß zum ›Kyffhäuserbund‹. Neben allgemeinen Kriegervereinen bildeten sich Kameradschaften bestimmter Regimenter oder Waffengattungen. [...]
In engem Zusammenhang mit dem Kriegsvereinswesen stehen viele Denkmäler in Stadt und Land: Die Vereine regten ihre Errichtung an, spendeten Geld dafür und marschierten bei ihrer Einweihung auf.«

Ludwig Arndt, Militärvereine in Norddeutschland, BOD, Werbetext zum Buch, 2008

»In Deutschland war die Trauer um die getöteten Soldaten gleichzeitig verbunden mit der Erinnerung an eine Niederlage. Das Kriegserlebnis wurde zu einem Mythos geformt, der das Sinnhafte des Kampfes und der Opfer hervorheben sollte:

›Die Erinnerung an den Krieg wurde zu einem heiligen Erlebnis umgedeutet, das der Nation eine neue Tiefe der religiösen Empfindung gab und überall präsente Heilige und Märtyrer, Stätten nationaler Andacht und ein zum Nacheifern aufforderndes Erbe lieferte.‹ (Mosse, 13) Der Gefallenenkult wurde zu einem zentralen Bestandteil nationaler Selbstdarstellung und entwickelte besonders in Deutschland eine gewaltige politische Wirkung.

Das Ideal der Kameradschaft wurde auf die ganze Nation ausgedehnt. Die Gedächtnisfeiern an den Ehrenmälern auf öffentlichen Plätzen betonten den Vorbildcharakter der Gemeinschaft der Frontsoldaten. Im besiegten Deutschland wurde die ›Volksgemeinschaft‹, aus der heraus die Nation zu neuer Stärke erwachen sollte, zum Vermächtnis, das die Gefallenen den Überlebenden hinterlassen hatten. Die allerorts errichteten Denkmäler trugen dazu bei, diesen Sinn, der dem Soldatentod beigelegt wurde, in die Öffentlichkeit zu tragen und im Bewusstsein zu erhalten.

Die von den Nationalsozialisten angestrebte Volksgemeinschaft ist ohne das idealisierte Vorbild der Frontkameradschaft des Ersten Weltkriegs nicht vorstellbar. Der Gefallenenkult erlebte im nationalsozialistischen Deutschland dann auch seine äußerste Steigerung.«

Christian Lopau, Vortrag im Ratzeburger Dom im Begleitprogramm der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945?«, 2017

Vortrag auf www.nordkirche-nach45.de 

 

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Eine Todesanzeige in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 23. März 2005 (!)


2006 beantwortete die Bundesregierung die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu Traditionsverbänden, Kameradschaftsvereinen und Rechtsextremismus.

Deutscher Bundestag Drucksache 16/1282


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»Wie lange noch ...«

Anfang der 50er Jahre wurden an vielen Orten Gedenkzeichen für deutsche Soldaten errichtet, die noch in Kriegsgefangenschaft waren. Sie bezogen sich auf die deutschen Kriegsgefangenen und Kriegsverbrecher, die zu diesem Zeitpunkt noch in der Sowjetunion inhaftiert waren und mahnten ihre Freilassung an. In Kellenhusen gibt es keine weitere Erläuterung dazu.

SH Kellenhusen Nie wieder nah web


Das geschnitzte Werk mit echtem Stacheldraht in Kellenhusen

 

Denkmal Kriegsgefangener Vermisste Neustadt am Ruebenberge webFoto: Wikimedia Commons / Benutzer:AxelHH


Eine Bronzeplatte auf einem kleinen Sandsteinmonument in Neustadt am Rübenberge, Niedersachsen: VERGESST UNSERE / KRIEGSGEFANGENEN / UND VERMISSTEN NICHT

 

In einer Kampagne kämpfte auch die Evangelische Kirche 1950 ausdrücklich auch für die Freilassung der inhaftierten deutschen Kriegsverbrecher.


SH Kleinsolt Kirche der Heimat 1950 web


»Wie lange noch …«. Fünf Jahre nach Kriegsende forderte die Evangelische Kirche die Freilassung der kriegsgefangenen Soldaten ebenso wie der verurteilten Kriegsverbrecher. Kirche der Heimat vom April 1950, S. 2


Schon im Mai 1949 war unter dem Titel »Gebt die Kriegsgefangenen und Internierten frei! Die Evangelische Kirche in Deutschland an die Alliierten« in den kirchlichen Blättern ein Aufruf des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands abgedruckt worden, in dem es hieß: »Sorgt für die Freigabe der Internierten! Lasst ab von dem Sonderrecht gegen die Besiegten! Beendet die Auslieferung von Kriegsgefangenen für Kriegsverbrecherprozesse!«


Diese Vorgänge können Sie detailliert nachlesen in Stephan Lincks Buch »Neue Anfänge? Der Umgang der evangelischen Kirche mit der NS-Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum. Die Landeskirchen in Nordelbien«, Band 1: 1945-1965, Lutherische Verlagsgesellschaft Kiel, S. 115 - 128:

 
1955 fuhr Konrad Adenauer schließlich nach Moskau, die Russen wünschten sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Vertreter der Sowjetunion akzeptierten nach zähen Verhandlungen, dass »9626 Kriegsgefangene und eine größere Zahl von Zivilinternierten umgehend nach Deutschland zurückkehren würden, wenn der Bundeskanzler in die Aufnahme diplomatischer Beziehungen einwilligte und außerdem zusagte, dass Ermittlungen der deutschen Justiz gegen 450 der Überstellten, darunter auch KZ-Aufseher, aufgenommen würden« (Deutschlandfunk). Adenauer schlug ein und kehrte im Triumph nach Deutschland zurück.

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Die Denkmalstrasse Und mehr

Der Denkmalsplatz befindet sich an der Waldstraße, Abzweig Denkmalstraße.

SH Kellenhusen Schilder web


Dem Denkmal ist nicht nur eine Straße gewidmet ...

SH Kellenhusen Screenshot facebook web


es hat auch einen eigenen Facebook-Account ...

SH Kellenhusen Places web


auch das englischsprachige Ausland weist auf das Denkmal hin, als one of 2158 Memorial parks in Germany ...


SH Kellenhusen Veteranen Korps Deutschland web

 

und natürlich ist auch das Veteranen Korps Deutschland auf das Kellenhuser Denkmal aufmerksam geworden und hat es an 19. Stelle in seine Lieblingsliste aufgenommen.


Die letzten drei Bilder sind Screenshots vom 2. Mai 2022


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I N H A L T
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Das Denkmal
Aus der Geschichte
»Unsern gefallenen Helden«
Der Adler
Der Findlingsmythos
Das Eiserne Kreuz
Das Schleswig-Holstein Lied

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Kiel, die Landeshauptstadt

Im Stadtteil Gaarden-Süd in der Diesterwegstraße 20

Das Haus mit zwei Seitenflügeln ist 1914 für das Königlich-Preußische Lehrerseminar erbaut worden. Heute wird es von der Christlichen Schule Kiel genutzt.

SH Kiel Lehrerseminar sehr weit web


Das Findlingsdenkmal für die Seminaristen, die als Soldaten im 1. Weltkrieg getötet wurden, steht noch immer ohne weitere Erklärung auf dem Vorplatz.

 

SH Kiel Lehrerseminar Inschrift web


Der große gerundete Findling trägt unter einem eingemeißelten Eisernen Kreuz die mittig gesetzte Inschrift:

Unsern
gefallenen
Helden
1914 - 18

Mehr zum militärischen Ehrenzeichen im Kapitel »Eisernes Kreuz« und zur Inschrift im Kapitel »Unsern gefallenen Helden«.

 

SH Kiel Lehrerseminar hinten web


Im Gegensatz zur Inschrift, die wohl allmählich verschwinden wird, sieht der kleine Hügel, auf dem der Findling steht, wie ein gepflegtes Heidegärtchen aus.

Wir danken Oberkirchenrat Dr. Thomas Schaack für seine Fotos des Findlings, die wir auf dieser Website zeigen dürfen.

 

SH Kiel Seminar Winter Wikimedia Commons Siegbert Brey webFoto: Wikimedia Commons / Siegbert Brey, CC-BY-SA 4.0 DE

Und zum Abschluß noch ein Foto vom Januar 2015: der Stein mit Schneehaube!
 

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Aus der Geschichte

Das Gebäude, bei dem der Findling für die toten »Helden« des 1. Weltkriegs liegt, ist vor Beginn des 1. Weltkriegs erbaut worden. Am 27. März 1914 wurde es als Königlich-Preußisches Lehrerseminar eingeweiht. Als Symbol, neudeutsch Logo, ist der preußische Adler auf dem Plakat zur Einweihung und der als Ziegelrelief ausgeführte überdimensionale Adler an der Fassade des westlichen Seitenflügels zu sehen.

SH Kiel Seminar Kielarchiv Einweihung web

Stadtarchiv Kiel 98.173/Fotograf: Ludwig Handorff, gemeinfrei, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Plakat zur Einweihung des Königlich-Preußischen Lehrerseminars in der Diesterwegstraße 20 ...

SH Kiel Adler Diesterwegstrasse Kiel Wiki M Hammer Kruse webFoto: Kiel-Wiki, Michael Hammer-Kruse, CC-BY-SA 3.0 DE

... und das Ziegelrelief des Adlers an der Fassade des westlichen Seitenflügels. Mehr dazu im Kapitel »Der Adler«.

SH Kiel Seminar Karte Erinnerung vorne web

Eine Karte »Zur Erinnerung an die Einweihung des Königlichen Lehrer-Seminars zu Kiel«. Wie beim Plakat oben mit Adler und den drei Jahreszahlen 1781, 1911 und 1914.

1781 wurde das Lehrerseminar in Kiel gegründet. Wir lesen bei Wikipedia: »Ein gutes Beispiel dafür ist das 1781 als ein Kind der Aufklärung von dem Kieler Theologen Johann Andreas Cramer (1723–1788) gegründete Lehrerseminar Kiel«.

Mehr bei Wikipedia


1911 steht vermutlich für den Baubeginn des stattlichen Hauses Diesterwegstraße 20 und 1914 für die Einweihung.

Auf dieser Karte wird ganz unten, passend zur Illustration, noch eine Zeile aus dem Schleswig-Holstein Lied mit dem Titel »Wanke nicht, mein Vaterland« zitiert: »Ob auch wild die Brandung tose ...«. Wie so oft wurde auch hier ein Lied aus der Zeit der Schleswig-Holsteinischen Erhebung und der »Freiheitskriege« gegen die napoleonische Fremdherrschaft benutzt, um die nationalistische, kämpferische Stimmung vor dem 1. Weltkrieg anzuheizen.

Mehr dazu im Kapitel »Das Schleswig-Holstein Lied«

 

SH Kiel Seminar Kielarchiv 3 7 1914 Karte ohne Stein

Stadtarchiv Kiel 51.625/Fotograf: Eggert Hansen, gemeinfrei, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Postkarte, abgeschickt am 3. Juli 1914

SH Kiel Seminar Karte 1920 web


Künstlerpostkarte aus dem Jahr 1920

SH Kiel Seminar Kielarchiv ohne Stein web

Stadtarchiv Kiel 60.919/Fotograf: unbekannt, CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Die Bäumchen sind gewachsen: Foto aus dem Jahr 1926. Das ist das Gründungsjahr der Pädogogischen Akademie zur Ausbildung der Volksschullehrer in der Diesterwegstraße 20. Der Name Königlich-Preußisches Lehrerseminar verschwand, das riesige Adlerrelief am westlichen Seitenflügel des Hauses blieb.

SH Kiel Seminar Kielarchiv Luftbild web

Stadtarchiv Kiel 45.948/Fotograf: unbekannt, CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Auch 1926: Luftaufnahme von Gaarden-Süd. Blick von der Hamburger Chaussee (vorn links) über die Fröbelstraße, die Pestalozzistraße (vorn rechts) und den Krusenrotter Weg (Bildmitte) zum Vieburger Gehölz (Hinten links). In der Bildmitte die Pädagogische Akademie in der Diesterwegstraße 20.

»Diese wurde 1933 in Hochschule für Lehrerbildung umbenannt. Von 1941 bis 1945 wurde sie zur Lehrerbildungsanstalt zu Kiel umgewandelt. An der Hochschule unter ihrem Direktor Ulrich Peters und dem Vizedirektor und Biologen Paul Brohmer war schon vor 1933 eine völkische Erziehung propagiert worden, so dass die nationalsozialistische »Machtergreifung« begrüßt wurde. Auch der nationalsozialistische Geschichtsdidaktiker Karl Alnor lehrte hier. Die Hochschule gehörte zu den Unterzeichnern des Bekenntnisses der deutschen Professoren zu Adolf Hitler.

Im Jahr 1946 wurde sie als Pädagogische Hochschule neu gegründet.«

Link zu Wikipedia – Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

 

SH Kiel Seminar Kielarchiv Karte web

Stadtarchiv Kiel 73.959/Fotograf: Gerhardt Fabritz, CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Foto um 1952: Nun ist es das Haus der Pädagogischen Hochschule. 1966 gab es Studentenproteste wegen der beengten Raumverhältnisse. Die Pädagogische Hochschule wanderte in einen Neubau an der Olshausenstraße, die Fachhochschule für Sozialpädagogik zog ein.

SH Kiel Seminar Kielarchiv Kranz web

Stadtarchiv Kiel 54.676/Fotograf: Friedrich Magnussen, CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

13. März 1973: Zum 50. Jahrestag ihres Abgangs gedenken Absolventen des Königlich-Preußischen Lehrerseminars am Denkmalsstein zum 1. Weltkrieg ihrer toten Mitseminaristen.

Seit 1999 wird das Gebäude von der Christlichen Schule Kiel genutzt.

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»Unsern gefallenen Helden«

... verweist auf das Wort »fallen«, dem Wörter wie »hinfallen« aber auch »fällen« zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort »fallen« seines Schreckens, im Wort »fällen« verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort.

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, S. 22

Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: »der Gefallenen«. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung »Gefallene« eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.
Im Wort »fallen« verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der »fiel«, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort »fallen«, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S. 100


Auffällig ist auch, dass die Soldaten zwar als Söhne oder als Opfer, manchmal auch als Krieger benannt und dargestellt werden, nie aber als Tötende. Der Gefallene existiert als Begriff, es gibt aber keine Bezeichnung für den, der ihn zu Fall gebracht hat.

• Clemens Tangerding, Für Deutschland gestorben, DLF 18.11.2012


Das erste idelogische Moment des politischen Totenkults wird in historischen Untersuchungen selten angesprochen, so selbstverständlich ist es offenbar: Der tote Feind gilt nichts. Totengedenken und nationale Feindschaft gehen Hand in Hand. Die Rechtfertigung des eigenen Tötens bleibt ausgeblendet, ist immer nur implizit anwesend, als unbefragte Voraussetzung. Explizit handelt der Totenkult allein vom Sinn des Sterbens, des Sich-Opferns.

Latzel, S. 98


»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. Das soll die Hinterbliebenen stolz machen. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 89


»Prinzipiell existieren keine Helden, sondern sie werden per Zuschreibung von außen dazu gemacht. Dies erkennt man bereits daran, dass heute andere Menschen als Helden gelten, als zur Zeit des 1. und  2. WK. Es handelt sich um eine Konstruktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll, denn nicht jeder Soldat ist ein Held. Auch werden andere am Krieg direkt oder indirekt Beteiligte (Dichter, Ärzte, Hausfrauen, Invaliden usw.) deutlich seltener als Helden verehrt – von Kriegsgegnern ganz zu schweigen.«

www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden/Gedenkorte-fuer-Verstorbene-der-Weltkriege


»Jedes Gedenken der Gefallenen, also Ermordeten, ohne die klare Ableugnung der Kriegsidee ist eine sittliche Schande und ein Verbrechen an der nächsten Generation.«

Kurt Tucholsky

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Der adler

Dr. Leichsenring vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags schreibt: »Wappen, Siegel, Farben, Flaggen, Hymnen, Hauptstädte und auch Feiertage dienen als Staatssymbole der Veranschaulichung und öffentlichen Darstellung eines Staates. Jenseits ihrer repräsentativen Funktion sollen sie die grundlegenden Traditionen und Werte eines Staatswesens verdeutlichen und vermitteln. Staatssymbole sind ›geronnene Werte‹ der politischen Kultur. Das traditionsreichste Staatssymbol Deutschlands ist der Bundesadler.«

SH Kiel Seminar Reichsadler 1924 web

40 Pfennig-Briefmarke des Deutschen Reichs, verschickt im Jahr 1924


Ausführlich wird die Geschichte des Adlers als Staatssymbol Deutschlands behandelt. Für den Adler in der Diesterwegstraße 20 ist wichtig:

»Der Doppeladler stand für den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches im Unterschied zum einköpfigen Königsadler. Unter Kaiser Sigismund von Luxemburg war er um 1433 eingeführt worden und blieb Kaiser- und Reichswappen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (6. August 1806). Der schwarze Doppeladler war aber weiter das Symbol des österreichischen Kaisertums.

Im Zuge der Revolution von 1848 bestimmte die Bundesversammlung, der ›Bundestag‹, am 9. März 1848 den doppelköpfigen Reichsadler zum Bundeswappen. Im Juli 1848 bestätigte die Nationalversammlung in der Paulskirche diesen Beschluss, womit nicht zuletzt an das Heilige Rö- mische Reich Deutscher Nation anzuknüpfen versucht wurde.

1871 entstand anlässlich der Proklamation des Deutschen Reiches in Versailles ein Disput darüber, welches Wappen das Kaiserreich symbolisieren sollte. Letztlich entschied man sich gegen den Doppeladler und die mit ihm verbundene Kontinuitätslinie und knüpfte stattdessen mit dem einköpfigen Adler an die preußische Tradition an.«

Darum sehen wir am westlichen Seitenflügel des ehemaligen Königlich-Preußischen Lehrerseminars von 1914 einen einköpfigen preußischen Adler.

Der Bundesadler, erklärt vom wissenschaftl. Dienst des Bundestags

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Der Findlingsmythos

Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.


»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134


SH Elmenhorst Findling Marienwarder web

Das Findlingsdenkmal in Marienwarder, Kreis Plön, zum 1. Weltkrieg

Unsere Dokumentation

 

»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.

• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203


Obwohl die Riesensteine in der Eiszeit von weit her transportiert worden sind, wurden sie im Kaiserreich und besonders im Nationalsozialismus mit »Heimat und Reich« identifiziert.

»Ansonsten hat das Hünengrab nirgends eine solche Bedeutung für die nationale Symbolik erlangt wie in Deutschland.« lesen wir auf der Website www.feuerstahl.org. Dazu stehen zwei Bilder:

SH Marienwarder Huenengrabmedaille www feuerstahl org web2
Medaille zum Gedenken an die Gefallenen, Beginn der 1920er Jahre


SH Marienwarder Huenengrabdenkmal www feuerstahl org web

Ehemaliges Gefallenendenkmal im Harz

Link zu www.feuerstahl.org


In den Jahren danach steigert sich der Kult um die »germanischen Steine« noch beträchtlich.

»Gleich ihren Vorbildern und Ahnen, den Hünengräbern aus der Kultur der germanischen Steinzeit, sind diese gewaltigen Gebilde ein Sinnbild der Urkraft und der feierlich weltentrückten stillen Ehrung. Mehr vielleicht als Worte es tun können, reden diese massigen Urformen zu uns von Ruhe, Erhabenheit, Selbstbewußtsein und stahlharter Kraft. Ihre Unbehauenheit ist wie der Frontsoldat selbst, hart und grobknochig und doch riesengroß, urhaft. Jeder für sich und in sich ruhend, hart und grobknochig, drohend und machtvoll, ein einziger Trotz und Wille.«

Karl von Seeger, Das Denkmal des Weltkriegs, Stuttgart 1930, S.28


Die Nationalsozialisten vereinnahmten den Germanenmythos dann vollends von rechts.

In »Das Schwarze Korps«, einer Wochenzeitschrift der SS, wird das Ulanendenkmal in Demmin 1935 bejubelt, für das eines der Großsteingräber bei Quitzerow 1924 vollständig abgetragen wurde.

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»Wie aus dem sagenhaften Dämmerdunkel deutscher Vorzeittiefen führen enge Felsstufen hinauf zu den Hünengräbern der Ahnen. Und stehen wir an diesen Hünenbetten gleichwohl im Banne des Todes, dessen Allmacht schon den Vätern heilig war, ihr Blut und ihre Lebenskraft tragen wir vorwärts bis an das Ende der Erde. [...] Die Schau eines so im nordischen Geiste geformten Denkmals hat dem Besucher nicht nur eine Stimmung vermitteln helfen – sie hat ihn gläubig gemacht, daß er wieder stolz und vertrauend wird zu seiner blutseigenen und rassischen Art.«

Unsere Dokumentation des Ulanendenkmals in Demmin


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.

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• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


SH Oldesloe Bundesarchiv Bild 146 1974 160 13A Theodor Eicke webFoto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0


SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS Theodor Eicke im Jahr 1942.

Seine Biografie auf www.zukunft-braucht-erinnerung.de

 

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

SH Grube Ehrenurkunde 1970 Kyffhaeuser web

1970: Ehrenurkunde für die Kameradschaft Grube ausgestellt vom DSV-Kyffhäuser Ortsverband Riepsdorf mit markantem Soldatenkopf, Schwert, Eisernem Kreuz und Eichenlaub.

 

Spiegeltitel 50 2022 EK Reichsbuerger web

... und aktuell: Die Redaktion des Spiegel illustriert den Titel Nr.50 / 10.12.2022 zur Razzia bei »Reichsbürgern« und »Querdenkern«, denen vorgeworfen wird, einen Staatsstreich geplant zu haben, mit einem Eisernen Kreuz.

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Manchmal wird es dort auch als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz verwendet. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z.B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

Am 26. November 2018 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrem Tagesbefehl ein Veteranenabzeichen eingeführt. Am 15. Juni 2019 sind die ersten Abzeichen ausgehändigt worden. Das Verteidigungsministerium erklärt dazu: »Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die alle Bundeswehrangehörigen verbinden: ›Gemeinschaft, Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft‹.« Am 10. Januar 2020 meldet das ›Bundeswehrjournal‹, dass bisher rund 35.700 Anträge auf ein Veteranenabzeichen eingegangen sind.


SH Haffkrug Veteranenabzeichen der Bundeswehr 2019 DocHeintz Wikimedia Commons web
Foto: Doc.Heintz/Wikimedia Commons


Überreicht wird das Abzeichen mit einem Dankesschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr:

»... Dieser Dienst in der Bundeswehr verdient hohen Respekt und große Dankbarkeit, welche auch in der Gesellschaft spürbar und sichtbar werden soll. Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die uns alle verbinden: Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft ...«


Ein anonymisiertes Anschreiben bei Wikipedia


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Das Schleswig-Holstein Lied

»Wanke nicht, mein Vaterland

Schleswig-Holstein, meerumschlungen,
deutscher Sitte hohe Wacht,
wahre treu, was schwer errungen,
bis ein schönrer Morgen tagt!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
wanke nicht, mein Vaterland!

Ob auch wild die Brandung tose, [siehe Postkarte oben]
Flut auf Flut, von Bai zu Bai:
O, lass blühn in deinem Schoße
deutsche Tugend, deutsche Treu.
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
bleibe treu, mein Vaterland!

Doch wenn inn’re Stürme wüten,
drohend sich der Nord erhebt,
schütze Gott die holden Blüten,
die ein mildrer Süd belebt!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
stehe fest, mein Vaterland!

Gott ist stark auch in den Schwachen,
wenn sie gläubig ihm vertrau’n;
zage nimmer, und dein Nachen
wird trotz Sturm den Hafen schau’n!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
harre aus, mein Vaterland!

Von der Woge, die sich bäumet
längs dem Belt am Ostseestrand,
bis zur Flut die ruhlos schäumet
an der Düne flücht’gem Sand. –
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
stehe fest, mein Vaterland!

Und wo an des Landes Marken
sinnend blinkt die Königsau,
und wo rauschend stolze Barken
elbwärts ziehn zum Holstengau. –
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
bleibe treu, mein Vaterland!

Teures Land, du Doppeleiche,
unter einer Krone Dach,
stehe fest und nimmer weiche,
wie der Feind auch dräuen mag!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
wanke nicht, mein Vaterland!«

Matthäus Friedrich Chemnitz, ein Schleswiger Advokat, hat den vaterlandsverliebten Text verfasst. Es wird der Wunsch nach einem geeinten und vor allem einem deutschen Schleswig-Holstein besungen. 1844 wurde das Lied beim Schleswiger Sängerfest vorgestellt.

Von einem erstaunlichen Vorgang wird auf dem offiziellen Portal der Landesregierung Schleswig-Holstein – man möchte fast sagen – mit Stolz berichtet:

»Im Frühjahr 2011 hatten die Landesregierung, Radio Schleswig-Holstein und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag zu einem Wettbewerb aufgerufen. Unter dem Motto ›Schleswig-Holstein Lied - Reloaded - Altes Lied, neuer Beat‹ wurde eine individuelle Interpretation der Hymne gesucht. Über 70 Beiträge sind eingegangen, die Sieger wurden per Internetabstimmung gewählt. Gewonnen hat die dreiköpfige Gruppe ›Susan feat. Chrissy-Chris-Cross & Tobsen-Didi‹ aus Kaltenkirchen. Auf der Kieler Woche 2011 präsentierten die drei ihre Version live auf der R.SH-Bühne.«

Link zu www.schleswig-holstein.de / Fachinhalte

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I N H A L T
Die Anlage zum 1. Weltkrieg
Die Anlage zum 2. Weltkrieg
Zum Volkstrauertag 2021
U-Boot-Kommandant Oskar Kusch
Das Eiserne Kreuz
Das Schwert
Schwertgeschichten
Der Altar von Otto Flath

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Kiel-Holtenau

Auf der Westseite des Friedhofs, nördlich der Dankeskirche

Die »Kriegergedächtnisstätte« wurde nach Plänen der Architekten Heinrich Magnus Ivens und Ernst Stoffers angelegt. Am 22. April 1923 wurde sie eingeweiht. In dieser Zeit war Nikolaus Christiansen Pastor in Holtenau (1921-1925). Als NSDAP-Mitglied war er später von 1933-35 geistlicher Vizepräsident der Deutschen Evangelischen Kirche in Berlin und Vertreter einer nationalsozialistischen Kirchenpolitik.

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Der Hauptweg auf dem Friedhofsgelände führt nach Norden durch eine Lindenallee direkt auf das Denkmal zum 1. Weltkrieg zu. Links und rechts stehen jeweils die Steine mit den Soldatennamen »Spalier«, so dass die Besuchenden gewissermaßen »die Front der toten Soldaten abschreiten«. Hier bleibt der Soldat auch nach dem Tod Soldat, begraben in Reih und Glied. Für individuelle Schicksale ist kein Platz.

 

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Die direkt am Weg liegenden Steine markieren die wichtigsten Schlachtfelder des 1. Weltkriegs, z.B.: Somme, Marne, Osten. Sie tragen aber auch Inschriften wie z.B.: auf See, Krankheiten erlegen, Brüder (siehe Foto weiter unten). Dahinter reihen sich dicht an dicht die Namenssteine der toten Soldaten im Kirchenkreis Holtenau.

 

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Die höher gelegene Stele, auf die der Weg zuläuft, hat an der Frontseite ein aufgesetztes Eisernes Kreuz und darunter ein christliches Kreuz. Sie steht auf einem flachen quadratischen Sockel im niedrig bepflanzten Rondeel, das von einem Sandweg umgeben ist. Man kann also das Denkmal umrunden, alle Seiten haben eine Botschaft.

 

SH Holtenau 1WK EK web


Das klotzige Eiserne Kreuz zeigt aufliegend das Flachrelief eines weiteren Kreuzes. Es hat noch leicht geschwungene Ecken, kann aber auch als christliches Kreuz gedeutet werden, das dem militärischen Ehrenzeichen innewohnt.

Das Eiserne Kreuz wird den toten Soldaten von den Denkmalstiftern kollektiv und posthum verliehen, egal wie sich der Einzelne verhalten hat. Der Kriegstod allein beweist ihre »Vaterlandstreue« und die »Tapferkeit vor dem Feind«. Mehr dazu im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«.
 

SH Holtenau 1WK Schwertseite web


An der West- und der Ostseite der Stele sind gesenkte Schwerter im Flachrelief zu sehen, die sich als Symbole des Zweifrontenkriegs – West- und Ostfront – lesen lassen.

 

SH Holtenau 1WK Schwert web


Das Schwert verweist auf die Helden der Antike und damit auf  eine »edle Gesinnung der Kämpfenden«. Artus, Parzival, Roland, Siegfried & Co. – tragen ihre Schwerter als Recken der Tapferkeit und Treue.

Obwohl das Schwert gesenkt ist als Zeichen des verlorenen Krieges, ist es doch ein offensives Zeichen für die ›Mannhaftigkeit‹ und den ›Wehrwillen des deutschen Mannes‹ und spielt auf die Revision des Versailler Vertrages an, hier v.a. auf die militärischen Bestimmungen.

Der Versailler Vertrag auf LeMO

Mehr im Kapitel »Das Schwert«.

 

SH Holtenau 1WK Rueckseite Inschrift web


Auf der Rückseite lesen wir die Widmung, mittig gesetzt:

UNSEREN
GEFALLENEN
1914-1918

DAS KIRCHSPIEL
HOLTENAU


»Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden. [...]

Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 60/61, S.22

 

SH Holtenau 1WK Rueckseite Treue web


Darunter folgt der Spruch:

TREUE UM TREUE

Gemeint sein dürfte eine starke Verkürzung der Aufforderung des Ehrenmals auf dem Kieler Nordfriedhof: »Wir Toten fordern als unser Recht die alte Treue vom neuen Geschlecht«. Andernorts wurde offen die Revanche gefordert: »Möge aus ihren Gebeinen der Rächer erstehen« in Altenkirchen/Rügen oder in Hörnerkirchen: »Wir sind die Saat, von Deutschland ausgesät / mit bebender Hand. / Wollt ernten ihr, so gebt euch hin wie wir / dem Vaterland« und in Rümpel: »Der heranwachsenden Jugend zur Nacheiferung«.

Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung werden die Parlamentsdebatten zum Versailler Vertrag beschrieben:

»In den folgenden Jahren nutzten fast ausschließlich NSDAP-Abgeordnete, wie Franz Stöhr, Wilhelm Kube und Gregor Strasser, den Begriff ›Schmachfrieden‹ und instrumentalisierten den Versailler Vertrag, um gegen die Republik und die Demokraten zu agitieren. Der Sozialdemokrat Kurt Löwenstein brachte es im Juni 1925 auf den Punkt: ›Die Herren von rechts (…) wollen (…) auf den Krücken des ›Schmachfriedens von Versailles‹ die schwärmerische Jugend im Geiste der Revanche erziehen und durchbilden.‹«

Link zum Beitrag


Es geht also auch hier in Holtenau um die Treue zum Vaterland, die die Soldaten durch ihren Kriegstod bewiesen haben und die Aufforderung, diese Treue mit einem neuen Krieg für das Vaterland zu erwidern.

Die Anlage lässt sich so schwerlich auf die Funktion des Trauerns und Erinnerns an tote Soldaten reduzieren.

 

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Einer der Namenssteine: es werden auf den Steinen jeweils Vor- und Nachname des Soldaten und sein Todesjahr genannt.

 

SH Holtenau 1WK Bruderstein web


Inschrift auf diesem Stein:

BRÜDER

Wir wissen nicht, was damit gemeint ist. Soldaten werden gemeinhin als Kameraden bezeichnet und nicht als Brüder.


Auf der Website »Holtenauer Geschichte« wird die Einweihungsfeier so beschrieben:

»Die Einweihung der Kriegergedächtnisstätte fand unter großer öffentlicher Beteiligung statt. Schulkinder standen mit Blumensträußen an den Gedenksteinen. Die zur damaligen Zeit bestehenden Kriegervereine nahmen ebenso teil wie die Fahnen­abord­nungen anderer Vereine. Nur die Abordnung der Sozialdemokratischen Partei fiel etwas aus der Rolle, nahm man doch nicht an der Feier in der Dankeskirche teil, sondern blieb draußen vor der Tür.«

Es wird auch ein Foto der »Kriegergedächtnisstätte« kurz nach der Einweihung abgebildet.

Link zur Website


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Die Anlage zum 2. Weltkrieg

Die Inszenierung der »Kriegergedächtnisstätte« ist nach Osten hin erweitert worden durch eine kurze Allee, die auf ein Kreuz zuläuft – diesmal ein schlichtes Holzkreuz, um das auf dem erhöhten Platz Findlinge mit den Jahreszahlen des 2. Weltkriegs gruppiert sind.

SH Holtenau 2WK web


Auch wenn hier auf eindeutige Symbole verzichtet wird, ist die Anlage als Fortsetzung der Anlage zum 1. Weltkrieg zu denken und negiert nicht deren Symbolik.

 

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Einer der sieben Findlinge mit Angabe des Kriegsjahrs 1944.


Alle Fotos vom 26. Juni 2020. Copyright:

www.voss.vision

 

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zum Volkstrauertag 2021

Kolumne »Gott und die Welt« in den Kieler Nachrichten zum Volkstrauertag am 13. November 2021 von Pastor Jens Voß.

»Etikettenschwindel?

Der Volkstrauertag ist das Gefäß für die Tränen derer, die infolge der Weltkriege geliebte Angehörige verloren haben. Über Jahrzehnte haben Betroffene ihren Schmerz an die Gedenkorte getragen und durch die Kranzniederlegung von Staat, Kirche und Vereinen wohltuende Solidarität erlebt. Zumindest in Holtenau lässt sich das so nicht mehr beobachten.

Wer hier an die Toten der Kriege erinnert, wird auch davon reden müssen, dass auf dem Schießplatz Holtenau neben Oskar Kusch hunderte von Marineangehörigen exekutiert wurden, die sich dem Wahnsinn des Krieges widersetzt hatten. Wird die Menschen mit in den Blick nehmen müssen, die in den Zwangsarbeiterlagern des Stadtteils ums Leben kamen. Die Stele auf dem Holtenauer Friedhof, auf der unter dem eisernen Kreuz der Spruch ›Treue um Treue‹ von nachfolgenden Generationen Genugtuung fordert, ist ebensowenig der geeignete Ort für dieses Gedenken wie jede andere den deutschen Soldaten gewidmete Gedenkstätte.

Ein Volk, das für den Frieden eintritt, darf seine eigene Geschichte nicht vergessen. Der Volkstrauertag fällt in diesem Jahr auf den 14. November, den Tag der Bombardierung unserer heutigen Partnerstadt Coventry durch die deutsche Luftwaffe. Die Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft macht aufmerksam für die Menschen, die heute rassistische und antisemitische Anfeindungen erleben oder Ziel terroristischer Anschläge werden.

Die Kirchengemeinde Holtenau legt am Volkstrauertag keinen Kranz mehr nieder, weil die Gedenkstätte auf dem Holtenauer Friedhof einen anderen Sinn hat als das, was heute nottut: an die Opfer rechter, linker oder religiös motivierter Gewalt zu erinnern. Das braucht andere Tage und andere Orte, damit es kein Etikettenschwindel ist.«


Pastor Jens Voß hat diesen kurzen Text später ergänzt:

»Ausführliche Gedanken zu diesem Thema

Die Kolumne ›Gott und die Welt‹ ist hinsichtlich der Wortzahl sehr beschränkt. Das verlangt nach knappen Formulierungen. In der Reaktion auf sehr kritische Rückmeldungen soll der Hintergrund des kurzen Artikels hier etwas ausführlicher dargestellt werden.

Der Volkstrauertag als Gefäß der Trauer

›Der Volkstrauertag ist das Gefäß für die Tränen derer, die infolge der Weltkriege geliebte Angehörige verloren haben. Über Jahrzehnte haben Betroffene ihren Schmerz an die Gedenkorte getragen und durch die Kranzniederlegung von Staat, Kirche und Vereinen wohltuende Solidarität erlebt. Zumindest in Holtenau lässt sich das so nicht mehr beobachten.‹

Die trauernden Angehörigen deutscher Wehmachtssoldaten brauchten oder brauchen einen Ort, an dem sie ihrer Toten gedenken können. Mit dieser Feststellung beginne ich meinen kleinen Beitrag. Dadurch soll deutlich werden, dass ich mich keineswegs grundsätzlich an den Zeichen der Erinnerung an gefallene deutsche Wehrmachtsangehörige störe. Als ich vor dreißig Jahren meinen Dienst als Pastor in Dithmarschen aufnahm, habe ich vereinzelt bei den Kranzniederlegungen noch solche weinenden Angehörigen erlebt. Das ist schon lange nicht mehr der Fall.

Wie wohl in den meisten Familien gab es auch in meiner Familie Tote zu beklagen. Für meine Eltern war die Kranzniederlegung am Volkstrauertag jedoch nie der Weg, mit diesem Schmerz umzugehen. Das Gleiche bestätigten mir Personen, die Angehörige durch den Krieg verloren haben. Weder für sie noch für ihre Familien sei der Volkstrauertag je ein guter Tag des Gedenkens gewesen. Dennoch: Auch wenn ich in den zwölf Jahren in Holtenau ein solches Gedenken als Weg der Trauerbewältigung nicht mehr beobachtet habe, soll es als grundsätzliche Möglichkeit keineswegs in Frage gestellt werden.

Treue um Treue

›Die Stele auf dem Holtenauer Friedhof, auf der unter dem eisernen Kreuz der Spruch ›Treue um Treue‹ von nachfolgenden Generationen Genugtuung fordert, ...‹

Die Stele auf dem Holtenauer Friedhof wurde 1923 errichtet, also zehn Jahre vor der ›Machtergreifung‹ der Nazis. In der Zeit war Nikolaus Christiansen Pastor in Holtenau. Wie viele junge Deutsche war er als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg gezogen und in Russland verwundet worden. Christiansen wurde 1926 Konsistorialrat im Landeskirchenamt in Kiel, trat der NSDAP bei und war von 1933-1935 als geistlicher Vizepräsident der Deutschen Evangelischen Kirche in Berlin unmittelbar an der Gleichschaltung der Deutschen Christen mit dem Regime beteiligt.

Der geistige Kontext des Spruches ›Treue um Treue‹ kann auf dem Nordfriedhof genauer nachgelesen werden. Die dort 1933 eingeweihte Gedenkstätte formuliert ausführlicher: ›Wir Toten fordern als unser Recht die alte Treue vom neuen Geschlecht.‹ Noch deutlicher wurde Marineoberpfarrer Friedrich August Ronneberger 1927 in seiner Predigt anlässlich der Einweihung des ›Marine-Ehrenmals‹ in Laboe: ›Sie rufen uns zu: ›Heraus, sofern ihr unserer noch gedenkt, die Schmach getilgt und die Ketten gesprengt! Wir Toten fordern als unser Recht, die alte Treue vom neuen Geschlecht.‹ Mancher Stein liegt freilich noch im Wege, aber wie einst Hermann der Cherusker bewusst die deutschen Stämme zum Kampf gegen römische Fremdherrschaft aufrief, so wird auch uns wieder ein Führer entstehen, der uns aus Nacht zum Licht führt, und der uns den Platz an der Sonne wiedergibt.‹

Anders als manche vermuten, ist der Spruch ›Treue um Treue‹ keineswegs ein harmloser Ausdruck der notwendigen gegenseitigen Verlässlichkeit unter Soldaten, in dem Pastor Christiansen auch einen Bezug auf die Treue Gottes zu den Menschen herausgelesen haben könnte. Es drückt sich darin ein völlig ungebrochenes Verhältnis zum Krieg aus, das bedauerlicherweise später auch in bestimmten Kreisen der Bundeswehr weiter tradiert wurde. Dort ist der Spruch seit 2014 im dienstlichen Kontext verboten, weil die Bundeswehr als ›Parlamentsarmee‹ in keiner Weise ideologisch an die Deutsche Wehrmacht anknüpft.

Sind alle nur Opfer?

›... ist ebensowenig der geeignete Ort für dieses Gedenken [an exekutierte Marineangehörige oder getötete Zwangsarbeiter] wie jede andere den deutschen Soldaten gewidmete Gedenkstätte.‹

Nachdem ich bereits im ersten Satz darauf hingewiesen habe, dass die Trauer um die toten deutschen Soldaten durchaus ihre Berechtigung habe, muss doch etwas unterschieden werden. Selbstverständlich ist der Volkstrauertag heute kein ›Heldengedenktag‹ mehr.

Glücklicherweise signalisiert das Totengedenken des Bundespräsidenten einen Bedeutungswandel, in dem in einem viel weiteren Sinne an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnert wird. Das ist zu begrüßen! Aber es wird dadurch etwas verwischt: Es waren deutsche Wehrmachtssoldaten, die Oskar Kusch und viele andere Kameraden erschossen haben. Sowenig man die Soldaten allgemein für die Schrecken des Krieges verantwortlich machen kann, darf man die vielfache Verstrickung der Wehrmacht in das Regime der Nationalsozialisten außer Acht lassen. Angehörige der Deutschen Wehrmacht sind auf tausendfache Weise auch zu Tätern geworden. Deshalb halte ich es für absolut unangemessen, an dem Tag und dem Ort, an dem Familien um ihre Männer und Söhne weinen (oder weinten), die Menschen einfach zu subsumieren, die von deutschen Soldaten getötet wurden.

Etikettenschwindel?

›Die Kirchengemeinde Holtenau legt am Volkstrauertag keinen Kranz mehr nieder, weil die Gedenkstätte dem Holtenauer Friedhof einen anderen Sinn hat als das, was heute nottut: an die Opfer rechter, linker oder religiös motivierter Gewalt zu erinnern. Das braucht andere Tage und andere Orte, damit es kein Etikettenschwindel ist.‹

Der Bedeutungswandel des Volkstrauertags ist sehr zu begrüßen. Auch wenn es kaum zu ertragen ist, dass Gedenkorte wie die Stele auf dem Holtenauer Friedhof oder dem Nordfriedhof ungebrochen und unkommentiert so stehen bleiben, soll das Gedenken an die toten deutschen Soldaten doch keineswegs infrage gestellt werden. Glücklicherweise ist das Kreuz für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs in Holtenau ja auch sehr neutral gehalten.

Als Gesellschaft müssen wir uns jedoch überlegen, ob wir nicht andere Gedenktage stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken sollten als den Volkstrauertag. Der 27. Januar oder der 9. November scheinen mir jedenfalls besser geeignet, der Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken und somit auch ein klares Zeichen gegen die vielfältige Gewalt in unseren Tagen zu setzen. Wenn es auf dem Holtenauer Friedhof einen Gedenkort für sie gäbe, legte ich sehr gern dort einen Kranz ab. Vielleicht ist der Stein zur Erinnerung an Oskar Kusch zumindest zunächst ein guter Ort für ein Gedenken, das wir gemeinsam mit der Kirchengemeinde Altenholz gestalten könnten.

Ich bin überzeugt, dass es einen gesellschaftlichen Diskurs über den Volkstrauertag braucht, damit wir bei dem Bedeutungswandel der letzten Jahrzehnte nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Wenn ich diesen Diskurs durch meinen Beitrag angeregt habe, freut mich das sehr.

Aufarbeitung Holtenauer Geschichte

Sehr interessant fand ich eine Zuschrift, die ich aufgrund meiner Zeitungskolumne erhielt:

›Auf Ihre Ansichten und Ihr Handeln habe ich Jahrzehnte gewartet! Mögen viele Ihrem Handeln folgen!! Ergänzungen zu den Verbrechen in Holtenau: Vermutlich waren auch Flieger bei der Zerstörung von Guerneca beteiligt (Spanienkrieg, Legion Condor, Gemälde von Picasso). Im April 1945 endete in Holtenau ein sog. Todesmarsch aus Stuthoff. Von ca. 700 Häftlingen, die dort losfuhren, kamen 207 in Holtenau an. Sieben wurden erschossen, die anderen mussten nach Pries ins Lager Schurskamp (heute Hochhäuser Stromeyerallee) marschieren. Zeitzeugen berichteten mir von den lebenden Skeletten und der unwürdigen Behandlung durch die Bevölkerung. Ich frage mich, wo sind sie beerdigt und wo die anderen, die das Leid nicht überlebt haben? Was ist aus den Überlebenden geworden?‹

Es gibt da sicher noch viel aufzuarbeiten. Und mancher ›seit Jahrzehnten geübte Brauch‹ ist es wert, kritisch beleuchtet zu werden. Die guten Bräuche werden bestehen. Die Zahl der Anwesenden bei der Kranzniederlegung am Volkstrauertag in Holtenau weist allerdings darauf hin, dass sich dieser Brauch überholt haben könnte.«

 

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U-Boot-Kommandant Oskar Kusch

1998 wurde die ehemalige Straße »Am Schießstand« in Altenholz-Knoop, die an der Hinrichtungsstätte vorbeiführt, in Oskar-Kusch-Straße umbenannt. Eine Ausnahme inmitten der Straßennamen von heldenhaften Piloten und Flugpionieren. Dort befindet sich auch der unten abgebildete Gedenkstein.


SH Holtenau Oskar Kusch Gedenktafel webFoto: Wikimedia Commons / JuliaBackhausen


So steht es im Kieler Straßenlexikon: »Oskar Kusch, U-Boot-Kommandant (6.4.1918-12.5.1944) wurde wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung – nach einem fadenscheinigen Gerichtsverfahren – 1944 auf der ehem. Standort-Schießanlage Kiel-Holtenau hingerichtet. Auf dem Schießstand wurden während des Krieges mehr als 150 Menschen erschossen. Um an die vielen Opfer der nationalsozialistischen Unrechtjustiz zu erinnern, wurde bei einem Festakt der Gemeinden Altenholz und Kiel an der Straße ein Gedenkstein enthüllt. Der Name Oskar Kusch soll für viele stehen.«


»Oskar Heinz Kusch war ein deutscher Marineoffizier und U-Boot-Kommandant im 2. Weltkrieg, der wegen regimekritischer Äußerungen gegen den NS-Staat zum Tod verurteilt und am 12. Mai 1944 in Kiel hingerichtet wurde.

Kusch machte kein Hehl aus seiner antinationalsozialistischen Einstellung, im Gegenteil, seine Haltung war der gesamten Besatzung bekannt.

Am 16. Januar 1944 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Kusch eingeleitet wegen ›Zersetzung der Wehrkraft, Beschimpfen des Reiches und Greuelpropaganda‹. Am Abend des 26. Januar wurde Kusch ›wegen fortgesetzter Zersetzung der Wehrkraft und wegen Abhörens von Auslandssendern zum Tode und zu einem Jahr Zuchthaus‹ verurteilt, gleichzeitig wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen. Das harte Urteil kam überraschend, da der Anklagevertreter nur eine Zuchthausstrafe von zehneinhalb Jahren beantragt hatte.

Trotz einer persönlichen Intervention Janssens [ein Freund von Kusch] bei Großadmiral Dönitz lehnte dieser eine Begnadigung ab. Am 12. Mai 1944 wurde Oskar Kusch in Kiel erschossen.

Nach dem Krieg bemühte sich Kuschs Vater um eine Rehabilitation seines Sohnes. Die Staatsanwaltschaft Kiel erhob gegen Karl-Heinrich Hagemann (Vorsitzender Marinerichter und ein überzeugter Nationalsozialist) Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in zwei Fällen; Hagemann hatte Kusch und einen weiteren Kapitänleutnant zum Tode verurteilt. Vor dem Landgericht Kiel sagt Hagemann aus, er stehe zu seiner Entscheidung – und wurde im September 1950 freigesprochen. Das Landgericht schrieb in seinem Urteil, politische Motive (für das Todesurteil) seien nicht zu erkennen, dafür aber ein militärisches Versagen Kuschs.

Eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke beim schleswig-holsteinischen Justizministerium machte den Fall in den 1990er Jahren wieder publik. Aufgrund der Arbeit des Marinehistorikers Heinrich Walle, der die Akten des Falles ausgewertet hatte, wurde Kusch 1996 rehabilitiert.«

Nach Wikipedia, abgerufen am 26. März 2023

Mehr auf Wikipedia


»Es geht um die Kraft des Gewissens, aber auch um die Frage, wie man in Deutschland lange nach Kriegsende mit bekanntem Unrecht umging. Aus Tagebüchern, Zeugenaussagen und Prozessakten, die der Bonner Historiker Heinrich Walle in akribischer Archivsuche zusammengetragen hat, ergibt sich ein Eindruck vom Widerstand des Oskar Kusch.«

»U-Boot-Offizier Oskar Kusch«, Spiegel Geschichte, 20.5.2021



Auf der Website »Holtenauer Geschichte« wird die Geschichte des Marineschießplatzes Holtenau dokumentiert:

»Während des Zweiten Weltkrieges wurden in den Jahren 1941 bis 1945 auf dem Marineschießplatz in Kiel-Holtenau wahrscheinlich mehrere hundert Todesurteile an deutschen Soldaten vollstreckt. [...]

In den letzten Kriegsjahren wurde die Schießanlage als zentrale Hinrichtungsstätte der Reichsmarine genutzt. 1955 wurde das Gelände von der Bundeswehr übernommen. [...]

In seiner Schrift über den Schießstand Holtenau beschreibt Harro Thiessen [stellvertretender Altenholzer Bürgermeister] die Art der dort geahndeten Vergehen: ›Die Straftatbestände, die in den 22 mir zugänglichen Fällen zu Todesurteilen führten, waren u.a. unerlaubte Entfernung, Fahnenflucht, Zersetzung der Wehrkraft und Selbstverstümmelung. Die übrigen Vergehen waren – für sich allein betrachtet – von untergeordneter Bedeutung, kamen aber bei der Urteilsfindung erschwerend hinzu. Alle Hingerichteten wurden mehrerer Vergehen beschuldigt, einige waren Widerholungstäter, so daß entsprechend der damaligen Anschauung ›nur eine harte Strafe eine gerechte sein konnte‹.‹

Mit welcher Menschenverachtung das Regime seine Feinde exekutierte zeigt auch das von Thiessen in Auszügen zitierte ›Merkblatt für die Unterbringung zum Tode Verurteilter und die Vollstreckung von Todesstrafen‹ von 1941:

›II.1. Da ein Todesurteil sofort nach Bestätigung des Urteils und Ablehnung der Begnadigung zu vollstrecken ist, muß die Vollstreckung bis ins Kleinste vorbereitet werden, daß sie jederzeit ohne Schwierigkeiten stattfinden kann. Gründliche Belehrung des Vollstreckungskommandos am Richtplatz! Aufklärung über die Stelle, auf die zu zielen ist -- Herz --. [...]

2. Von diesen Vorbereitungen darf der Verurteilte auf keinen Fall etwas merken. Denn anderenfalls besteht die Gefahr unberechenbarer Handlungen des Verurteilten; auch erfordert es die Rücksichtnahme auf den Verurteilten, daß ihm die Kenntnis der Vorbereitungen erspart bleibt. [...]

III.3. Bekanntgabe an den Verurteilten erst am Morgen vor der Vollstreckung. Beispiel: Vollstreckung 8 Uhr. Um 6 Uhr wird der Verurteilte durch die Wache geweckt und ihm mitgeteilt, daß um 6 Uhr 30 der Heeresrichter komme und ihm eine sehr ernste Mitteilung machen werde.

4. Transport des mit Drillichanzug bekleideten Verurteilten zum Richtplatz mit einem geschlossenen oder mit Plane zugedeckten LKW -- kein PKW, da Rücktransport des Sarges.

5. Alle Wege durch Doppelposten rechtzeitig absperren. Am Ende des Standes wird mitten vor dem Kugelfang ein Pfahl fest in die Erde eingelassen, der über den Erdboden etwa 2m mißt. Bei dem Pfahl Strick zum Anbinden. Sarg in der Nähe, aber unsichtbar für den Verurteilten.

8. Der leitende Offizier läßt durch Zeichen -- Flagge entsichern, anlegen und gibt durch Wort, Pfiff oder Zeichen den Feurbefehl ... Der Sanitätsoffizier läßt den Verurteilten durch das Sanitätskommando einsargen -- Stroh im Sarg wegen des Blutes - und den Sarg zum LKW bringen. Reichseigenes Schuhwerk ist dem Verurteilten vorher auszuziehen und erneut zu verwenden.‹

In der Endphase des Krieges ging man wegen der zunehmenden Zahl von Fahnen­flucht­delikten dazu über, Gruppenerschießungen durchzuführen, auch wegen der Schwierigkeit, genügend 10-köpfige Exekutionskommandos aufzustellen. Die Erschießungen wurden durch einen Zug der Standortwachkompanie durchgeführt.«

Link zur Website / Der Marineschießplatz Holtenau


Auf dieser Website gibt es Informationen zu vielen wichtigen Aspekten der Holtenauer Geschichte:

Die Marineflakbatterie Holtenau

Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene

Die Holtenauer »Werwolf«-Gruppe

Flüchtlinge und »Heimatvertriebene«


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu  d e m  deutschen Orden.

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• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.

 

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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Soldaten der Wehrmacht kämpfen nicht nur pflichtschuldig und gehorsam. Ohne die Gefühlswelt aus Stolz, Ehre und Männlichkeit ist nicht zu erklären, warum so viele an die Front streben – und dem Krieg bis zum Untergang verhaftet bleiben. (Frank Werner in ZEITGeschichte 4/2018)

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Geschickte Propaganda: Begehrenswerte Ordensbrust in »Die Woche«, Januar 1940.

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen.

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

»Andreas Gabalier besang in Mein Bergkamerad ›eine Freundschaft, die ein Männerleben prägt, wie ein eisernes Kreuz, das am höchsten Gipfel steht.‹ Michael Fischer vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik bezeichnete das als ›gewollte Provokation‹, die kaum ein naiver Zufall sein könne.

Die Agentur für soziale Perspektiven konstatiert: Das Eiserne Kreuz sei neben dem Thorshammer ›das am häufigsten gezeigte Symbol der extremen Rechten‹. Zwar sei es je nach Kontext ›kein explizit rechtes Bekenntnis, doch stets ein Symbol für Militarismus und martialische Männlichkeit.‹

Wikipedia, abgerufen am 16.3.2023

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Das Schwert

Das Schwert ist in der Menschheitsgeschichte die erste ausschließlich zum Töten anderer Menschen geschaffene Waffe. Ein Symbol der Macht: Wer auf dem Schlachtfeld unterlag, übergab dem Sieger seine Waffe. Das Schwert verleiht den Status eines Herrschers. Der englische König führt den Ritterschlag bis heute mit dem Schwert aus.

Nach dem Mittelalter verlor das Schwert seine Bedeutung als Waffe – und wurde in der Symbolsprache der Propaganda umso wichtiger. Im 1. Weltkrieg, dem ersten industriellen Krieg in der Geschichte, hatte das Schwert als Bild-Symbol auf Orden und Medaillen Hochkonjunktur. Auch im Nationalsozialismus galt das Schwert als Zeichen für heldenhaften Kampf, obwohl es natürlich nicht mehr benutzt wurde.

Für ihre Militärsymbolik bevorzugten Stifter und Bildhauer die antiken und damit weniger bedrohlichen Waffen. Der edle Zweikampf und der mutige Einsatz der Soldaten Mann gegen Mann scheint auf, der Blick auf die grausame Wirklichkeit der modernen Waffen im Stellungskrieg 1914-18 ist verstellt. Das Erinnern an die Schwerter der Ritter in zahlreichen Legenden suggeriert einen per se gerechten Kampf, den es nach dem 1. Weltkrieg wieder aufzunehmen galt – gegen den inneren und äußeren Feind.

Zitat aus dem Vortrag »Das Pinneberger Kriegerehrenmal« vom 8. Mai 2018 von Prof. Dr. Loretana de Libero, Universität Potsdam: »Das Denkmal sollte nach dem Willen der Stifter mit dem hoch aufragenden Schwert ein demonstratives wie offensives Zeichen setzen für die ›Mannhaftigkeit‹ und den ›Wehrwillen des deutschen Mannes vor aller Welt‹. Mit dieser Formulierung spielte der Ausschuss auf die Revision des Versailler Vertrages an, hier v.a. die militärischen Bestimmungen.«

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Schwertgeschichten

Die Legende vom Schwert Excalibur hat alles, was man nach dem 1. Weltkrieg für einen »Ehrenhain« brauchte: einen schwertschwingenden, kraftvollen Helden, der für die gerechte Sache kämpfte, einen edlen Ritter, »gefallen« durch eine böse List nach blutigem Gefecht – doch sein Schwert wartet darauf, wieder zum Einsatz zu kommen.

Vom mythischen Zauberer Merlin war das Schwert Caliburn durch einen Stein bzw. Amboss getrieben worden, wird in der Legende erzählt. Es hieß, nur der wahre künftige Herrscher könne es wieder herausziehen. Nachdem zahlreiche Ritter und Adelige an dieser Aufgabe gescheitert waren, gelang es Artus (Arthur), dem Sohn des englischen Königs, das Schwert mühelos zu befreien, was ihn zum rechtmäßigen König machte.

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Foto: Eduardo Otubo/Wikimedia Commons

Als Artus das Schwert Caliburn in einer Schlacht zerschlagen hatte, schenkte die »Herrin vom See« dem jungen König als Ersatz Excalibur, damit er sein Königreich schützen könne.

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Der Legende nach gab Excalibur seinem Besitzer übermenschliche Kräfte, und seine Scheide machte jeden, der sie bei sich trug, unverwundbar. Artus’ Halbschwester Morgan LeFay raubte durch eine List die Scheide, sodass Artus bei Verletzungen wieder gefährdet war. Excalibur blieb ihm erhalten.

Nachdem Artus in einer Schlacht schwer verletzt wurde, brachte man ihn nach Avalon. Ein bis heute sagenumwobener Ort des Interesses, siehe beispielsweise den Fantasy-Roman »Die Nebel von Avalon«. Stirbt er dort oder ruht er nur? In Anspielung auf den christlichen Glauben an Auferstehung wird seine Rückkehr in Aussicht gestellt. Sir Bedivere, einer der zwölf Ritter der Tafelrunde von König Artus, warf Excalibur zurück in den See, wo es die »Herrin vom See« wieder annahm. Dort soll es der Sage nach noch immer ruhen.

Im 12. Jahrhundert machte Richard Löwenherz die Artus-Sage zum Werkzeug seiner Propaganda und behauptete, sein Schwert sei Excalibur.

Nach Wikipedia, abgerufen am 24.5.2020

»Die fantasievolle Erzählung indes macht den Helden zur Projektionsfläche des jeweiligen Zeitgeistes späterer Jahrhunderte. Die vermeintliche Aktualität schuf eine Glaubwürdigkeit, die historische Wahrheit ersetzte.«

Lesen Sie weiter auf www.spiegel.de

 

Ab 1914 wurden in Deutschland zunehmend national gestimmte Gedichte verfasst. Einzelne Verse wurden von der Kriegspropaganda aufgegriffen und erreichten eine enorme Popularität. Eine Zeile aus dem »Haßgesang gegen England« wurde während des Krieges ein Schlachtruf des deutschen Heeres – »Gott strafe England«. Eine eigene Grußformel entstand: »Gott strafe England«, Erwiderung des Grußes: »Er strafe es«.

SH Bad Schwartau Gott strafe England web2


Hier eine Postkarte aus dem Jahr 1915 mit der bekannten Zeile aus dem »Haßgesang«. In dem Bild ist das Schwert in eine Ansicht von England gerammt, während ein christliches Kreuz es von hinten überstrahlt – ein Kreuz, das in diesem Fall natürlich die Unterstützung einzig des Deutschen Reichs durch Gott symbolisiert, entsprechend der Behauptung des deutschen Kaisers und seiner Soldaten: »Gott mit uns«.

SH Bad Schwartau Soldat am Schwert web2


Wir sehen ein Schwert, das im Boden steckt. Es soll der Eindruck erweckt werden, als sei der Hügel Golgatha gemeint, auf dem den neutestamentlichen Evangelien zufolge Jesus von Nazaret gekreuzigt wurde. Das Kreuz steht für den christlichen Glauben, dass im Opfertod Jesu Gott den Menschen heilend nahegekommen ist. Hier wird nun ein Soldat an einem Schwert hängend abgebildet, umgeben von einem göttlichen Strahlenkranz. »Ihr habt für uns euch hingegeben / Ihr seid gestorben, damit wir leben«: Der Opfertod Jesu wird dem Kriegstod der Soldaten gleichgestellt. Diese Analogie findet sich öfters auf Kriegerdenkmälern. Die kleinen Bilder mit verschiedenen Motiven wurden vom Verlag der Wochenzeitung »Hamburger Warte« verkauft. Am 14. Dezember 1918 erschien die erste Ausgabe der »Hamburger Warte«, eine »politische Kampfschrift« gegen Marxismus und Judentum.

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Das Logo des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. am »Kriegstempel« auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

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Der Altar von Otto Flath

Pastor Alexander Janß, der von 1925-38 in Holtenau Dienst tat, verantwortete 1936 den Ankauf eines neuen Altars, ein Werk des Holzbildhauers Otto Flath.

Pastor Janß war Vorsitzender des damals von den Deutschen Christen geprägten Pastorenvereins in Schleswig-Holstein. Wikipedia: »Die Deutschen Christen (DC) waren eine häretische, rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen Protestantismus, die diesen von 1932 bis 1945 an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollte.« 

1935 gab die Kirchengemeinde Holtenau dem Wunsch des Staates nach, den Kirchturm um die Hälfte zu kürzen, damit er die Fliegerei auf dem Flugplatz nicht behindere.

SH Holtenau Dankeskirche Leuchtturm webFoto: Wikimedia Commons / gemeinfrei

Auf dem Foto, ca. 1910, ist links das Lotsenhaus (das Kanaldienstgebäude) zu sehen, dahinter die Dankeskirche mit dem neugotischen Turm, in der Bildmitte der Holtenauer Leuchtturm und rechts das Kaiser-Wilhelm-Denkmal.

 

SH Holtenau Dankeskirche 2021 webFoto: Wikimedia Commons / Kalorie, CC BY-SA 4.0

Die Dankeskirche von Süden am 20. Februar 2021, nun mit dem 1935 gekürzten Turm.


In dem dann von Ernst Prinz errichteten trutzigen Turm wurden die üblichen Bibelverse angebracht (»Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.«) und Tafeln für die toten Soldaten aufgehängt.

Wir danken Pastor Jens Voß für diese Informationen.


SH Holtenau Flath Priewe webFoto: Bildarchiv der Otto Flath-Halle, Bad Segeberg

Der neugotische Altar in der Dankeskirche in Kiel-Holtenau wurde 1936 durch die Skulpturengruppe »Volk unterm Kreuz« von Otto Flath ersetzt (Foto um 1940).


Wir zitieren aus Peter Nickel: »Altäre im Dienste der NS-Ideologie. Nachforschungen über den Altar in der Petrus-Kirche in Kiel-Wik«, Mitteilungen 37, S.24-35:

... die ›Kieler Neuesten Nachrichten‹ [drucken] am Montag darauf, also am 18.12.1939 [nach der Einweihung in der Petrus-Kirche in Kiel-Wik], einen Artikel ›Ein neues Altarwerk von Otto Flath‹. In der Zeit der Gleichschaltung der Presse ist davon auszugehen, dass der Artikel die offizielle und ›korrekte‹ Bewertung des Altars wiedergibt.

Die Kernstelle des Artikels lautet: ›Flath hat auch bei diesem, seinem zehnten Altarwerk, ein überragendes schlichtes Kreuz in den Mittelpunkt gestellt als das geistliche Symbol. In den Gestalten, die der Künstler in je drei Gruppen rechts und links von Kreuz zusammengefasst hat, findet sich die Gemeinde wieder. Es sind Menschen, die mitten im Leben, in der Arbeit und in den Nöten und Kämpfen ihres irdischen Daseins stehen; da ist der Bauer, der den Samen streut, da ist der Fischer, der sein Netz einholt, da ist der Seemann, der mit festem Blick voraus die Hand am Steuer hält, da sind die Frauen und Mütter, die verbunden sind durch das Band der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Und alle diese Gruppen von Menschen haben ihren Genius, der hütend, beschützend, heiligend und erhebend über ihnen steht ...‹

Wie sollte demnach der Altar von den Zeitungslesern verstanden werden? Zunächst wird auf das übermächtig hohe Kreuz verwiesen. Es ist leer, der leidende Christus ist verschwunden. Christus wird in dem gesamten Artikel kein einziges Mal erwähnt. Auch wenn es protestantische Altäre nur mit einem schlichten Kreuz gibt, so ist die Aussparung Christi im Vergleich mit dem alten Altar wohl anders zu lesen: Das Kreuz ist nicht Zeichen des Leidens und Opfertodes, sondern ausschließlich das Symbol des Sieges. Ohne Christus wird es mehrdeutig und kann auf ein anderes Kreuz verweisen: auf das Eiserne Kreuz, auf das zu Kriegsbeginn gestiftete Ritterkreuz und nicht zuletzt auf das Kreuz mit den vier Haken. [...]

Die Behauptung, die Figurengruppen gäben die Gemeinde und die Berufe der Wik wieder, widerspricht der Realität schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts und vollends 1938, als Flath den Auftrag erhielt. 1939 gab es in der Wik weder Fischer noch Bauern.

Was aber war der Sinn, um das Kreuz die genannten Berufsgruppen zu versammeln?

Die Menschen spiegeln nicht die konkrete Gemeinde wider, sondern verbildlichen die von den Nationalsozialisten propagierte Volksgemeinschaft. Somit wird die Wirklichkeit nicht dargestellt, sondern sie wird verstellt.

Und da ist Flath auf Linie: Ganz außen rechts und links stehen die Fischer und Bauern und die ausgewählten Plätze rechts und links neben dem Kreuz besetzen Soldaten und Seefahrer, die in einer Garnisonskirche unschwer als Marinesoldaten verstanden werden können. Augen, die an christliche Altäre gewöhnt sind, erkennen die Hierarchie und geben den mittleren Figuren nahe am Kreuz einen höheren Rang als denen außen am Rand.

Damit spiegelt sich in dem Altar das nationalsozialistische Gesellschaftsbild: der Nährstand dient dem Wehrstand. Das ist die Botschaft des Altars von Otto Flath.«


SH Holtenau Flath neuer Ort webFoto: www.voss.vision

Die Skulpturengruppe in Holtenau befindet sich heute auf der südlichen Empore, während der Altaraufsatz von 1897 wieder auf seinen ursprünglichen Platz im Altarraum zurückgekehrt ist.

Erneut Peter Nickel: »Mehrere Gemeinden haben nach 1945 Werke Flaths zurückgegeben, und in einigen Kirchen sind die Altäre aus dem Kirchenzentrum herausgenommen und ins Abseits gestellt worden.«


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I N H A L T
• 
Das Denkmal
• Die Aufschrift
Heldentod
Die Geschichte
Der Nordfriedhof – Marine- und Kriegsgedenkstätten
Eine frühe Postkarte
1933: »Weihe des Gedenksteins«
Das Eiserne Kreuz
1965: Ein japanischer Kranz
Volkstrauertag 2015
Das Segelschulschiff Niobe
2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

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Kiel, die Landeshauptstadt

Auf dem Nordfriedhof zwischen den Feldern III und IV

Auf einer großzügigen Fläche zwischen dem alten Teil des Friedhofs und der Anlage mit den Kriegsgräbern des 2. Weltkriegs befindet sich auf einem dreistufigen Sockel das Denkmal für die getöteten Soldaten der kaiserlichen Marine im 1. Weltkrieg. Es ist in den Jahren 1932 / 1933 entstanden.

SH Kiel Marine fern web

Auf dem altarähnlichen Betonklotz liegt ein Stockanker mit Kette, der vom kurz vor der Errichtung des Denkmals untergegangenen Segelschulschiff Niobe (s. ganz unten) stammen soll.

SH Kiel Marine vorne web


Der Steinblock liegt auf einem dreistufigen, treppenartigen Sockel. Der Block aus Kunststein ist 1,5 Meter hoch, 4 Meter breit und 1,5 Meter tief.

 

SH Kiel Marine Inschrift web

Die Frontseite des Steinblocks trägt, unter einem Eisernen Kreuz und den Jahreszahlen 1914 und 1918, eine Aufschrift in Bronzebuchstaben:

Wir Toten fordern als unser Recht
die alte Treue vom neuen Geschlecht

SH Kiel Marine hinten web


Auf der anderen Seite steht zwischen zwei weiteren Eisernen Kreuzen:

Im Weltkriege starben den Heldentod
1569 Offiziere und Beamte 718 Deckoffiziere
7349 Unteroffiziere 25197 Mannschaften
der Kaiserlichen Marine

Mehr im Kapitel »Heldentod«


SH Kiel Nordfriedhof EK 1813 web

Das rechte Kreuz zeigt das militärische Ehrenzeichen in der Urform von 1813, gestiftet vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. Anlass waren die beginnenden »Befreiungskriege« gegen die Vorherrschaft des napoleonischen Frankreich in Mitteleuropa. Symbolik von oben nach unten: die preußische Königskrone, die Initialen von Friedrich Wilhelm III, dreiblättriger Eichenzweig und 1813 für das Jahr der Stiftung.

Mehr dazu in der Dokumentation zum Denkmal in Sagard


SH Kiel Nordfriedhof EK 1914 web

Das linke Kreuz: Zum Beginn des 1. Weltkriegs, am 8. August 1914, wurde die dritte Stiftung von Kaiser Wilhelm II. aufgelegt. Symbolik von oben nach unten: die preußische Königskrone, das Initial von Wilhelm II. und 1914 für das Jahr der Stiftung.

Mehr im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«


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Die Aufschrift

Die Zeilen »Wir Toten fordern als unser Recht die alte Treue vom neuen Geschlecht« wollen nicht Trauer und Erschütterung unterstützen, sie nehmen die nächsten Generationen in die Pflicht, in »alter Treue« auch ihr Leben einzusetzen. Die Haltung, die hier weitergegeben wird, ist unangefochten von Zweifeln an Recht und Notwendigkeit von Krieg. Das erste Mal wird die Formulierung »Wir Toten fordern als unser Recht, die alte Treue vom neuen Geschlecht« bei der Einweihung des »Marine-Ehrenmals« 1927 verwendet.

Als »ein Mahnmal der Rache« war daher auch das »Marine-Ehrenmal« in Laboe gedacht, die nationale Kriegsgedenkstätte einer privaten Organisation, des 1891 gegründeten Bundes Deutscher Marine-Vereine. (...) Am Montag, den 8. August 1927, verfolgten 10.000 Gäste die Grundsteinlegung. Unter Hammerschlägen deklamierten 22 prominente Vertreter aus Politik, Militär und Wissenschaft die unterschiedlichsten Sinnsprüche ... Als Vertreter der evangelischen Kirche erinnerte der Marineoberpfarrer Friedrich August Ronneberger in seiner Predigt darüber hinaus an das »kaudinische Joch«, unter welchem die Deutschen als »Sklaven« hindurch geschritten seien, und legte den 35.000 toten Seesoldaten folgende Formulierungen in den Mund:

»Sie rufen uns zu: ›Heraus, sofern ihr unserer noch gedenkt, die Schmach getilgt und die Ketten gesprengt! Wir Toten fordern als unser Recht, die alte Treue vom neuen Geschlecht.‹ Mancher Stein liegt freilich noch im Wege, aber wie einst Hermann der Cherusker bewusst die deutschen Stämme zum Kampf gegen römische Fremdherrschaft aufrief, so wird auch uns wieder ein Führer entstehen, der uns aus Nacht zum Licht führt, und der uns den Platz an der Sonne wiedergibt.«

Ronneberger zitierte in seinem martialischen Appellativ einen später von Karl Meister vertonten Zweizeiler, der von den Überlebenden »Treue« im Sinne der Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme des Krieges einfordert und sich auf mehreren Gefallenendenkmalen seiner Zeit wiederfindet. ... Überdies galten diese Zeilen für die Zeit nach 1945 weiterhin als sinnstiftend, insbesondere wenn die Stifter mangelnde Erinnerungsbereitschaft meinten beklagen zu müssen (vgl. etwa die Wiederaufnahme des Verses auf den erweiterten Kriegerdenkmälern in Stafstedt und Norderstapel in Schleswig-Holstein).

• Zitiert aus »Rache und Triumph: Krieg, Gefühle und Gedenken in der Moderne« von Loretana de Libero, 2013, Oldenbourg Wissenschaftsverlag. Frau de Libero ist Historikerin und Politikerin, von Mai 2012 bis 2015 war sie für die SPD Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, seit 2013 lehrt und forscht sie an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Blankenese.

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Heldentod

»Der Tod eines Soldaten muss erklärt und gerechtfertigt werden und er begründet eine spezifische Erinnerungspflicht. Wobei es nicht die Toten sind, die die Lebenden dazu verpflichten könnten, es sind immer die Überlebenden, die als Denkmalstifter die Getöteten für ihre Zwecke benutzen, sie als Helden, als Retter des Vaterlands, als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung benennen, deren Tod nicht sinnlos gewesen sein darf. Bis 1945 benutzen die Nationalsozialisten die toten Soldaten für eine Verpflichtung an die nachfolgende Generation, ihnen an Kampfesmut und Opferbereitschaft nicht nachzustehen.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.142


»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 89

»Prinzipiell existieren keine Helden, sondern sie werden per Zuschreibung von außen dazu gemacht. Dies erkennt man bereits daran, dass heute andere Menschen als Helden gelten, als zur Zeit des 1. und  2. WK. Es handelt sich um eine Konstruktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll, denn nicht jeder Soldat ist ein Held. Auch werden andere am Krieg direkt oder indirekt Beteiligte (Dichter, Ärzte, Hausfrauen, Invaliden usw.) deutlich seltener als Helden verehrt – von Kriegsgegnern ganz zu schweigen.«

www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden/Gedenkorte-fuer-Verstorbene-der-Weltkriege

»Der Krieger mutiert zum Held, das Kriegerdenkmal zum Heldenehrenmal – und ist damit jeder kritischen Betrachtung entzogen. Der deutsche Soldat hat sich sui generis heldenhaft verhalten, so wenig wie er dürfen die Reichswehr oder die Wehrmacht in Zweifel gezogen werden. Die von Hindenburg am 18. November 1919 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Reichstags als Erklärung für die Niederlage des Ersten Weltkriegs vorgetragene ›Dolchstoßlegende‹ oder die Proteste gegen die ›Wehrmachtsausstellung‹ über von ihr begangene Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sind Ausdruck der Bemühungen, sowohl die militärischen Institutionen wie auch die ihnen angehörenden Personen der geschichtlichen Realität und damit auch der Verantwortung zu entziehen.«

Häger, S.33

»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

• Kurt Tucholsky


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Die Geschichte

Das von Marinebaurat Kelm und Oberintendanturrat Burmeister entworfene Denkmal wurde am 31. Mai 1933 – dem 17. Jahrestag der »Skagerrak-Schlacht« – eingeweiht. Diese Schlacht gilt als die größte Seeschlacht der Geschichte, an der 112 deutsche und 150 britische Schiffe beteiligt waren. Trotz der Übermacht der »Home Fleet« waren die Verluste auf britischer Seite erheblich größer als auf deutscher.

Die Deutschen feierten den Ausgang der Schlacht als taktischen Sieg und 2.551 ertrunkene deutsche Seemänner als »Helden«. Für die Reichsmarine war es »der größte Ruhmestag ihrer Geschichte«, der fortan alljährlich gefeiert wurde. Dieser »Ruhmestag« änderte natürlich nichts an der Übermacht der britischen Flotte und dem Kriegsverlauf.

Für die damalige Zeit bezeichnend wurde die Gedenkkultur für propagandistische Zwecke instrumentalisiert. Mit dem Sinnspruch des Denkmals wurde dem »neuen Geschlecht«, nämlich den Menschen im nationalsozialistischen Deutschland, bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem »Vaterland« abverlangt.

So stellte Marinepfarrer Sontag in seiner Weiherede fest: „Opfersinn und Pflichttreue und eine hingebende Vaterlandsliebe sind im neuen Deutschland in einem besonders starken Maße wieder erwacht.« Mit solchen Formulierungen sollte der Soldatentod als heldenhafte Aufopferung erscheinen und der wahre Grund für das tausendfache Sterben verschleiert werden.

Wir danken herzlich Waldemar Kruzel für die Recherche, für das Foto mit den Kränzen und seinen Text, den wir weitgehend übernommen haben. Vielen Dank auch Friedhofsmeister Frank Wunder, dass wir die gute Website vom Nordfriedhof »ausbeuten« durften.

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Nordfriedhof – Marine- und Kriegsgedenkstätten

Seit Kiel 1865 Marinestandort wurde, haben die Seestreitkräfte viele Spuren in der Stadt hinterlassen. Die mit 16 Hektar größte Kriegsgräberstätte Kiels ist der Nordfriedhof. Auf dem Gebiet der ehemaligen Schießstände im heutigen Stadtteil Kiel-Ravensberg wurde 1878 ein Garnisonsfriedhof – der heutige Nordfriedhof – eröffnet.

SH Kiel Marinegedenkstatten web

Plan Nordfriedhof

 
Seit 1878 sind hier mehrere Tausend Seeleute, Zwangsarbeiter, Opfer standrechtlicher Erschießungen und Bombenopfer begraben worden. Neben deutschen Militärangehörigen und Zivilisten fanden auch Soldaten, Kriegsgefangene und Internierte aus dem British Commonwealth und der Sowjetunion auf dem Nordfriedhof ihre letzte Ruhestätte.

Etwa 3000 Soldatengräber befinden sich auf dem Friedhof. Sie zeugen von der Entwicklung Kiels als Marinestützpunkt und ehemaligem Kriegshafen. 1992 wurde der Friedhof zum letzten Mal vergrößert.

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Eine frühe Postkarte

SH Kiel Marine Postkarte web

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1933: »Weihe des Gedenksteins«

Auf dem Kieler Garnisonfriedhof fand am heutigen Mittwochvormittag um 10 Uhr im Rahmen der Skagerrag-Gedenkfeiern die feierliche Enthüllung des Gedenksteins für die Gefallenen des Weltkrieges statt. An der Stelle, wo bis vor kurzem noch ein einfaches Kreuz als Erinnerung an die Opfer der Marine im großen Völkerringen stand, ist nach den Entwürfen des Marinebaurates Kelm und des Oberintendanturrates Burmeister dieser

neue Denkstein

entstanden. Auf einem mächtigen Granitsockel ruht ein Anker, das Symbol des Seemannes. Als Inschrift trägt der Stein nur den einfachen, aber doch eindringlich mahnenden Satz:

»Wir Toten fordern als unser Recht,
die alte Treue vom neuen Geschlecht!«

Auf der einen Seite des Gedenksteins haben der Marinesturm, SA., Polizei, Stahlhelm, ...., vaterländische Verbände, Kriegsvereine und auf der anderen das Musikkorps der 1. Marine-Artillerie-Abteilung sowie Abordnungen der Sperr-Abteilung der Schiffs-Artillerieschule und der Marineschule Kiel Wik Aufstellung genommen. Unter den Ehrengästen bemerkt man u. a. den früheren Stationschef Gottfried Hansen, ferner den früheren Stadtkommandanten von Klei, Konteradmiral Schumacher. Punkt 11 Uhr betritt der Stationschef Vizeadmiral Albrecht den Ehrenhain, gefolgt von den Konteradmiralen Schulze und Zander.

Sodann beginnt der feierliche Weiheakt mit dem dritten Vers des Niederländischen Dankgebets »Wir loben dich oben du Lenker der Schlachten«. Kaum sind die letzten Akkorde des Chorals verklungen, als

Marinepfarrer Sontag

den Gedenkstein betritt und in seiner Ansprache u. a. folgendes ausführt: Alljährlich feiert die Reichsmarine den 31. Mai als den größten Ruhmestag ihrer Geschichte. Skagerrak ist zu einem Gebot geworden. In seinem herben Klang vereinigt sich für uns all das, was an seinem Tage in hartem Männerkampf Großes und Tapferes geleistet wurde. Wenn wir heute feiern, so stehen wir in Ehrfurcht vor den Gefallenen dieser großen Nordseeschlacht, und das Wort Skagerrag ist zu einem mahnenden Begriff geworden, zu einem Begriff für all das, was in den harten, ernsten Zeiten des Krieges auf See an Bord deutscher Kriegsschiffe und an Land von deutschen Seemännern Großes und Tapferes geleistet wurde, zu einem Begriff für die Seegeltung des deutschen Volkes.

Darum ist auch das Ehrenmal, das heute in feierlichem Gottesdienst eingeweiht werden soll, nicht nur ein Ehrenmal für die gefallenen Kameraden der Skagerrakschlacht, sondern für alle jene, die auf See und an Land als deutsche Seeleute ihr Leben für das Vaterland dahingegeben haben.

In diesem Jahre können wir diesen Tag mit besonderem Dank und mit besonderem Stolz begehen, wenn die großen und herrlichen Eigenschaften, die den Sieg von Skagerrag ermöglichten, Opfersinn und Pflichttreue und eine hingebende Vaterlandsliebe uns im neuen Deutschland in einem besonders starken Maße wieder erwacht. Das Wort, das in den schweren Nachkriegsjahren uns die Gefallenen mahnend zuriefen: »Wir Toten fordern als unser Recht, die alte Treue vom neuen Geschlecht!« ist zu einem großen Teil Wirklichkeit geworden bei allen denen, in denen die Liebe zu Volk und Vaterland nicht vergessen ist, in denen, die sich in ernster und zäher Arbeit für die Freiheit und Erneuerung unseres Volkes eingesetzt haben. Heute wollen wir in Dankbarkeit aller derer gedenken, die in treuer Pflichterfüllung in der Nachkriegszeit für unser deutsches Volk eingetreten sind und ihr Leben hingaben für ihr Volk und Vaterland. Wir wollen aber auch eins nicht vergessen, unseren Herrgott, der uns diese großen Zeiten nur erleben ließ, weil seine Augen im deutschen Volke wieder treue Menschen gefunden hatten.

So wollen wir denn von dieser Skagerrakfeier hinausgehen an die Arbeit des Alltags mit dem letzten Einsatz unseres Wesens, unseres Könnens und unseres Herzens, in Treue zu Volk und Vaterland.

Nach dem Gebet weihte dann der Marinepfarrer Sontag den Gedenkstein mit folgendem Spruch ein:

»Das Ehrenmal aber sei ein Ehrenmal unerschütterlicher Dankbarkeit für unsere gefallenen Kameraden, als Gedächtnis für Deutschlands schwere aber große Zeit, als eine Mahnung deutscher Treue für nachfolgende Geschlechter!«

• Artikel in den »Kieler Neueste Nachrichten« vom 31. Mai 1933


SH Kiel Marine Artikel web3

»... der am gestrigen Mittwoch auf dem Standort-Friedhof an der Kleiststraße im Rahmen eines feierlichen Feld-Gottesdienstes enthüllt wurde.

Der Gedenkstein war bereits am gestrigen Nachmittag das Ziel zahlreicher Friedhofsbesucher, die anläßlich des Skagerrak-Tages der gefallenen Helden gedachten. Der Anker des Denkmals ruht auf einem mit Kunststeinmasse umkleideten Betonsockel.«

• »Kieler Neueste Nachrichten« vom 1. Juni 1933

Die Skagerrak-Schlacht mit 8.500 Tote in zwei Tagen gilt als eine der größten Seeschlachten der Geschichte.

Die Verluste bei dem Kräftemessen zwischen der britischen und der deutschen Flotte Ende Mai 1916 sind enorm. Nach ersten Triumphmeldungen der Deutschen ist klar: die strategische Lage hat sich nicht verändert. Die britische Blockade besteht weiter, nichts ist gewonnen.

Bericht mit Fotos des NDR


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

»Das Eiserne Kreuz wurde erstmalig 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet. Es war der erste militärische Orden, der nicht nur an Offiziere, sondern auch an einfache Soldaten für ihre militärischen Verdienste verliehen werden konnte. Kurz darauf führte der König die allgemeine Wehrpflicht ein. Das bisherige Söldnerheer wandelte sich zum Bürgerheer und für die Bürger mussten Anreize geschaffen werden, das eigene Leben im Krieg aufs Spiel zu setzen. Damit begann eine neue Zeit beim preußischen Militär: Soldaten waren nicht mehr nur Befehlsempfänger ohne Stimme und ohne Namen, sondern seit dieser Zeit wurden sie zu Vorbildern gemacht, denen nachgeeifert werden sollte. Der König versprach in der Stiftungsurkunde jedem Soldaten für den eventuellen Kriegstod ein Denkmal, das heißt, die Erwähnung auf einem Denkmal. Zumeist wurde das damals als Tafel in einer Kirche realisiert: Zeugnis der engen Verbindung von Monarchie und Kirche.

Das Eiserne Kreuz wurde sehr häufig als Relief auf Kriegerdenkmälern verwendet. Es steht hierbei als solches symbolisch für die Anerkennung der besonderen ›Vaterlandstreue‹ der gefallenen Soldaten. Ihr Tod im Krieg wurde dafür als Beweis gedeutet. Durch die Verwendung des Eisernen Kreuzes auf einem Denkmal sollten die Soldaten posthum für ihr Verhalten ausgezeichnet werden und damit als Vorbilder für die Nachwelt gelten.

Nach 1813 wurde es 1870 von Kaiser Wilhelm I. und am 8. August 1914 von Kaiser Wilhelm II. neu gestiftet. Auch Adolf Hitler führte 1939 das Eiserne Kreuz als militärische Auszeichnung wieder ein, mit einem Hakenkreuz im Zentrum.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 44f

SH Raisdorf EK Hitlerspruch webFoto: Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv.-Nr. PK 2005/2

• Die von Adolf Hitler am 8. November 1939 anlässlich des Überfalls auf Polen ausgegebene Losung

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde das Eiserne Kreuz am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


SH Wulfsdorf Hitler EK web

• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Am 26. November 2018 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrem Tagesbefehl ein Veteranenabzeichen eingeführt. Am 15. Juni 2019 sind die ersten Abzeichen ausgehändigt worden. Am 10. Januar 2020 meldet das ›Bundeswehrjournal‹, dass bisher rund 35.700 Anträge auf ein Veteranenabzeichen eingegangen sind.

SH Haffkrug Veteranenabzeichen der Bundeswehr 2019 DocHeintz Wikimedia Commons web
Foto: Doc.Heintz/Wikimedia Commons


Überreicht wird das Abzeichen mit einem Dankesschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr:

»... Dieser Dienst in der Bundeswehr verdient hohen Respekt und große Dankbarkeit, welche auch in der Gesellschaft spürbar und sichtbar werden soll. Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die uns alle verbinden: Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft ...«

Ein anonymisiertes Anschreiben bei Wikipedia


Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger, Gürtelschnalle oder als auffällige Sympathiekundgebung mit Totenkopf am Auto.

HH Uhlenhorst EK auf Auto web2

 
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Ein japanischer Kranz

Am 2. Juni 1965 ehrte der Rektor der Nihon-Universität in Tokio Prof. Dr. Kikushiro Nagata in Begleitung seines Sohnes Tomita und Mitgliedern der Deutsch-Japanischen Gesellschaft das Marinedenkmal mit einem Kranz.

SH Kiel Marinedenkmal Niederlegung web2

Stadtarchiv Kiel 35.609/Fotograf: Friedrich Magnussen CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Der Besuch von Prof. Nagata, pikanterweise mit seinem Sohn als Vetreter des »neuen Geschlechts«, galt einem revanchistischen 1.Weltkriegs-Denkmal des Bündnispartners im 2. Weltkrieg. Auf Initiative Hitlers war 1940 der Dreimächtepakt unterzeichnet worden, der die »Achse Berlin-Rom« um Tokio erweiterte.

SH Kiel Marinedenkmal Kranz webStadtarchiv Kiel 35.613/Fotograf: Friedrich Magnussen CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Die Schleifenaufschrift nimmt die Forderung des Denkmalspruchs auf: »Treue für das Vaterland«


SH Kiel Marinedenkmal Wir Toten webStadtarchiv Kiel 35.611/Fotograf: Friedrich Magnussen CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Noch schnell ein Foto nach vollbrachter Tat mit einem Vetreter der Deutschen Marine.

Mehr zu Japan als Verbündetem des Deutschen Reichs auf LeMO


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Volkstrauertag 2015

Am Volkstrauertag 2015 wurde in Kiel das »Ehrenmal« auf dem Kieler Nordfriedhof rosa eingefärbt. Das Nachrichtenportal Indymedia Linksunten berichtete darüber:

»Jedes Jahr zum Volkstrauertag trauert die deutsche Nation um ihre Helden. Helden nach deutscher Art sind nicht WiderstandskämpferInnen gegen den Faschismus oder Betroffene der deutschen Vernichtungsaktionen.

Lieber trauert das Land um Soldaten der deutschen Angriffskriege, faschistische Milizen und Kriegsverbrecher. Inschriften in Ehrenmälern in ganzen Land berichten von Ehre, Treue, Heldenmut und Vaterland. Auf dem hässlichen Stein, der jetzt hübsch pink erstrahlt stand ›Wir Toten fordern als unser Recht die alte Treue vom neuen Geschlecht‹ und ›Im Weltkriege starben den Heldentod 1.569 Offiziere und Beamte 718 Deckoffiziere 7.349 Unteroffiziere 25.197 Mannschaften der kaiserlichen Marine‹«.


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Das Segelschulschiff Niobe

Der Anker auf dem Kriegerdenkmal für die kaiserliche Marine soll vom kurz zuvor gesunkenen Segelschulschiff Niobe stammen.

SH Kiel Marine Anker web

Die Grab- und Gedenkstätte für die 
Besatzungsmitglieder der Niobe befindet sich inmitten von Kriegsgräbern des 1. Weltkriegs.

»Nicht klagen – Wieder wagen«
wird auf der Vorderseite gemahnt. Für die Marine, die Bevölkerung und natürlich die Angehörigen war der Untergang ein harter Schicksalsschlag. Trotz wirtschaftlich schwieriger Lage sammelte die deutsche Bevölkerung für die »Volksspende Niobe« rund eine Million Reichsmark.

Auf der Rückseite befindet sich eine in Stein eingefasst liegende Metalltafel mit den Namen und Geburtstagen der in die Heimat Überführten und in der See Gebliebenen.

Die Niobe wurde 1913 gebaut und fuhr zunächst als »Morten Jensen« unter dänischer, später als »Tyholm« unter norwegischer Flagge. Im ersten Weltkrieg wurde sie von einem deutschen U-Boot aufgebracht und fuhr daraufhin unter verschiedenen Namen. 1922 kaufte die Reichsmarine das Schiff und baute es zum Segelschulschiff um.

Am 26. Juli 1932 sank die Niobe infolge einer plötzlich aufkommenden Böe vor der Küste Fehmarns. Innerhalb weniger Minuten wurde sie auf die Seite gelegt und unter Wasser gedrückt. 69 der 109 Männer ertranken. Die anderen konnten durch die herbeieilenden Rettungsboote des Feuerschiffs und des Holzdampfers »Theresia L.M. Russ« gerettet werden.

Am 23. August 1932 fand auf dem Nordfriedhof die feierliche Beisetzung von 33 Besatzungsmitgliedern statt. Die Bevölkerung nahm großen Anteil an der Tragödie und verfolgte die Trauerfeier an den Radios.


SH Kiel Nordfriedhof Niobe web2


Auch heute noch werden jedes Jahr Kränze an der Gedenkstätte niedergelegt.

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2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

Aus einer breiten Bewegung gegen den Irak-Krieg war 2003 das Antikriegsbündnis Kiel entstanden. Dazu gehörten u.a. SchülerInnen, GewerkschafterInnen, MigrantInnen, Menschen aus dem kirchlichen Bereich sowie politische Gruppen. 2014 organisierte das Bündnis die Antimilitaristischen Stadtrundfahrten um sich die lokalen Gegebenheiten anzuschauen: den Militär- und Rüstungsstandort Kiel.

Broschüre »Militär und Rüstung in Kiel«


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I N H A L T
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Das Denkmal
Ein Kommentar
Die Ergänzung
Am Volkstrauertag 2014
2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

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Kiel, die Landeshauptstadt

Auf dem Ostfriedhof, rechts neben der Kapelle

Das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs ist ein rötlicher-grauer kantiger Findling aus Granit. Es ist 2,4 Meter hoch, 1,3 Meter breit und 1,1 Meter tief und somit der größte Stein auf dem Ostfriedhof.

SH Kiel Soldaten fern web

Das Denkmal ist 1921 errichtet worden. Der Bildhauer Franz Blazek hat es geschaffen. Franz Blazek ist 1887 in Wien geboren. 1919–1934 war er Leiter der Bildhauerklasse an der Kieler Handwerker- und Kunstgewerbeschule. 1935 schuf er maritime Figuren als Schmuck an der Marinefachschule für Gewerbe und Technik in Kiel.

SH Kiel Soldaten web

Am unteren Rand steht in konturierten Ziffern:

1914-18

Auf der geraden Frontseite ist das lebensgroße Relief von zwei uniformierten Soldaten herausgearbeitet und poliert worden. Sie marschieren im kraftvollen Gleichschritt mit geschulterten Gewehren, Marschgepäck, Messer und »Knobelbechern«. Der Jüngere, mit damals modernem Stahlhelm, guckt nach vorne, der Ältere mit Backenbart schaut zurück. Er trägt eine ältere Kopfbedeckung, die dem Tschako der preußischen Gardejäger ähnelt. Die Darstellung eines jüngeren und eines älteren Soldaten sehen wir immer mal wieder auf einem Kriegerdenkmal. Sie entsprach der Vorstellung der damaligen Kriegervereine und dem Gros der Gesellschaft, dass die neue Generation bereit zu stehen hat, um die Schmach des Versailler »Schandvertrags« zu tilgen. Der Tod der Soldaten in der Vätergeneration durfte nicht umsonst gewesen sein.

In der Darstellung hier auf dem Ostfriedhof marschiert der Veteran treibend und in der Zeit zurückblickend an der Seite des jungen Soldaten.

Der Historiker Gerhard Schneider, bis 2008 Professor für Geschichtsdidaktik an der Universität Hannover, schreibt dazu:

»Der Kriegsausgang hatte im Hinblick auf die Entwicklung der Kriegerdenkmäler und des Gefallenengedenkens einschneidende Konsequenzen. Der siegreiche Verlauf des Krieges von 1870/71, die Verwirklichung der langersehnten Reichseinigung und die Aufrichtung des Kaisertums ließen den Gefallenentod in diesem Krieg als sinnvoll erscheinen. Das mit jenem Krieg neugewonnene und durch entsprechende Gesinnungsakte immer wieder erneuerte nationale Prestige und das Gefühl, einer aufstrebenden Großmacht anzugehören, waren hinreichender Trost für die Hinterbliebenen.

Nach dem ersten Weltkrieg konnten sich dergleichen hohe und tröstliche Gefühle nicht einstellen. Die Erfahrung des Massensterbens an der Front, die noch lange nachwirkenden Eindrücke des Stellungskrieges im Westen und der neuen Kampfmittel, dann der für die meisten Menschen überraschende und niederschmetternde Kriegsausgang, die unbegreifliche Niederlage, das Bekanntwerden der immensen Zahl an Kriegsopfern und schließlich die trostlose Perspektive, die das ›Versailler Diktat‹ dem Deutschen Reich eröffnete, verlangten geradezu nach einer Sinngebung des Gefallenentodes. das ›Ihr-seid-nicht-umsonst-gefallen‹, das jede Denkmalseinweihung und jede Kriegergedächtnisfeier begleitete, war als Trotzreaktion der Überlebenden immer auch eine Drohung, daß mit diesem Kriegsausgang das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Kriegerdenkmäler waren in ihrer Formensprache ein bildhafter Ausdruck der uneingestandenen Niederlage. Dem Künstler, der den Auftrag erhielt, ein Kriegerdenkmal zu entwerfen, stellte sich die schwierige Aufgabe, dem Gefühl Ausdruck zu verleihen, man habe zwar den Krieg verloren, fühle sich aber nicht und gelte auch nicht als besiegt. [...]

Die politische Funktionalisierung und Instrumentalisierung des Gefallenentodes durch Denkmalgestalt, Einweihungsfeier und Denkmalsnutzung wurden in dem Maße stärker, wie die Trauer der Hinterbliebenen mit der Zeit abklang oder eine pietätvolle Rücksichtnahme auf die Betroffenheit dieser Personengruppe nicht mehr notwendig erschien. Man gedachte des ›Opfers‹ der Gefallenen in der Absicht, die ›zukünftigen Geschlechter‹ auf bestimmte Werthaltungen und kämpferische Charaktereigenschaften, die den Gefallenen angeblich zu eigen gewesen seien, einzuschwören. In Kreisen des Militärs, der Veteranenorganisationen und der vaterländischen Verbände verband man damit die Absicht, dadurch die unerwünschte pazifizierende Kraft der Trauer neutralisieren zu können. Der Opfertod der Gefallenen behalte nur dann seinen Sinn, wenn das deutsche Volk den Gefallenen im Geiste der Opferbereitschaft und im Geiste der Frontkameradschaft nachzufolgen bereit sei.«

Gerhard Schneider in »erinnern, vergessen, verdrängen«, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1998, S.339f

 

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Man bekommt einen Schreck, wenn man auf die Rückseite des Kriegerdenkmals schaut. Dort liegt ein toter Soldat in Uniform und Stiefeln, die schützende Kopfbedeckung ist verloren gegangen. Im Fallen hat er wohl einen Vorhang oder eine Regimentsfahne heruntergerissen.

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Darüber steht flächefüllend die Inschrift:

FÜRS
VATERLAND
KÄMPFTEN
UNSERE BRÜDER
1914 BIS 1918.
VIELE STARBEN
DEN HELDEN-
TOD

Es folgt ein Eisernes Kreuz in Buchstabenhöhe.

In dieser Inschrift steht nicht die Trauer im Vordergrund, vielmehr wird der Tod im Krieg in einen Zusammenhang gestellt, der ihn zu einem nicht zu hinterfragenden Opfer macht. Das Denkmal ehrt die getöteten deutschen Soldaten als Brüder, durch dieses Wort wird eine familiäre Verbindung hergestellt, die die Soldaten zum Kampf verpflichtet hatte. Der häufigste im Zusammenhang mit toten Soldaten ist das Wort »Helden« oder »Heldentod«. Dieser Begriff macht die toten Soldaten zu Vorbildern. Er passt zur Symbolik von Stahlhelm, Uniform, Waffen und Eisernem Kreuz. Dadurch soll das Töten und das Getötetwerden auf den Schlachtfeldern in den vom Deutschen Reich angegriffenen Ländern einen höheren und gerechtfertigten Sinn bekommen.

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Ein Kommentar

»Der Gedenkstein nimmt durch seine bildliche Ausgestaltung im Kieler Raum eine Sonderrolle ein. Er wurde möglicherweise von den Steinmetzen Dold oder Witzel geschaffen, wegen seiner künstlerischen Ausgestaltung vermutlich eher von einem studierten Bildhauer. Aufgestellt wurde er 1921. An dem Stein finden an den Volkstrauertagen seit 1952 Gedenkfeiern für die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus statt. Lange erinnerte hier indes nichts an die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg, bis die ehemalige SPD-Ratsfrau Lisel Hofer über die ›Ellerbeker Runde‹ und den Pastor der Bugenhagen-Gemeinde, Volker König, einen Zusatzstein ins Rollen brachten. So sorgte die Stadt Kiel 1983 für eine bescheidene Erweiterung der Anlage. Eine rötliche Granitplatte von 70 Zentimetern Breite wurde vor den wuchtigen Findling in den Boden gesetzt. Darauf ist in erhabenen Buchstaben eine knappe Inschrift geschlagen: ›Den Opfern von Krieg, Verfolgung und Vertreibung‹.«

• Zitiert aus Jens Rönnau, Open-Air-Galerie Kiel: Kunst und Denkmäler, Wachholtz Verlag 2011, S. 68

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Die Ergänzung

1983 wurde eine rechteckige Steinplatte vor das Kriegerdenkmal gelegt. Sie trägt die Inschrift:

Den Opfern von Krieg, Verfolgung und Vertreibung

Der Millionen Opfer der Nazi-Verbrechen vor einem riesigen Stein mit zwei bewaffneten marschierenden Soldaten zu gedenken kann nicht richtig sein.

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Am Volkstrauertag 2014

SH Kiel Ostfriedhof Siegbert Brey Wikimedia Commons 1914 18 Kiel

Foto: Siegbert Brey / Wikimedia Commons


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2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

Aus einer breiten Bewegung gegen den Irak-Krieg war 2003 das Antikriegsbündnis Kiel entstanden. Dazu gehörten u.a. SchülerInnen, GewerkschafterInnen, MigrantInnen, Menschen aus dem kirchlichen Bereich sowie politische Gruppen. 2014 organisierte das Bündnis die Antimilitaristischen Stadtrundfahrten um sich die lokalen Gegebenheiten anzuschauen: den Militär- und Rüstungsstandort Kiel.

Broschüre »Militär und Rüstung in Kiel«


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I N H A L T
• 
Das Denkmal
• Der Blick nach Laboe
Aus der Geschichte
Historische Fotos
Der Bildhauer Alwin Blaue
Was sind Seesoldaten?
2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

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Kiel, die Landeshauptstadt

An der Kiellinie beim Anleger Bellevue

Das Kriegerdenkmal ist den Seesoldaten beider Weltkriege gewidmet. Der »Verein ehemaliger Seesoldaten« hat es auch initiiert. Seesoldaten sind Angehörige von Marineeinheiten, die im Landkampf eingesetzt werden. Die Marineinfanterie war im 1. Weltkrieg die »schnelle Einsatztruppe« des kaiserlichen Deutschlands.

In wehrhafter Attitüde steht das Denkmal auf einer Bastion an der Straße, die bis 2014 Hindenburgufer hieß.

SH Kiel Seesoldaten weit web


Die rund neun Meter hohe Stele aus bunten Ostseegranitquadern und der seitlich angesetzte Turm aus bunten Granitbruchsteinen wurde 1931 eingeweiht. Das monumentale Denkmal war damals das größte in Kiel, es war und ist weithin sichtbar und wirkt wie der Teil einer Festung. Der Bildhauer und Keramiker Alwin Blaue hat das Denkmal gestaltet, der Kieler Architekt und Leutnant der Reserve Hermann Suhr hat es gebaut.

 

SH Kiel Seesoldaten Wappen Kranz web


Am Aufgang zum Turmpodest ist das Wappen der Seesoldaten des Kaiserreichs in eine eingelassene, helle Steinplatte gemeißelt. Darunter hing bei unserem Besuch im Oktober 2020 ein frischer Kranz.

SH Kiel Seesoldaten Kaiserreich Wappen web


Auf den feldgrauen Schulterklappen des II. Seebataillons der kaiserlichen Marine ist das Wappen mit Krone und gekreuzten Ankern deutlicher zu erkennen.

 

SH Kiel Seesoldaten bis 1914 web


Seitlich lesen wir – verteilt über sechs verschieden große Granitquader – die Inschrift:

1852
1914
STARBEN
AUF SEE
UND IN
ÜBERSEE
300 SEESOLDATEN
FÜR DEUTSCHLAND

Der Text wird oben mit zwei gekreuzten Eichenblättern dekoriert. Die Inschrift wurde dort erstaunlicherweise am 8. November 1954 eingemeißelt. Günter Kaufmann schreibt dazu in Band 07 von ›Demokratische Geschichte‹: »Sie [...] schlägt mit ihrer pathetischen, aber anachronistischen Wendung (›starben für Deutschland‹) den Bogen zurück bis zum Jahre 1852 und stellt damit die nationale Kontinuität über die Epochengrenzen hinweg her.«

 

SH Kiel Seesoldaten Tafel2WK web


Am gleichen Tag wurde darunter eine graue Steintafel angebracht mit dem Text:

1939    1945
ZUM GEDENKEN
DER GEFALLENEN, VERMISSTEN
UND IN GEFANGENSCHAFT
VERSTORBENEN SOLDATEN
d. 1.MARINESTOSSTRUPPKOMP.
d. MARINESTOSSTRUPP ABT.
M.A.A.531 (VON DIEST)
UND ALLER IM LANDKAMPF
EINGESETZTEN EINHEITEN
DER KRIEGSMARINE

Einige Kapitelüberschriften aus Jörg Benz’ Buch: Deutsche Marineinfanterie 1938 - 1945, Das Schicksal der Marinestoßtrupps, der MAA531 (von Diest) und anderer infanteristischer Einheiten der Kriegsmarine, Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 1996. Von Diest war Kommandant des in der Inschrift genannten Stoßtrupps.

• Die Einnahme der Westerplatte bei Danzig 1939
• Aufbau und Einsatz der Marine-Stoßtrupp-Abteilung im Frankreichfeldzug
• Der Angriff gegen die Sowjetunion
• Die MAA 531 (von Diest) im Stellungskrieg am Finnbusen, Sommer 1942 - Sommer 1943
• Die MAA 531 (von Diest) muss sich mit der Deutschen Wehrmacht aus dem Baltikum zurückziehen, 1944
• Schwerste Einsätze und Verluste der MAA 431 (von Diest) im Abwehrkampf gegen die Offensiven der SU 1944

SH Kiel Seesoldaten Tafel2WK Wappen web

 

Zwischen den Jahreszahlen des 2. Weltkriegs, oben auf der Tafel, sehen wir die moderne Fassung des Seesoldatenwappens: ein Anker mit gekreuzten Landarbeitsgeräten.

 

SH Kiel Seesoldaten unten gesamt web


Hier noch einmal die gesamte untere Ecke des Gedenkens für die Seesoldaten die von 1852 bis 1945 »für Deutschland gestorben« sind.

 

SH Kiel Seesoldaten Widmung 1WK web


Nun endlich die Inschrift, die zur Stele von Bildhauer Blaue gehört. In massiv aus den Granitquadern gehauenen Lettern steht dort:

6000
SEESOLDATEN
GABEN IHR LEBEN
FÜR EUCH

1914 - 1918


Günter Kaufmann schreibt: »... sondern greift von scheinbar neutraler Warte (›für Euch‹, nicht ›für uns‹) den Opfergedanken auf, der starke Assoziationen zu christlichen Vorstellungen hervorruft. Damit rückt der Krieg in die Sphäre des überindividuellen Schicksals, dem sich die Soldaten in einer freien ethischen Entscheidung gestellt hätten, um die Gemeinschaft zu bewahren: Der Krieg als moralische Herausforderung und Verpflichtung.«

Und Ralph Giordano beklagt in seinem Buch ›Die zweite Schuld‹: »Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«


SH Kiel Seesoldaten 2 unten web


Auf der breiten Seite zum Wasser hin stapeln sich an der Kante der Stele vier als Flachrelief gestaltete, stilisierte Soldaten. Sie und besonders ihre Gesichter wirken brutal. Günter Kaufmann schreibt: »In Überlebensgröße (ca. 2,50 m) türmen sich vier Soldaten übereinander, zum Teil ineinander verschränkt. Indem sie der Fahne folgen, stürmen, kämpfen und fallen sie. Ihre Gestalten sind geometrisch reduziert und typisiert, so daß sie Holzgliederpuppen ähneln. ...


SH Kiel Seesoldaten Kopf Soldat web


... Die Gesichter tragen keine individuellen Züge, sondern sie wirken wie austauschbare Masken mit heroischem Ausdruck, der sich durch das Material Granit verstärkt (Das konkrete historische Ereignis, das diese Darstellung aufzugreifen versucht, war der Sturm des 1. See-Bataillons am 11. November 1914 auf feindliche Stellungen bei Lombardzyde / Belgien).«

 

SH Kiel Seesoldaten hoch Mitte web


Die unteren beiden »Roboter-Soldaten« stürmen und spähen. Darüber sehen wir den Fahnenträger. Über den dreien der tote Soldat – dem Himmel nah.


SH Kiel Seesoldaten oben web


Ganz oben ist ein Adler mit senkrecht aufgestellten Schwingen dargestellt. Er fliegt in die gleiche Richtung wie der stürmende Soldat und der Fahnenträger – raus aus der Bastion – auf in den Kampf.

 

SH Kiel Seesoldaten Adler web


1931, in der Zeit des Revanchismus und zwei Jahre vor der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten, ist es wahrscheinlich, dass er gen Frankreich fliegen soll, um Rache für die »Schmach von Versailles« zu nehmen.

Mehr zum Versailler Vertrag

 

SH Kiel Seesoldaten Schlachten web


Auf der schmalen Innenseite werden die Schlacht- und Stellungsorte der Seesoldaten aus Kiel aufgezählt. Es sind vor allem die Schlachten an der Westfront:

ANTWERPEN
LOMBARTZYDE
SCHLACHT
AN DER YSER
KÄMPFE
UM YPERN
STELLUNGSKÄMPFE
AN DER YSER
SCHLACHT AN
DER SOMME
SCHLACHT IN
FLANDERN
GROSZE SCHLACHT
IN FRANKREICH
ANCRE
SCHLACHT BEI
MONCHY
BAPAUME
HERMANNSTELLUNG
HUNDINGSTELLUNG
KÄMPFE VOR
DER ANTWERPEN
MAAS STELLUNG
TSINGTAU
SKUTARI (Albanien)

 

SH Kiel Seesoldaten Schlachten Detail web


Die Wörter sind größtenteils auf die Breite der Stele ausgeblockt.

 

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Der Blick nach Laboe

In Sichtweite am gegenüberliegenden Ufer der Förde steht der »große Bruder« des Seesoldaten-Denkmals: das »Marine-Ehrenmal« in Laboe.

SH Kiel Seesoldaten Blick Laboe Pfeil web


Sie sind fast zur gleichen Zeit erbaut worden.

 

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Aus der Geschichte

Anläßlich der 75-Jahr-Feier des Seebataillons am 15. Mai 1927 in Kiel wurde der Grundstein für das Denkmal für die Seesoldaten gelegt und zwar am ›Kleinen Kiel‹ vor dem Stadttheater. Einige Zeit später mußte er dort entfernt werden. Erst im Juli 1931 wurde er neu gelegt auf einem von der Stadt Kiel zur Verfügung gestellten Grundstück unterhalb von Bellevue. Hier wurde das Denkmal nun errichtet und am 6. September 1931 eingeweiht. Diese Informationen stammen aus dem Deutschen Marine Archiv 5, ›Das Soldatenleben‹ 3082.

1931: Der Aufgang ist über und über mit Kränzen behängt.

SH Kiel Seesoldaten Einweihung web
Foto: Bilderbogen der Gartenlaube, Nummer 38, 17. September 1931


Eine Gruppe von Zivilisten steht vor dem Denkmal. Das Foto muss kurz nach der Einweihung gemacht worden sein. Die wäre sicher nicht ohne Militär vonstatten gegangen.


SH Kiel Seesoldaten 1936 webFoto: Stadtarchiv Kiel, 53.187, Fritz Hübner, unter der Lizenz CC BY-3.0 SA DE  

Die Segelwettbewerbe bei der Olympiade 1936 fanden in Kiel statt. Das Monument mit den olympischen Ringen war prominent neben dem Seesoldatendenkmal aufgebaut.


SH Kiel Seesoldaten 1962 11 11 webFoto: Stadtarchiv Kiel, 79.980, Friedrich Magnussen, unter der Lizenz CC BY-3.0 SA DE

 
Gedenkveranstaltung am 11. November 1962 der Kameradschaft ehemaliger Seesoldaten von 1906. Der Redner im Bild rechts ist Oberst a.D. Hellmuth Brembach, Mitglied der »Vereinigung ehemaliger Tsingtauer«. Am Geländer hängt die Reichskriegsflagge der Kaiserzeit.

Die Kaiserliche Kriegsflagge war bis 1892 die offizielle Kriegsflagge der Kaiserlichen Marine, danach unter der Bezeichnung Reichskriegsflagge die Flagge der Streitkräfte des Deutschen Reiches bis 1921.

Sie darf auch heutzutage gezeigt werden. Allerdings wurde sie bereits in der Weimarer Republik von rechtsextremen Parteien und Organisationen als Identifikationssymbol benutzt und auch heute wird sie oft mit rechtsextremen Gruppen in Verbindung gebracht.

Das Zeigen von Versionen der Kriegsflagge ohne Hakenkreuz muss von den Behörden nicht unterbunden werden. Die Fahnen können aber von der Polizei sichergestellt werden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist.

Im Bundesland Bremen ist seit dem 21. September 2020 das Zeigen der Kriegsflaggen des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs, sowie bei konkreter Provokationswirkung, auch die schwarz-weiß-rote Flagge des Deutschen Reichs ab 1892 in der Öffentlichkeit verboten; bei Zuwiderhandeln drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 1000 Euro. Im Freistaat Bayern soll das Zeigen der Reichskriegsflagge zeitnah verboten werden. Auch andere Bundesländer sprechen sich inzwischen für ein Verbot des Zeigens im öffentlichen Raum aus.

nach Wikipedia, abgerufen am 27. Dezember 2020

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Historische Fotos

Sehr gut zu sehen ist hier die Wendeltreppe, die zu dem turmartigen Ausguck führt.

SH Kiel Seesoldaten Saeule alt1 web


Von dort kann man auf der rechtem Schmalseite die eingemeißelten Schlachtorte lesen – die Einsatzgebiete der Seesoldaten im 1. Weltkrieg.

 

SH Kiel Seesoldaten Saeule alt4 web

Das Seesoldaten-Denkmal im Herbst: Die Straße an der Förde heißt damals noch Hindenburgufer. Am 16. Januar 2014 hat die Ratsversammlung nach einjähriger Diskussion die Umbenennung in Kiellinie beschlossen und Hindenburg die Ehrenbürgerschaft von Kiel, die er in der NS-Zeit erhalten hatte, aberkannt.

Straßenumbenennungsakte V/14


SH Kiel Seesoldaten Kielerwoche1998 Stadtarchiv
Foto: Georg Gasch, Stadtarchiv 39.917, CC BY-SA 3.0 DE

Kielerwoche 1998: das Denkmal ermöglicht einen besseren Überblick.

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Der Bildhauer Alwin Blaue

Alwin Arthur Robert Blaue (1896 – 1958) ist bekannt geworden als Bildhauer für Skulpturen und Bauplastiken an öffentlichen und privaten Gebäuden. Die meisten seiner Werke befinden sich in Kiel. Von 1928 bis 1930 war er für die Kieler Kunst-Keramik A.G. tätig, ein Jahr leitete er dort die baukeramische Abteilung. Mit dem Bildhauer Fritz Theilmann war er für den Keramikschmuck an den Gebäuden des Kieler Marineviertels zuständig.

Löwendenkmal von Fritz Theilmann in Kiel-Wik

Mehr auf sh-kunst.de


1955 hat Blaue einen Granitsockel mit Eichenkranz für die Denkmalsanlage in Hohenweststedt entworfen. Unser Mitarbeiter Ulf Evers schreibt dazu: »Alwin Blaue hatte zwar in den 1930er Jahren auch bei der Ausgestaltung von Kasernen mitgewirkt und die nationalsozialistischen Vorgaben umgesetzt, galt aber als ›unverdächtig‹, weil er aus bislang ungeklärten Gründen 1940 mit einem Berufsverbot belegt wurde.«

Dokumentation der Anlage in Hohenwestedt


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Was sind Seesoldaten?

Angehörige von Marineeinheiten, die im Landkampf eingesetzt werden heißen, bis heute, Seesoldaten.

Karin Offen von der Genealogischen Gesellschaft Hamburg e.V. schreibt: »Friedrich Wilhelm IV. von Preußen erließ am 13. Mai 1852 eine Allerhöchste Kabinettsorder an den Kriegsminister, mit folgendem Wortlaut: ›Ich habe beschlossen, dem bisherigen Marinekorps fortan die Benennung See-Bataillon, den Marinern aber die Benennung Seesoldaten beizulegen und gebe Ihnen behelfs der Ausführung dieser Mainer Ordre die nötige Bekanntmachung anheim.‹

Ab 1865 lag das Bataillon in Kiel in Garnison und erhielt am 1. April 1883 eine eigene Fahne. 

Im 1. Weltkrieg wurde Mitte September 1914 eine Marinedivision mit 17000 Mann in Belgien aufgestellt, wo sie in zähen Stellungskämpfen, in sumpfigen Poldern und im leichten Dünensand kämpfen mußten. Die Seesoldaten wurden aber nicht nur an der Küste eingesetzt, sondern auch auf den Schlachtfeldern der Somme, bei Ypern und in der ›Großen Schlacht in Frankreich‹ 1918.«

 

SH Kiel Seesoldaten Offiziere und Mannschaften vom Seebataillon und der Marinedivision vor Antwerpen 1914 oder 1915 web
Foto: Wikimedia Commons

Offiziere und Mannschaften vom Seebataillon und der Marinedivision vor Antwerpen 1914 / 1915.

Die Marinedivisionen kamen bei der Belagerung von Antwerpen von 1914, in der Zweiten Flandernschlacht, in der Somme-Schlacht, in der Dritten Flandernschlacht und bei der Deutschen Frühjahrsoffensive 1918 zum Einsatz. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs bildeten Freiwillige der Seesoldaten das Freikorps Lützow und das Freikorps „Schwarze Jäger«. Freikorps waren Sammelbecken für heimkehrenden Marine-Infanteristen.

 

SH Kiel Seesoldaten Werbezettel Freikorps Schwarze Jaeger web
Foto: Wikimedia Commons

Seesoldaten werden geworben für das Freikorps »Schwarze Jäger«.


Heer und Marine mussten in Folge des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 demobilisiert und abgerüstet werden. Daraufhin kam es – beginnend mit dem Kieler Matrosenaufstand – zu Meutereien und revolutionären Aufständen. Es kam zur Novemberrevolution, die zum Sturz der Monarchie und zur Ausrufung der Republik in Deutschland führte. Da der von Friedrich Ebert geführte Rat der Volksbeauftragten über keine eigenen militärischen Machtmittel verfügte, verband er sich mit der noch bestehenden Obersten Heeresleitung und wollte mit Freiwilligen der zurückgeführten Fronttruppen die Lage stabilisieren. Daneben wurde von Offizieren, aber auch von Privaten, die Aufstellung von Truppenverbänden aus ehemaligen Soldaten und ungedienten Freiwilligen vorangetrieben. Diese paramilitärischen Verbände wurden Freikorps genannt. Sie sollten und wollten die linken Aufstände bekämpfen und die Grenze im Osten gegen die »Bolschewisten« verteidigen.

Von April bis Mai 1919 waren die Freikorps auch maßgeblich an der besonders blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik beteiligt.

Da die Vielzahl der verschiedenen militärischen Verbände, die alle den militärischen Kommandobehörden des Reiches unterstanden, in ihrer inneren Gliederung und insbesondere auch in ihrer politischen Grundeinstellung aber vollkommen verschieden waren, strebte die militärische Führung eine Vereinheitlichung an. Am 6. März 1919 wurde das »Gesetz über die Vorläufige Reichswehr« verkündet und die bestehenden militärischen Verbände – darunter auch die Freikorps  – nach und nach in die neuen Brigaden der Reichswehr überführt.

Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages durfte die Weimarer Republik zum Stichtag 1. Januar 1921 nur noch ein Heer von 100.000 Mann unterhalten. Darum mussten die paramilitärischen Verbände schrittweise aufgelöst werden. Dagegen rührte sich Widerstand. Dies und andere Gründe führten Mitte März 1920 zum bewaffneten Kapp-Lüttwitz-Putsch, der aber infolge eines Generalstreiks und der Weigerung der Beamten, die Anordnungen der Putschisten zu erfüllen, nach 5 Tagen in sich zusammenbrach.

Die Geschichte der Freikorps endet somit im März 1920. Die danach nicht in die Reichswehr übernommenen Männer bildeten meist sogenannte Wehrverbände oder fanden ein Unterkommen bei paramilitärischen Verbänden, etwa beim Stahlhelm oder der SA. Wir wissen, wie es weiterging.

Nach Wikipedia, abgerufen am 15.11.2020

 

Zurück zu den Seesoldaten:

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Foto: Werbeplakat der Bundeswehr

 
»Bist Du eher eine Landratte oder hast Du das Zeug zum Seesoldat?« so stachelt die Bundeswehr den Ehrgeiz von dafür empfänglichen jungen Männern an. Wer von ihnen möchte nicht das Zeug zum Seesoldaten haben?


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2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

Aus einer breiten Bewegung gegen den Irak-Krieg war 2003 das Antikriegsbündnis Kiel entstanden. Dazu gehörten u.a. SchülerInnen, GewerkschafterInnen, MigrantInnen, Menschen aus dem kirchlichen Bereich sowie politische Gruppen. 2014 organisierte das Bündnis die Antimilitaristischen Stadtrundfahrten um sich die lokalen Gegebenheiten anzuschauen: den Militär- und Rüstungsstandort Kiel.

Broschüre »Militär und Rüstung in Kiel«


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I N H A L T
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Das Denkmal
Aus der Geschichte
Der »Mythos von Langemarck«
Dr.Thomas Hill zum »Ehrenmal«
Der Architekt Gustav August Munzer
Das Denkmal für den Krieg 1870/71
Der szenische Fries
Die Einweihung
Der Schriftsteller Rudolf Löwenstein
Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71
Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal
2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

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Kiel, die Landeshauptstadt

Das Kriegerdenkmal der Christians-Albrecht-Universität steht im Schloßgarten, unweit des damaligen Hauptgebäudes der Universität

Es ist den 541 Studenten und 17 Dozenten gewidmet, die als Soldaten im 1. Weltkrieg getötet wurden. 1931 wurde es eingeweiht.

Insgesamt waren rund 90% der Kieler Studenten in den Krieg gezogen, ein Fünftel kam nicht zurück. Die Überlebenden sammelten sich in Kriegsteilnehmerverbänden.

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Für das Denkmal wurde im ansteigenden Gelände ein halbrunder Sockel aus hellgrauen Granitsteinen errichtet. Wie aus einer Bastion ragen fünf schlanke, mit Rochlitzer Porphyr aufgemauerte Sandsteinstelen acht Meter in die Höhe. Sie sollen die fünf Kriegsjahre symbolisieren.

Der Entwurf des Düsseldorfer Architekten Georg August Munzer wird von ihm selber in einem Brief vom Juni 1931 an den Rektor der Kieler Universität so gedeutet: »Fünf Säulen streben zum Himmel, die Kriegsjahre andeutend und wie eine Flamme zum Himmel strebend. Es soll das unbesiegte deutsche Volk daran erinnern, dass es trotz Not und Tod eine Zukunft hat und stolz sein kann.« (Thomas Hill, Das Ehrenmal, S.148, siehe PDF-Download weiter unten)

SH Kiel Studenten Spitzen web

 

An den Innenseiten der Stelen sind Edelstahlspitzen angebracht. Sie sind Bajonetten nachempfunden. Als Bajonett wird eine am Lauf von Schusswaffen befestigbare Stichwaffe in Form eines langen Dorns oder einer Stahlklinge bezeichnet.

Mehr zu Bajonetten auf Wikipedia

 

SH Kiel Studenten oben weit web


Das Denkmal aus Sicht der höher gelegenen Kunsthalle. Auf diesem Teil des Schloßgartens werden einige Kunstwerke ausgestellt, eines ist am rechten Bildrand zu sehen.

 

SH Kiel Studenten Rund web


Der Radius der runden Grundfläche der Anlage ist drei Meter. Die Pflastersteine sind rundum, nach außen immer breiter werdend, eng verlegt.

SH Kiel Studenten Jahreszahlen web


Die Jahreszahlen der Kriegsdauer sind in die zweite, frei gebliebene Hälfte des Stelenrings eingemeisselt:

1914 – 1918

SH Kiel Studenten Hill web


Mit diesem Foto vom Februar 2001 dokumentiert Dr. Thomas Hill in seinem Beitrag zum »Ehrenmal« der Christian-Albrechts-Universität (siehe Link zum Download weiter unten) den schlechten Zustand der fünf Säulen.

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Der Blick durch die Stelen und das metallene Geländer der Bastion über den tiefer liegenden Teil des Schloßgartens.

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Aus der Geschichte

Die Universität plante ab 1924 ein Denkmal für die 541 Studenten und 17 Dozenten, die als Soldaten in den Krieg gezogen waren und getötet wurden. Doch erst 1931 beauftragte sie den Architekten Gustav August Munzer und entschied sich für seinen Entwurf, weil er ungegenständlich und deutungsoffen ist: »In einer Zeit politischer Anspannung, auch zwischen Lehrkörper und Teilen der Studenten der Universität, wollte man eine einseitige politische Instrumentalisierung durch überhöhte Stilisierung des Gefallenengedenkens verhindern.« (kiel-wiki.de)

Ergänzend wurden ein Jahr später Bronzetafeln mit den Namen der toten Soldaten im Eingangsbereich des heute nicht mehr erhaltenen Universitätsgebäudes angebracht.

Im Internet, etwa bei Google Maps, können wir das Denkmal unter der Bezeichnung »Langemarck-Denkmal« finden. Benannt nach einer Schlacht im ersten Kriegsjahr 1914, bei der angeblich auf deutscher Seite viele kriegsbegeisterte Studenten tapfer gekämpft haben und deren Bedeutung später überhöht wurde.

Kiel-wiki.de schreibt dazu: »Es ist durchaus möglich, dass man in Kiel kurz nach der Errichtung des Ehrenmals oder in der Zeit der NS-Diktatur mit ihrer Propaganda das Ehrenmal ›Langemarck-Denkmal‹ nannte und sich deshalb dieser Namen in der Erinnerung festgesetzt hat.

Die Freie Kieler Studentenschaft hielt am 11. November 1928 die erste Langmarck-Feier in Kiel mit einem Fackelmarsch durch die Innenstadt ab. Die ›Deutsche Studentenschaft‹ beschloss, jährlich an allen deutschen Universitäten der ›Helden von Langemarck‹ zu gedenken. Im Jahr 1929 entzog der Rektor Walter Jellinek der ›Freie Kieler Studentschaft‹ die Anerkennung als akademische Vereinigung. Unter ihm und seinem Nachfolger Rudolf Höber wurde das Ehrenmal ›zur Überwindung des uns zerklüftenden Hasses‹ errichtet: Es sollte nicht die Hochstilisierung des ›heldischen‹ und ›heiligen Opfers‹ symbolisieren, wie sie der Mythos von Langemarck verdichtete. Erst ab 1937 wurden große Langemarck-Feiern abgehalten und der Strandweg zwischen der Seeburg und dem Wall in Langemarck-Ufer umbenannt.«


Auszüge aus Sven Reiß' Essay: Das Kieler »Langemarck-Denkmal« – Nie errichtet und doch steinernes Zeugnis. Von Transformationsprozessen universitärer Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg« auf books.google.de


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Der »Mythos von Langemarck«

»Mit dem Deutschlandlied auf den Lippen opferten sich vor 100 Jahren heldenhaft deutsche Studenten und Schüler bei der Schlacht um ein Dorf in Flandern – dieser Mythos lebt bis heute. Ein großer Unsinn.

Am frühen Morgen des 10. November 1914 sprangen auf ein Pfeifensignal hin 2000 deutsche Soldaten aus ihren Gräben auf. Nahe dem flämischen Langemarck stürmten sie mit aufgepflanzten Bajonetten gegen den Feind – sie liefen geradewegs ins Verderben. An den Hügeln vor ihnen hatten sich erfahrene französische und belgische Soldaten zusammen mit englischen Berufssoldaten eingegraben. Ihr Maschinengewehrfeuer mähte die Angreifer einfach nieder.

Die Meldung, die die Oberste Heeresleitung des Deutschen Reichs am Tag darauf veröffentlichte, liest sich ganz anders. Sie legte den Grundstein für einen bis heute verbreiteten fatalen Mythos: ›Westlich Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesang ›Deutschland, Deutschland über alles‹ gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie.«, so beginnt ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Arnold Wande am 10.11.2014.


Die Veteranenvereinigung des ehemaligen XXVI. Reserve-Korps, das hauptsächlich in den genannten Kämpfen eingesetzt war, stiftete mit Genehmigung Adolf Hitlers 1933 als inoffizielles Ehrenzeichen das sogenannte Langemarck-Kreuz.


SH Studenten Bundesarchiv Bild 183 2006 0124 500 Berlin Langemarck Feier web
Foto: Bundesarchiv, 183-2006-0124-500, CC BY-SA 3.0 DE


11. November 1936, Langemarck-Feier der Berliner Universität während der Ansprache des Generalarbeitsführers Dr. Decker: Alljährlich begeht am 11. November die Berliner Universität das Gedenken an die bei Langemarck gefallenen Studenten. In der alten Aula der Universität wurden die vom Arbeitsdienst zum Studium übergehenden jungen Studenten feierlich verpflichtet.

»Als Belgien und Frankreich im Frühsommer 1940 militärisch besiegt waren, feierte das NS-Regime dies als ›das wahre Ende des Ersten Weltkriegs […], wobei sich die Führung der Zustimmung der meisten Deutschen sicher sein konnte‹. Militärische Gedenkfeiern in Verdun und auf dem Soldatenfriedhof von Langemarck sollten im Herbst 1940 das neue Ende des Ersten Weltkriegs symbolisieren. Man gedachte der Gefallenen unter dem Motto ›Und Ihr habt doch gesiegt‹.

›Langemarck‹ wurde so letztlich von den Nationalsozialisten nicht nur vereinnahmt und instrumentalisiert, sondern auch reichsweit normiert und umgeformt, bis hin zum ›Langemarck-Studium‹, das Arbeiter, Handwerker und Bauern ohne Abitur binnen drei Semestern auf ein Universitätsstudium vorbereiten sollte, sofern sie den ideologischen Kriterien ›rassischer Reinheit‹ und nationalsozialistischem Engagement entsprachen: ›Im Langemarckstudium haben wir zum ersten Male den Gedanken einer nationalsozialistischen Auslese für die Hochschule konsequent durchgeführt.‹

Die große Bedeutung, welche dem Mythos von Langemarck in der NS-Zeit zugeteilt wurde, zeigen die Planungen von Albert Speer zum Bau der ›Welthauptstadt Germania‹. Diese sahen eine ›Universität Adolf Hitler‹ vor, der das Reichssportfeld mit dem Olympiastadion Berlin später zugeschlagen worden wäre. Es sollte dann als architektonischer Höhepunkt eine riesenhafte Langemarckhalle errichtet werden, welche die bereits vorhandene in den Schatten gestellt hätte.

Eine im Zweiten Weltkrieg im besetzten Belgien aus Freiwilligen aufgestellte Division der Waffen-SS trug den Namen ›Langemarck‹.«

Wikipedia, abgerufen am 28. Januar 2022

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Dr.Thomas Hill zum »Ehrenmal«

Der Kieler Historiker hat sich intensiv mit dem Denkmal von G.A. Munzer beschäftigt. Er beschreibt in einem Aufsatz aus dem Jahr 2002 ausführlich »was für eine große Bedeutung dieses Denkmal für die Universität in den zwanziger Jahren besaß, aber auch welche Schwierigkeiten mit der Denkmalstiftung verbunden waren«.

• Thomas Hill, Das Ehrenmal der Christian-Albrechts-Universität für die Toten des Ersten Weltkriegs. Ein Beitrag zum Gefallenengedenken im 20. Jahrhundert. In: Denkmäler in Kiel und Posen, S. 139-164

Download des Beitrags, 14 Seiten, 19MB


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Der Architekt Gustav August Munzer

Sein bekanntestes Bauwerk ist das Marine-Ehrenmal Laboe. Schon 1927 hatte Munzer an einem vom Deutschen Marinebund ausgelobten Architekturwettbewerb teilgenommen. Formal wurde der erste Preis dem Bremer Architekten Heinz Stoffregen zuerkannt, obwohl der Jury der expressionistische Entwurf Munzers besser gefallen hatte. Dieser hätte jedoch die veranschlagten Baukosten von 500.000 Reichsmark bei weitem überschritten. Die Preisrichter empfahlen deshalb, den Entwurf zu verändern. Als Munzer das getan hatte, wurde er mit der Ausführung beauftragt.

Der 1936 abgeschlossene und im Beisein von Adolf Hitler eingeweihte Bau machte Munzer zu einem bekannten Architekten. Nach dem auch in diesen Jahren entworfenen und 1931 fertiggestellten Denkmal der Universität im Kieler Schloßgarten, baute er zum Beispiel 1935 die »Josef-Goebbels-Jugendherberge« in Düsseldorf.

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Das Denkmal für den Krieg 1870/71

Das Denkmal der Universität hebt sich durch seine moderne Form klar von dem in der Sichtachse gegenüber stehenden, klassizistischen Denkmal zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 ab.

SH Kiel Studenten Blick zum Kaiser web


Vom Universitätsdenkmal aus gesehen, erscheint es hier als heller Block am linken Bildrand zwischen den Bäumen. Es ist das älteste der noch erhaltenen Denkmäler in Kiel.

 

SH Kiel Studenten 70 71 Denkmal web


Es entstand zwischen 1873 und 1879. Das »Komitee zur Errichtung eines Kriegerdenkmals« koordinierte die Planung, es bestand aus Mitgliedern des Vereins der Kampfgenossen von 1870/71 und anderen. Das symmetrische, halbrunde Sandsteindenkmal wurde vom Kieler Architekten Heinrich Moldenschardt erbaut. Er gilt als ein Vertreter des Historismus in Norddeutschland. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war er einer der meistbeschäftigten Architekten in Kiel und Schleswig-Holstein. Von den über 30 Gebäuden, die mit ihm in Kiel gebaut wurden, ist die Mehrzahl allerdings im 2. Weltkrieg zerstört worden.

Den szenischen Fries aus Bronze schuf der Berliner Bildhauer und Medailleur Rudolf Siemering. Er hatte den Fries ursprünglich in rötlichem Terracotta ausgeführt. 1905 wurde er wegen zu starker Verwitterung in Bronze gegossen.

Der größte Teil dieses aufwendigen Bauwerks konnte durch Spenden aus der Bevölkerung finanziert werden.

Drei Stufen führen zum halbrunden Denkmalsplatz. Im erhöhten Zentrum steht eine so genannte »Aedicula« (ein kleines antikes Bauwerk), an den Seiten je ein eckiger Pfeiler in der Form eines Obelisken. Dazwischen läuft zweigeteilt ein realistisch gestalteter szenischer Fries im Hochrelief aus Bronze. Er stellt die »Erhebung des gesamten deutschen Volkes« in der Phase der Mobilmachung für den Krieg gegen Frankreich dar. Eingefasst wird er oben und unten von verzierten Kanten und Plattenflächen aus Stein. Unter dem Fries schließen sich umlaufende Steinbänke an, die außen von den siegreichen Löwen in Bronze begrenzt werden.

»Wenn man Platz nimmt, schauen einem die Figuren, die unterlebensgroß sind, über die Schulter. Der Sitzende gehört dazu, das Denkmal umschließt und integriert ihn, verpflichtet ihn, ohne ihn zu überwältigen«, schreibt Günther Kaufmann in Historische Denkmäler in Kiel. Ein Beispiel für den Umgang mit Denkmälern als historische Quellen, in: Demokratische Geschichte Bd 7, S. 261-319, hier: S. 279

Hier der komplette Essay

 

SH Kiel Studenten 70 71 Figuren links web


Ein Zitat von Rudolf Löwenstein läuft in einer Zeile über die obere Steinkante. Löwenstein war ein Aktivist der Revolution 1848/49 (siehe weiter unten), war zeitweise aus Preußen verwiesen und hatte in nationalen Kreisen einen denkbar schlechten Ruf. Es ist bemerkenswert, dass sein Text als Sinnspruch für dieses Kriegerdenkmal ausgesucht wurde.

Die Zeile auf der linken Seite lautet:

NUN IST DIE KETTE WIEDER VOLL, WEH DEM, DER DARAN RÜHREN SOLL! WIR LASSEN PFLUG UND HAMMER, WIR LASSEN

 

SH Kiel Studenten 70 71 Figuren rechts web


Rechts:

BUCH UND KAMMER, IN ARBEIT EINIG UND IN WEHR, MIT GOTT UND UNSERM KAISER, EIN HAUS, EIN VOLK, EIN HEER

 

SH Kiel Studenten 70 71 Mitte web


Die »Aedicula« im Zentrum des Denkmals ist die kleine Nachbildung eines Tempels. In der Antike diente eine »Aedicula« zur Dekoration eines »Sacellum«, eines umfriedeten Heiligtums, wie es für die ältesten römischen Kulte typisch ist. Das umfriedete Heiligtum ist in diesem Fall eine Bronzetafel, auf der die Namen der 26 Soldaten genannt werden, die im Krieg 1970/71 getötet wurden. Die Soldaten sind darauf nach Regimentszugehörigkeit, innerhalb des Regiments nach Dienstgrad geordnet. Sie werden jeweils mit Dienstgrad, Vor- und Nachnamen und Todestag aufgeführt.

 

SH Kiel Studenten 70 71 Wappen web

Bekrönt ist der »kleine Tempel« mit dem Reichswappen von Kaiser Wilhelm I., der am 18. Januar 1871 von den deutschen Fürsten und den Vertretern der Freien Städte im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert worden war.

SH Kiel Studenten 70 71 Widmung web


Unter dem mit Rosetten dekorierten Dachvorsprung folgt die Widmungstafel:

DEN KÄMPFERN
FUER DEUTSCHLANDS EHRE
UND EINHEIT

SH Kiel Studenten 70 71 Kranz web


Siegessymbolik unter der Tafel: Der Sockel ist mit einem Lorbeerkranz und großen Lorbeerzweigen geschmückt.

 

SH Kiel Studenten 70 71 Mosaik web


Im mittlerweile ramponierten Mosaik am Boden des Denkmalsplatzes ist ein weiteres Zeichen der Ehrerbietung zu sehen: Das Ehrenkreuz des 1. Weltkriegs, der Orden für Kriegsteilnehmer.

 

SH Kiel Studenten 70 71 Schlachten Orleans V web

 

In die Innenseiten der stumpfen Pfeiler sind Wappen eingemeisselt, links das elsässische, rechts das lothringische. Der Triumph der Sieger: Mit dem Friedensvertrag war das von deutschen Truppen besetzte Elsass und der nördliche Teil Lothringens dem neu gegründeten deutschen Kaiserreich einverleibt worden. Das neue Verwaltungsgebiet erhielt den Namen Elsaß-Lothringen. Bis zum Ende des 1. Weltkriegs 1918 unterstand es unmittelbar dem Deutschen Kaiser.

Auf den anderen drei Seiten der Pfeiler werden die Orte und Daten der Schlachten aufgezählt, an denen Kieler Soldaten teilgenommen haben:

Gravelotte
18. August 1870
Mehr zur Schlacht von Gravelotte bei welt.de

Beaumont
30. August 1870
Mehr zum Gefecht bei Beaumont bei Wikipedia

Mars la Tour
16. August 1870
Mehr zur Schlacht von Mars la Tour bei Bismarck-Stiftung.de

Vionville
16. August 1870
Mehr zur Schlacht von Vionville bei Wikipedia

Orleans
3. 4. December 1870
Mehr zur Schlacht von Orleans auf knowledgr.com

Villejouan
10. December 1870
Bild von der Schlacht bei Villejouan

Le Mans
10. 11. 12. Januar 1871
Mehr zur Schlacht von Le Mans bei Wikipedia

SH Kiel Studenten 70 71 hinten nah web


Das Monument von hinten: auch hier ist es in der Mitte als »kleiner Tempel« gestaltet. Diesmal ist im oberen Feld Lorbeerkranz und Eichenlaub zu sehen, die große mittlere Fläche ist leer, unten stehen die Jahreszahlen des Kriegs:

1870 - 1871

Insgesamt sieht das Denkmal ziemlich abgerockt aus, eine Grundüberholung steht wohl an. Schon 1952 sollte das Denkmal wegen Baufälligkeit abgebaut und bis zu einem Wiederaufbau im Gartenbauamt eingelagert werden. Doch selbst der Plan einer nur temporären Entfernung des Denkmals rief so starke Proteste der Bevölkerung hervor, dass es schließlich an Ort und Stelle saniert wurde.

SH Kiel Studenten 70 71 Renovierung 09 1973 foto 264 webFoto: Stadtarchiv Kiel, 55.715, Lizenz CC BY-SA 3.0 DE 

Auch im September 1973 wurde das Denkmal vor Ort saniert.


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Der szenische Fries

Im Fries werden Opferbereitschaft und Pflichtbewusstsein des deutschen Volkes idealisiert dargestellt. Seine Wehrhaftigkeit soll herausgestellt und verherrlicht werden. Wir zitieren noch einmal aus Günther Kaufmanns Essay, Historische Denkmäler, S. 279.

»Der Fries nimmt das traditionelle Motiv ›Kriegers Abschied‹ auf. 30 Personen, zu Gruppen zusammengestellt, hören die Signale der Herolde rechts und links von der Mitte. ...

SH Kiel Studenten 70 71 Szene Ordre web


Bauern, Handwerker, Bürger, Akademiker – das Volk wird zu den Waffen gerufen. ...

SH Kiel Studenten 70 71 Szene Veteranen web


Nicht alle können dem Einberufungsbefehl Folge leisten. Frauen, Kinder, Invaliden, Alte und der Pfarrer bleiben zurück, trauern beim Abschied, zeigen in ihren Gebärden aber doch Verständnis für das Notwendige. ...

 

SH Kiel Studenten 70 71 Szene Pflug und Hammer web


In den äußeren Ecken tragen die gerufenen noch Zivil, nach und nach vervollständigt sich die Ausrüstung, bis man im Gleichschritt mit geschultertem Gewehr auf die Herolde trifft. ...

SH Kiel Studenten 70 71 Szene Abmarsch web


Nicht der Schrecken des Krieges wird in dieser realistischen Szenenfolge thematisiert – der Tod ist nur in den Namen der Gefallenen [auf der Bronzetafel in der Mitte des Denkmals] gegenwärtig –, aber auch nicht blinder Gehorsam oder fanatische Kriegsbegeisterung. Die Darstellung lebt aus der Spannung zwischen den vor- und rückwärtsgewandten Blicken, zwischen dem Wunsch nach privatem Glück und der Einsicht in die öffentliche Pflicht.«

SH Kiel Studenten 70 71 Mit Gott web


NUN IST DIE KETTE WIEDER VOLL, WEH DEM, DER DARAN RÜHREN SOLL! WIR LASSEN PFLUG UND HAMMER, WIR LASSEN

BUCH UND KAMMER, IN ARBEIT EINIG UND IN WEHR, MIT GOTT UND UNSERM KAISER, EIN HAUS, EIN VOLK, EIN HEER

»Die Inschrift über dem Fries spricht ebenfalls den Aufbruch an, aber welchen? Der Aufbruch 1870 kannte noch keinen Kaiser, für den man ›Pflug und Hammer‹ liegenließ. Schließt man einen schlichten Anachronismus aus, so meint dieser Spruch das Ergebnis des Krieges, das identifikatorisch genutzt wird. Die Personalpronomen beziehen den Betrachter ein, die Inschrift ist auf die Zukunft gerichtet, sie demonstriert die neue nationale Einheit, warnt den Gegner und verspricht dasselbe Verhalten im Wiederholungsfall. Der Erfolg des Krieges verleiht dem Heldentod Sinn, daraus resultiert der Vorbildcharakter des Dargestellten.« (Kaufmann, Historische Denkmäler, S. 279)

SH Kiel Studenten 70 71 Szene Pastor web


Der Pfarrer segnet den jungen Mann, der nun in den Krieg ziehen soll, getreu der Inschrift auf dem Denkmal und dem dann im 1. Weltkrieg allgegenwärtigen Spruch: »Mit Gott und unserem Kaiser«.

 

SH Kiel Studenten Rudolf Siemering Germaniadenkmal Berlin 1871 web


Der Bildhauer und Medailleur Rudolf Siemering hat den von ihm gestalteten Fries mehrfach verwendet. Das erste Mal in Berlin am Fuß des Germania-Denkmals. Dieses Bauwerk war eine temporäre Festdekoration am Stadtschloß aus Holz und Gips zum Einzug der aus dem Krieg 1870/71 heimkehrenden siegreichen Truppen.

 

SH Kiel Studenten Kriegerdenkmal 1 Schlesischen JaegerBataillons webZwei historische Bilder: Wikimedia Commons / gemeinfrei


Das zweite Mal wurde der Fries in Görlitz auf dem Demianiplatz am Kriegerdenkmal 1870/71 in Görlitz in Szene gesetzt. Dies Denkmal ähnelt schon mehr dem Kieler Monument, aber hier ist der Fries aus einem Stück und das Zentrum bildet eine echte Kanone auf einem sarkophagähnlichem Sockel. Der Volksmund nannte es »Kanonendenkmal«.

Der Fries wurde 1873 zunächst in Terrakotta ausgeführt und erst 1898 durch einen Bronzeguss von den Lauchhammerwerken ersetzt. Das Denkmal wurde vermutlich um 1950 abgebaut und eingeschmolzen.

 

SH Kiel Studenten Kriegerdenkmal im Schlossgarten web Stadtarchiv Kiel, 26.717 / gemeinfrei


Hier eine frühe Postkarte des Kieler Denkmals mit dem nun zweigeteilten Fries.

SH Kiel Studenten 70 71 um1900Stadtarchiv gemeinfrei web Stadtarchiv Kiel, 97.886 / gemeinfrei


Um 1900: »Wenn man Platz nimmt, schauen einem die Figuren über die Schulter«.

SH Kiel Denkmal 70 71 Postkarte web


... und noch eine Karte von 1900 mit Denkmal und viel Marine.

 

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Die Einweihung

Das Kriegerdenkmal ist am Sedantag, am 2. September 1879, eingeweiht worden. »Sedantag – was ist das? Nun, im deutschen Kaiserreich – und noch darüber hinaus – war der 2. September der inoffizielle Nationalfeiertag, einen offiziellen gab es nicht. Man feierte die Geburt des deutschen Nationalstaats aus ›Blut und Eisen‹«, sagt Konstantin Sakkas am 2. September 2020 im Deutschlandfunk.

Beitrag im Deutschlandfunk


Unser ehemaliger Studienleiter für Erinnerungskultur Pastor i.R. Ulrich Hentschel schreibt: »Der blutige Sieg in der Schlacht von Sedan und die Kaiserkrönung begeisterten Adel, Militär und Bürgertum im neuen Deutschen Reich. Schon im Frühjahr 1871 gab es eine erste Petition für die Einführung eines jährlichen Sedan-Feiertages, vor allem auch aus kirchlichen Kreisen. Es war im Juni 1872 der westfälische Pastor Friedrich Wilhelm Bodelschwingh, der den 2. September als Datum für ein Dank- und Friedensfest vorschlug. Das sollte dann, wie vom Rheinisch-Westfälischen  Provinzialausschuss für Innere Mission propagiert, gefeiert werden mit dem Absingen patriotischer Lieder, Freudenfeuern und Glockengeläut, mit Umzügen der Veteranen und Offiziere, begleitet von der ›Ortsobrigkeit‹, durch festlich geschmückte Straßen hin zur Kirche, anschließend das Mittagsmahl im Familienkreis und dann wieder Musikkapellen, Festreden sowie Volksbelustigungen aller Art im Freien.«

Was schreibt die Kieler Zeitung am 2. September 1879:
»Um die Einweihung des Kriegerdenkmals in Kiel mitzufeiern, waren heute Nachmittag die Tausende auf den Beinen. Vom Exerzierplatz an durch alle Straßen, die der Festzug passiren sollte, bis an das Denkmal hinan im Schlossgarten standen Tausend und aber Tausend, Mann an Mann. Wie ausgestorben, menschenleer schienen alle anderen Stadtteile. Alles, was gehen konnte, war hingeströmt und bildete mit Frau und Kindern, Verwandten und Freunden Spalier zu beiden Seiten der fahnenreichen, bekränzten und von grünen Laubgewinden durchzogenen Hauptstraßen ...«


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Der Schriftsteller Rudolf Löwenstein

Rudolf Löwenstein (1819 - 1891) war ein deutscher humoristischer und politischer Schriftsteller jüdischer Herkunft. Mit neun Jahren wurde er christlich getauft. Er besuchte das Gymnasium in Glogau und studierte an den Universitäten Breslau und Berlin, wo er auch 1843 promoviert wurde. Mit D. Kalisch und E. Dohm gründete Löwenstein 1848 in Berlin die Zeitschrift »Kladderadatsch«, damals eine der ersten bedeutenden satirischen Zeitschriften Deutschlands. 1849 wurde Löwenstein wegen seiner politisch liberalen Einstellung und seiner Aktivitäten während der deutschen Revolution von 1848/49 durch den Polizeipräsidenten aus Preußen ausgewiesen.

In den deutschen Fürstentümern nahm die Revolution 1848/49 ihren Anfang im Großherzogtum Baden und griff innerhalb weniger Wochen auf die übrigen Staaten des Bundes über. Sie erzwang von Berlin bis Wien die Berufung liberaler Regierungen in den Einzelstaaten und die Durchführung von Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848 in der Paulskirche in der damals freien Stadt Frankfurt am Main zusammentrat. Die Nationalversammlung setzte eine Zentralregierung ein und sah sich selbst als Parlament eines revolutionären, entstehenden Deutschen Reiches.

Nach den relativ rasch erkämpften Erfolgen, wie zum Beispiel Aufhebung der Pressezensur oder Bauernbefreiung, geriet die revolutionäre Bewegung ab Mitte 1848 zunehmend in die Defensive. Bis Juli 1849 wurde der erste Versuch, einen demokratisch verfassten, einheitlichen deutschen Nationalstaat zu schaffen, von überwiegend preußischen und österreichischen Truppen mit militärischer Gewalt niedergeschlagen.

Nach Aufenthalten in Dessau und Leipzig kehrte Rudolf Löwenstein, als der Belagerungszustand aufgehoben war, nach Berlin zurück und nahm seine Arbeit an der Zeitschrift wieder auf. Seit 1863 verfaßte er die »Politische Rundschau« in der »Gerichtszeitung«. Vor seinem Tod erschienen 1890 noch die politischen Gedichte »Aus bewegten Zeiten«.


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Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71

... war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits.

Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. die französischen Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.

Von den großen Schlachten gingen im gesamten Kriegsverlauf alle für Frankreich verloren oder endeten im Patt. Im Februar 1871 fand sich die französische Regierung, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit.

Noch während Paris von deutschen Truppen belagert wurde, proklamierten die deutschen Fürsten und Vertreter der Freien Städte am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser, eine Demütigung für die Franzosen. Hohe Reparationszahlungen und vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich.


»Die Deutung der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Versailler Spiegelsaal als Demütigung Frankreichs gehörte ebenso zum erinnerungspolitischen Konzept des im Kaiserreich vereinten Deutschland wie die alljährliche Zeremonie des Sedantages, an dem der entscheidende Sieg vom 2. September 1870 gefeiert wurde. Doch jede Demütigung zieht die nächste nach sich, und so muss es kaum verwundern, dass Frankreich im Sommer 1919 nach Beendigung des Ersten Weltkrieges seinen Sieg über Deutschland ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles auskostete. Es gehört sicherlich zu den grössten Verdiensten Charles de Gaulles, dass er nach 1945 kein «drittes Versailles» folgen liess, sondern mit dem Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 die Kette gegenseitiger Demütigungen durchbrach.«

Der Historiker Clemens Klünemann in Neue Zürcher Zeitung, 9.1.21

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Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal

Zwischen den beiden eben beschriebenen Denkmälern steht auf freier Rasenfläche ein konventionelles Reiterstandbild auf wuchtigem Sockel, das überlebensgroß Kaiser Wilhelm I. zeigt, der seit 1861 preußischer König und von 1871 bis 1888 deutscher Kaiser war. Die Gesamthöhe beträgt 8,5 Meter. Das »Komitee zur Errichtung eines Provinzial-Kaiser-Wilhelm-Denkmals«, bestehend aus Honoratioren aus Kiel und der Provinz hat es initiiert. 1896 wurde es von Adolf Brütt geschaffen.

»Das Denkmal wurde durch Spenden finanziert, die aufgrund der Begeisterung für den 1888 verstorbenen Kaiser so reichlich flossen, dass es möglich wurde, Adolf Brütt mit der Realisierung zu betrauen. [...] Das Denkmal besaß ursprünglich allegorische Figuren auf den Sockelstufen, die im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurden. Der Kieler Bildhauer Walter Rössler versuchte, die Gußformen der Sockelfiguren durch Gipsmodelle über die Kriegsjahre zu retten; sie wurden aber ebenfalls zerstört. 1972 wurden weitere Kriegsschäden am Denkmal beseitigt und dieses leicht versetzt.« (kiel-wiki.de)

Adolf Brütt (1855 - 1939) zählte um 1900 zu den bedeutendsten deutschen Bildhauern. »Er wirkte vor allem in Berlin und Weimar. Er und sein Schulfreund, der Maler Hans Olde d. Ä., gehörten 1892 zu den Gründungsmitgliedern der Münchener Sezession. 1894 wurde Adolf Brütt als Mitglied in die Akademie der Künste berufen, 1905 gründete er die Weimarer Bildhauerschule.«

Mehr auf kiel-wiki.de


SH Kiel Studenten Wilhelm Denkmal web


Das Denkmal besteht aus Bronze und rötlichem polierten Granit. Seine Einweihung fand am 24. November 1896 im Beisein von Kaiser Wilhelm II. statt. Ein Jahr später erklärte er Wilhelm I. wegen der »Verdienste zur Reichseinigung« zum »Kaiser Wilhelm der Große«. Wilhelm II. förderte den Kult um seinen Großvater, für den zu dessen 100. Geburtstag das riesige Nationaldenkmal in Berlin, etwa 350 Denkmäler in deutschen Städten und zahlreiche Gedenksteine, eingeweiht wurden.

SH Kiel Studenten Wilhelm nah web


Wilhelm I. in Uniform, mit Pickelhaube und mächtigem Backenbart sitzt in stolzer Positur auf seinem Pferd.

Auf dem Sockel sind zwei wichtige Begebenheiten der Schleswig-Holsteinischen Geschichte dargestellt. Mit dem Flachrelief aus Bronze auf der Westseite des Reiterstandbilds bedankten sich die Kieler Bürger bei ihm für die »Befreiung von der dänischen Fremdherrschaft«.

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Es zeigt eine Szene aus dem Gefecht von Eckernförde 1849, bei dem die Zerstörung des dänischen Kriegsschiffs Christian VIII. zur »Befreiung Schleswig-Holsteins« beitrug.

Mehr auf geschichte-s-h.de

 

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Auf dem Relief der Ostseite wird die Grundsteinlegung des Kaiser-Wilhelm-Kanals, der heute Nord-Ostsee-Kanal heißt, ins Bild gesetzt.

»Am 3. Juni 1887 erfolgt die Grundsteinlegung durch Kaiser Wilhelm I. im Kieler Stadtteil Holtenau mit großem Pomp. Vor 1.000 Ehrengästen und imposanter Kulisse mit Schiffsparade schlägt der Monarch mit einem Hammer mehrfach auf den Stein. Zwei Tage lang dauern bereits diese Feierlichkeiten. Weniger ausgelassen geht es in den nächsten acht Jahren zu: Mehr als 8.000 Arbeiter sind zehn Stunden pro Tag für 30 Pfennig Stundenlohn im Einsatz, um die ehrgeizigen Baupläne zu realisieren.«

Mehr auf ndr.de


»Mit diesem Relief setzte [Bildhauer] Brütt seinem Lehrer Müllenhoff ein Denkmal, indem er ihn darauf mit einem Schurz als Freimaurer darstellte.« (kiel-wiki.de)
 

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Die Inschrift darunter gilt allerdings dem Reiterstandbild und nicht dem Kanal:

ERRICHTET IM JAHRE 1896

 

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Auf dem Gegenstück auf der Westseite lesen wir die Widmung:

WILHELM DEM ERSTEN
DAS BEFREITE SCHLESWIG-HOLSTEIN

Diese Wilhelm I.-Bezeichnung wirkt ungewohnt, fast wie eine Hinführung zu seiner später erfolgten Beförderung zu Wilhelm dem Großen.


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2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

Aus einer breiten Bewegung gegen den Irak-Krieg war 2003 das Antikriegsbündnis Kiel entstanden. Dazu gehörten u.a. SchülerInnen, GewerkschafterInnen, MigrantInnen, Menschen aus dem kirchlichen Bereich sowie politische Gruppen. 2014 organisierte das Bündnis die Antimilitaristischen Stadtrundfahrten um sich die lokalen Gegebenheiten anzuschauen: den Militär- und Rüstungsstandort Kiel.

Broschüre »Militär und Rüstung in Kiel«


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I N H A L T
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Das Denkmal
Der Bildhauer Fritz Theilmann
Tafel des Ingenieuroffizierskorps der Marine
Hans Schellhorn
Die Tafel der Deckoffiziere
Die Petruskirche
Großadmiral Alfred von Tirpitz
Der Treueeid der Soldaten
Karriere bei der Bundeswehr?
Der Flandernbunker
2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

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Kiel, Die Landeshauptstadt

An der Petruskirche, Weimarer Straße in Kiel-Wik

Admiral Tirpitz, 1898 Staatssekretär im Reichsmarineamt, hatte mit zwei Flottengesetzen den Aufbau der deutschen Marine vorangetrieben. Sein Argument: die deutsche Flotte muss so stark sein, dass ein Kampf gegen sie für jede Flotte der Welt, auch für die englische, ein Risiko ist. Die Wiker Bucht wurde daraufhin seit 1900 zu einem der größten Kriegshäfen Deutschlands ausgebaut. 16 Kasernen, ein großer Torpedobootshafen, ein Marinelazarett, ab 1913 die Ingenieur- und Deckoffizierschule usw. prägten nun das Bild des Kieler Stadtteils Wik. Vor dem 1. Weltkrieg waren dort 32.000 Mann des aktiven Militärs stationiert, das waren über 14% der Kieler Bevölkerung.

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Von 1905 bis 1907 wurde dann – von Admiral Tirpitz beauftragt – auf dem Kasernengelände die Petruskirche als neue Garnisonskirche erbaut.

SH Kiel Torpedo weit web
Foto: Jan Petersen


Im Bogengang rechts neben dem Eingang der Petruskirche befindet sich das Denkmal für die im 1. Weltkrieg gestorbenen Soldaten der Torpedowaffe. Admiral Tirpitz war erster Inspekteur des Torpedowesens, deshalb lag es für die Kameraden nahe, ihr »Ehrenmal« an diese Kirche zu setzen. Es wurde von der Kieler Kunst-Keramik AG hergestellt, der Entwurf stammt von Marine-Baurat Walter Kelm und dem Bildhauer Fritz Theilmann. Am 10. September 1927 wurde, nach einem Gedenkgottesdienst anläßlich des 40jährigen Bestehens der Torpedowaffe, das Denkmal eingeweiht. Marineoberpfarrer Johannes Dehmel führte die Zeremonie durch.

SH Kiel Petruskirche Loewe weit web


Ein mannshoher, vorwärts schreitender, aber rückwärts blickender Löwe aus glasiertem, rötlichem Steinzeug steht auf einem Sockel am Ende des Bogengangs, dem sogenannten »Klostergang«. Das Denkmal ist 2,6 Meter hoch, 2,2 Meter breit und 0,6 Meter tief.

 

SH Kiel Petruskirche Loewe nah web


Der Bildhauer Fritz Theilmann hat Reisen in den Orient, Syrien und Palästina unternommen und ist in der Folge wohl auf die Idee zu dieser babylonisch-assyrisch inspirierten Löwendarstellung gekommen. Jan Petersen von sh-kunst.de: »Theilmann verband sie mit der expressiven Formensprache seiner Zeit«.

SH Kiel Petruskirche Loewe Kopf web


»Im zeitgenössischen Verständnis signalisierten die Löwenfiguren dem Betrachter, dass die Gefallenen ihren Kampf eigentlich nicht verloren hatten und er nicht vergebens gewesen war.«

Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland, Bd.4: Weimarer Republik, Heidelberg 1985, S.407


Der Löwe mit geöffnetem Maul und gefletschten Zähnen blickt rückwärts. Diese Haltung des brüllenden Löwen, zurückgucken und kraftvoll vorwärtsgehen, ist dem revanchistischen Gedankengut der Zeit geschuldet.

Lorentana de Libero, Professorin an der Uni Potsdam und der Führungsakademie der Bundeswehr schreibt uns: »Der Löwe blickt brüllend zurück und trabt aufgereckt nach vorn: Gedenken, (trotzige) Trauer, kraftvolle Nachfolge (Rache?), erneutes Voranschreiten in eine glorrreichen Zukunft einer wieder erstarkten Torpedowaffe/Marine?, es könnte alles sein. Jedenfalls handelt es sich hierbei offensichtlich um ein eher aggressives Löwenstandbild, nicht um einen sogenannten ›schlafenden‹ Löwen.«

Wir danken Frau de Libero für ihre Expertise.


Mehr zum Versailler Vertrag

Mehr zur »Dolchstoßlegende«


SH Kiel Petruskirche Loewe Pfoten web


Zwei der kraftvollen Tatzen des Keramiklöwen in Theilmanns »markanter, herrschaftlich wirkender Formensprache«.


SH Kiel Petruskirche Loewe Inschrift web


Die Widmung auf den glasierten Fliesen des Sockels lautet:

UNSEREN 1914– (Eisernes Kreuz) 18 GEFALLENEN
KAMERADEN DER TORPEDOWAFFE

Laut Wikipedia ist ein Torpedoboot ein kleines, schnelles Kriegsschiff, das von etwa 1880 bis 1945 gebräuchlich war. Es wurde entwickelt, um den neu erfundenen schraubengetriebenen Torpedo einsetzen zu können. Ein Torpedo ist eine Unterwasserwaffe mit eigenem Antrieb und einer Sprengladung. Er zündet bei Kontakt oder bei Annäherung an ein Ziel. Dazu musste das Boot die Torpedos relativ nahe an die gegnerische Schlachtlinie heranbringen und entsprechend schnell und wendig sein, außerdem eine geringe Silhouette besitzen, um spät erkannt zu werden und ein kleines Ziel abzugeben.

Auf der rechten Seite des Sockels ist eine Fliese mit folgendem Text vermauert:

ES STARBEN
FÜR DAS VATERLAND
1328 OFFIZIERE
DECKOFFIZIERE
UNTEROFFIZIERE
UND MANNSCHAFTEN,
ES SANKEN
IM KAMPFE 103
TORPEDOBOOTE


Harmut Häger schreibt zur Bedeutung des Begriffs ›Vaterland‹ in seinem Buch ›Kriegstotengedenken in Hildesheim‹: »Das ›Vaterland‹ forderte bedingungslose Treue und ließ keine Frage nach der Rechtmäßigkeit des Krieges, der Befehlshaber oder der Befehle zu. Die absolute Treue wiegt die Schmach der Niederlage auf – man ist wenigstens treu geblieben, dem Eid, dem Vaterland, einer Idee, sich selbst ...«


SH Kiel Petruskirche Loewe EK web


In der Mitte der Widmung ein Eisernes Kreuz mit preußischer Königskrone und »W« für Wilhelm II, der das EK ab dem 8. August 1914 durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu dem deutschen Orden machte. Auf Kriegerdenkmälern wird das EK den Soldaten posthum und kollektiv verliehen für – nach Meinung der Stifter – durch den Kriegstod erwiesene Tapferkeit und Treue der Soldaten.

 

SH Kiel Petruskirche Loewe Signet web 

 Das Signet des Bildhauers und der Keramik AG.

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Der Bildhauer Fritz Theilmann

Der Website SH-Kunst.de verdanken wir diese Informationen: »Friedrich (Fritz) Theilmann wurde am 28. Dezember 1902 in Karlsruhe geboren. Nach einer Architektenausbildung studierte er ab 1921 Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Künste Karlsruhe, war Meisterschüler von Georg Schreyögg. Währenddessen verdiente er seinen Lebensunterhalt an der Staatlichen Majolika-Manufaktur. Verschiedene Reisen in den Orient, nach Syrien und Palästina beeinflussten seine spätere künstlerische Entwicklung. [...] Nach Kriegsteilnahme und Gefangenschaft zog er nach Kieselbronn und arbeitete als Schmuckdesigner in Pforzheim. Als freischaffender Künstler schuf er ab 1959 Skulpturen für Kriegsdenkmäler [...]. Fritz Theilmann starb am 7. August 1991 in Kieselbronn bei Pforzheim.«

 

SH Kiel Torpedo Heimkehrer Rabanus Flavus Wikimedia CommonsFoto: Rabanus Flavus / Wikimedia Commons


Diese Statue von Fritz Theilmann heißt ›Griff in die Freiheit‹, sie steht in Goslar auf dem Kaiserpfalzgelände. Ein Soldat schiebt eigenhändig Zaunpfähle und Stacheldraht zur Seite und tritt aufrecht und selbstbewußt in die Freiheit. 1955 hatte der Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V. (VdH) die Figur bei Prof. Theilmann in Auftrag gegeben.

Der VdH hatte sich 1950 gegründet und wollte auf die damals noch in Gefangenschaft befindlichen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS aufmerksam machen. Das waren zu der Zeit »die durchweg als ›Kriegsverbrecher‹ verurteilten Gefangenen« (Deutschlandfunk) in den Lagern der Sowjetunion. 1955 fuhr Konrad Adenauer nach Moskau, die Russen wünschten sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Vertreter der Sowjetunion sagten nach zähen Verhandlungen zu, dass »9626 Kriegsgefangene und eine größere Zahl von Zivilinternierten umgehend nach Deutschland zurückkehren würden, wenn der Bundeskanzler in die Aufnahme diplomatischer Beziehungen einwilligte und außerdem zusagte, dass Ermittlungen der deutschen Justiz gegen 450 der Überstellten, darunter auch KZ-Aufseher, aufgenommen würden« (Deutschlandfunk). Adenauer schlug ein und kehrte im Triumph nach Deutschland zurück.

SH Kiel Torpedo Medaille web

Der Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e.V. benutzte das Motiv auch für seine Medaillen.

SH Theilmann Friedland web


Im Grenzdurchgangslager Friedland wurde 1955 ein Abguss der Skulptur von Fritz Theilmann als »Mahnmal der Heimkehrer«  eingeweiht.

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Tafel des Ingenieuroffizierskorps der Marine

Die Bronzetafel befindet sich im äußeren Eingangsbereich der Petruskirche auf der rechten Seite. Der Bildhauer und Baukeramiker Hans Schellhorn hat sie entworfen.

 

SH Kiel Petruskirche Tafel Korps web


In zwei Spalten werden die toten Kameraden des Ingenieuroffizierskorps aufgezählt, geordnet nach Dienstgraden. Es beginnt mit dem Chef ›Der Marine-Ober-Stabsingenieur Klein‹ und geht dann die Hierarchieleiter runter über ›Die Marine-Oberingenieure‹ (46 Mann), ›Die Marine-Ingenieure‹ (58), ›Die Marine-Oberingenieure-d.R.‹ (4), ›Die Marine-Ingenieure-d.R.‹ (18), ›Die Mar.-Ing.-Ob.-Aspiranten (22), ›Die Mar.-Ing.-Aspiranten‹ (54), ›Die Mar.-Ing.-Applikanten‹ (12) bis zu den beiden ›Mar.-Ing.-Aspiranten-d.R.‹.

Überwiegend sind nur die Nachnamen genannt, sie werden durch einen Punkt auf Mitte getrennt.

 

SH Kiel Petruskirche Tafel Korps oben web


Im oberen Dreieck der Bronzetafel beginnt die Widmung mit einem Eisernen Kreuz, flankiert von Eichenzweigen. Darunter lesen wir:

In treuester Pflichterfüllung fielen
für ihr geliebtes Vaterland während des
Weltkrieges 1914 - 1918 vor dem Feinde
unsere Kameraden

»Dass dieses ›Vaterland‹ aus dem Streben nach europäischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet.« schreibt Kerstin Klingel in ›Eichenkranz und Dornenkrone‹.

 

SH Kiel Petruskirche Korps unten web


Im unteren Dreieck setzt sich die Widmung der Stifter fort:

Zu Ehren und zum Andenken an die Helden
in wehmütiger, aber stolzer Trauer errichtet
vom Ingenieuroffizierkorps der
Marine

Der Text schließt mit gekreuzten Lorbeerzweigen ab.


Der Tod eines Soldaten muss erklärt und gerechtfertigt werden und er begründet eine spezifische Erinnerungspflicht. Wobei es nicht die Toten sind, die die Lebenden dazu verpflichten könnten, es sind immer die Überlebenden, die als Denkmalstifter die Getöteten für ihre Zwecke benutzen, sie als Helden, als Retter des Vaterlands, als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung benennen, deren Tod nicht sinnlos gewesen sein darf.

Bis 1945 benutzen die Nationalsozialisten die toten Soldaten für eine Verpflichtung an die nachfolgende Generation, ihnen an Kampfesmut und Opferbereitschaft nicht nachzustehen.

 

SH Kiel Petruskirche Korps Schrift web


Nach nicht nachvollziehbarer Entscheidung sind manchmal in kleiner bis winziger Schrift Vornamen, Namenszusätze oder Eichenblätter eingefügt worden.

 

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Hans Schellhorn

Hans Schellhorn, Jahrgang 1879, ist in Kiel geboren und war später als Bildhauer und Baukeramiker meist in Berlin tätig.


SH Kiel Petruskirche Schellhorn web


So wurde 1933 ein Werk von Hans Poelzig auf Betreiben von Joseph Goebbels vom Berliner Rundfunkhaus entfernt und durch die Figurengruppe »Symbol der Rundfunkeinheit« von Hans Schellhorn und Hermann Fuchs ersetzt.

 

SH Kiel Torpedo Schellhorngruppe 1933 web


Die Gruppe besteht aus einem SA-Mann in der Mitte, der den Hitlergruß zeigt. Rechts und links flankiert von einem ›Arbeiter der Hand‹ und einem ›Arbeiter der Stirn‹.

 

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Tafel der Deckoffiziere

Im äußeren Eingangsbereich der Petruskirche auf der linken Seite hängt die bronzene Gedenktafel für 718 Deckoffiziere der Kaiserlichen Marine, die im 1. Weltkrieg starben.

 

SH Kiel Petruskirche Tafel Deckoffiziere web


Im oberen halbrunden Abschluss lesen wir unter einem Eisernen Kreuz:

DEM ANDENKEN
der 718 Deckoffiziere d. kaiserl. Marine,
die im Weltkriege 1914-18 ihren
Treueid mit dem Tode besiegelten,
gewidmet
vom
BUND DER DECKOFFIZIERE

In zwei verschiedenen Schriften, sehr eng gesetzt, meist ohne Wortzwischenräume und mit Linien über manchen Kleinbuchstaben ist die äußere Form der Widmung ein typografisches Kunstwerk. Dem Sinn nach feiert sie die Treue der toten Soldaten. So, als ob das Sterben die Erfüllung ihres Lebens, die Bestimmung des soldatischen Auftrags ist.

 

SH Kiel Petruskirche Schiff web


Die unteren Ende der Tafel sehen wir das Relief eines Kreuzers in hoher Brandung vor einer großen untergehenden (oder in Zeiten des Revanchismus eher einer aufgehenden) Sonne.


SH Kiel Wik Notgeld Emden web


Das dargestellte Relief gleicht dem Kreuzer S.M.S. Emden. Im Alleingang startete die Emden 1914 einen tollkühnen Seekrieg im Indischen Ozean. Sie brachte 23 Handelsschiffe auf und war damit der erfolgreichste Kaperfahrer der kaiserlichen Flotte. Dazu eine filmreife Flucht – damit war der Mythos des Kreuzers Emden geboren. Notgeld (wie oben zu sehen), Postkarten, Verfilmungen, Bücher, Modellbausätze (»ein echtes Highlight in jeder Modellvitrine«) in großer Zahl und bis in die heutige Zeit feiern den Mythos des Kriegsschiffs.

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Die Petruskirche

1904 wurden die Karlsruher Architekten Curjel & Moser mit der Planung beauftragt, 1906 erfolgte die Grundsteinlegung im Beisein des Stationschefs, Admiral Prinz Heinrich von Preussen, dem jüngeren Bruder von Kaiser Wilhelm II. Am 18. Dezember 1907 wurde die neue Garnisonskirche geweiht.

Großadmiral von Tirpitz hatte angeordnet, dass aus städtebaulichen Gründen von der Regel die Kirchen nach Osten auszurichten abgewichen werden sollte. Die Petruskirche wurde um 90 Grad gedreht und erhielt so eine bessere Wirkung.

Christa Geckeler schreibt 2007 zu den Kieler Erinnerungstagen ›18. Dezember 1907 | Einweihung der Petruskirche in der Wik‹: »Schon von Weitem kündigten sich vom Süden kommend die Wiker Kasernenanlage durch den Kirchturm der Garnisonkirche an. Außerdem entstand ein großer Kirchenplatz, der dem Turm auch aus der Nähe eine bedeutende Wirkung verleiht und einen Aufmarschplatz der Truppen inmitten der Garnison schuf.«


SH Kiel Wik 1907 web2Foto: Stadtarchiv Kiel, 27.860, Hermann Edlefsen, gemeinfrei

Die Petruskirche um 1907 mit dem Aufmarschplatz. Der Bogengang, in dem heute das Löwendenkmal steht, wurde erst später angebaut.

 

1944 durch Bomben teilweise zerstört, konnte die Petruskirche vor allem durch Spenden der amerikanischen Sektion des Lutherischen Weltbundes 1949 innerhalb von zwei Monaten wieder aufgebaut werden.

Lesen Sie mehr dazu auf www.kiel.de

 

SH Kiel Petruskirche Eingang web


Wegen der hervorragenden Akustik durch den offenen Dachstuhl und die Holzbalkenkonstruktion wird die Kirche heute nicht nur für gemeindliche Gottesdienste genutzt, sondern auch für Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen.

 

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GrossAdmiral Alfred von Tirpitz

Er gilt als Begründer der deutschen Hochseeflotte. Sein Ziel war es, eine Flotte zu schaffen, die zwar die Stärke der britischen Flotte nicht erreichen, jedoch für die Seemacht Großbritannien zumindest eine Bedrohung im Falle eines Krieges gegen das Deutsche Reich darstellen sollte. So kam es zum Deutsch-Britischen Wettrüsten.

Spätestens ab 1905 war klar, dass Deutschland das Wettrüsten nicht annähernd gewinnen konnte. Trotzdem lehnten es Tirpitz und Kaiser Wilhelm II. strikt ab, über Rüstungsbegrenzung auch nur nachzudenken. Tirpitz geriet in Konflikt zu Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, der eine Politik der Verständigung gegenüber Großbritannien betrieb und die Flotte als Instrument der Defensive betrachtete. Am 12. März 1916 reichte Tirpitz sein Rücktrittsgesuch als Staatssekretär des Marineamtes ein, das vier Tage später bewilligt wurde.

SH Kiel Torpedo Alfred von Tirpitz Wikimedia Commons web


Großadmiral von Tirpitz: immer zu erkennen an seinem »Gabelbart« und seiner Ordensbrust.


Mit Allerhöchster Kabinettsorder erhielt er 1911 den Rang und Titel eines Großadmirals verliehen, wobei ihm aber kein Großadmiralstab verliehen wurde und er auf den Schulterstücken nicht die gekreuzten Marschallstäbe tragen durfte. Die Erlaubnis, den Rang »Großadmiral« zu führen, war als Auszeichnung für seine Verdienste beim Aufbau der Marine gedacht. Die vollen Insignien eines Großadmirals blieben ihm versagt, weil er nie ein Seekommando als Flottenbefehlshaber geführt hatte. Vielleicht war er deshalb so stolz auf seine Ordenssammlung.

 

SH Kiel Torpedo Ordensnachlass Alfred von Tirpitz web
Foto: WerWil / Wikimedia Commons

Die Orden aus seinem Nachlass, ausgestellt im Internationalen Maritimen Museum Hamburg.


Seine militärische Karriere beendete er am 15. März 1916 mit dem Eintritt in den Ruhestand.

1917 war Tirpitz Mitgründer und Vorsitzender der alldeutsch und nationalistisch orientierten Vaterlandspartei, hier sammelten sich die Gegner einer Friedensresolution, die den 1. Weltkrieg beenden sollte. Der rechtsradikale Wolfgang Kapp war sein Stellvertreter. Im Sommer 1918 hatte die Partei über 1,25 Millionen Mitglieder. Intern gab es Aufrufe zum Staatsstreich von rechts unter der Führung von Hindenburg und Ludendorff, notfalls auch gegen den Kaiser.  

Ab 1924 war Tirpitz als Abgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) Mitglied des Reichstags. 1930 starb er in der Nähe von München.

Seine Biografie auf LeMO, Deutsches Historisches Museum Berlin

Alfred von Tirpitz auf Wikipedia 

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Der Treueeid der Soldaten

718 Deckoffiziere der kaiserlichen Marine haben im 1. Weltkrieg »ihren Treueid mit dem Tode« besiegelt. Das lesen wir auf der Gedenktafel vom Bund der Deckoffiziere.

SH Kiel Petruskirche Tafel2 Treueeid web


Hartmut Häger hat in seinem Buch ›Kriegstotengedenken in Hildesheim‹ (Gerstenberg 2006, S.53f) die Formeln des Fahneneids von 1914 bis heute zusammengestellt:

»Preußische Armee
›Ich (Vor- und Zuname) schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmächtigen einen leiblichen Eid, daß ich seiner Majestät dem König der Preußen Wilhelm II., meinem allergnädigsten Landesherren, in allen und jeden Vorfällen, zu Land und zu Wasser, in Kriegs- und Friedenszeiten und an welchen Orten es immer sei, getreu und redlich dienen, Allerhöchstdero Nutzen und Bestes befördern, Schaden und Nachteil aber abwenden, die mir vorgelesenen Kriegsartikel und die mir erteilten Vorschriften und Befehle genau befolgen und mich so betragen will, wie es einem rechtschaffenen, unverzagten, pflicht- und ehrliebenden Soldaten eignet und gebühret. So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum und sein heiliges Evangelium!‹
(Jüdische Soldaten: ›So wahr mir Gott helfe!‹)

Reichswehr
›Ich schwöre Treue der Reichsverfassung und gelobe, dass ich als tapferer Soldat das Deutsche Reich und seine gesetzmäßigen Einrichtungen jederzeit schützen, dem Reichspräsidenten und meinen Vorgesetzten Gehorsam leisten will‹ (bis 2. August 1934)

Wehrmacht
›Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des deutschen heiligen Reiches, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingt Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.‹ (ab 2. August 1934)

Bundeswehr
›Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.‹

Nationale Volksarmee
›Ich schwöre: Der Deutschen Demokratischen Republik, meinem Vaterland, allzeit treu zu dienen und sie auf Befehl der Arbeiter-und-Bauern-Regierung gegen jeden Feind zu schützen.
Ich schwöre: An der Seite der Sowjetarmee und der Armeen der mit uns verbündeten sozialistischen Länder als Soldat der Nationalen Volksarmee jederzeit bereit zu sein, den Sozialismus gegen alle Feinde zu verteidigen und mein Leben zur Erringung des Sieges einzusetzen.
Ich schwöre: Ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter und wachsamer Soldat zu sein, den militärischen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten, die Befehle mit aller Entschlossenheit zu erfüllen und die militärischen und staatlichen Geheimnisse immer streng zu wahren.
Ich schwöre: Die militärischen Kenntnisse gewissenhaft zu erwerben, die militärischen Vorschriften zu erfüllen und immer und überall die Ehre unserer Republik und ihrer Nationalen Volksarmee zu wahren.
Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Strafe der Gesetze unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.‹«


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Karriere bei der Bundeswehr?

Auf dem Weg zum Karrierecenter der Bundeswehr kommt man an der Petruskirche mit all ihren Tafeln zum »Gefallenengedenken« und dem starken Löwen zu Ehren der toten Kameraden der Torpedowaffe vorbei. Nennt man das Traditionspflege?

 

SH Kiel Petruskirche Karriereschild web


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Der Flandernbunker

Der dreigeschossige Hochbunker in der Nähe des Marinehafens war im 2. Weltkrieg Flugabwehr- und Notkommando-Zentrale des Kriegsmarinehafens, diente aber auch der Zivilbevölkerung als Zufluchtsort bei Luftangriffen.

SH Kiel Torpedo Flandernbunker web


Er steht seit Anfang 2005 unter Denkmalschutz und wird seit 2001 vom Verein ›Mahnmal Kilian e.V.‹ als Bildungs- und Gedenkstätte genutzt.

www.mahnmalkilian.de


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2014: Antimilitaristische Stadtrundfahrten

Aus einer breiten Bewegung gegen den Irak-Krieg war 2003 das Antikriegsbündnis Kiel entstanden. Dazu gehörten u.a. SchülerInnen, GewerkschafterInnen, MigrantInnen, Menschen aus dem kirchlichen Bereich sowie politische Gruppen. 2014 organisierte das Bündnis die Antimilitaristischen Stadtrundfahrten um sich die lokalen Gegebenheiten anzuschauen: den Militär- und Rüstungsstandort Kiel.

Broschüre »Militär und Rüstung in Kiel«


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I N H A L T
Das Denkmal
Aus der Geschichte
Der Bildhauer Heinrich Missfeldt
»Für uns«
Das Eiserne Kreuz
Der Stahlhelm
... und noch mehr Symbolik
15 Jahre später ...

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Kiel, Die Landeshauptstadt

Vor dem Holstein-Stadion im Stadtteil Wik, Westring 501

Die 1955 entstandene Stele zum Gedenken an die toten Soldaten beider Weltkriege unter den Mitgliedern des KSV Holstein wurde 2010 auf dem Stadionvorplatz neu aufgebaut. Das städtische Stadion ist heute die Heimspielstätte des Fußballvereins Holstein Kiel.

SH Kiel Stele Holsteinstadion weit web


Dies ist die unübersichtliche Situation vor dem Stadion – mittendrin das Kriegerdenkmal. Man mag sich gar nicht den Trubel auf dem Vorplatz bei einem Heimspiel vorstellen. Das Stadion fasst ca. 15.000 Fussballfans. 

SH Kiel Stele Holsteinstadion Stele web


Die rechteckig gemauerte Stele steht auf einem Betonsockel. Front- und Rückseite sind schmal. Die Stele ist ziemlich sicher mit Steinen in ungleicher Größe und in unregelmäßigem Verband verblendet worden. Die Oberfläche gleicht so einem bossierten Rustikamauerwerk.


SH Kiel Stele Holsteinstadion mit Plakette hoch web

 

Die Großbuchstaben und Ziffern sind aufgesetzt. Die Länge der Zeile bestimmt die Länge des Verblendsteins. Auf der schmalen Frontseite lesen wir oben die Widmung:

UNSEREN
TOTEN

Weiter unten wird der Denkmalsstifter genannt:

KSV [Kieler Sportvereinigung]
HOLSTEIN

Darunter ist ein Steinklotz als Kranzhalter eingemauert worden. Siehe auch im Kapitel »Aus der Geschichte«, Volkstrauertag am 16. November 1958.

 

SH Kiel Stele Holsteinstadion Plakette web


Auf der linken Breitseite wird oben die Zeitspanne des 1. Weltkriegs angegeben:

1914 - 1918

Weiter unten ist die gusseiserne Plakette von Heinrich Missfeldt eingefügt, die schon auf dem Vorläuferdenkmal von 1920 zu sehen war. Siehe dazu auch die Kapitel »Aus der Geschichte« und »Der Bildhauer Heinrich Missfeldt«.

Die ovale Plakette ist in verschiedene Segmente aufgeteilt. Ins Auge fallen erst einmal die beiden Figurendarstellungen im Relief: ein Leichtathlet und ein Fußballer im Trikot der Kieler Sportvereinigung. Die beiden Männer – der Linke vielleicht eher ein Jüngling – stehen eng aneinander, eingekeilt zwischen dem oberen Rand der Plakette und dem dekorierten Wappen der Sportvereinigung, auf dessen Rahmen sie stehen. An den Seiten rücken ihnen wiederum die Namenslisten der toten Soldaten sehr nahe – die Andeutung eines Schützengrabens? Auf den oberen Rahmen der Listen haben sie ihre Utensilien abgelegt.

SH Kiel Stele Holsteinstadion Plakette Figuren web


Der Linke ist wohl ein Speerwerfer. Er hält seinen Speer und in der rechten Hand einen Lorbeerkranz, den er über einen auf der Namensliste der toten Soldaten abgelegten Stahlhelm legen will. Sein weiches Gesicht ist geneigt. Der Fußballer legt seinem Kameraden eine Hand auf die Schulter – will er ihn trösten oder leiten? Er entspricht mit seinen kantigen Gesichtszügen und dem forschen Schritt dem Ideal der Zeit, die nun anbrechen soll. Wir sehen seine linke Hand in spezieller Haltung, will Heinrich Missfeldt hier eine »Rachefaust« andeuten? Der Arm liegt auf einem Fußball, oder soll doch eine Kanonenkugel assoziiert werden? Wir merken: Heinrich Missfeldts Darstellung lässt viel Interpretationsspielraum zu. In den Kapiteln »Der Stahlhelm« und »... und noch mehr Symbolik« bemühen wir uns um Aufklärung.

Über zwei Textkästen und in einem weiteren im unteren Bereich der Plakette wird die lange Namensliste der toten Soldaten unter den Mitgliedern der Sportvereinigung geführt. Es sind 86 Tote, die nach ihrem Todestag geordnet sind. Der 1. Weltkrieg endete 1918, zwei Soldaten sind 1919 gestorben. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder sind sie nach Kriegsende ihren Verletzungen erlegen oder sie haben sich nach dem Krieg einem Freikorps angeschlossen und sind dabei gestorben. Heer und Marine mussten in Folge des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 demobilisiert werden und die Freikorps wurden zu Sammelbecken für entlassene Soldaten, die heimatlos waren. Im Baltikum war gleich nach Kriegsende mit der Aufstellung begonnen worden und die baltischen Barone versprachen einen guten Sold. Die Hauptaufgabe war es, den Rückzug des deutschen Ostheeres zu decken und dazu die Bolschewisten lange genug zurückzuhalten. Die letzten Soldaten kehrten Ende 1919 zurück.

 

SH Kiel Stele Holsteinstadion Plakette Wappen Signatur Missfeldt web


Rechts neben den Schuhen der Sportskameraden hat Heinrich Missfeldt sein Signet eingemeißelt.

Darunter sehen wir das virtuos dekorierte Logo der Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900.

 

SH Kiel Wik Holstein Kiel Logo 2000er web

 

Heute ist das Logo kreisrund und etwas modernisiert, aber der Inhalt ist derselbe: In der Mitte das Wappen von Kiel, es zeigt das holsteinische Nesselblatt mit einem gemauerten Boot. Das Boot symbolisiert die Stadtrechte – durch die Assoziation mit einer Stadtmauer ­– sowie die Bedeutung des Hafens für Kiel. Drumherum läuft der Vereinsname.

 

SH Kiel Stele Holsteinstadion Plakette Widmung web


Im untersten, halbmondförmigen Segment der Plakette lesen wir die Widmung der Denkmalsstifter nach dem 1. Weltkrieg:

UNSEREN GEFALLENEN ZUM EHRENDEN GEDÄCHTNIS
KIELER SPORTVEREINIGUNG
HOLSTEIN VON 1900

1914 (Eisernes Kreuz) 1919

Das militärische Ehrenzeichen ›Eisernes Kreuz‹ wird hier den toten Soldaten kollektiv verliehen, egal wie sich der Einzelne tatsächlich verhalten hat.

Was sagt Hartmut Häger in seinem Buch ›Kriegstotengedenken in Hildesheim‹, Gerstenberg 2006 zu den Wörtern in der Denkmalsinschrift?

Zum Beispiel auf Seite 60/61: »An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Auf Seite 33: »Der deutsche Soldat hat sich sui generis heldenhaft verhalten, so wenig wie er dürfen die Reichswehr oder die Wehrmacht in Zweifel gezogen werden. Die von Hindenburg am 18. November 1919 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Reichstags als Erklärung für die Niederlage des Ersten Weltkriegs vorgetragene ›Dolchstoßlegende‹ oder die Proteste gegen die ›Wehrmachtsausstellung‹ über von ihr begangene Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sind Ausdruck der Bemühungen, sowohl die militärischen Institutionen wie auch die ihnen angehörenden Personen der geschichtlichen Realität und damit auch der Verantwortung zu entziehen.«

Auf Seite 29: »Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter.«

 

... und schlußendlich noch ein Zitat von Kurt Tucholsky: »Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

 

SH Kiel Stele Holsteinstadion 2WK web


Die gegenüberliegende Seite ist dem 2. Weltkrieg gewidmet. Oben wird die Zeitspanne genannt:

1939 - 1945

SH Kiel Stele Holsteinstadion Spruch2 web


Darunter der Sinnspruch, den wir selten für die toten Wehrmachtssoldaten im 2. Weltkrieg lesen:

112
HOLSTEINER
GABEN
IHR LEBEN
FÜR UNS

Namen werden dazu nicht genannt. Mehr zum Ursprung der letzten Zeile im Kapitel »FÜR UNS«.

 

SH Kiel Stele Holsteinstadion EK2 web


Ganz unten sehen wir schließlich erneut ein Eisernes Kreuz. Wenn die Größe des militärischen Ehrenzeichens auf der Stele die Wertschätzung der Denkmalsstifter wiedergibt, dann haben die Soldaten der Deutschen Wehrmacht eindeutig gewonnen.

SH Kiel Stele Holsteinstadion hoch Plakate web


Noch ein letzter Blick auf das abwechslungsreiche Umfeld der »Kriegerehrung« vor dem Fußballstadion.

 

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Aus der Geschichte

Heute steht die gemauerte Stele auf dem Vorplatz des Stadions. Der Vorläufer, ein durch Spenden finanzierter großer Findling, stand bereits seit Pfingsten 1920 an der Ostseite des alten Stadions. Die gusseiserne Plakette von Heinrich Missfeldt war damals an diesem Findling angebracht.

Nach dem 2. Weltkrieg, als das zerstörte Stadion wieder aufgebaut wurde, ist zum Gedenken an die toten Soldaten unter den Vereinsmitgliedern – jetzt beider Weltkriege – die gemauerte Stele errichtet worden. Die alte gusseiserne Plakette wurde seitlich an der Stele befestigt, auf der gegenüberliegenden Längsseite mit großem Eisernen Kreuz an die 112 toten Vereinsmitglieder des 2. Weltkriegs erinnert. Die Denkmalsstifter haben sich einen markigen Spruch ausgesucht: »112 Holsteiner gaben ihr Leben für uns«. Wer wollte den Soldaten der Deutschen Wehrmacht da nicht dankbar sein.

Die wiederum durch Spendengelder finanzierte Stele stand seit 1955 auf der Nordseite des Stadions, auf den Zuschauerrängen hinter der alten Gegengerade in Höhe der Mittellinie.

SH Kiel Stadion Kielarchiv 16 11 58 VTT web

Stadtarchiv Kiel 15.432/Fotograf: Friedrich Magnussen CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

Drei Jahre später: Kranzniederlegung am Volkstrauertag, 16. November 1958. Mit der Fußballjugend steht dort vermutlich Präsident Heinrich Ehlers.

 

SH Kiel Stadion Kielarchiv 10 9 61 Frauen web

Stadtarchiv Kiel 80.195/Fotograf: Friedrich Magnussen CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

10. September 1961: Frauen im Spiel um die Norddeutsche Handballmeisterschaft mit spärlich besetzter Tribüne vor dem »Ehrenmal«.

 

SH Kiel Stadion Kielarchiv 12 5 63 Tribuene web

Stadtarchiv Kiel 76.719/Fotograf: Friedrich Magnussen CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

12. Mai 1963: 1. Amateurliga. Für das Spiel Holstein Kiel gegen Itzehoer SV füllt sich die Tribüne allmählich.

 

SH Kiel Stadion Kielarchiv 20 2 71 Zuschauer web

Stadtarchiv Kiel 84.861/Fotograf: Friedrich Magnussen CC-BY-SA 3.0 DE, http://fotoarchiv-stadtarchiv.kiel.de

20. Februar 1971: Eine brodelnde Menschenmenge vor dem »Ehrenmal« zum Achtelfinale des DFB-Pokals.


Durch den Stadionneubau 2006 mit der nun zwölf Meter hohen Nord-Tribüne war die Stele ins Abseits gerückt. In einem Wikipediaeintrag lesen wir dazu: »2010 entschied der Verein deshalb, die Stele am Stadionvorplatz neu zu positionieren und somit den Toten wieder einen würdigeren Platz zum Gedenken zu bieten«.

Nach Wikipedia, abgerufen am 23. Mai. 2023

 

SH Kiel Stele Holsteinstadion weit2 web


Der »würdigere Platz zum Gedenken«: Können Sie die Stele in diesem Wimmelbild entdecken?

Wir danken Oberkirchenrat Dr. Thomas Schaack für seine Fotos der Stele auf dem Vorplatz des Holstein-Stadions, die wir auf dieser Website zeigen dürfen.

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der Bildhauer Heinrich Missfeldt

Er wurde am 20. Dezember 1872 in Suchsdorf bei Kiel geboren und starb am 27. Oktober 1945 in Torgau.

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Seine Eltern waren der Ziegeleibesitzer Detlef Missfeldt und Elsabe Sinn. Nach einer Lehre als Holzbildhauer in Kiel ging er zum Studium nach Berlin. Viele Kriegerdenkmäler in Schleswig-Holstein har er in seinem Atelier in Berlin-Friedenau entworfen. Zum Beispiel das in Bad Segeberg, Glückstadt, Bokel (zum Teil abgetragen), Garding, Husum, Kappeln und eben in Kiel vor dem Holstein-Stadion.


Auf der privaten Website www.friedenau-aktuell.de finden wir folgenden Bericht. Wir zitieren daraus:

»Bildhauer haben es nicht einfach. Das ist bei Richard Scheibe so, der 1937 das Symbol für die Bereitschaft der Luftwaffe und 1939 das Hoheitszeichen mit Adler und Hakenkreuz schuf und in der neuen Zeit 1953 das Ehrenmal für die Opfer des 20. Juli 1944 kreierte, das ist bei Heinrich Mißfeldt so, der 1916 die Skulpturengruppe Wein, Weib und Gesang für den Ratskeller im Rathaus Friedenau schuf und 1936 die Plaketten von Adolf Hitler und Hermann Göring in der Bildgießerei von Hermann Noack in Bronze gießen und von der Aluminium-Werke AG vereinfacht vervielfältigen ließ. [...]

Mit dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg verliert er sein Atelier, da das Anwesen des Italieners Valentino Casal konfisziert, in den Besitz des Bezirksamts Schöneberg kommt und schließlich abgerissen wird. Nach dem Ende des Kaiserreichs rettet er sich mit Kriegerdenkmalen und Grabmalen über die Runden. [...]

Dokumentiert sind seine letzten Arbeiten: Reliefportrait Adolf Hitler, Bronze, Guss von H. Noack, sign. H. Mißfeldt, 7,8 x 8,2 cm, zwei Plaketten ›Adolf Hitler und Hermann Göring‹, Aluminium poliert, Göring goldfarben eloxiert, Hitlerplakette zusätzlich datiert 1936, signiert Heinrich Mißfeldt, Maße H. 8 x B. 8 cm und Reliefbild (Kopf) Adolf Hitler, Sandguss, Aluminium, poliert, hergestellt in der Lehrgießerei der Vereinigte Aluminium-Werke AG Lauta nach einer Vorlage des Bildhauers Heinrich Mißfeldt von 1936. [...]

Die biographischen Angaben zu Heinrich Mißfeldt enden (bisher) mit: † 27. Oktober 1945 in Torgau. Das führt zu Spekulationen. Wie kam er nach Torgau? Dort hatte die sowjetische Geheimpolizei NKWD im August 1945 im Fort Zinna bei Torgau das Speziallager Nr.8 eingerichtet, in dem feindliche Elemente in Gewahrsam zu halten waren. Bekannt ist, dass die Mehrzahl der Gefangenen der NSDAP oder NS-Organisationen angehörte. Heinrich Mißfeldt starb im Alter von 73 Jahren.«

Link zu www.friedenau-aktuell.de


Wir haben diesen Gedanken aufgenommen und eine Anfrage zu Heinrich Missfeldt bei den Sächsischen Gedenkstätten, Erinnerungsort Torgau und an den Suchdienst Deutsches Rotes Kreuz gestellt. Heinrich Missfeldt ist in den Archiven nicht zu finden.

Auf dieser Website stellen wir weitere Kriegerdenkmäler von Heinrich Missfeldt vor:

Schleswig-Holstein Kappeln
Schleswig-Holstein Bad Bramstedt
Schleswig-Holstein Bad Segeberg


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Für uns

»Fern im Osten gähnt ein Grab«

Bei einer Schulfeier für den im Osten gefallenen Lehrer eines Charlottenburger Gymnasiums wurde dieses Gedicht 1915 erstmals vorgetragen. Der Obertertianer Reinhold Samuelsohn hatte es verfasst. Ab 1916 war es dann Schullektüre:

Fern, fern im Osten, da gähnt ein Grab
da senkt man zu tausend die Toten hinab
für uns!

Im Westen, da ragt manch Kreuz schlicht und klein
da liegen sie stumm in langen Reih’n
für uns

Und wo im Winde rauschet das Meer
da gaben sie freudig ihr Leben her
für uns

Sie opferten Zukunft und Jugendglück
sie kehren nie wieder zur Heimat zurück
für uns

Sie gaben ihr Alles, ihr Leben, ihr Blut
sie gaben es hin mit heiligem Mut
für uns

Und wir? wir können nur weinen und beten
für sie, die da liegen bleich, blutig, zertreten
für uns

Denn es gibt kein Wort, für das Opfer zu danken
und es gibt keinen Dank für sie, die da sanken
für uns

Neue Kriegslieder für den Schulgebrauch, Breslau 1916, herausgegeben von Kreisschulinspektor Dr. J. Radtke.

Oft finden wir Zitate aus diesem Gedicht auf Denkmälern zum 1. Weltkrieg. In Haale, Kreis Rendsburg-Eckernförde, sind gleich zwei Strophen daraus verewigt – die 4. und die 5.:

Denkmal in Haale

 

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Das Eiserne Kreuz

»Das Eiserne Kreuz wurde erstmalig 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet. Es war der erste militärische Orden, der nicht nur an Offiziere, sondern auch an einfache Soldaten für ihre militärischen Verdienste verliehen werden konnte. Kurz darauf führte der König die allgemeine Wehrpflicht ein. Das bisherige Söldnerheer wandelte sich zum Bürgerheer und für die Bürger mussten Anreize geschaffen werden, das eigene Leben im Krieg aufs Spiel zu setzen. Damit begann eine neue Zeit beim preußischen Militär: Soldaten waren nicht mehr nur Befehlsempfänger ohne Stimme und ohne Namen, sondern seit dieser Zeit wurden sie zu Vorbildern gemacht, denen nachgeeifert werden sollte. Der König versprach in der Stiftungsurkunde jedem Soldaten für den eventuellen Kriegstod ein Denkmal, das heißt, die Erwähnung auf einem Denkmal. Zumeist wurde das damals als Tafel in einer Kirche realisiert: Zeugnis der engen Verbindung von Monarchie und Kirche.

Das Eiserne Kreuz wurde sehr häufig als Relief auf Kriegerdenkmälern verwendet. Es steht hierbei als solches symbolisch für die Anerkennung der besonderen ›Vaterlandstreue‹ der gefallenen Soldaten. Ihr Tod im Krieg wurde dafür als Beweis gedeutet. Durch die Verwendung des Eisernen Kreuzes auf einem Denkmal sollten die Soldaten posthum für ihr Verhalten ausgezeichnet werden und damit als Vorbilder für die Nachwelt gelten.

Nach 1813 wurde es 1870 von Kaiser Wilhelm I. und 1914 von Kaiser Wilhelm II. neu gestiftet. Auch Adolf Hitler führte 1939 das Eiserne Kreuz als militärische Auszeichnung wieder ein, mit einem Hakenkreuz im Zentrum.

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 44f

 

SH Raisdorf EK Hitlerspruch webFoto: Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv.-Nr. PK 2005/2

Die von Adolf Hitler am 8. November 1939 anlässlich des Überfalls auf Polen ausgesprochene Losung

 

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. 

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Manchmal wird es dort auch als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz verwendet. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z.B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

»Andreas Gabalier besang in Mein Bergkamerad ›eine Freundschaft, die ein Männerleben prägt, wie ein eisernes Kreuz, das am höchsten Gipfel steht.‹ Michael Fischer vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik bezeichnete das als ›gewollte Provokation‹, die kaum ein naiver Zufall sein könne.

Die Agentur für soziale Perspektiven konstatiert: Das Eiserne Kreuz sei neben dem Thorshammer ›das am häufigsten gezeigte Symbol der extremen Rechten‹. Zwar sei es je nach Kontext ›kein explizit rechtes Bekenntnis, doch stets ein Symbol für Militarismus und martialische Männlichkeit.‹

Wikipedia, abgerufen am 16.3.2023

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Der Stahlhelm

Die neuen Methoden der Artilleriekampfes hatten im 1. Weltkrieg zu einem erbitterten Stellungskrieg geführt.

Mehr zum »Modernen Krieg« auf www.regionalgeschichte.net


Er erforderte einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Ein neuer Helm aus Stahl wurde entwickelt, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30.000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.

SH Sprenge Karte web

Die Einführung eines Stahlhelms für die Bundeswehr im Juni 1956 war ein Politikum. Den Forderungen des Militärs nach einem wirksamen Kopfschutz für die Soldaten wurde nur sehr zögerlich entsprochen. Unter keinen Umständen sollte der Helm für die Bundeswehr auf Konstruktionen beruhen, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.

Für den aktuellen »Gefechtshelm, allgemein«, der am 15. Januar 1992 eingeführt wurde, galten diese politischen Bedenken nicht mehr. Der Helm sollte unter Wahrung der modernsten militärischen Gesichtspunkte auch alle Vorteile des Stahlhelms M35 in sich vereinigen.

Die Stahlhelme der alten Form blieben weiterhin im Gebrauch beim Bundesgrenzschutz und der Polizei.

Im Internet bieten eine Menge Militaria-Händler »Original-Stahlhelme der Deutschen Wehrmacht« zum Kauf an. Auch ein »Kinderhelm wie Stahlhelm M35 Wehrmacht Luftwaffe« für 190 Euro ist im Angebot. Ein T-Shirt, das Amazon anpries mit dem Aufdruck »SS-Stiefel, die besten Wanderschuhe aller Zeiten« wurde erst nach scharfen Protesten aus dem Sortiment genommen.

»Früher musste der Wehrmachtsfan noch in schmuddelige Militaria-Läden schleichen oder dreimal nachdenken, ob er seine Adresse bei einschlägigen rechtsextremen Versandhäusern hinterlassen will. Dank Amazon genügt jetzt ein Klick und der Wehrmachtsstahlhelm liegt auf dem Gabentisch«, empört sich die frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke auf www.stimme.de. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagt dazu: »Ein angemessener Schritt wäre, die bisherigen Gewinne aus diesen Produkten an Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu spenden.«

Mehr dazu auf www.stimme.de: Stahlhelm unterm Christbaum


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... und noch mehr Symbolik

Speer

»Der Speer (auch Wurfspieß) ist eine zu den Stangenwaffen zählende Wurf- und Stichwaffe, die aufgrund ihrer Konstruktion besonders gut zum Werfen geeignet ist. Es gibt verschiedene Versionen, die aus Stein, Knochen, Holz oder Metall bestehen. Als Sportgerät sind sie bis heute in Gebrauch. Sie gehören zu den ältesten von Menschen verwendeten Kampf- und Jagdwaffen«, lesen wir bei Wikipedia.

Neben dem symbolischen Wert des Speers (zum Beispiel die ›Heilige Lanze‹ der römisch-deutschen Könige und Kaiser und der Speer Gungnir als Attribut des Gottes Odin) ist auf Kriegerdenkmälern der Verweis auf antike Kämpfer beliebt. Ihre vermeintlich edle Gesinnung im Kampf von Mann zu Mann lässt das Grauen des modernen Stellungskriegs in den Hintergrund treten.

Lorbeerkranz

Im alten Rom wurden siegreiche Waffen mit Lorbeerzweigen umwunden, später wurden den »Helden« von der Siegesgöttin Viktoria Lorbeerkränze gereicht oder auf’s Haupt gesetzt. Hartmut Häger schreibt in seinem Buch ›Kriegstotengedenken in Hildesheim‹ auf Seite 133: »Während des Ersten Weltkriegs sah sich der Lorbeer nationalistischer Verdächtigungen ausgesetzt. Er werde aus ›welschem Feindesland‹ eingeführt und sei deshalb ungeeignet für den Siegeskranz der Gefallenen. Eichen- und Tannenkränze seien dem italienischen Importartikel vorzuziehen. Verdrängen konnte das Eichenlaub den Lorbeer nicht, bedrängen offenbar schon.«

Die Rachefaust

Den »Schmachfrieden von Versailles« zu rächen, auf den nächsten Krieg einzustimmen, dafür steht in der Nachkriegszeit als Symbol die männliche Faust.

»Nicht Schmerz allein künden die starren Züge, da ist noch etwas anderes, da ist mehr als Leiden und Trauer, da ist finstere, aber heilig-feste Entschlossenheit, und die Faust, die sich dort auf dem Schenkel ballt, sie spricht vom stolzen Willen, durchzuhalten, bis dies Herz wieder frei, die Schultern stark geworden sind, um die Bergeslast, die ein hartes Schicksal darüber getürmt hat, in gewaltigem Schwung abzuwälzen.«
Festschrift »Die Denkmals-Einweihung«, Berlin 1924


»Das ist der 82er, der schon den Schmerz, den Groll und den Zorn der unverdienten und unerwarteten Niederlage in sich trägt – die helmbeschatteten Augen, das hagere Gesicht, sie reden deutlich davon – und dem trotz allem oder gerade darum ein unbezwingliches Dennoch auf den trotzigen Lippen liegt, tatengewillt bekräftigt durch die zur Faust geballte Linke.«
Denkmalseinweihung in Göttingen, 23. August 1925

»Die linke Hand umkrampft das bei Fuß gehaltene Gewehr, die rechte hängt geballt herab [...] Der fest geschlossene Mund gräbt zugleich Schmerz und Trauer und unbeugsamen Willen in das hagere Antlitz. Unter dem Stahlhelm hervor blicken Augen voll Sehnsucht und Erwartung auf ein fernes Ziel. Das Standbild ist Symbol des geschlagenen, aber nicht besiegten Volkes, das einer größeren Zukunft entgegenharrt.«
Bergisch-Märkische Zeitung, 1. Juni 1931

»Der ›Held mit der geballten Faust‹ gehört zum Typus des damals gängigen ›trotzigen Kriegers‹, der durch diese Geste [...] den Über- und Nachlebenden die gemeinsam gefühlte Wut anzeigte.«

Alle Zitate zur »Rachefaust« sind Loretana de Liberos Buch ›Rache und Triumph‹, De Gruyter Oldenbourg entnommen.

 

SH Ploen Soldat Faust web2

Dokumentation dieses Denkmals mit Rachefaust, es steht in Plön

Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung werden die Parlamentsdebatten zum Versailler Vertrag beschrieben:

»In den folgenden Jahren nutzten fast ausschließlich NSDAP-Abgeordnete, wie Franz Stöhr, Wilhelm Kube und Gregor Strasser, den Begriff ›Schmachfrieden‹ und instrumentalisierten den Versailler Vertrag, um gegen die Republik und die Demokraten zu agitieren. Der Sozialdemokrat Kurt Löwenstein brachte es im Juni 1925 auf den Punkt: ›Die Herren von rechts (…) wollen (…) auf den Krücken des ›Schmachfriedens von Versailles‹ die schwärmerische Jugend im Geiste der Revanche erziehen und durchbilden.‹«

Link zum Beitrag


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15 Jahre später ...

1935 hat der Bildhauer Georg Kolbe dann für Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern dieses Denkmal geschaffen. Nun ist die Symbolik eindeutig. Nicht nur die Schwertübergabe durch den Älteren an den Jüngeren als Aufforderung zum erneuten Kampf, auch die Inschrift auf dem Sockel: »1914-1918. Ihr seid nicht umsonst gefallen« spricht eine eindeutig revanchistische Sprache. Die Darstellung der Soldaten als antike Kämpfer ist durch den nationalsozialistischen Körperwahn zusätzlich und endgültig ins Absurde abgerutscht.

MP Kolbe Stralsund Archiv Schimanke webFoto: Archiv Margrit Schimanke

Hier ging es nicht darum die toten Soldaten zu betrauern. Es war der Gedanke an Rache und Revanche, der oberste Priorität hatte: Das Sterben der Soldaten dürfe nicht umsonst gewesen sein. Die Nationalsozialisten benutzten diese »Ehrenmäler« um die Bevölkerung und besonders die jungen Männer auf den geplanten Angriffskrieg einzustimmen.


Der Historiker Gerhard Schneider, bis 2008 Professor für Geschichtsdidaktik an der Universität Hannover, schreibt dazu:

»Der Kriegsausgang hatte im Hinblick auf die Entwicklung der Kriegerdenkmäler und des Gefallenengedenkens einschneidende Konsequenzen. Der siegreiche Verlauf des Krieges von 1870/71, die Verwirklichung der langersehnten Reichseinigung und die Aufrichtung des Kaisertums ließen den Gefallenentod in diesem Krieg als sinnvoll erscheinen. Das mit jenem Krieg neugewonnene und durch entsprechende Gesinnungsakte immer wieder erneuerte nationale Prestige und das Gefühl, einer aufstrebenden Großmacht anzugehören, waren hinreichender Trost für die Hinterbliebenen.

Nach dem ersten Weltkrieg konnten sich dergleichen hohe und tröstliche Gefühle nicht einstellen. Die Erfahrung des Massensterbens an der Front, die noch lange nachwirkenden Eindrücke des Stellungskrieges im Westen und der neuen Kampfmittel, dann der für die meisten Menschen überraschende und niederschmetternde Kriegsausgang, die unbegreifliche Niederlage, das Bekanntwerden der immensen Zahl an Kriegsopfern und schließlich die trostlose Perspektive, die das ›Versailler Diktat‹ dem Deutschen Reich eröffnete, verlangten geradezu nach einer Sinngebung des Gefallenentodes. das ›Ihr-seid-nicht-umsonst-gefallen‹, das jede Denkmalseinweihung und jede Kriegergedächtnisfeier begleitete, war als Trotzreaktion der Überlebenden immer auch eine Drohung, daß mit diesem Kriegsausgang das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Kriegerdenkmäler waren in ihrer Formensprache ein bildhafter Ausdruck der uneingestandenen Niederlage. Dem Künstler, der den Auftrag erhielt, ein Kriegerdenkmal zu entwerfen, stellte sich die schwierige Aufgabe, dem Gefühl Ausdruck zu verleihen, man habe zwar den Krieg verloren, fühle sich aber nicht und gelte auch nicht als besiegt. [...]

Die politische Funktionalisierung und Instrumentalisierung des Gefallenentodes durch Denkmalgestalt, Einweihungsfeier und Denkmalsnutzung wurden in dem Maße stärker, wie die Trauer der Hinterbliebenen mit der Zeit abklang oder eine pietätvolle Rücksichtnahme auf die Betroffenheit dieser Personengruppe nicht mehr notwendig erschien. Man gedachte des ›Opfers‹ der Gefallenen in der Absicht, die ›zukünftigen Geschlechter‹ auf bestimmte Werthaltungen und kämpferische Charaktereigenschaften, die den Gefallenen angeblich zu eigen gewesen seien, einzuschwören. In Kreisen des Militärs, der Veteranenorganisationen und der vaterländischen Verbände verband man damit die Absicht, dadurch die unerwünschte pazifizierende Kraft der Trauer neutralisieren zu können. Der Opfertod der Gefallenen behalte nur dann seinen Sinn, wenn das deutsche Volk den Gefallenen im Geiste der Opferbereitschaft und im Geiste der Frontkameradschaft nachzufolgen bereit sei.«

Gerhard Schneider in »erinnern, vergessen, verdrängen«, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1998, S.339f


Der Sockel mit der Inschrift ist seit 1945 verschwunden.

 

MP Stralsund Kolbe im Museum Wolf Karge 2016Foto: Wolf Karge

Auf der Website der Hansestadt Stralsund lesen wir: »Das durch den Bildhauer Georg Kolbe (1877 - 1947) geschaffene 2,50 m große Kriegerehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs wurde am 24. November 1935 am damaligen Hindenburg-Ufer, der heutigen Sundpromenade, eingeweiht. [...] Nach 1945 entfernte man das Denkmal und nach jahrzehntelangem Aufenthalt auf einem Schrottplatz befindet sich die Plastik heute auf dem Gelände des Marinemuseums auf dem Dänholm.«


Die deutsche Geschichte erzählt anhand von Straßennamen: Das Kolbedenkmal wurde 1935 eingeweiht am Hindenburg-Ufer, im Frühjahr 1946 ist es dann vom Thälmann-Ufer entfernt worden und wenn es nicht ins Marinemuseum gebracht worden wäre, stände es heute an der Sundpromenade.

In der Tat ist die Wiedererrichtung nach 1989 wohl kurz diskutiert worden, fand aber keine Mehrheit.


Dr. Wolf Karge referierte in seinem Tagungsvortrag »Ehrenmäler in Mecklenburg-Vorpommern« im Rahmen der Ausstellung »Neue Anfänge nach 1945?«:

Wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkrieges begannen die »Aufräumarbeiten« in der Denkmallandschaft im größeren Stile. Betroffen war aber nur der öffentliche Raum und nicht die Kirchen. Geprägt waren diese Zerstörungen aus einer Mischung von laienhaftem Verständnis von Denkmalkultur, Siegerjustiz der Besatzer, individuell vorauseilendem Gehorsam gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht und undifferenzierten vulgärproletarischen Vergeltungsakten gegen das Junkertum, das Bürgertum und/oder den Nationalsozialismus. Künstlerischer Wert, tatsächliche politische Aussage oder Deutungsmuster spielten dabei kaum eine Rolle. Mitunter entschieden örtliche Kommandeure der Roten Armee ohne Abstimmung mit ihren vorgesetzten Dienststellen. [...]

Aus Stralsund wurde berichtet: »Das Kriegerdenkmal am Thälmann-Ufer von Georg Kolbe ist von seinem ursprünglichen Platz bereits im Frühjahr 1946 auf Anordnung des Oberbürgermeisters entfernt worden.« Hier störte die ikonographische Aussage der Schwertübergabe durch den Älteren an den Jüngeren als Aufforderung zum Kampf mit der Losung im Sockel: »1914-1918. Ihr seid nicht umsonst gefallen«.

Ehrenmäler in MV, Renaissance der Kriegerdenkmäler nach 1990?


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Kurzfilme zu den Denkmälern

Seit ein paar Jahren existiert die Website www.denk-mal-gegen-krieg.de, auf der die Evangelische Akademie sich kritisch mit der bestehenden Erinnerungskultur auseinandersetzt. Die häufigsten Erinnerungsmale an die vergangenen Kriege sind Kriegerdenkmäler, auf denen der Soldatentod verklärt und die zivilen Opfer verschwiegen werden.

An einigen Orten produzieren wir kurze Videos und stellen sie online. Den Film über die Denkmalsanlage in Kleinsolt können Sie hier sehen: bei YouTube> und die Einführung zur Filmreihe bei YouTube>

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I N H A L T
Das Denkmal zum 2. Weltkrieg
Der Psalm 126
Eine Recherche
Die Inschrift
Der Denkmal zum 1. Weltkrieg
Die Inschrift
Die Rückkehr der Soldaten aus dem Krieg
Die Einweihung
Das Eiserne Kreuz
Findlinge

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Kleinsolt, Kreis Schleswig-Flensburg

Auf dem Kirchhof von St. Johannes

Am Ende der weitläufigen Anlage steht mittig der Gedenkstein für die toten Soldaten des 2. Weltkriegs.

SH Kleinsolt 2WK web


Ein breiter Kiesweg führt im Bogen um eine Rasenfläche und aussen an den Namenssteinen dieser Soldaten vorbei, so dass Besucher gewissermaßen in zwei langen Reihen »die Front der Gefallenen abschreiten«. Hinter den Feldsteinen im Erdbeet wird die gepflegte Anlage mit verschiedenen immergrünen Sträuchern abgeschlossen.

 

SH Kleinsolt 2WK ganz web


Am Gedenkstein wurden am Volkstrauertag 2019 für die toten Wehrmachtssoldaten Kranz und Gestecke niedergelegt.

SH Kleinsolt 2WK Inschrift web


Die Inschrift auf dem Findlingsstein lautet:

1939 – 1945
SIE GABEN ALLES
FÜR UNS!

PSALM 126

 

SH Kleinsolt 2WK Gemeindestein web


Weiter entfernt, zwischen den Namenssteinen, steht der größere Stein der Gemeinde als Stifter. Ob die politische oder die Kirchengemeinde gemeint ist, bleibt offen. Die Inschrift:

GEMEINDE
KL.–SOLT

 

SH Kleinsolt 2WK Petersen web

Die Namenssteine nennen Vor- und Nachnamen, Geburts- und Sterbedatum und Sterbeort bzw. der Kriegsschauplatz. Zwei Brüder oder Familienmitglieder werden oft zusammen auf einem Stein genannt.

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Der Psalm 126

Der Herr erlöst seine Gefangenen / Ein Wallfahrtslied. Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. / Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Völkern: Der HERR hat Großes an ihnen getan! / Der HERR hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich. / HERR, bringe zurück unsre Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. / Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. / Sie gehen hin und weinen und tragen guten Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

In der Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart


Psalmen sind die im Alten Testament gesammelten Lieder des Jüdischen Volkes.

Im Psalm 126 wird die Hoffnung des jüdischen Volkes auf Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft beschrieben. Im Kontext der Inschrift kann der Psalm hier nur auf die deutschen Kriegsgefangenen und Kriegsverbrecher bezogen werden, die zu diesem Zeitpunkt noch in der Sowjetunion inhaftiert waren. Angesichts der Kampagnen der Evangelischen Kirche Anfang der 1950er Jahre war der Psalm wohl auch auf die inhaftierten deutschen Kriegsverbrecher bezogen, für deren Freilassung damals die Kirche kämpfte. Den Traum von der Befreiung des Volkes Israel auf gefangene Soldaten und Kriegsverbrecher des 2. Weltkriegs zu übertragen, ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die einer Verspottung des christlichen und jüdischen Glaubens gleichkommt.


SH Kleinsolt Kirche der Heimat 1950 web

• »Wie lange noch …«. Fünf Jahre nach Kriegsende forderte die Evangelische Kirche die Freilassung der kriegsgefangenen Soldaten ebenso wie der verurteilten Kriegsverbrecher. Kirche der Heimat vom April 1950, S. 2


Schon im Mai 1949 war unter dem Titel »Gebt die Kriegsgefangenen und Internierten frei! Die Evangelische Kirche in Deutschland an die Alliierten« in den kirchlichen Blättern ein Aufruf des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands abgedruckt worden, in dem es hieß: »Sorgt für die Freigabe der Internierten! Lasst ab von dem Sonderrecht gegen die Besiegten! Beendet die Auslieferung von Kriegsgefangenen für Kriegsverbrecherprozesse!«


Diese Vorgänge können sie detailliert nachlesen in Stephan Lincks Buch »Neue Anfänge? Der Umgang der evangelischen Kirche mit der NS-Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum. Die Landeskirchen in Nordelbien«, Band 1: 1945-1965, Lutherische Verlagsgesellschaft Kiel, S. 115 - 128

 

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Eine Recherche

Johann Adam vom Kirchenkreis Archiv Schleswig-Flensburg ist ein findiger und geduldiger Sucher. Schon einige Male hat er uns mit ausführlichen Antworten auf unsere Fragen beglückt. Diesmal war die Aufgabe ganz besonders verzwickt:

Wann ist die Denkmalsanlage zum 2. Weltkrieg auf dem Kleinsolter Friedhof errichtet worden? Das interessierte uns sehr, wegen des Zitats aus dem jüdischen Psalm 126 auf dem Hauptstein. Ist er vor 1955 gesetzt worden, als noch knapp 10 000 Sodaten der Wehrmacht und Waffen-SS in sowjetischer Gefangenschaft waren. Sollte damit dann tatsächlich die Geschichte des jüdischen Volks im Exil gleichgesetzt werden mit den deutschen Kriegsgefangenen, die mit der Wehrmacht in der Sowjetunion einmarschiert und nun dort festgesetzt waren?

Er schreibt: »In der Frage der Steinsetzung gibt es bei meinen Recherchen so manche Merkwürdigkeit. In dem eingepflegten Schriftgut gibt es genau in den Zeiträumen, die ich einsehen will kein Material, wahrscheinlich großzügig aufgeräumt, gem. dem Rundschreiben ›Ev.Luth Landeskirchenamt J.Nr. 3543 (Dez I) v. 27.07.1945 Vernichtung alles nationalsozialistischen Materials‹.«

Anfragen beim Heimatverein Angeln, bei diversen älteren Bürgerinnen und Bürgern ... keine Chance!

Aber dann ein erster Erfolg: »Durch den Kontakt mit dem Reg.BauDir. a.D. Hans Otto Tiedemann, der als Autor über Steine in Angeln berichtet hat, konnte ich erfahren, dass seines Wissens und seiner Meinung nach die Kissensteine mit den Namen der Gefallenenn 1947 gelegt wurden und dass dies ein Datum wäre, das auch für die Erstellung des Findlings mit Inschrift infrage käme. Ich habe so einige Personen aufgemischt, aber leider ein festes Datum nicht ermitteln können. Wenn man davon ausgeht, dass 1945 bis 1948 kein Volkstrauertag begangen wurde scheint die Annahme realistisch. 1946 steht im Sakristeibuch: ›Volkstrauertag nicht besonders feiern‹. Die weiteren Jahre fehlen und daher ist die Ermittlung unterbrochen.«

Eine Woche später: »Hallo und moin, hier eine kleine abschließende Geschichte: beim wiederholten Besuch des Friedhofes Freienwill sagte mir der Friedhofswart, dass auf drei Kissensteinen der Gefallenen aus dem 2. Weltkrieg heute noch stets Blumen abgelegt werden: Owesen, Jürgensen und Mackowiack (34 Steine liegen links, 30 Steine liegen rechts in Richtung Westen zum Ehrenmalstein). Die Namen habe ich aufgeschrieben und dann telefoniert. Erfolg!! Frau Maria Owesen (Witwe 85 Jahre) sagte mir: Als ihr inzwischen verstorbener Mann 1949 aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, war die Anlage mit den Kissensteinen und dem Stein seiner zwei Brüder, Asmus Owesen * 18.01.1923 gef. 07.09.1942 Osten und Max Owesen * 17.10.1925 gef. 19.03.1945 Osten, schon vorhanden. Das würde die Aussage Herrn Tiedemann bestätigen, dass dieser Teil des Ehrenfriedhofs 1947 angelegt wurde.

Es fügt sich doch alles.«

Vielen Dank, lieber Herr Adam!


Und wir wissen jetzt Bescheid, siehe die Feststellung oben: »Den Traum von der Befreiung des Volkes Israel auf gefangene Soldaten und Kriegsverbrecher des 2. Weltkriegs zu übertragen, ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die einer Verspottung des christlichen und jüdischen Glaubens gleichkommt.«

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Die Inschrift

1939 – 1945
SIE GABEN ALLES
FÜR UNS!

Diese Aussage ist ein Zitat aus folgendem Gedicht:

Fern im Osten gähnt ein Grab

Fern, fern im Osten, da gähnt ein Grab
da senkt man zu tausend die Toten hinab
für uns!

Im Westen, da ragt manch Kreuz schlicht und klein
da liegen sie stumm in langen Reih’n
für uns!

Und wo im Winde rauschet das Meer
da gaben sie freudig ihr Leben her
für uns!

Sie opferten Zukunft und Jugendglück
sie kehren nie wieder zur Heimat zurück
für uns!

Sie gaben ihr Alles, ihr Leben, ihr Blut
Sie gaben es hin mit heiligem Mut
für uns!

Und wir? Wir können nur weinen und beten
für sie, die da liegen bleich, blutig, zertreten
für uns!

Denn es gibt kein Wort, für das Opfer zu danken
und es gibt keinen Dank für sie, die da sanken
für uns!

dieses damals in Deutschland weit verbreitete Gedicht ist zum ersten Mal 1915 bei einer Feier für den im Osten gefallenen Lehrer eines Charlottenburger Gymnasiums vorgetragen worden. Der Obertertianer Reinhold Samuelsohn hatte es verfasst. Abgedruckt ist es zum Beispiel im Schulbuch: »Alte und neue Kriegslieder für den Schulgebrauch« aus dem Jahr 1917.

Die Rechtsrockband »Stahlgewitter« hat das Gedicht 2006 in ihrem Album »Auftrag Deutsches Reich« vertont.

»Stahlgewitter« auf Wikipedia


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Das Denkmal zum 1. weltkrieg

Die Anlage für die Soldaten des 2. Weltkriegs schließt sich an die Anlage für den 1. Weltkrieg an. Die Kieswege setzen sich fort. Dieser ältere Teil des »Ehrenfriedhofs« wurde am Sonntag, den 10. Juli 1921 eingeweiht.

     SH Kleinsolt beide web


Der Mittelpunkt dieser Anlage ist ein hohe, schlanke Sandsteinsäule auf einem dreistufigen Steinplattenpodest mit quadratischen Grundriss.

     SH Kleinsolt 1WK Umfeld web


Die Säule ist aus sich nach oben verjüngenden, kreisrunden Steinscheiben zusammengesetzt.

SH Kleinsolt EK web2


Oben aufgesetzt ist eine schalenartige, runde Steinform, aus der – auf einem Steinwürfel in der Mitte – ein klobiges Eisernes Kreuz ragt.


SH Kleinsolt 1WK 1914 web


In einen Ring in zweidrittel Höhe sind auf gegenüberliegenden Seiten die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs in einer schmalen Serifenschrift graviert und schwarz ausgemalt.

 

SH Kleinsolt 1WK Eichenkranz web


Der Übergang zum Sockel ist mit einem aus Stein gearbeiteten Eichenkranz, dem Symbol für Sieg, Ehre und Treue, und einem Eisernen Kreuz geschmückt.

 

SH Kleinsolt Inschrift web


Die Inschrift, besonders die erste Zeile, ist nur noch schlecht lesbar. Sie lautet:

Tot Euer Leib, doch Eure Namen leben
Euch zum Gedächtnis sei der Ort geweiht
Ihr stillen Krieger ewig sei Euch Dank

 

SH Kleinsolt ganz web2


Der Kiesweg der Anlage zum 2. Weltkrieg beginnt und endet am kreisrunden Kiesplatz um das Säulendenkmal. Viereckige Steinplatten für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs sind ringsherum verteilt. Teils offen im Beet, teils in Nischen, die durch exakt eckig beschnittene, immergrüne Hecken entstanden sind.

 

SH Kleinsolt 1WK Stein web


Genannt werden Vor- und Nachname, Heimatort, Geburts- und Todesdatum (meist: gef.) und der Todesort bzw. Kriegsschauplatz.

 

     SH Kleinsolt Marseille77 Wikimedia Commons web
     Foto: Marseille77, Wikimedia Commons, 4.0 >internationale Lizenz


Auf diesem Sommerbild ist die kleine Treppe und der kurze Weg zur Kirche St. Johannes zu sehen.

 

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Die Inschrift

Tot Euer Leib, doch Eure Namen leben
Euch zum Gedächtnis sei der Ort geweiht
Ihr stillen Krieger ewig sei Euch Dank

Obwohl der 1. Weltkrieg so viele Menschenleben forderte und der Krieg verloren wurde, wird der Kriegstod in den Inschriften fast aller Kriegerdenkmäler als sinnvoll interpretiert, für den man den Soldaten danken muss.

»... Die Gedenkstätten sind ausnahmslos Ausdruck des Bedürfnisses, das Gedenken an den Tod der Soldaten zu sakralisieren, also zu etwas Heiligem zu stilisieren. In Form von Kreuzen, Säulen, Räumen der Stille oder Plastiken wird nicht der Tod, sondern der vorgebliche Sinn dieses Todes dargestellt [...]

Die Sakralisierung schirmt die Gedenkorte auch gegen Widerspruch ab, denn wer würde in einem Raum der Stille oder vor einem Kreuz laut protestieren? Die Ent-Profanisierung beschützt den Tod der Soldaten besonders vor Ansprüchen der Überlebenden. Obwohl diese im Einsatz eine Gruppe bildeten, grenzen die Denkmäler die Toten von den Versehrten ab.

Nur wer starb, wird in Inschriften und auf Tafeln geehrt, wer überlebte nicht. [...] Psychische Krankheiten, lebenslange körperliche Schäden, Schwierigkeiten bei der beruflichen Widereingliederung ließen sich mit der Sakralisierung des Gedenkens nicht in Einklang bringen.«

Clemens Tangerding, Für Deutschland gestorben, Beitrag des Deutschlandfunks vom 18.11.2012


»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter. ›Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.‹ [Giordano, Die zweite Schuld, S. 324].«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Stadtarchiv Hildesheim 2006, S. 29

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Die Rückkehr der Soldaten
aus dem Krieg

Als die Soldaten nach und nach aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekommen waren, wurde anlässlich einer Feier zu ihren Ehren im Gasthof Mühlenbrück ein Gedicht der Großsolter Lehrerin Anna Hansen von der damals 17-jährigen Marga Grage vorgetragen:

»Willkommen Euch, Willkommen Euch Gefangenen!
Die Ihr die Heimat durftet wiedersehen!
Die Heimat, die vor Jahren reich gesegnet,
durch Krieges Schicksalsschlag fast sollt vergehn.

Willkommen heut! was immer mußte kommen,
verlor’nen Krieges Schmach für’s Vaterland.
Ihr hieltet aus, des Landes Schicksal legend
vertrauensvoll in eines Höheren Hand.

Kein freudig Glockenklingen, Hurra-Rufen
erfreute Euer Herz zur Wiederkehr.
Ein armes Deutschland mußte Euch empfangen,
wohl arm an Golde, doch nicht liebeleer.

.....«

»Das Gedicht hat noch mehr Strophen, aber ich glaube, es reicht, um zu wissen, was hiermit gesagt werden soll.« schrieb der Autor der Freienwiller Dorfchronik über das Ende des 1. Weltkriegs. Für ihn hatte sein im 1. Weltkrieg erworbenes »Eisernes Kreuz« jede Wertschätzung verloren. Er war überzeugt, dass Krieg »politisch die größte Dummheit, menschlich gesehen ein Verbrechen ist«.

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Die Einweihung

1921 wurde dann die Gedenkstätte für die toten Soldaten im Norden des Friedhofs errichtet. Man betrat sie zu der Zeit durch eine besondere Eingangspforte von der Landstraße aus. Pastor Wulf aus Flensburg hielt am 10. Juli die Predigt zur Einweihung.

 

SH Kleinsolt Programm Einweihung 1WK web 

Wir danken Kerstin Bunde, Gemeindesekretärin von St. Johannes / Kleinsolt, für die Hilfe.

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1921: Ein Foto des gerade eingeweihten »Ehrenfriedhofs«.

Wir danken Johann Adam vom Kirchenkreis Archiv Schleswig-Flensburg für seine engagierte Recherche!

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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.

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• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

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Findlinge

»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134


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I N H A L T
Der Ehrenfriedhof
Die Erneuerung 2019
Steinreihen
Einzelne Steine
Auch die SS ist vertreten
Philipp F. Reemtsma, Eigentümer von Gut Trenthorst
Schlachtschiff Scharnhorst
Aus der Geschichte
Der Untergang der Pamir
Volkstrauertag 2019
Kirchenfenster von Erich Klahn

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Klein Wesenberg, Kreis Stormarn

Am Ende des kirchlichen Friedhofs

Das Denkmal für die 76 toten Soldaten des Kirchspiels Klein Wesenberg im 1. Weltkrieg wurde am 12. Januar 1919 auf dem Friedhof eingeweiht. Damals wurden ein großer Findling und 76 einzelne Gedenksteine aufgestellt. Diese Steine und 107 weitere für die toten Soldaten des 2. Weltkriegs sind mittlerweile perfekt restauriert worden. Die Fördermittel von 41.213,34 Euro für das Erneuerungsprojekt in Klein Wesenberg stellte das Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein über die LAG (Lokale Aktionsgruppe) »Holsteins Herz« zur Verfügung ... und das ist ein Skandal, denn auf dem »Ehrenfriedhof« haben nun auch zwei SS-Männer mit öffentlichem Geld restaurierte Gedenksteine.

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Für die Anlage wurde 1919 die höchste Erhebung der hinter dem Kirch- und Friedhof gelegenen Wiese ausgesucht. Um den großen Findling in der Mitte wurden die Feldsteine ring- und halbringförmig in Spiralen gelegt. Der damals sehr bekannte Gartenarchitekt Harry Maaß entwarf die Anlage, er war zum Beispiel auch für den »Ehrenfriedhof« in Lübeck und die Anlage in Preetz verantwortlich. Die Endabrechnung im Jahr 1920 betrug 9.822,05 Mark, die größtenteils von den politischen Gemeinden des Kirchspiels getragen wurde.

SH Klein Wesenberg Mitte web


1954 wurde die Anlage dann um 107 Feldsteine für die toten Soldaten des 2. Weltkriegs erweitert. Auch hier werden die mit den Anfangsbuchstaben abgekürzten Vornamen, Nachnamen, Geburts- und Todesdaten und meist auch die militärischen Dienstgrade und die Todesorte der Soldaten genannt. Wie schon die 76 Steine zum 1. Weltkrieg stammen sie aus dem Gebiet der Kirchengemeinde.

 

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Jetzt steht ein Kreuz auf der höchsten Stelle des Geländes, unweigerlich muss man an den Hügel Golgatha denken, auf dem den neutestamentlichen Evangelien zufolge Jesus von Nazaret gekreuzigt wurde. Das Kreuz steht heute für den christlichen Glauben, dass im Opfertod Jesu Gott den Menschen heilend nahegekommen ist.

Die Bedeutung von Leiden und Sterben Jesu Christ, EKD, 2015


Christliche Analogien sollen dem Soldatentod eine religiöse Weihe geben und ihn als »Opfertod« verklären. »Kriege, in denen planvoll getötet und grausam gestorben wird, fordern die Sinnstiftungsleistung des Kollektivs der Überlebenden auf ganz besondere Weise heraus.« (Alexandra Kaiser, Von Helden und Opfern, Frankfurt/Main 2010, S.12)


»Frei stehende Kreuze stellen eine Beziehung zwischen dem Tod im Krieg und dem Erlösertod Jesu her.« (Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.135)


Karen Meyer-Rebentisch zitiert den ersten Pastor der Lutherkirche Lübeck: Im Februar 1929 schrieb Pastor Mildenstein für den Lübecker Generalanzeiger einen Artikel, der angesichts der wirtschaftlichen Depression in Deutschland ermutigen sollte. Darin prophezeit er »das Wunder einer neuen Zukunft unseres Volkes, wenn wir Jesu Kreuz sich erneuern sehen im tausendfachen Opfertod unserer Brüder. Ihr Opferblut ist Brunnenquell neuen Lebens! Ihre Glaubenskraft an ihre welterlösende vaterlandsbefreiende Großtat der Treue bis zum Tode ist wie Lebenswasser!«

Vortrag am 28.1.2017 in der Akademie Sankelmark

 

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Auf dem mit kleinen Granitsteinen kreisrund gepflasterten Platz um das Kreuz wurden drei Granitstelen ohne Inschrift aufgestellt.

 

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Daneben wurde ein flacher Findling eingepasst, der vermutlich vorher mit den anderen Feldsteinen an der Wiese lag. Die Inschrift unter einem Eisernen Kreuz in Kontur lautet:

Dem
Unbekannten Soldaten
+ 2.5.1945

Da das Eiserne Kreuz ein deutsches Ehrenzeichen ist, wird es sich um einen Soldaten der Deutschen Wehrmacht handeln.


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Volkstrauertag 2020: Ein Gruß von der NPD


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Die Erneuerung 2019

Die Anlage wurde im Auftrag der vier Gemeinden Barnitz, Westerau mit Trenthorst sowie Klein und Groß Wesenberg aufwändig erneuert. Mit Fördermitteln der Region »Holsteins Herz«, Slogan: ... mit frischem Wind in eine gesunde Zukunft!, gefördert auf Initiative des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration durch den Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung ländlichen Raums (ELER). 74.170,64 Euro kostete die Neugestaltung, davon übernahm »Holsteins Herz« 41.213,34 Euro, das entspricht einer Förderquote von 70%. Die Realisierung dauerte drei Jahre.

Am 6. September 2019 wurde die Anlage wieder eröffnet. Pastor Erhard Graf sprach den Segen: »Möge der dreieinige Gott diesen Ort mit seinem Segen erhalten und bewahren.« Dazu spielte der Posaunenchor.

 

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Die Geschäftsführerin der Aktivregion »Holsteins Herz«, Silke Hammer, erläuterte, warum der Ehrenfriedhof finanziell unterstützt wurde:
»Durch das Projekt gelingt es, eine Gedenkstätte zu schaffen, die einige wichtige Aspekte vereint. Ein Aspekt, der uns wichtig war, war der Bildungsaspekt. Der ist zum einen durch die Beteiligung der Schüler der Beruflichen Schule Bad Oldesloe gegeben. Die Schüler haben für die Informationstafeln Inhalte recherchiert. Der Bildungsaspekt ergibt sich auch durch die zukünftige Nutzung als Lernort – lebenslanges Lernen für alle Benutzergruppen.«
Der touristische Aspekt sei ein weiterer Punkt. Der Jakobsweg werde durch den neu gestalteten Ehrenfriedhof aufgewertet. Es sei auch ein schöner Platz für Naherholungssuchende ...

Lübecker Nachrichten online, 7.9.2019

 

SH Klein Wesenberg Projekt web


»Den Steinen ein Gesicht geben, heißt das Projekt«, erklärt Bürgermeister David. Aus der Projektbeschreibung von »Holsteins Herz«: »Die Schüler und Schülerinnen der Klasse EG 16 werden sich mit der Geschichte der zwei Weltkriege des 20. Jahrhunderts anhand von konkreten Einzelschicksalen wissenschaftlich auseinandersetzen. Darüber hinaus bietet die Gedächtnisstätte nach ihrer Restaurierung auch allen weiteren allgemeinbildenden Schulen und Interessierten die Möglichkeit sich über die Geschichte zu informieren.«

Projektbeschreibung von »Holsteins Herz«


Text der Tafel:
»So viele Steine, so viele Menschen – und noch mehr Hinterbliebene. Man kommt nicht umhin sich zu fragen, wie sich all diese Schicksale damals angefühlt haben
Es waren ihre Liebsten, die zu Hause warteten, hofften und bangten. Auch sie mussten am Ende unendlich traurig den Verlust ertragen.
Schon mit 19 Jahren wurden sie in diesen furchtbaren Krieg gezogen. In einem Alter, wo das Leben erst richtig anfängt.
Ein Schock für ihre Familien, die dabei ahnungslos und hilflos zusehen mussten.
Ein Besuch auf unserer Gedenkstätte. Viele Menschen verbinden diesen Besuch ausschließlich mit Trauer. Doch ist das wirklich so?
Die Angehörigen können an diesem Ort viel Ruhe und Besinnung finden. Es ist ein Platz der Anteilnahme, und er kann zu einem Kraftort werden. Es geht um den Frieden, den die gefallenen Menschen finden sollten.
Die Hinterbliebenen sind dort ihren Verstorbenen nah, und wir alle können ihnen die Ehre für ihren Mut und ihre Kraft in einer schrecklichen Zeit erweisen.«

SH Klein Wesenberg Stein Klempau web


Weitere Tafeln wurden neu aufgestellt. Dass der zweite Weltkrieg ein Angriffskrieg war und die gefallenen Soldaten Beteiligte dieses verbrecherischen Krieges, wird nicht erwähnt. Über die Menschen, die den Wehrmachtssoldaten zum Opfer fielen, erfahren wir auch nichts. Auf zwei Tafeln werden Männer vorgestellt, denen der Stein unter der Tafel gewidmet ist.

 

SH Klein Wesenberg Tafel Klempau web


Diese Tafel beschreibt den Obergefreiten Andreas Klempau: »Direkt zu Beginn des Krieges 1939 wurde Andreas nach Russland eingezogen [...]«. Der Text vergisst leider, dass der 2. Weltkrieg 1939 mit dem Überfall auf Polen begann – der Überfall auf die Sowjetunion erfolgte erst 1941. Der Vernichtungskrieg der Wehrmacht, zu der der Gefreite gehörte wird mit seinen Millionen zivilen Opfern nicht erwähnt. Stattdessen erfolgt eine allgemeine Dekontextualisierung: »Nach all der Zeit, die vergangen ist, bleiben noch immer mehr Gefühle, Erinnerungen, Schmerz und Trauer, als man zählen kann.«

 

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Der Soldat Adolf Teyfel aus Klein Schenkenberg wird seit 1945 im Osten vermisst. Ihm ist die zweite Tafel gewidmet: »Was für ein Schmerz es den Familien wohl bereitet hat, nicht zu wissen, wo die geliebte Person ist. Ob sie noch fehlt oder schon im Jenseits verweilt.«

SH Klein Wesenberg Tafel Teyfel web


Text der Tafel: »Adolf Teyfel fiel zuerst bei der Musterung als Soldat durch. Trotzdem haben diese Menschen noch Kraft genug, um zum Beispiel bis nach Europa zu gelangen. Gerade diese Personen haben meinen vollsten Respekt.
1944 tritt Adolf auf Drängen eines Parteimitglieds in Groß Wesenberg der NSDAP als Buchführer bei und hofft so, dem Kriegsdienst zu entgehen.
1945 wurde Adolf Teyfel trotz seiner Beinfehlstellung und des fortgeschrittenen Alters von 43 Jahren in den Krieg eingezogen.
Sie wurden von der roten Armee angegriffen, wobei Adolf Teyfel verwundet wurde und ins Lazarett bei Posen kam. Dort sah ihn sein Freund Herr Schoßmeyer das letzte Mal. Als die rote Armee näher rückte, galt »rette sich wer kann!«

Was ist gemeint mit dem Satz: »Trotzdem haben diese Menschen noch Kraft genug, um zum Beispiel bis nach Europa zu gelangen. Gerade diese Personen haben meinen vollsten Respekt«? Würde diese Frage nicht mit Blick auf den 2. Weltkrieg eher Sinn geben, wenn damit die Menschen aus den von Deutschland überfallenen Ländern gemeint wären?

 

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Auf der dritten Tafel kommt der Zeitzeuge Alfred Jürß zu Wort, er war bei Kriegsende 10 Jahre alt:
»Er und viele seiner Verwandten waren im Krieg.
›Und so stelle ich mir weiter diese Fragen nach der Motivation derer, die sich für ihr Land töten ließen.
Und deshalb sollten wir Uneinigkeiten zukünftig mit Worten klären und damit aufhören, dass immer mehr Familien, Menschen und Gebiete im Krieg zu Opfern werden.‹
Alfred lebte auf einem Bauernhof in Westerau, stets war ausreichend Nahrung vorhanden. Man hatte französische Gefangene als Arbeiter, die in Baracken lebten und meist schlecht behandelt wurden. Das Thema Krieg wurde von ihm als Kind als gar nicht schlimm empfunden.«


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Steinreihen

Viele Steine sind vor einen Streifen aus Bodendeckern gesetzt worden. Die Reihe im ersten Bild steht nahe dem Abhang zur Trave.

 

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In der Nähe des Kreuzes, noch auf gleicher Höhe, ist eine rechteckige Fläche gepflastert worden, auf der über Eck zwei Sitzbänke stehen.


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Einzelne Steine

Allen Steinen wurde über dem Namen ein Eisernes Kreuz in Kontur eingemeißelt – das militärische Ehrenzeichen wird hier posthum kollektiv verliehen. Grund der Auszeichnung ist die durch den Tod besiegelte besondere Treue oder Tapferkeit.


Der deutsche Soldat hat sich sui generis heldenhaft verhalten, so wenig wie er dürfen die Reichswehr oder die Wehrmacht in Zweifel gezogen werden. Die von Hindenburg am 18. November 1919 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Reichstags als Erklärung für die Niederlage des Ersten Weltkriegs vorgetragene »Dolchstoßlegende« oder die Proteste gegen die »Wehrmachtsausstellung« über von ihr begangene Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sind Ausdruck der Bemühungen, sowohl die militärischen Institutionen wie auch die ihnen angehörenden Personen der geschichtlichen Realität und damit auch der Verantwortung zu entziehen.

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg, 2006, S.33

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Auch die SS ist vertreten

Die Schutzstaffel (SS) war eine nationalsozialistische Organisation in der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus, die der NSDAP und Adolf Hitler als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument diente. In ihren Verantwortungsbereich fielen ab 1934 Betrieb und Verwaltung von Konzentrations-, ab 1941 auch von Vernichtungslagern, sie war sowohl an der Planung wie an der Durchführung des Holocausts und anderer Völkermorde vorrangig beteiligt.

Wikipedia, abgerufen am 27.12.2019

Lesen Sie hier weiter

 

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In den Nürnberger Prozessen 1946 wurde die NSDAP mit allen Untergliederungen, also auch der SS, zur »verbrecherischen Organisation« erklärt.

SS-Mann oder Staffelmann war die Sammelbezeichnung für alle vollberechtigten Mitglieder der Schutzstaffel bis einschließlich des Reichsführer SS. Der SS-Mann der Allgemeinen SS versah seinen Dienst dort ehrenamtlich und freiwillig, wobei das Prinzip der Freiwilligkeit generell für alle Organisationsbereiche der SS galt.

Todesdatum und Todesort lassen darauf schließen, dass E. Fischer Mitglied der SS-Division Totenkopf war, die 1942/43 unter dem SS-Obergruppenführer Theodor Eicke an der Kesselschlacht von Demjansk beteiligt war.

»SS-Division Totenkopf« ist der Name des Frontverbandes, der seinen Ursprung in den 1933/34 aufgestellten KZ-Wachverbänden hatte, die seit 1936 unter dem Namen »SS-Totenkopfverbände« zusammengeschlossen waren und deren Aufgabe der Betrieb und die Bewachung der Konzentrationslager war. Die Totenkopf-Division der Waffen-SS wurde wesentlich aus den Wachmannschaften der KZs rekrutiert.

Weitere Informationen auf Wikipedia:

SS-Division Totenkopf

SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Theodor Eicke

Kesselschlacht von Demjansk

 

Wann ist der SS-Staffelmann E. Fischer geboren? War er auch in einer KZ-Wachmannschaft oder kam er später zur Totenkopfdivision? Wieso hat er sich zur SS gemeldet? Spannende Fragen für ein Schulprojekt, in dem Schülerinnen und Schüler lernen sollen. Aber leider wurde diesen Steinen kein Gesicht gegeben.

 

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Der SS-Rottenführer war im Deutschen Reich von 1934 bis 1945 der höchste Rang der Dienstgradgruppe der Mannschaften der Schutzstaffel (SS).

Wieso wurden hier keine Tafeln aufgestellt, wieso wurde diese Ehrung nicht hinterfragt bzw. thematisiert?


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Philipp F. Reemtsma, Eigentümer von Gut Trenthorst

Je ein Stein gilt zwei Söhnen von Philipp Fürchtegott Reemtsma, der das Doppelgut Trenthorst / Wulmenau als dritter Industrieller in Folge 1936 erwarb. Gut Trenthorst gehört zum Kirchspiel Klein Wesenberg.

 

SH Klein Wesenberg Stein Reemtsma web


Zitate aus der »Geschichte von Trenthorst«, die Sie weiter unten komplett lesen können.

»Reemtsma hatte innerhalb zweier Jahrzehnte zusammen mit seinem Bruder Hermann durch Übernahme und Fusionen von anderen Betrieben sowie durch moderne Produktion und geschicktes Marketing das damals bedeutenste Tabakunternehmen Deutschlands, die »Reemtsma Cigarettenfabrik GmbH« geschaffen. Wie schon Hörl verfolgte er den Habitus der Hamburger Industriellen, sich einen Landsitz zu leisten, und verbrachte dort Wochenenden, Feiertage und freie Tage mit der Familie.« (S. 32)

»Und im Kaufvertrag von 1936 hatte Reemtsma sich verpflichtet, Verhandlungen mit der Landesunterrichtsbehörde über ›eine Wiederbelebung der schon im letzten Jahr betriebenen Landjahrheime‹ zu führen. [...] 1940 besaß Wulmenau dann das einzige ›Reichsarbeitsdienstlager weibliche Jugend‹ für den Bezirk XV Nordmark in Stormarn; es gehörte zur Lagergruppe 151 Hamburg. (S. 34, mit Fotos)

»Wie überall in Stormarn setzte die Gutsverwaltung Zwangsarbeiter als Arbeitskräfte ein. In Wulmenau entstand im Pferde- und Kuhstall ein Lager für rund 30 französische Kriegsgefangene. [...] Später wurden sie durch ein Kommando sowjetischer Kriegsgefangener ersetzt. ›Einen anderen Zuschnitt hatte die Situation auf Gut Trenthorst. Dort waren ab Frühherbst 1943 mehr als ein Dutzend südostpolnische Landarbeiter mit ihren Familien tätig. Die mehr als vierzigköpfige Gruppe stammte aus der Nähe von Lemberg in der Westukraine.‹ [...] ›Obwohl der Gutsverwalter für die Polen als ›der Mann mit der Peitsche‹ eine strenge Autoritätsperson war, entwickelte sich gegenüber dem Gutsherrn Reemtsma eine gewisse Dankbarkeit. Schließlich war für eine gute Unterbringung der Familien gesorgt und die Betreuung der Kleinkinder durch eine der jungen Polinnen geregelt‹, so der Historiker Erik Lindner.
Die Wochenberichte des Gesundheitsamtes des Kreises Stormarn zeichneten allerdings ein etwas anderes Bild. Mitte September 1944 erkrankte ein fünfjähriges ›Polenmädchen‹, das mit seinen Eltern seit einigen Jahren auf dem Gut lebte, an Fleckfieber [...] Vier Kinder waren dort bereits mit ungenauen Diagnosen verstorben. Insgesamt lebten im Herbst 1944 auf Trenthorst / Wulmenau fast 200 ausländische Zwangsarbeiter, davon etwa die Hälfte Kinder.« (S. 34f)

»Der Gutsherr und Unternehmer Philipp F. Reemtsma kam in das britische Internierungslager Neumünster-Gadeland, während seine Frau in der frühen Nachkriegszeit nur ab und zu auf dem Gut weilte. Der Briefwechsel der beiden aus dieser Zeit gibt zugleich Auskunft über die Lage von Trenthorst/Wulmenau. Nachdem Reemtsma im August 1945 wegen Krankheit ins Ortslazarett der Below-Kaserne in Ratzeburg verlegt worden war, versorgte man ihn dort aus der Gutswirtschaft. So wurde der inzwischen zurückgekehrte Inspektor Johannsen gebeten, ›falls Sie die Möglichkeit eines Transportes nach hier haben, mir ein Kistchen Augustäpfel und Möhren zu schicken und der Sendung 2 Kartenspiele aus dem Herrenhaus, 2 Bleistifte, einige Postkarten, 1 bis 2 Schreibhefte, einige Bücher und, falls möglich, ein Stück Brot beizufügen, ferner, falls im Herrenhaus vorhanden, von den eingelöteten Cigaretten.« (S.36)

»Die Taufe des jüngsten Reemtsma-Sohnes Jan Philipp am 23. Mai 1953 konnte man schon im neuen ›Weißen Haus‹ feiern. Anlässlich der Taufe, die in der Kirche Klein-Wesenberg stattfand, stiftete Philipp Fürchtegott eine neue Glocke.« (S. 40, Foto: S. 35)

Geschichte von Trenthorst 1900 - 2015

 

Die Familie Reemtsma

1908 erwarb Bernhard Reemtsma eine Beteiligung an einer Zigarrenmanufaktur in Erfurt. 1919 wurde der Betrieb in B. Reemtsma & Söhne, später in Reemtsma Cigarettenfabriken umbenannt und 1922 nach Hamburg verlegt.

Zur Blüte gelangte das Unternehmen im »Dritten Reich«. Philipp F. Reemtsma sagte 1932 Hitler persönlich zu, Anzeigen in den Zeitungen der NSDAP zu schalten. Ab 1933 förderten die Firmeninhaber die Partei und ihre Gliederungen durch großzügige Spenden. Weite Verbreitung fanden Zigarettenbildserien wie »Deutschland erwacht – Werden, Kampf und Sieg der NSDAP« in Zusammenarbeit mit Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann. Hermann Göring schlug 1934 ein Korruptionsverfahren gegen Reemtsma nieder und erhielt von dem Unternehmen im Laufe der Jahre Spenden von insgesamt 12 Millionen Mark. Görings »rechte Hand«, Paul Körner, erhielt jährlich 40.000 Mark. Sepp Dietrich, »persönlicher Begleiter des Führers«, der eine herausragende Rolle bei der Liquidierung der SA-Führungsspitze während des »Röhm-Putsches« spielte und selbst zusammen mit weiteren SS-Leuten am 30. Juni 1934 sechs prominente SA-Führer ermordete, erhielt nach diesen Taten eine Reemtsma-Spende von 40.000 Mark.

Der Absatz von Zigaretten stieg mit Kriegsbeginn stark an. Jeder Soldat erhielt monatlich eine Sonderration. Hinzu kam der Verkauf von Sammelalben. Alleine das Propagandawerk »Adolf Hitler« brachte es bis 1943 zu einer Auflage von 2,38 Millionen Exemplaren.

Philipp und Alwin Reemtsma (Standartenführer der Waffen-Schutzstaffel (SS), 1939 Verleihung des Ehrendegens des Reichsführers SS. Der Rang Standartenführer war für die kommandierenden Offiziere der SS-Standarten vorgesehen.) wurden nach Kriegsende interniert und angeklagt. Beide wurden zu Geldstrafen verurteilt, Philipp zu 10 Millionen Mark.

Philipp Reemtsmas Sohn Jan Philipp Reemtsma (geboren 1952) verkaufte 1980, gleich nachdem er das Verfügungsrecht über seine Geschäftsanteile erlangt hatte, seinen Anteil an dem Unternehmen.

Wikipedia, abgerufen am 27.12.2019


Mehrere Mitglieder der Familie sind heute Mäzene. Gegründet wurden unter anderem das Reemtsma Begabtenförderungswerk, die Hermann Reemtsma Stiftung sowie das Hamburger Institut für Sozialforschung von Jan Philipp Reemtsma.

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Schlachtschiff Scharnhorst

Die 1939 in Dienst gestellte »Scharnhorst« war das erste nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland gebaute Schlachtschiff. Das Schiff überschritt von Anfang an die Vorgaben des Versailler Vertrages, der u.a. die Abrüstung Deutschlands vorsah.

 

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Ursprünglich wurde sie als Panzerschiff mit einer Verdrängung von etwa 18.000 Tonnen auf Kiel gelegt. Als Reaktion auf den Bau der französischen Schlachtschiffe der Dunkerque-Klasse wurde der Bau im Juli 1934 abgebrochen und etwa ein Jahr später nach einem anderen Entwurf mit einer offiziellen Tonnage von 26.000 t neu begonnen. Diese Verdrängung wurde tatsächlich noch erheblich überschritten. Der neue Entwurf der Scharnhorst versah sie mit einem guten Panzerschutz, und ihre Hochdruck-Heißdampf-Turbinenanlage verlieh ihr überlegene Geschwindigkeit. Kurz nach Abschluss der Umbauten und der Erprobungen Ende August 1939 begann Deutschland am 1. September 1939 den 2. Weltkrieg.


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Die Scharnhorst wurde am 26. Dezember 1943 im Nordmeer etwa 160 km nördlich des Nordkaps nach einem mehrstündigen Gefecht von britischen Seestreitkräften versenkt. Nur 36 Mann der Besatzung wurden gerettet, der Rest der 1.968 Mann starken Besatzung fand den Tod. Auch der Matrose A. Künzler aus Trenthorst. Die Arbeiten zur Rettung der im Wasser schwimmenden Überlebenden wurden wegen der Befürchtung, deutsche U-Boote befänden sich in der Nähe, abgebrochen.

Nach Wikipedia, abgerufen am 25.12.2019

 

»Der Seekrieg«, Arnulf Scriba für das Deutsche Historische Museum

 

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Aus der Geschichte

»Im ›Lübecker Generalanzeiger‹ vom 27. August 1919 ist zu lesen:

Auch die Kirchengemeinde Klein Wesenberg will nunmehr zur Ehre ihrer Gefallenen eine besondere Gedächtnisstätte schaffen. Die Zahl ist außergewöhnlich hoch. Der Krieg 1870/71 forderte aus unserer Mitte 3 Opfer, der Weltkrieg dagegen 71 (einschließlich der nach Kriegsende in den Lazaretten Verstorbenen wurden 76 Gedenksteine errichtet). Der Garteninspektor Maaß, Lübeck, hat für den geplanten Ehrenfriedhof einen schönen Entwurf gemacht. Für die Anlage ist die höchste Höhe des unmittelbar hinter dem Kirchhof liegenden Geländes gewählt. ... Das Hauptdenkmal in Gestalt eines großen Findlings nimmt den Mittelpunkt des großen Kreises ein, während die für jeden einzelnen errichteten Gedächtnissteine ring- und halbringförmig gesetzt werden. Auch für diese Steine kommen nur Findlinge aus unserer Kirchengemeinde in Betracht.

Die Endabrechnung vom Januar 1920 weist einen Betrag von 9.822,05 Mark aus. Diese wurden nach Aufzeichnungen von Pastor Petersen bis auf einen kleinen Betrag von den politischen Gemeinden aufgebracht:

Westerau                               2.222,75 Mark        21 Gefallene
Trenthorst                              1.450,00 Mark         7
Klein Wesenberg                     1.333,50 Mark        14
Groß Wesenberg                     1.319,00 Mark        10
Groß Barnitz                           1.125,00 Mark         5
Klein Barnitz                           1.005,00 Mark         3
Klein Schenkenberg                    675,00 Mark         2
Reecke                                      675,00 Mark         9
Kirchengemeinde                         35,80 Mark«

Klaus-Rainer Martin, Die Evangelische Kirche in unruhigen Zeiten, united p.c., 2015, S. 101f

Der Entwurf des »Ehrenfriedhofs« stammt von Harry Maasz. Er war von 1912 bis 1922 Leiter des Lübecker Gartenbauamts und bezeichnete sich selbst gerne als Gartenbaukünstler. An der Anlage des Ehrenfriedhofs lässt sich erkennen, wie Harry Maasz die Topografie der Landschaft in seine Gestaltung einbezog.


                    SH Klein Wesenberg Maass web
                  
• Der Lübecker Gartenarchitekt Harry Maasz (1880 - 1946)


»Im Aufruf von Pastor Stoldt für die Teilnahme der Feierstunde am Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges am 25. November 1928, also zehn Jahre nach Kriegsende, heißt es: ›Die Kundgebungen in den letzten Jahren entsprachen längst nicht dem, was wir unseren toten Kriegern schuldig sind. Auf zu einer machtvollen Kundgebung! Sie dürfen nicht vergessen sein, die ihr Leben für uns gaben! Hier darf weder Stand noch Partei eine Rolle spielen!‹«

Klaus-Rainer Martin, Die Evangelische Kirche in unruhigen Zeiten, united p.c., 2015, S. 151


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Ein Winterbild der Anlage aus dem Jahr 1963.

 

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Aus dem Jahr 1990: ein Plattenweg führt zum großen Holzkreuz, es ist von Büschen umgeben, vier Kränze liegen davor. Auf der Wiese steht Herbert David, damals der Spitzenkandidat der Aktiven Allgemeinen Wählervereinigung (AAW), die in ihrem Programm zur Kommunalwahl am 25. März 1990 gleich nach der Sicherung der Verkehrswege auch die Pflege der örtlichen Gedenkstätten ankündigte: »... beispielsweise die Gedenksteine auf dem Friedhof, die in den nächsten Jahren gereinigt und von zwei Fachkräften neu bemalt werden sollen.« (Lübecker Nachrichten vom 16. März 1990)

 

SH Klein Wesenberg 1961 Raimund Marfels StA web


... und noch ein Foto aus dem Jahr 1962: Kirchweihe nach Abschluss der Renovierung. Einzug der reinen Männerriege, heute Gott sei Dank ein ungewohnter Anblick. Mit Zylinder schreiten voran die Kirchenältesten mit Landrat Wennemar Haarmann und Amtmann Ernst Tidow. Dahinter die Geistlichkeit: Bischof Wilhelm Halfmann, Propst Carl Friedrich Jaeger, Pastor Bredner und weitere.

Quelle für die drei Fotos (Ausschnitte): Kreisarchiv Stormarn, lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 >internationale Lizenz


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Der Untergang der Pamir

An der Grenze zu den zivilen Gräbern steht mit der Rückseite zum »Ehrenfriedhof« der Gedenkstein für den Ing. Assistenten Günther Schinnagel mit der Inschift:

Er starb den Seemannstod
durch das tragische Schicksal
der Pamir

Der Untergang des Frachtseglers Pamir ist ein deutsches Trauma: Achtzig Seeleute ertranken 1957 im Atlantik, noch heute streiten Experten über die Ursache: Materialschäden, Inkompetenz, der Hurrikan »Carrie«?

 

SH Klein Wesenberg Pamir weit web2


Die Pamir war eine 1905 für die Hamburger Reederei F. Laeisz gebautes Viermastsegelschiff. Sie gehörte zu den wegen ihrer Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit berühmten Flying P-Linern und wurde traditionsgemäß auf einen mit »P« beginnenden Namen getauft, auf den des zentralasiatischen Pamir-Gebirges.

1949 umrundete die Pamir als letzter Windjammer ohne Hilfsmotor Kap Hoorn auf Frachtfahrt. In den 1950er Jahren wurde sie, ebenso wie die Passat, als frachtfahrendes Segelschulschiff für die deutsche Handelsschifffahrt eingesetzt. Die beiden Schiffe waren die letzten frachtfahrenden Großsegler Deutschlands.

Die Pamir sank am 21. September 1957 in einem Hurrikan. Dabei kamen 80 der 86 Besatzungsmitglieder, unter ihnen viele jugendliche Kadetten, ums Leben. Der Untergang und die nachfolgende Rettungsaktion fanden große Beachtung in den internationalen Medien. Die Unglücksursache ist bis heute umstritten: Das Seeamt Lübeck entschied auf eine falsche Stauung der Gersteladung, die verspätete Reduzierung der Segelfläche im Sturm und einkommendes Wasser durch unverschlossene Schiffsöffnungen. Otto Hebecker, der von der Reederei für die Verhandlung beauftragte Sachverständige, ging davon aus, dass die Pamir im Sturm auf jeden Fall gesunken wäre, egal welche Sicherheitsmaßnahmen die Besatzung ergriffen hätte. Hebecker wurde jedoch vom Vorsitzenden Ekhard Luhmann nicht angehört.

Der Verlust der Pamir führte zum Ende der frachtfahrenden Schulschiffe, als nur wenige Wochen später die Passat außer Dienst gestellt wurde.

Nach Wikipedia, abgerufen am 25.12.2019

 

SH Klein Wesenberg Pamir Stein web

 

Audiodokumentation zum Untergang der Pamir


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Volkstrauertag 2019

Die Kränze der Gemeinden und der Kirche des Kirchspiels Klein Wesenberg, sowie des Schützenvereins Klein Wesenberg und Umgegend von 1919 e.V. (mit der Kirche im Vereinswappen) und der Freiwilligen Feuerwehr des Kirchspiels Klein Wesenberg (nicht im Bild) für die toten Soldaten.

SH Klein Wesenberg Kranz Kirchspiel VTT2019 web

 

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Kirchenfenster von Erich Klahn

Auf der Südseite der Kirche befindet sich das »Lutherfenster«, das der Glasmaler Erich Klahn aus Lübeck 1923 gestaltet hat. Es ist 2,62 Meter hoch und 1,18 Meter breit und zeigt Luther beim Reichstag zu Worms.
 

Aus einem Beitrag im Deutschlandfunk vom 3. September 2015:
Künstler mit zweifelhafter NS-Vergangenheit

Der 1978 gestorbene Lübecker Maler Erich Klahn ist in der Kulturszene mehr als umstritten: Er gilt als völkischer, antidemokratischer Künstler, der sich für die Ziele der Nationalsozialisten einsetzte. [...] Thomas Vogtherr, Vorsitzender der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen: »Ein Künstler, der sich Laufe der Zeit, zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten in einer Art und einem Ausmaß hat instrumentalisieren lassen, das ziemlich beeindruckend ist – negativ beeindruckend, um es hinzuzusetzen.«


Hier können Sie den Beitrag lesen

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I N H A L T
Das Denkmal
Volkstrauertag 2008
Unsere gefallenen Helden
Aus der Geschichte
Der Grabhügel
»Wir treten zum Beten«
Das Eiserne Kreuz

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Klingberg, Kreis Ostholstein

Im Wald hinter der Geroldkirche an der Straße Uhlenflucht

Das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten beider Weltkriege der Ortschaften Klingberg und Schürsdorf in der Gemeinde Scharbeutz ist nicht leicht zu finden. Am besten geht man vom Parkplatz vor der Geroldkirche nach rechts einen schmalen Wanderweg entlang bis man zu diesem Schild kommt:

SH Klingberg Wuerde web2


Dann weiß man, dass man auf dem richtigen Weg ist!

 

SH Klingberg erste Treppe web


Höher in den Wald hinauf geht es über eine langgezogene Treppe ...

 

SH Klingberg Huegel Bank web


... bis der Sandweg um einen Hügel führt, auf dem man das Denkmal endecken kann. Es wurde 1921 auf einem jungsteinzeitlichen Grabhügel errichtet und nach 1945 ergänzt.

 

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In der Gegend des heutigen Klingbergs siedelten Menschen schon um das Jahr 1700 v. Chr. Erhalten sind von dieser Kultur noch zahlreiche Hügelgräber, z. B. auch dieses, das »Grabhügel auf dem Fierth« genannt wird.

Der Hügel ist leicht oval und hat einen Durchmesser von ca. 15 Metern und eine Höhe von ca. 3 Metern. In unserer Zeit ist er mit Bäumen und Büschen bewachsenen.

 

SH Klingberg legale Wege web


Von zwei Seiten kann man den Grabhügel erklimmen, mit Feld- und Bruchsteinen sind grobe Stufen angelegt worden. Jeder Archäologe, jede Archäologin erschauert wahrscheinlich über den Umgang mit diesem Grabhügel, der noch nicht erforscht worden ist. Welcher Stammeshäuptling mag dort begraben sein?

 

SH Klingberg Hauptaufgang web


Die seitlichen Treppen kommen vor dem Denkmal zu den vier letzten Stufen zusammen, die in repräsentativer Breite zum Denkmalsvorplatz führen.

 

SH Klingberg 1WK web


In der Mitte erhebt sich ein hoher rötlich-grauer Felsstein. Der Stein, die Bruchsteinmauer, in die er eingelassen ist und das Podest mit dem Widmungsstein bilden zusammen das 1921 errichtete Denkmal zum 1. Weltkrieg.

 

SH Klingberg EK web


Ganz oben im Denkmalsstein sehen wir ein flächiges, schwarz eingefärbtes Eisernes Kreuz im runden Medaillon. Das militärische Ehrenzeichen wird den toten Soldaten auf den Kriegerdenkmälern von den Stiftern posthum und kollektiv für Tapferkeit und Treue verliehen, egal wie sich der Einzelne tatsächlich verhalten hat.

 

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Darunter werden auf einer tiefergelegten polierten Fläche die Namen von 21 toten Soldaten aufgelistet. Es werden die Vornamen, teilweise abgekürzt, die Familiennamen und der Todestag genannt. Vor dem Todestag werden die Todesumstände abgekürzt präzisiert: »gef.« für im Kampf getötet (15 Soldaten), »gest.« heißt kampflos im Lazarett gestorben, verunglückt oder Ähnliches (2 Soldaten) und schließlich »verm.« für keine aufgefundene Leiche (4 Soldaten). Die Namen sind chronologisch nach Todesjahr geordnet. Der letzte auf der Liste, Dr. Joh. Spengel, wurde wohl erst später aufgenommen, er wird nach vier Soldaten mit dem Todesjahr 1918 mit dem Todestag 6.8.16 genannt. Im Kriegsjahr 1917 sind 9 Soldaten, fast die Hälfte aller Männer, ums Leben gekommen.

 

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In das vorgesetzte schmale Podest aus Bruchsteinen ist ein abgerundeter gespaltener Findling eingemauert. Er trägt die Widmung:

Dem Andenken
unserer im Weltkriege 1914–1918
gefallenen Helden gewidmet.

Das dankbare Schürsdorf

Obwohl der 1. Weltkrieg so viele Menschenleben forderte und der Krieg verloren wurde, wird der Kriegstod in den Inschriften als sinnvoll interpretiert, für den man den Soldaten danken muss. Das anonyme Massensterben, das Grauen des Krieges wird vom Denkmal verbannt. Der »Heldentod« der Soldaten verpflichtet nun die Hinterbliebenen. Deren Dankbarkeit wurde hier auf ewig in den Stein gemeißelt.

 

SH Klingberg Bank links web

 
Schon von Anfang an waren die Holzbänke über Eck direkt an der seitlich gerundeten Denkmalsmauer angebracht. Kanthölzer sind in die Mauer eingelassen worden, auf denen die Bretter lagen und wahrscheinlich bis heute schon einige Male erneuert wurden.

 

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Rechts und links sind vor der niedrig auslaufenden Mauer klobige Podeste gemauert worden. Auf ihnen stehen die gespaltenen Findlinge zum 2. Weltkrieg. In Größe und Form fein aufeinander abgestimmt. Oben sehen wir wieder das militärische Ehrenzeichen, ein Eisernes Kreuz. Diesmal in Kontur und in einem quadratischen tiefergelegten Feld. Darunter die große, oben abgerundete Fläche für die Namen der Soldaten. Auf der linken Seite werden die 19 toten Soldaten aus Schürsdorf aufgezählt. Ähnlich wie auf dem Stein zum 1. Weltkrieg: Vor- und Familienname, hier nur mit dem Sterbejahr. Wieder sind die Namen chronologisch nach dem Sterbedatum geordnet. Je fünf Soldaten sind 1944 und 1945 ums Leben gekommen, also mehr als in den vier ersten Kriegsjahren zusammen. »Werner Griesbach 1945« ist ganz am Schluß der Liste nachgetragen worden, sein Name steht etwas kleiner unter »Schürsdorf«.

 

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Auch auf der rechten Seite befinden sich schlichte, aufgelegte Holzbretter als Sitzgelegenheit.

 

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Hier sieht man, wie das gemauerte Podest an die ursprüngliche Denkmalsmauer angebaut wurde und wie der Findling von hinten abgestützt werden musste.

 

SH Klingberg 2WK rechts web


Der rechte Stein für die 14 toten Soldaten aus Klingberg ist genauso wie der linke Stein gestaltet. Sechs Soldaten sind allein im Kriegsjahr 1944 ums Leben gekommen.

Die feine eingemeißelte Schrift sieht aus wie gerade frisch ausgemalt.

 

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Hier noch einmal die gesamte Anlage mit dem abgerundeten Vorplatz an der höchsten Stelle des vorgeschichtlichen Grabhügels. Sie steht unter Denkmalschutz.

 

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Die Anlage von hinten.

 

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Hier und auf den folgenden Fotos sieht man, dass das Schild am Anfang des Weges »Wahret die Würde des Ehrenmals« gut gemeint, aber eher ein frommer Wunsch ist.

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Dieser Grabhügel ist ein Kletterberg geworden, wahrscheinlich schon für viele Generationen von Schürsdorfer und Klingberger Kindern und Jugendlichen. Das Denkmal lockt!

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Das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein stellt in seiner Datenbank Beschreibungen der geschützten Denkmäler zur Verfügung. Hier das PDF zur Anlage in Kellenhusen:

Die Beschreibung des Landesamtes  Lizenz CC BY-SA 4.0

 
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Volkstrauertag 2008

Zwei Kränze sind am Denkmal niedergelegt worden. Wir sehen den Grabhügel mit Bäumen ohne Laub, fotografiert am 1. Januar 2009.

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Fotos: Genet@de.wikipedia


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Unsere gefallenen Helden

»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. Das soll die Hinterbliebenen stolz machen. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, S. 89


»Das erste idelogische Moment des politischen Totenkults wird in historischen Untersuchungen selten angesprochen, so selbstverständlich ist es offenbar: Der tote Feind gilt nichts. Totengedenken und nationale Feindschaft gehen Hand in Hand. Die Rechtfertigung des eigenen Tötens bleibt ausgeblendet, ist immer nur implizit anwesend, als unbefragte Voraussetzung. Explizit handelt der Totenkult allein vom Sinn des Sterbens, des Sich-Opferns.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S. 98


»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Kriege getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

Kurt Tucholsky

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Aus der Geschichte

Heinrich Ackermann, ein ehemaliger Soldat, kam 1919 nach Schürsdorf, ließ sich dort nieder und hatte die Idee, ein Kriegerdenkmal für die toten Soldaten von Schürsdorf zu errichten. Er berief zu diesem Zweck eine Versammlung ein und gründete die Kyffhäuserkameradschaft von Schürsdorf. Als Denkmalsort wurde der Grabhügel »Auf dem Fierth« im Norden von Klingberg und Schürsdorf ausgesucht. Rücksicht auf die Folgen für die vorgeschichtliche Grabstätte war kein Thema.

Willy Rischmüller war als Schüler beim Denkmalsbau und der Einweihung am Himmelfahrtstag 5. Mai 1921 dabei und berichtet darüber im Jahrbuch für Heimatkunde, Eutin 1968. Planung und Bau des Schürsdorfer Ehrenmals, S. 182-185. Wir zitieren in der Folge daraus:

»Man entschloß sich, wenn möglich, alles mit eigenen Mitteln und vor allem mit eigenen Händen zu machen. [...] So machte man sich auf die Suche nach erratischen Blöcken. Da meldete sich der Bauer Heinrich Böckmann und meinte, man solle zuerst den Felsen aus seinem ›Gassenhof‹ holen. Diese Koppel lag dem Gasthof ›Zur Erholung‹ gegenüber. Auf ihr stand eine alte Räucherkate, in der wohnte Johann Heyer, er hatte sich schon oft über den am Hang liegenden Felsen geärgert, der nur 10 - 15 cm unter der Oberfläche lag; der Pflug streifte ihn jedesmal. Wohl versuchte er, den Felsen zu beseitigen, aber dieser widerstand allen Versuchen. So erging es auch Heinrich Böckmann, als er dieses Feld von seinem Verwandten übernahm. Alle einigten sich, es solle versucht werden, den Felsen freizulegen, um ihn zu verwenden.

Männer der Kyffhäuserkameradschaft machten sich nun mit Schaufel, Spaten und Hacke an die Arbeit. Aber je tiefer sie gruben, umso breiter wurde der Stein. Nach langem Mühen legte man ihn endlich frei. Was für ein Felsen! Keiner sah bisher so einen Stein. [...]

Alle erkannten, daß so ein Bergen des Steines unmöglich war, der mußte gesprengt werden. Dazu boten sich Hermann Möller, Christian Möbiz und Hermann Löhmann an; sie waren im Krieg bei den Pionieren gewesen, kannten etwas von diesem Handwerk und wollten es versuchen.«


Es folgt nun die Beschreibung von einigen vergeblichen Versuchen und schließlich dem letzten, der in einer gewaltigen Explosion mit einigen Kollateralschäden endete.


»Der Stein, als aller Staub sich verzogen hatte, sah man es, war in drei Teile zersprungen. Den mittleren Teil wollte man als Gedenkstein nehmen. Beim Betrachten der anderen Teile kam der Gedanke auf, das ganze Denkmal aus den Teilen dieses einen Steines zu machen. Das Denkmal sollte eine Einheit darstellen. So wie die Kameraden sich als zusammengehörig fühlten, so sollten auch alle Teile des Denkmals ein einheitliches Aussehen haben!

Nun holte Ackermann den Steinschläger Schuldt aus Pansdorf. Er zerschlug zwei Teile in brauchbare Stücke, so daß sie sich zum Bau eigneten.

Um das größte Stück nun aus dem tiefen Loch zu ziehen, rammten die Unermüdlichen an der Straße mächtige Stämme ein, befestigten daran einen starken Flaschenzug und zogen es Zentimeter für Zentimeter aus der Grube.

Von der Firma Frank, Pönitz, holte Ackermann einen Tieflader, und mit Hebebäumen gelang es schließlich, den Stein aufzuladen.

Der Bauer Otto Salomon stellte acht Pferde zur Verfügung, und dann ging es zum Fierth. Rudolf Utermöhl, Arbeiter bei Salomon, lenkte mit kundiger Hand das Gespann.

Nun holte Ackermann den Steinmetz Dittmann aus Pönitz am See. Er meißelte die Namen der Gefallenen, Vermißten und an den Folgen der Verwundung Verstorbenen in den Stein.«


Nach dem mit der Kyffhäuserkameradschaft besprochenen Plan mauerte Hermann Möller, ein Spezialist im Schornsteinbau, das Denkmal kostenlos auf. Die Kyffhäuserkameraden wirkten als Handlanger mit.


»Als der Mittelsockel fertig und abgebunden war, kam die Firma Frank mit starken Balken, legte eine schiefe Ebene zum Hügel, umschlang den Stein mit Ketten, und mit zwei Flaschenzügen zogen wir den Stein nach oben.

Es war wirklich Gemeinschaftsarbeit. Jeder, der Zeit hatte, war im Fierth, auch wir Jungen zogen an den Tauen. Wie schwer der Stein war, kann man daran erkennen, daß ein Flaschenzug riß und die Gefahr des Abrutschens bestand. Aber am Ende ging alles gut, auch das Aufrichten auf den Sockel.

 

 

SH Klingberg Festzug Mai 1921 web
SH Klingberg Festzug Mai 1921 BU web


Als alles fertig, auch der Hügel bepflanzt war, plante Ackermann die Einweihung. [...] Ein Festzug stellte sich im Dorf auf, Vereine, Schule, die ganze Bevölkerung nahm teil.


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Auf dem Hügel standen die Kinder der Schule unter der Leitung des Hauptlehrers Ernst Rischmüller. Ich selbst war auch mit im Chor. Nach dem Lied ›Wir treten zum Beten‹ sprach Ackermann zu den Anwesenden Worte des Gedenkens. Der heutige Bischof Kieckbusch hielt die Weiherede.«

 

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Am Ende der Feier sang der Chor: »Wie sie so sanft ruhn, alle die Seligen«.

In der Chronik des Kirchenkreises, verfasst vom Gleschendorfer Pastor Dittmer, ist der Verlauf der Einweihung anders dokumentiert. Danach hielt der Gleschendorfer Pastor Dittmer, genannt »Kanonen-Pastor« wegen seiner Nähe zu den Soldatenkameradschaften im Kirchenkreis, selber die Festansprache. Danach übergab der Erbauer des Denkmals Hermann Möller das Denkmal »dem Schutze des Publikums und der Dorfschaft«. Der Liedervortrag von Schülern und Schülerinnen der Schürsdorfer Schule wird von den beiden Zeitzeugen gleichermaßen beschrieben. Laut Kirchenchronik sangen zum Abschluß die Mitglieder des Gesangvereins Scharbeutz.

 

SH Klingberg ca1926 web


Das Foto zeigt das Denkmal zum 1. Weltkrieg ca. 1926 auf dem Grabhügel »Fierth«, es ist der eindrucksvollste im Schürsdorfer Raum. Der Hügel war in früheren Zeiten meist mit Ginster und Heidekraut bewachsen. Noch im späten Mittelalter weidete drumherum das Jungvieh und hielt so die 60 Meter hohe Kuppe mit der vorgeschichtlichen Grabanlage darauf kahl, sodass man oben einen herrlichen Blick über die Landschaft hatte. Auch auf dem Foto bekommt man eine Ahnung davon: im Hintergrund, im Norden, sieht man den Pönitzer See, im Osten wäre die Lübecker Bucht, im Süden der Ratekauer Kirchturm und bei klarem Wetter konnte man die Spitzen der Lübecker Kirchtürme sehen.


SH Klingberg Karte 50erJ Museum Poenitz web


SH Klingberg Karte1958 Museum Poenitz web


Zwei Ansichten auf Postkarten aus den 50er Jahren: die Denkmalsteine zum 2. Weltkrieg sind noch nicht gesetzt, aber die ersten Bäume sind gepflanzt und das Eiserne Kreuz war in diesen Jahren weiß eingefärbt.

 

SH Klingberg Jahrbuch fuer Heimatkunde 1968 S182bis185 web

Das Denkmal nach der Ergänzung zum 2. Weltkrieg in den 60er Jahren: die ersten Bäume sind gepflanzt, ein Holzgeländer sichert den Weg.


Wir danken sehr herzlich Dr. Kersten Jungk, Vorsitzender des Vereins für Regionalgeschichte der Gemeinde Scharbeutz und Umgebung e.V. für die freundliche Überlassung der Fotos. Das letzte Foto aus den 60er Jahren illustriert den Beitrag von Willy Rischmüller im Jahrbuch für Heimatkunde, Eutin 1968


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der Grabhügel

Wir zitieren aus dem Jahrbuch für Heimatkunde, Eutin 1979: Otto Jarchow, Vorgeschichtliche Grabhügel um Schürsdorf, S.31-38.

»Eine große Zahl von Grabanlagen und viele Einzelfunde beweisen, daß diese Landschaft in der jüngeren Steinzeit (3000-2000 v. Chr.) bewohnt war. Schon in vorgeschichtlicher Zeit gab es Handelsbeziehungen zwischen den verschiedenen Völkerschaften. In der Bronzezeit kamen die Händler von weither, aus dem Römischen Reich, aus Böhmen und Ungarn, um Metalle, Schmucksachen und metallene Geräte gegen den geschätzten Bernstein einzutauschen, der nach jedem Sturm in beachtlicher Menge ans Land gespült wurde. [...]

Ein wichtiger Handelsweg führte an der Ostsee entlang gen Norden. Die Händler benutzten natürlich die Wege, die die einzelnen Siedlungen miteinander verbanden.«

Es starben fahrende und auch sesshafte Menschen und sie mussten begraben werden. Und für besonders wichtige wurden große Anstrengungen unternommen, sie würdig zu bestatten.

»Im allgemeinen stammen die außergewöhnlich hohen Hünengräber aus der älteren Bronzezeit, 1500 v. Chr. [Der Grabhügel auf dem das Klingberger Kriegerdenkmal steht ist der imposanteste in der Gegend]. Es handelt sich sicher um das Grab eines Angehörigen des herrschenden Geschlechts, der einstmals über viele Untertanen verfügte; denn für die damalige Zeit war es eine gewaltige Leistung, ein Grabmal von diesen Dimensionen zu errichten. Tausende von Fuhren waren mit den einfachen hölzernen Wagen zu leisten, bis so ein Bauwerk fertig war. [...]

Über den Inhalt der frühbronzezeitlichen Gräber gibt eine Grabung des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte Auskunft, die im Jahre 1968 auf der Gleschendorfer Feldmark durchgeführt wurde. Beim Überpflügen einer Geländekuppe, die die weitere Umgebung bedeutend überragte, stieß der Bauer mit seinem Pflug immer wieder auf eine Steinsetzung. In jedem Jahr mußten größere und kleinere Felsen weggeräumt werden, bis zuletzt die Fachleute vom Landesamt der Sache auf den Grund gingen. [...] Nach Abräumen der Decksteine erkannte man in der Mitte eine Mulde, 2,20 m x 1 m, die rings von größeren Stützsteinen umgeben war, die Mulde für den Sarg. Hier und da verfärbten winzige Kohle- und Knochenteilchen den gelben Sand in der Vertiefung. An Beigaben fand man lediglich einige bronzezeitliche Scherben und mehrere Flintabschläge. [...] In unseren bronzezeitlichen Gräbern haben sich die Beigaben im Laufe der Jahrtausende in ihre Bestandteile aufgelöst.

Wie groß die Zahl der vorgeschichtlichen Grabhügel an unserem alten Handelsweg einmal gewesen ist, davon kann man sich ein Bild machen, wenn man einmal die Scharbeutzer Heide oder die Neukoppel durchwandert. Große Hügel und kleine Gruppen von flachen kreisförmigen Bodenerhebungen markieren sich im Landschaftsbild. [...] Unsere Heimat war einstmals sehr reich an vorgeschichtlichen Denkmälern mancherlei Art. Leider wurden sehr viele in der Zeit des Chausseebaus und der großen Agrarreform zerstört. Als z.B. im Jahr 1840 die Chaussee von Garkau nach Lübeck gebaut wurde, hatten die Hufner der anliegenden Dorfschaften je 50 vierspännige Fuhren Steine herbeizuschaffen. Wenn die Bauern nicht selber über genügend Steinmaterial verfügten, wiesen ihnen die amtlich bestellten Steinbrecher geeignete Felsen nach. Dabei sind viele kleine Steinkammern und besonders auch die Steinkränze weggeräumt worden. Gerade die älteren Grabkammern, die an jeder Seite nur einen Tragstein und darüber einen flachen Deckstein hatten, boten sich als geeignetes Wegebaumaterial an. [...]

Eine ganze Anzahl von Grabhügeln, die auf alten Flurkarten eingezeichnet sind, fielen der intensiven Landwirtschaft zum Opfer. Daran ist leider nichts mehr zu ändern.

Aber die Hügelgräber, die heute noch in unseren Wäldern und die wenigen, die noch auf den Feldern erhalten blieben, sind oder werden vom Landesamt unter Schutz gestellt. [...]

Manche Grabhügel haben einen Zeitraum von 4000 – 5000 Jahren überstanden. Es müßte für uns eine heilige Verpflichtung sein, was wir in dieser Beziehung von den Vätern ererbten, der folgenden Generation zu übergeben und anzuvertrauen.«


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»Wir treten zum beten«

Das Lied ist auch bekannt als »Niederländisches Dankgebet«. Die Kinder des Schulchors sangen es bei der Einweihung des Klingberger Denkmals.

Wir treten zum Beten
vor Gott den Gerechten.
Er waltet und haltet
ein strenges Gericht.
Er läßt von den Schlechten
die Guten nicht knechten;
Sein Name sei gelobt,
er vergißt unser nicht.

Im Streite zur Seite
ist Gott uns gestanden,
Er wollte, es sollte
das Recht siegreich sein:
Da ward, kaum begonnen,
die Schlacht schon gewonnen.
Du, Gott, warst ja mit uns:
Der Sieg, er war dein!

Wir loben Dich oben,
Du Lenker der Schlachten,
und flehen, mög’st stehen
uns fernerhin bei,
dass Deine Gemeinde
nicht Opfer der Feinde!
Dein Name sei gelobt,
o Herr, mach’ uns frei!


Jede Strophe, wir zeigen die 1. und die 3., wurde während des 1. Weltkriegs illustriert und als Postkartenmotiv tausendfach gedruckt:

SH Klingberg Dankgebet1

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In der deutschen Übersetzung des Dichters Joseph Weyl (1821–1895) und dem Arrangement für Singstimmen und Klavier des Wiener Komponisten und Musikdirektors Eduard Kremser (1838–1914) wurde »Wir treten zum Beten vor Gott, den Gerechten« nach der Veröffentlichung 1877 schnell sehr beliebt, vor allem durch den persönlichen Einsatz Kaiser Wilhelms II. Das Lied wurde Bestandteil des Großen Zapfenstreichs und häufig bei Anlässen besonderer Bedeutung gespielt. Es entwickelte sich geradezu zum Inbegriff der Thron-und-Altar-Zivilreligion des Kaiserreiches.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Lied bewusst bei Massenveranstaltungen eingesetzt, um ihnen eine würdevolle Weihe zu geben und um die angeblich gottgewollte Kontinuität des Dritten Reiches mit dem Deutschen Reich zu betonen. So zum Beispiel am 9. April 1938 im Anschluss an die Rede Hitlers in Wien: »Danach Niederländisches Dankgebet, gesungen vom Wiener Männergesangsverein. Die Nation singt mit. Bei der dritten Strophe läuten alle Glocken der Kirchen im Reichsgebiet«.

Gott, der Gerechte wurde zu einer Metapher für die »Vorsehung«, und das Lied verkam zur Durchhalteparole. Als solche ist es unter anderem in den Filmen Fridericus Rex und Kolberg (1945) sowie in Joseph Vilsmaiers Stalingrad (1993) zu hören.

nach Wikipedia, abgerufen am 9. Juli 2020


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.

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• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

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I N H A L T

Das Denkmal
Aus der Geschichte
Bibelspruch
Das Lager Pöppendorf
Günther Schwarberg: »Die letzte Fahrt der Exodus«
Friedhof Waldhusen

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Kücknitz, ein Ortsteil von Lübeck

An der Aussenwand der katholischen St. Josephs-Kirche

Am 29. Mai 1910 ist die Pfarrkirche nach Plänen des Architekten Carl Mühlenpfordt fertig gestellt und eingeweiht worden.

 

SH Kuecknitz Kirche web


Wohl damals schon hing rechts vom Eingangsportal ein Kruzifix unter einem angedeuteten Dach, denn die erste Gedenktafel für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs wurde 1921 um das vorhandene Holzkreuz angebracht.

 

SH Kuecknitz Kirchentuer web


Weithin sichtbar auf der roten Backsteinmauer ist das Denkmal, heute den Toten beider Weltkriege gewidmet, ein einprägsames Erkennungszeichen für Vorübergehende.

 

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Das Denkmal besteht neben dem Kruzifix aus vier einzelnen Platten mit bildhauerischen Darstellungen im Relief, die die Widmungsplatte umschließen. Unter der Platte ist ein steinerner Kranzhalter angebracht.

 

SH Kuecknitz Kreuz web


Am Fuß des Kreuzes, wo sonst römische Soldaten und trauernde Frauen abgebildet werden, sind geschwungene Muschelkalkplatten mit Symbolen für eine Kriegerehrung angebracht.

 

SH Kuecknitz Helm web


Links ist ein Stahlhelm mit nach oben gerecktem Kurzschwert zu sehen, umgeben von viel ehrendem Eichenlaub.

 

SH Kuecknitz Palmwedel web


Rechts ein Palmwedel, das antike Zeichen des Sieges und eine ebenso antike Öllampe, das Zeichen für das Licht Gottes, für ewiges Leben? Wir wissen nicht, was hier gemeint ist. Hinter Lampe und Wedel guckt im ovalen Rahmen ein doppeltes Christussymbol hervor: senkrecht stehen verschränkt die griechischen Buchstaben X und P, die ersten beiden Buchstaben des griechischen Wortes für Christus und waagerecht die griechischen Buchstaben Alpha und Omega. Der erste und der letzte Buchstabe des klassischen griechischen Alphabets sind ein Symbol für Anfang und Ende, damit für das Umfassende, für Gott und insbesondere für Christus als den Ersten und Letzten. Das Ganze wird auch auf dieser Seite mit ehrendem Laub umrahmt, diesmal ist es Lorbeer.

 

SH Kuecknitz Tafel web


Hier sehen wir im schmalhohen Rahmen, an die Widmungsplatte anschließend, seitliche Steinfriese, in denen der Lübecker Bildhauer Emil Köhne Menschen im Relief dargestellt hat. Links einen älteren Handwerker, er steht am Amboß, einen Hammer in der Hand, einen am Boden. Er wird aber nicht bei der Arbeit gezeigt, eher im Gebet. Auch die Mutter auf dem rechten Fries betet, laut zeitgenössischer Beschreibung ist sie eine Kriegerwitwe. Sie reckt die Hände zum Gekreuzigten, das Kind hält sich an ihr fest, die feingliedrige Puppe in seiner anderen Hand scheint es vergessen zu haben.


Seit 1985 ist eine neue Tafel in die alte Symbolik von 1921 eingefügt worden. Die ehemals Eisernen Kreuze als militärische Ehrenzeichen sind durch neutrale Kreuze ersetzt worden. Die Inschrift lautet, mittig gesetzt:

UNSEREN TOTEN
DES 1. UND 2. WELTKRIEGES
1914 -- 1918
1939 -- 1945

PAX
PEACE – SHALOM
MNP – FRIEDEN – PAIX

Das lateinische Wort für Frieden PAX wird auf englisch, hebräisch, russisch, deutsch und französisch wiederholt. Die Widmung »Unseren Toten« kann man als Einbeziehung der zivilen Toten, der hingerichteten Deserteure, der »Euthanasie«-Mordopfer usw. verstehen, allerdings grenzt das Wort »Unseren«, anders als das vielsprachige Friedenswort, die Adressaten des Gedenkens auf Deutsche ein.

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Aus der Geschichte

Das Foto und der folgende Text sind in den Vaterstädtischen Blättern aus Lübeck in der Ausgabe vom 20. November 1921 veröffentlicht worden:

»Das Denkmal für die Gefallenen der katholischen St. Josefs=Gemeinde in Kücknitz ist rechts vom Portal der Kirche an deren Außenwand angebracht, wo es den Vorübergehenden mit ernster Mahnung begrüßt. Unter einem Kruzifix, das schon vorhanden war, ist eine Steintafel mit den Namen der Gefallenen eingelassen. Zu ihren beiden Seiten ist bildhauerischer Schmuck angebracht. Das Relief zur Linken zeigt einen Werkmann mit Hammer und Rad und sonstigen Attributen seines Berufs, dasjenige zur Rechten eine Kriegerwitwe mit ihrem Kinde, die sich betend zum Gekreuzigten aufwärtswendet.

SH Kuecknitz VSB 1921 22 web


Die Gedenktafel ist ein Werk des Lübecker Bildhauers Emil Köhne, der schon so manches schöne Werk geschaffen hat. Sein neues Werk ist rein und schlicht in der Form und bringt den ihm innewohnenden Gedanken in ergreifender Weise zum Ausdruck. Am 6. November, einem Sonntag, wurde die Gedenktafel nach einem feierlichen Levitenhochamt eingeweiht. Der Pastor der St. Josefsgemeinde, Pfarrer Lejeune, hielt die Weiherede. An der Kranzniederlegung beteiligte sich auch Bürgermeister Dr. Neumann für den Lübecker Senat.«


Die Inschriften auf der Tafel lauten:

Im Weltkriege 1914-1918
fielen aus dieser Gemeinde

Rechts und links der beiden Zeilen sind Eiserne Kreuze in Kontur eingemeißelt.

Es folgen die Namen von 18 toten Soldaten in zwei geblockten Spalten. Es werden die Familiennamen und nachgestellt die oft abgekürzten Vornamen genannt. Weitere Angaben werden nicht gemacht. Eine ordnende Reihenfolge ist nicht zu erkennen.

Nach einem runden Symbol, das wir nicht erkennen können, beschließt ein Bibelspruch die Inschriften auf der Tafel:

Sei getreu bis in den Tod so will ich dir
die Krone des Lebens geben Offb.2, 10c


In der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Kirche St. Joseph am 29. Mai 2010 steht dann in der Chronik zum Jahr 1985: »Im gleichen Jahr bringt man eine neue Gedenktafel für die Opfer der beiden Weltkriege vor der Kirche an.«

 

SH Kuecknitz Christus web


Wir vermuten, dass in diesem Zusammenhang auch das Kruzifix erneuert wurde. Auf dem Foto aus dem Jahr 1921 sehen wir einen Gekreuzigten mit kräftigen dunklen Haaren, ohne Dornenkrone auf dem Kopf, mit eher muskulösem Körper. Die Darstellung macht einen authentischen, realitätsnahen Eindruck, so könnte ein Mann in Judäa ausgesehen haben.

Die neue alabasterweiße Jesusdarstellung umgeht die Definition von Haar- und Hautfarbe.

 

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Der Bibelspruch

Die Aufforderung Jesu an den verletzten Soldaten, es ihm gleich zu tun, sich für die Menschheit / das Vaterland / die Heimat zu opfern? Postkarten wie diese wurden massenweise gedruckt: Kirchliche und religiöse Rechtfertigung des Kriegs.

 

SH Kuecknitz Sei Getreu Postkarte web

 

»Während der ganzen Kriegszeit sind die Millionen Bildpostkarten ein wichtiges Propaganda-Instrument zur Stärkung der Kriegsmoral an der Front und in der Heimat. Besonders beliebt sind die Karten(serien) mit biblischen und kirchlichen Zitaten, Symbolen und Texten.«

Wanderausstellung »Gott mit uns« der Ev. Akademie der Nordkirche

 

Bibelzitate findet man auch heute noch häufig auf Denkmälern zum 1. Weltkrieg, sie stehen für eine Glorifizierung bzw. Mystifizierung der toten Krieger. Nach der für viele überraschenden Niederlage und den nach Kriegsende als bittere Last erlebten Bedingungen des Versailler »Schandvertrags« wurden vermehrt christliche Sprüche verwendet, um dem Soldatentod einen höheren Sinn zu geben. In Kombination mit dem Kruzifix an der Kirchenwand von St. Joseph in Kücknitz nahm diese Inszenierung Bezug auf den Opfertod Jesu, der nach christlichem Glauben am Kreuz gestorben ist, um die Menschheit zu erlösen.

Die Landeskirche Hannover ordnet auf ihrer Website www.evangelische-friedensarbeit.de Bibelsprüche auf Kriegerdenkmälern ein:

»Typisch war, Sprüche zu suchen, die sowohl eine christliche als auch eine profane Deutung zuließen. Fast jedes Kriegerdenkmal war dafür gebaut und verfolgte den Sinn, den Militarismus zumindest indirekt zu stützen und zu fördern. Schon deshalb ist es höchst problematisch, auf diese Gedenkorte Worte des ›Friedefürsten‹ Jesus zu setzen.

Am häufigsten wurden die Bibelverse verwandt:

Sei getreu bis in den Tod so will ich dir
die Krone des Lebens geben Offb.2, 10c

Dies Wort an die Gemeinde in Smyrna steht in einem der sieben Sendschreiben. Smyrna ist dabei eine Gemeinde in der Christen unter besonderer Bedrängnis litten. Es soll mit dem Sendschreiben ermutigt werden, trotz allem zu seinem Glauben zu stehen, dies rettet vor dem ewigen Tod.

Die Soldaten zogen in den Krieg für: ›Gott und Vaterland‹. Aus dem universalen Gott wurde ein ›deutscher Gott‹. Nun soll suggeriert werden, dass dieser Tod ein besonderer war, dem eine nachträgliche ›Überhöhung‹ gegeben wird.

Aus heutiger Sicht (meiner Sicht) ist es ein unzulässiger Gebrauch des Bibelwortes, da es in dem Zusammenhang der Bibel ganz anderes gemeint war, als der Spruch auf einem Kriegerdenkmal vermittelt. Es geht nicht um Treue an sich, sondern ausschließlich um die Treue zu Gott. Treue zu Gott zeigen, in dem ich bereit bin zu töten und den Kriegstod hinzunehmen, ist nach allem, was wir über Jesus und sein Gebot der Feindesliebe wissen, letztlich mit dem christlichen Glauben nicht zu vereinbaren und bedarf einer Korrektur oder Einordnung.«

Link zur Website



In vielen Predigten, meist zum Volkstrauertag, wird dieser Bibelspruch aufgegriffen:

»Mit seinen drastischen Schilderungen verleiht Johannes den Gefühlen der gefährdeten Menschen Ausdruck. Er gibt damit den Ohnmächtigen eine Sprache. Sei getreu bis an den Tod ...

Er tröstet, ausgerechnet mit Versen, die uns heute auf vielen Kriegsdenkmälern begegnen.

Treue bis in den Tod? Heute am Volkstrauertag stehen wir fast auf den Tag genau 70 Jahre nach dem Ende Stalingrads – dem Anfang vom Ende des Hitler-Krieges, der Europa in Schutt und Asche legte, dem Innbegriff des sinnlosen Mordens, Synonym dafür, was Menschen Menschen antun können. Welche Bilder des Entsetzens und Grauens sind nicht mit dieser Schlacht von Stalingrad verbunden?

Stalingrad – auch Sinnbild für blinde Treue bis in den Tod. Für wahnwitzigen Gehorsam.«

Diakoniepfarrer Dietmar Kehlbreier, 2012, Lutherkirche Altena

»›Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben!‹ Perfide, dieses Wort an jener Stelle.Versüßen sollte es den jungen Männern, den Soldaten aus ganz Europa den Krieg. Man erklärte den Kampf als göttlich, verklärte ihn und machte somit ihren tausendfachen Tod zu einem Zeichen für die Treue zu Gott und zum Vaterland. Das sogenannte christliche Abendland, seine Nationen gingen vor 104 Jahren mit diesem Vers im Gepäck ganz unchristlich aufeinander los.«

Pfarrerin Juliane Rumpel, 2018, KG Wilhelmshorst


»Und ich habe es inzwischen mehrfach gehört von ehemaligen Soldaten der Wehrmacht, dass ihnen dieser Spruch ins Feld mitgegeben worden war. Sozusagen als letzte Motivation, ›für den Führer‹ zu sterben. Ja, so wurde wohl dieser biblisch-christliche Spruch auf perfide Weise seinerzeit missbraucht:

›Der Führer‹, nicht Christus spricht: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Es wurden beide Deutungen damals offenkundig geschickt ineinander gespiegelt.«

Pfarrer Johannes Habdank, 2020, KG Berg am Starnberger See

 

Und noch ein Zitat aus der Weihepredigt des Kriegerdenkmals in Eckernförde am 7. September 1924 von Pastor Burmeister:

»›Sei getreu bis an den Tod!‹ Es ist leicht, namentlich im Rausche der Begeisterung, stolze nationale Töne anzuschlagen. Das heißt aber noch keineswegs seinem Volke auch wirklich treu sein. Die echte Treue kommt tief aus dem Herzen; sie setzt ein Gefühl innerer Gebundenheit voraus. Darum findet sie auch ihre höchste Bewährung in Not und Tod. [...] ›So will ich dir die Krone des Lebens geben.‹ Hört! Das ist die Stimme des lebendigen Gottes. Die Treue ist unser Werk, die Krone des Lebens können wir uns nicht selbst aufsetzen, die müssen wir in stiller Demut aus Gottes Hand nehmen. So ist es auch mit unseren gefallenen Helden.«

Die Predigt
Die Dokumentation des Denkmals


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Das Lager Pöppendorf

Im Waldhusener Forst, zwischen dem alten Bahnhof Kücknitz und Pöppendorf, befand sich nach dem Ende des 2. Weltkrieges das größte Durchgangslager Norddeutschlands. Zwischen Ende 1945 und Anfang 1951 durchliefen es eine Million Menschen. Errichtet wurde es auf Anweisung der Britischen Militärregierung als Entlassungslager für fast 80.000 Wehrmachtssoldaten aus Norwegen. Aufnahme fanden danach bis zum Sommer 1947 polnische und baltische sogenannte »displaced persons«, z.B. ins Deutsche Reich verschleppte Zwangsarbeiter:innen, die Richtung Osten unterwegs waren.

Aus dem Kapitel »Displaced Persons« der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945?«:

»Eine große Gruppe Menschen, die Vertreibung und Flucht erlitten hatten, stand in den Jahren nach Kriegsende ganz am Rand der öffentlichen Wahrnehmung: jüdische KZ-Überlebende, ins Deutsche Reich verschleppte Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene der Wehrmacht und jüdische Nachkriegsflüchtlinge aus osteuropäischen Staaten. Diese ›Displaced Persons‹, deren Lebenswege durch NS-Terror und Zwangsmaßnahmen unterbrochen worden waren, sahen nach der Befreiung einer ungewissen Zukunft entgegen. In den westlichen Besatzungszonen zählte man um die 7 Millionen ›DPs‹, Menschen, die nicht oder nur mit alliierter Hilfe in der Lage sein würden, in ihre Heimat zurückzukehren. Etwa eine Million ›DPs‹ aus osteuropäischen Staaten wollten nicht zurückkehren, aus Angst, als ›Kriegsverräter‹ behandelt oder als ›Faschisten‹ diskriminiert zu werden. Die jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager hatten Angehörige und Besitz verloren und hofften auf eine Ausreise nach Palästina oder in die USA. [...]

In der britischen Zone gab es etwa 130 ›DP‹-Lager, eingerichtet in ehemaligen NS-Lagern und öffentlichen Gebäuden. Unterstützung kam von UN-Hilfsorganisationen. Das britische Militär verfolgte das Ziel, alle ›DPs‹ in ihre Ausgangsländer zurückzuführen, besonders strikt. Es bestand auf Registrierung, Überprüfung, ab 1947 auf Arbeitspflicht und versorgte die Lagerbewohner besser als die deutsche Bevölkerung. Ein großer Teil der ›DPs‹ wurde bereits 1945 repatriiert. 1951 übergaben die Alliierten die verbliebenen ›heimatlosen Ausländer‹ in die Zuständigkeit der Bundesrepublik, die sie mit deutschen Staatsangehörigen gleichstellte.«

Im Ausstellungskatalog der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945?«:

Verdichtung 3 // »Displaced Persons«

 

Schon ab November 1945 kamen auch deutsche Flüchtlinge und Zwangsaussiedler ins Lager Pöppendorf. Sie wurden hier registriert, überprüft und weitergeschleust. Das Lager wurde ein Verschiebebahnhof für große Menschenmengen aus Danzig, Königsberg oder Stettin, die über ganz Norddeutschland verteilt wurden.

SH Kuecknitz Nissenhuetten web


Die Nissenhütten im Lager: einfache Unterkünfte aus gebogenem Wellblech mit Strohsäcken zum Schlafen.

SH Kuecknitz Entlausung webFotos: Infotafel des Gemeinnützigen Vereins Kücknitz e.V.

Die normale Prozedur zu Beginn: Registrierung und Entlausung! 

»1946 wurden das ganze Jahr über durch das Lager täglich bis zu 3.000 Menschen durchgeschleust. Es war eine gewaltige logistische Leistung, diese Menschen aufzufangen, zu versorgen und an einen sicheren Bestimmungsort weiterzuleiten. Über die Aufnahme der Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten hinaus wurde hier der Transport zehntausender von Menschen von einer Besatzungszone in die andere organisiert. Durch die Auswirkungen des Krieges befanden sich Millionen Deutscher nicht mehr an ihrem Wohnort, die Suche nach Angehörigen bestimmte ihren Alltag. Im Frühjahr 1947 waren die Aufnahmekapazitäten in den Städten und Kreisen Schleswig-Holsteins erschöpft und die nun eintreffenden Flüchtlinge verblieben teilweise Wochen und Monate lang im Lager«, so steht es auf der Website der Geschichtswerkstatt Herrenwyk.


Im Herbst 1947 wurden jüdische Holocaust-Überlebende ins Lager Pöppendorf gebracht. Sie hatten vorher vergeblich versucht mit dem Schiff »Exodus« nach Palästina zu gelangen.


SH Kuecknitz Exodus 1947 webFoto: Wikimedia Commons / gemeinfrei

Die »Exodus« erreicht am 20. Juli 1947 mit 4.515 jüdischen Holocaust-Überlebenden den Hafen von Haifa

Text der Gedenktafel bei den St.-Pauli-Landungsbrücken in Hamburg:

»Im Sommer 1947 versuchten über 4500 jüdische Holocaust-Überlebende von Frankreich aus mit dem Haganah-Schiff ›Exodus‹ in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina zu gelangen. In Internationalen Gewässern vor der Küste von Haifa wurde das Schiff von britischen Kriegsschiffen gerammt und nach schweren Kämpfen an Bord in den Hafen von Haifa geschleppt.

Die Briten brachten die Flüchtlinge gewaltsam auf drei Schiffe und schickten sie nach Frankreich zurück. Dort weigerten sie sich, von Bord zu gehen. Auf Befehl der britischen Regierung fuhren die Schiffe weiter nach Hamburg, von wo die Menschen gegen ihren Willen zwischen dem 8. und 10. September 1947 von der britischen Besatzungsmacht in zwei Lagern bei Lübeck interniert wurden.

›Exodus 1947‹ weckte die Welt auf und war ein Anstoss zur U.N. Abstimmung, die zur Gründung des Staates Israel führte.«

Mehr zum Schicksal der jüdischen Menschen auf Wikipedia

 

Die britischen Truppen führten die Ausladung in Hamburg und den Transport ins Lager Pöppendorf durch. Das Lager war vorher geräumt worden. Ein zwei Meter breiter Stacheldrahtzaun wurde um das Lager herum errichtet. Das Lager wurde gesichert von einer englischen Wache, elf Wachtürmen und Scheinwerfern mit Flutlicht!


SH Kuecknitz Poeppendorf Wikimedia Commons Etatsor 4 0 international webFoto: Wikipedia Commons / Etatsor. Namensnennung 4.0 international


Die Flüchtlinge wurden dann am 3. November 1947 in Winterquartiere in Emden und Sengwarden bei Wilhelmshaven verlegt. Im Frühjahr 1948 wurde ihnen endlich die Einreisegenehmigung nach Palästina gewährt.


Im Frühjahr 1951 wurde das Lager aufgelöst und abgerissen. Heute erinnern nur noch einige Informationstafeln des Gemeinnützigen Vereins Kücknitz e.V.  an das Lager, auf Luftaufnahmen lässt sich die Lage noch erkennen. »Dort, wo das Lager war, wachsen heute vorwiegend Nadelbäume. Für die Archäologen blieben nur noch die Latrinengruben im Waldboden«, steht am 27. Oktober 2018 auf LN-Online.

Ausführliche Informationen zum Lager Pöppendorf auf Wikipedia

 

Projekt: Kulturhistorischer Erinnerungsort Pöppendorfer Lager

Die Geschichte des Lagers wurde 1999 von Schülern der Geschwister-Prenski-Schule in der lange laufenden Wanderausstellung »Pöppendorf statt Palästina« erstmals aufgearbeitet. Die Erinnerung an das Lager Pöppendorf wird seitdem durch den Gemeinnützigen Verein Kücknitz e. V. sowie die Gesellschaft der Freunde des Stadtwaldes Lübeck e. V. wachgehalten.

SH Kuecknitz Poeppendorfer Lager Tafel weit web


Der Verein schreibt auf seiner Website: »Ziel des Projektes ist es, in drei Schritten die Geschichte des Lagers zu erforschen, zu dokumentieren und schließlich auch einer breiteren Öffentlichkeit nachhaltig zugänglich zu machen.

 

SH Kuecknitz Poeppendorfer Lager Tafel web


Als erster Schritt wurde an historischer Stelle (2. Parkplatz Waldhusen nach dem Forsthaus in Richtung Pöppendorf) am 30.11.2014 ein Schild mit einem Projekthinweis aufgestellt um Öffentlichkeit herzustellen und weitere Hinweise aus der Bevölkerung zu erlangen.«

 

SH Kuecknitz Poeppendorfer Lager Plan web


Der beschmierte Plan des Lagers an der Wetterhütte auf dem Parkplatz – notdürftig wieder freigekratzt.

 

SH Kuecknitz Poeppendorfer Lager Station1 web

 
»Als zweiter Schritt wurde die Finanzierung durch eine Spendenzusage über 10 Tsd. Euro von der Possehlstiftung gesichert und das Projekt mit der Aufstellung des Hinweisschildes Nr. 1 ›Eingang Pöppendorfer Lager‹ am 20. Juni 2015 sowie der Internetpräsenz offiziell gestartet.

Ein dritter Schritt mit eventueller Errichtung eines Teils einer Nissenhütte als Infostätte wird geprüft und erarbeitet.«


Das Projekt scheint leider ins Stocken geraten sein. Als diese Fotos im März 2021 entstanden sind, fanden wir die Tafeln in desolatem Zustand vor, die Internetpräsenz funktionierte nicht und die Einrichtung einer Infostätte »Nissenhütte« scheint nicht geklappt zu haben.

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Günther Schwarberg: »Die letzte Fahrt der Exodus«

Der Journalist Günther Schwarberg, als erster Deutscher mit der Anne-Frank-Medaille ausgezeichnet, stellte in seinen Arbeiten die Opfer des Faschismus und die Widerstandskämpfer in den Mittelpunkt. Wir zitieren Passagen aus seinem Buch »Die letzte Fahrt der Exodus. Das Schiff, das nicht ankommen sollte«, Steidl 1997, S. 109 – 151:


»Die Reise ist zu Ende. Sie hat vom Auslaufen der ›Exodus‹ am 11. Juli bis zum 9. September 1947 gedauert. 61 Tage.

An diesem 9. September 1947 berichtet ›The Palestine Post‹ in ihrer Schlagzeile: ›Refugees forced to land at Hamburg‹, die Flüchtlinge wurden zur Ausbootung in Hamburg gezwungen [...].

Etwa 30 junge Flüchtlinge haben eine halbe Stunde gekämpft, ehe sie überwältigt die Gangway hinuntergetragen wurden. [...] Die Unruhen begannen, als etwa ein Drittel der 1400 Flüchtlinge, zumeist Frauen, Kinder und alte Leute, an Land gegangen seien. Dann sei eine Kompanie Soldaten in die übelriechenden Schiffsräume gegangen, um diejenigen hinauszudrängen und zu tragen, die das Entladen aufgehalten hätten. Zu diesem Zeitpunkt brachten deutsche Arbeiter eine gedeckte Gangway an, damit die Zuschauer nicht länger beobachten sollten, welche Art Gewalt angewendet wurde ... Die Entladung war um 10.35 Uhr beendet. Einige Soldaten halfen Frauen, führten Kinder an der Hand und trugen die Pakete der Flüchtlinge – ›das ist alles, was sie noch haben‹, sagte einer der Soldaten. Einige Flüchtlinge lehnten die Hilfe der Soldaten ab, spuckten ihnen ins Gesicht und nannten sie ›dreckige Faschisten‹. [...]

Das Entladen des Zuges im Lager Pöppendorf, das schwer bewacht ist, geschah zwischen zwei Reihen Stacheldraht und war am Nachmittag beendet. Den Journalisten wurde der Zutritt verboten, obwohl sie vorher Spezial-Ausweise erhalten hatten. [...]

Deutsche Beamte versuchen wieder einmal, die Juden zu registrieren. [...]

Das ehemalige Kommandogebäude der britischen Armee vor dem Lagereingang in Pöppendorf ist wieder das schlichte Landgasthaus ›Waldhusen‹. Wenn die Lübecker von dort ihre Spaziergänge in den Waldhusener Forst machen, sehen sie heute nur Wald, fast unberührte Natur. Sie ahnen kaum etwas von den wellblechgedeckten ›Nissen‹-Hütten, in denen hier zweitausend Menschen auf ihrer Suche nach einer neuen Heimat eingesperrt waren. Sie wissen nicht, daß hier Kinder geboren und gestorben sind. Selbst wenn sie den immer verschlossenen jüdischen Friedhof an der Niendorfer Straße im südlichen Lübecker Vorort Moisling kennen, werden sie wohl nie die kleinen Grabsteine mit den Namen ›Exodus-Kind‹ gesehen haben. Unterernährt waren die Kinder, zu schwach zum Leben. Zu jung, um schon einen Namen getragen zu haben. Den hätten sie erst acht Tage nach der Geburt erhalten. [...]

In der Nähe des Lagers Pöppendorf ist in den Nachkriegsjahren das Neubauviertel ›Roter Hahn‹ hochgezogen worden. Die Straßen dort heißen Ostpreußenring und Romintenweg und Tannenbergstraße und Samlandstraße. Sie sollen das Gefühl wachhalten, den schuldlosen Deutschen sei zu Unrecht und mit Gewalt etwas weggenommen worden.«


Siehe auch unsere Dokumentation des Pommern-Zentrums in Lübeck-Travemünde. Der ehemalige Lagereingang Pöppendorf ist knapp 7 km entfernt.

Pommern-Zentrum

 
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Friedhof Waldhusen

Im Pöppendorfer Lager starben 520 Menschen, 172 davon sind auf dem nahegelegenen Waldhusener Friedhof größtenteils in Grabfeld 5-2 und 5-3 bestattet.

Dafür wurde der Friedhof zwischen 1945–1946 erweitert. Weitere 348 Gräber sind etwa auf dem Vorwerker Friedhof im Block 28 und dem Ehrenfriedhof in Lübeck zu finden, vermutlich weil zu der Zeit auf dem Friedhof Waldhusen noch nicht ausreichend Grabfelder erschlossen waren. Während der Zeit, in der die Exodus-Internierten im Lager Pöppendorf waren, wurden drei Kinder geboren, die kurz nach der Geburt starben. Diese sind auf dem Jüdischen Friedhof in Lübeck-Moisling im Gräberfeld der Opfer des Konzentrationslagers Bergen-Belsen mit begraben. Die drei Grabsteine tragen die Inschrift »Exodus-Kind ohne Namen«.

All diese Gräber für Menschen, »die in der Zeit seit 01. September 1939 während der Umsiedlung bis 08. Mai 1945 oder während der Vertreibung oder der Flucht bis 31. März 1952 gestorben sind.« werden nach §1 des Gräbergesetzes als Kriegsgräber anerkannt. Sie haben aufgrund des Gräbergesetzes dauerndes Ruherecht. Die Gräber werden von der Friedhofsverwaltung im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland gepflegt. Dafür wird ein Kostenbeitrag vom Bund gezahlt, der aber nicht für die gärtnerische Pflege ausreicht. Die Gemeindehaushalte, hier in Kücknitz der städtische Haushalt, müssen regelmäßig zusätzliche Mittel leisten.

SH Kuecknitz Poeppendorfer Lager Friedhof web

1984 waren die 172 Holzkreuze verrottet. Der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein gewährte darum auf Antrag der Friedhofsverwaltung einen Zuschuss von 40.000 DM, um 172 Kreuze aus belgischem Hartkalkstein (Ysselstein) inklusive Beschriftung zu beschaffen. Die neu gestaltete Anlage wurde am 3. September vom Stadtpräsidenten Sophus Pohl-Laukamp der Öffentlichkeit übergeben.

 

SH Kuecknitz Poeppendorfer Lager Grab1 web


Viele Inschriften, die von den chaotischen Verhältnissen in diesen Jahren Zeugnis ablegen, sind hier zu lesen:

STANIS
JARSIK ODER JARREICH
70 JAHRE  + 15.6.1945

SH Kuecknitz Poeppendorfer Lager Grab5 web


UNBEKANNTE FRAU
+ 28.4.1946

SH Kuecknitz Waldhusen Grab Best web


HEINZ STRUCK
15 JAHRE  BEST. 25.10.1945

An den Grabfeldern gibt es keinerlei Informationen zum Lager Pöppendorf. Wir hatten das Glück, einen Friedhofsmitarbeiter in der Mittagspause zu treffen, der uns eine Broschüre geschenkt hat.

Vielen Dank dafür!

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I N H A L T
Das Denkmal
Volkstrauertag 2019
Inschriften zum 1. Weltkrieg
Inschriften zum 2. Weltkrieg
Der Adler
Das Eiserne Kreuz
Der Stahlhelm

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Kükels, Kreis Segeberg

An der Hauptstraße bei einer Abzweigung

Ein mehrstufiges Monument auf gemauertem Sockel aus meist rötlichen Natursteinen, oben ein steinerner Adler auf einer Kugel: das ist das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs. Errichtet wurde es im Jahr 1921, ergänzt um die Seitenflügel 1958 für die toten Soldaten des 2. Weltkriegs.

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Es scheint so, als hätte der Besitzer des Grundstücks mit großem Haus, ein Ecke für die Denkmalsanlage abgezwackt. Eine lange Drei-Stein-Granitmauer begrenzt sein Grundstück zum Fußweg weit über den Denkmalsplatz hinaus.

 

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Über drei einteilige Granitstufen erreicht man den kurzen Sandweg direkt zum zentralen Denkmal und seitlich zu den ergänzten Monumenten.

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Großflächige, akurat beschnittene Hecken flankieren den Weg bis zu den vier Rhododendren, die über die Breite der Anlage verteilt sind.

 

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Auf dem Sommerfoto erkennt man Eichenlaub, das vom großen Baum links hinter dem Denkmal herüberragt.

 

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Ein grimmiger, detailreich gearbeiteter Adler bewacht das Denkmal zum 1. Weltkrieg. Er sitzt auf einer Granitkugel, die raffiniert von unten gestützt wird. Ob er auf einer Weltkugel oder einer Kanonenkugel thronen soll, wissen wir nicht.

 

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Die schmale Steintafel im oberen Teil des Monuments trägt ein einfaches Eisernes Kreuz. Das militärische Ehrenzeichen ist konturiert dargestellt. Darunter die Widmung:

UNSEREN
HELDEN
1914 – 1918

 

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Darunter, wie in einem engen Schrein: ein Stahlhelm im Relief.

 

SH Kuekels Tafel 1WK web


Im Sockelbereich ist die breite Namenstafel eingelassen. Als Titel steht mittig das Wort:

Gefallen

Darunter werden in zwei Spalten die Namen der 13 toten Soldaten aufgeführt. Vor- und Nachname, der Todestag und das Kriegsgebiet, West- (W) oder Ostfront (O), werden genannt. Es zeigt sich, dass die Mehrheit im Westen gestorben ist, drei im Osten. Die Namen sind chronologisch nach Sterbedatum geordnet, der einzige Vermißte steht am Ende, obwohl sein Sterbetag exakt mit dem 4.8.16 W angegeben wird.

 

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Unter den Namen steht die Zeile:

Treu und tapfer bis in den Tod

 

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An beiden Seiten des zentralen Denkmals steht je ein quer rechteckiges Monument, zusammengesetzt aus verschieden langen Granitstücken. Ohne weiteren Dekor sind sie die Rahmen für die Namenstafeln der toten Soldaten des 2. Weltkriegs. Die Namenstafeln sind der Tafel zum 1. Weltkrieg angepasst in der Schrifttype und in der Art der Aufzählung: Vor- und Nachname, Todestag, Kriegsgebiet. Wieder wird chronologisch nach Todestag geordnet. Gleich ist auch der Titel über den Namenslisten, allerdings diesmal mit Doppelpunkt

Gefallen:

Aber schon auf der ersten Tafel zeigt sich auch ein eklatanter Unterschied: nicht nur, dass schon auf der ersten Tafel 18 Soldatennamen (insgesamt sind es 32) aufgeführt sind, alle Soldaten sind an der Ostfront zu Tode gekommen.


Auf dem oberen Querbalken wird jeweils ein Teil des ausgewählten Sinnspruchs eingerahmt von den Jahreszahlen des 2. Weltkriegs. Links lesen wir:

Den Toten zum Gedenken

Der zweite Teil folgt rechts:

Den Lebenden zur Mahnung

 

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Auf der zweiten Tafel geht die Liste weiter bis zu Otto Kaufmann, der am 1.3.47 im Osten gestorben ist, also in Kriegsgefangenschaft, wie auch Hans Werner Krebitz, der am 31.12.45 im Osten starb. Auf dieser Tafel ist einzige Tote der Westfront aufgeführt. Es folgen im unteren Teil der Tafel die vermissten Soldaten. Von den acht Soldaten kennt man nur das Jahr, in dem sie vermisst wurden, von dreien auch den Monat. Ein Soldat wird seit März 1945 im Süden vermisst.


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Volkstrauertag 2019

»Den Toten zum Gedenken« steht auf der Kranzschleife der Gemeinde Kükels, wie auch über der ersten Namenstafel zum 2. Weltkrieg.

SH Kuekels VTT 2019 web


»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter. ›Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.‹ [Ralph Giordano, Die zweite Schuld, S. 324].«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 29
 

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Inschriften zum 1. weltkrieg

Die Zeugen militaristischen Denkens stehen unkommentiert an den Dorfstraßen, obwohl sie unverhohlen Kriegerheldentum propagieren und den Soldatentod als ehrenvoll bezeichnen.

Unseren Helden

»Prinzipiell existieren keine Helden, sondern sie werden per Zuschreibung von außen dazu gemacht. Dies erkennt man bereits daran, dass heute andere Menschen als Helden gelten, als zur Zeit des 1. und  2. WK. Es handelt sich um eine Konstruktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll, denn nicht jeder Soldat ist ein Held. Auch werden andere am Krieg direkt oder indirekt Beteiligte (Dichter, Ärzte, Hausfrauen, Invaliden usw.) deutlich seltener als Helden verehrt – von Kriegsgegnern ganz zu schweigen. Durch diese ›Opferhelden‹ werden bestimmte Werte, die dieser Held verkörperte erhöht und für die Gesellschaft als besonders erstrebenswert definiert, wie z.B. die Opferbereitschaft, ›Vaterlandsliebe‹, Mut, Furchtlosigkeit. Im Gegenzug lässt sich gleichfalls nicht heldisches Benehmen erkennen: Zögern, Zaudern, Furcht, Illoyalität usw. Durch den universellen Anspruch des Heldengedenkens wird die ›Leistung für das Gemeinwesen‹ anerkannt und wirkt fortan als Vorbild, was zur Militarisierung der Gesellschaft beiträgt (Opferheldenverehrung des 1. WK trug zu Militarisierung im Zuge des 2. W.K. bei). ›Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.‹ (Kurt Tucholsky)«

www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden/Gedenkorte-fuer-Verstorbene-der-Weltkriege

»›Sie starben den Heldentod‹ steht auf den Denkmälern. So, als ob das Sterben die Erfüllung ihres Lebens, die Bestimmung des soldatischen Auftrags ist. Der Tod eines Soldaten muss erklärt und gerechtfertigt werden und er begründet eine spezifische Erinnerungspflicht. Wobei es nicht die Toten sind, die die Lebenden dazu verpflichten könnten, es sind immer die Überlebenden, die als Denkmalstifter die Getöteten für ihre Zwecke benutzen, sie als Helden, als Retter des Vaterlands, als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung benennen, deren Tod nicht sinnlos gewesen sein darf. Bis 1945 benutzen die Nationalsozialisten die toten Soldaten für eine Verpflichtung an die nachfolgende Generation, ihnen an Kampfesmut und Opferbereitschaft nicht nachzustehen.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.33


»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. Das soll die Hinterbliebenen stolz machen. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 89

 

Treu und tapfer bis in den Tod

»Zum Volkstrauertag am Sonntag hat die evangelische Kirchengemeinde ›Zum Heiligen Kreuz‹ in Sehnde bei Hannover zusammen mit der Kommune ein Kriegerdenkmal in ein Friedensmahnmal umgewandelt. Eine neue Tafel vor dem Denkmal warnt nun vor einer Verharmlosung des Krieges. Der 1923 eingeweihte Gedenkstein steht neben der Kirche, zuvor war er lange an einer Bundesstraße zu finden. Er sollte an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Sehnde erinnern.

Wegen seiner Inschrift wurde das Denkmal jedoch seit längerer Zeit kritisiert. [...] Die Botschaft klammere Trauer, Vertreibung, Seuchen und Elend als Folgen des Krieges aus und verherrliche den Heldentod, erklärte im Namen des Kirchenvorstands Pastor Uwe Büttner.

Auf der neuen Tafel steht nun, das Denkmal sei Ausdruck des damals vorherrschenden Zeitgeistes. Indem der Sinnspruch das Sterben auf dem Schlachtfeld verherrliche, verharmlose er die Brutalität und rechtfertige Krieg als Lösung zwischenstaatlicher Konflikte.

Aus christlicher Sicht müsse ein Kriegsdenkmal aber dazu mahnen, Kriege zu verhindern, heißt es weiter auf der Tafel, ergänzt durch den biblischen Satz: ›Zum Frieden hat euch Gott berufen.‹«

Epd, 2018

»Den Tod der Menschen als Dienst für das Vaterland, ihr Töten und Getötetwerden als Tapferkeit und Mut darzustellen [...] dient auch dazu, die Soldaten (und ihr Umfeld) bei der Stange zu halten und junge Menschen dazu zu bringen, sich als Soldat zu verpflichten und in diesen und andere Kriege zu ziehen.«

Jonna Schürkes, Internationale der KriegsdienstgegenerInnen, »Man stirbt fürs Vaterland: Der Rückgriff auf Begriffe wie Tapferkeit, Treue und Ehre zur Legitimierung von Kriegseinsätzen und zur Rekrutierung von Soldaten«


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Inschriften zum 2. weltkrieg

Den Toten zum Gedenken
Den Lebenden zur Mahnung

Diese Widmung erinnert im Duktus an die Inschrift am Nationaldenkmal für die Befreiungskriege auf dem Kreuzberg in Berlin.

Auf der höchsten Stelle der Erhebung legte König Friedrich Wilhelm III. am 19. September 1818 den Grundstein des deutschen Nationaldenkmals für die Siege in den Befreiungskriegen. Die Einweihung des Denkmals erfolgte am 30. März 1821, dem Jahrestag der Erstürmung des Montmartre. Bei gleicher Gelegenheit erhielt der Hügel seinen heutigen Namen Kreuzberg. Die Widmungsinschrift verfasste im Auftrag des Königs der Altphilologe August Boeckh:

»Der König dem Volke,
das auf seinen Ruf hochherzig
Gut und Blut dem Vaterlande darbrachte.
Den Gefallenen zum Gedächtniß,
den Lebenden zur Anerkennung,
den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung.«

Die zweite Hälfte dieses Textes war gängige Vorlage für Kriegerdenkmäler beider Weltkriege, teilweise mit einzelnen veränderten Wörtern oder man verzichtete, wie in Kükels und besonders bei Denkmälern für den 2. Weltkrieg, auf die Zeitebene der Zukunft.


»Ein Mahnmal mahnt so wenig wie
ein Denkmal denkt und ein Grabmal gräbt
man wollte sie nicht vergessen, die Burschen
man wollte allerdings vergessen die Tränen.«

• Georg Schwikart

 

Gefallen

»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.
Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S.100


»Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 60/61

»›Gefallenendenkmal‹ verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort. [...] Die deutsche Sprache bevorzugt auch dafür einen schönfärbenden Ausdruck: ›im Felde gefallen‹ oder ›auf dem Felde der Ehre gefallen‹. Nicht auf ein ›Gefallenendenkmal‹ gehörten demnach alle, die beim Beschuss der Unterkunft, im Lazarett, auf dem Transport oder in Gefangenschaft ums Leben kamen.«

• Ebd., S.22

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Der Adler

Der Adler ist als »der mächtigste König im Luftrevier« (Anfang des »Seeräuberlied«, das zum Marschliederkanon der Wehrmacht gehörte), der König der Lüfte und wehrhafter Beschützer seines Horstes.

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 137


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Als Hoheitszeichen des Deutschen Reiches und als Symbol für deutsche Macht und Stärke galt der Seeadler. Der Raubvogel konnte nach 1871 wachsam nach Westen spähen, oft aufreizend mit den Flügeln schlagen und/oder den geöffneten Schnabel drohend dem französischen Feind entgegenstrecken. [...]
Unmittelbar vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrages stieß die »Deutsche Tageszeitung« vom 26. Juni 1919 den Stoßseufzer aus, es möge »vielleicht doch in nicht so ferner Zeit [...] – der Tag komm[en], an welchem das Deutsche Volk sich aus seinem tiefen Fall wieder erheben kann und der deutsche Adler von neuem den Flug zur Sonne unternimmt.« Dieser sehnsüchtige Wunsch wurde in die Gedenkwelt hineingetragen [Hamburg-Gross Borstel, Oktober 1922: »Mit kräftigen Krallen steht er trotzig und lauernd auf seinem eisernen Grund, den scharfen Blick nach Westen gerichtet«. Wasserkuppe/Rhön, 1923, Weiherede des Oberstleutnants a.D. Walter von Eberhardt: »Und eigene Kraft wird es sein, die alle Fesseln, die Schmach und Schande, die Not und Elend uns angelegt haben, wieder sprengen wird. Nach Westen blickt der Adler. Er weist uns den Weg, den wir gehen müssen.« Auch dort die Kranzschleife des »Bundes der Jagdflieger« am Tag der Einweihung: »Adler, Du, halte die Wacht! Um uns ist Schande und Nacht. / Siehe, dort hinter dem Rhein / Schlummert der Brüder Gebein / Bis einst der Morgen erwacht. Adler, Du, halte die Wacht!«]

Loretana de Libero, »Rache und Triumph, Krieg Gefühle und Gedenken in der Moderne«, De Gruyter Oldenbourg. Beiträge zur Militärgeschichte. Band 73. S. 95f

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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden. Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Soldaten der Wehrmacht kämpfen nicht nur pflichtschuldig  und gehorsam. Ohne die Gefühlswelt aus Stolz, Ehre und Männlichkeit ist nicht zu erklären, warum so viele an die Front streben – und dem Krieg bis zum Untergang verhaftet bleiben. (Frank Werner in ZEITGeschichte 4/2018)

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Geschickte Propaganda: Begehrenswerte Ordensbrust in »Die Woche« Januar 1940.

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

Neben dem Thorshammer ist das Eiserne Kreuz das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

 

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Der Stahlhelm

Neben dem militärischen Ehrenzeichen Eisernes Kreuz ist die Darstellung des Stahlhelms das meist gezeigte Symbol auf Kriegerdenkmälern. Wie kam es zu dieser Wirkmacht?

Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der Lazarettarzt Professor August Bier (nach ihm ist z.B. eine Klinik in Malente benannt) beobachtete höchst gefährliche Granatsplitterverletzungen des Gehirns in erschreckender Häufigkeit und entwickelte darum zusammen mit dem Ingenieur Dr. Friedrich Schwerd den neuen Helm aus Stahl, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30 000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.


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     Plakat von Ludwig Hohlwein zum 10. Reichsfrontsoldatentag 1929

»Der Historiker Jürgen Kraus macht drei vorherrschende semantische Felder aus, die dem Stahlhelm in diesem propagandistischen Zusammenhang schon für die Zeit des Krieges zugeordnet werden können. Zum einen hoben die Kriegsanleiheplakate den einzelnen Soldaten aus dem ›massenhaften Elend der Materialschlachten‹ heraus, der nun ›gleichermaßen geschützt wie heroisiert durch den neuen Stahlhelm siegessicher als Heldenfigur auf den Plakaten erschien.‹ In seiner Funktion als Schutzhelm verwies er auf die Gefahren und den Tod auf dem Schlachtfeld und wurde von daher zum Symbol für die Front schlechthin. Viel stärker als die Pickelhaube, die nun endgültig als Symbol für das Militär abgelöst war, vermochte der Stahlhelm den veränderten Bedingungen des Krieges kurz vor dessen Ende auch symbolisch Rechnung zu tragen.

Ein zweites semantisches Feld ergab sich besonders in der zweiten Kriegshälfte aus ›der Vorstellung der ›stählernen‹ Schutzwirkung des Stahlhelms‹, die nahe legte, daß der so behelmte Soldat an der Front imstande war, dem permanenten Beschuß durch den übermächtigen Feind, dem ›Stahlgewitter‹, standzuhalten und damit ein Vorbild für den Durchhaltewillen an der Front und auch in der Heimat zu sein.

Das dritte semantische Feld folgt laut Kraus schließlich aus der großen formalen Ähnlichkeit des neuen Stahlhelms mit typischen Helmformen des Mittelalters. [...] Indem der Träger des Stahlhelms so in die Nähe der historischen Gestalt des Ritters ›als Repräsentant des deutschen Heeres‹ gerückt wurde, was auf zahlreichen Plakaten der Zeit in vielfältiger Weise geschah, konnte er als überzeitlicher ›Kämpfer für Deutschland‹ stilisiert werden, der »ganz wie seine Vorkämpfer über die Jahrhunderte hinweg Unheil von Deutschland abzuwehren bestimmt war.«

Aus Kriegsvolkskunde, Gottfried Korff (Hg.), Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V., 2005, S.13


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