TRADITIONEN WERDEN GEPFLEGT

Kriegerdenkmäler in Schleswig-Holstein

»Die Auseinandersetzung mit den Denkmälern gehört zu unserer Erinnerungskultur. Dabei wird sichtbar, dass wir auch als Kirche lernen, die eigenen Verstrickungen in die Geschichte von Krieg und Gewalt kritisch zu beleuchten. Die Erinnerung ist notwendig, um in der Gegenwart Versöhnung zu leben und auch in Zukunft dem Frieden zu dienen.

Unter dem Motto: ›Erinnern – Erkennen – Gestalten‹ greift die Evangelische Akademie Hamburg einen Appell der Synode der Nordkirche auf, sich kritisch mit den vielen hundert Ehrenmalen im Lande auseinanderzusetzen.

Gerade die vielen öffentlichen Ehrenmäler zum ersten Weltkrieg zeigen den damals prägenden Einfluss nationalistischer und auch nationalsozialistischer Ideologie. Ehrenmale zum Zweiten Weltkrieg stehen nicht selten noch unter dem Einfluss der Formensprache jener Zeit.«

Gothard Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein


Die in den Dörfern und Städten Schleswig-Holsteins zahlreichen Kriegerdenkmäler sind oft im Zentrum des Ortes aufgebaut oder in eigene Grünanlagen integriert. Die häufig zu findenden Namenstafeln getöteter Soldaten, die der persönlichen Erinnerung dienen sollen, sind gleichwohl mit den verbreiteten Deutungen versehen: Verehrung der Soldaten als Helden, Verklärung ihres Todes als Opfer für König und Vaterland und Legitimation des Krieges bestimmen diese Denkmäler. Aufrufe zum Frieden und gegen Krieg finden sich eher selten. Soweit bekannt, werden diese Kriegerdenkmäler fast überall am Volkstrauertag für die traditionellen Rituale des Gedenkens genutzt. Einige sind weitgehend unbeachtet, zum Beispiel der überlebensgroße »Held« in Eckernförde und selbst Einheimischen nicht immer bekannt.

Ein Klick auf das Bild öffnet die Spalte mit Texten und Fotos zum Denkmal. Haben Sie weitere interessante Informationen oder historische Bilder zu den vorgestellten Kriegerdenkmälern? Dann würden wir sie gerne auf dieser Seite veröffentlichen.

Ein Klick auf den schwarzen Balken am Anfang der Denkmaldokumentation von

Ahrensburg   Bünningstedt   Hoisbüttel

öffnet die Berichte über die temporäre Kunstaktion der Evangelischen Akademie in Zusammenarbeit mit dem KunstHaus am Schüberg im Sommer 2014: »Kriegerdenkmäler – Stumme Zeugen ins Gespräch bringen«.

Fotos: Marlise Appel, Evangelische Akademie der Nordkirche, wenn nicht anders angegeben.

 


I N H A L T
Das Denkmal
Aus dem Stadtarchiv
Die Vorgeschichte
Die Geschichte
Die Geschichte in Bildern
Historische Postkarten
Am 27. November 2017

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Pinneberg, Kreis Pinneberg

Zwischen Christuskirche und Bahnhof

Am Rande eines kleinen Gehölzes führt eine breite, 4-stufige Treppe zu einer übergroßen, aus hellen Sandsteinen errichteten Stele mit einem nach oben gerichteten bronzenen Schwert und einem Reichsadler auf einen Ehrenkranz mit Eisernem Kreuz. Das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs wurde 1934 eingeweiht. Bis 1945 war im Kranz unter dem Reichsadler ein Hakenkreuz zu sehen.

SH Pinneberg ganz


Die Inschriften an der Stele sind in den Stein graviert, an der Mauer als Relief herausgearbeitet worden. Am Fuß der Stele:


1914-1918

SH Pinneberg Inschrift


Inschrift an der Seite:


IN UNWANDELBARER 
TREUE ZUM VATERLAND
IN DER HOFFNUNG 
AUF DEN SIEG LIESSEN 
=312= HELDEN DIESER
STADT IHR TEURES LEBEN
AUF DEM FELDE DER EHRE

Eine kleine Signatur weist auf das Entstehungsjahr 1934 hin. Der damals verlegte Grundstein enthält folgenden Spruch: »Zum ewigen Angedenken an die für das Dritte Reich gefallenen Helden«. In der Tat wurden den ca. 270 offiziell bekannten toten Soldaten des 1. Weltkriegs in Pinneberg noch die sogenannten »Blutzeugen der nationalen Erhebung« dazugezählt, sodass man auf insgesamt 312 »Helden« kommen konnte.

Siehe hierzu auch unsere Dokumentation des Kriegerdenkmals in Hohenfelde, Kreis Plön, Kapitel »Die Blutzeugen der Bewegung«.

Hohenfelde, Kreis Plön

 

SH Pinneberg Tafel


Links an der Mauer steht seit dem Jahr 1952:


DIE HEIMAT
RUFT IHRE KRIEGSGEFANGENEN 
UND VERMISSTEN

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Aus dem Stadtarchiv

Ursprünglich handelt es sich hier um ein Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges. Mit der Errichtung hat sich der Magistrat bereits seit 1926 beschäftigt. »Der Stadt Pinneberg mangelt es noch an einer Kriegerehrung für die im Weltkriege Gefallenen.«

In dem von Bürgermeister Backhaus 1933 einberufenen Denkmalsausschuss saßen Vertreter verschiedener Nazi-Organisationen, darunter z.B. Architekt Klaus Groth. Von der Stadt (neben dem Bürgermeister) der Stadtbaumeister Hansen und als Protokollführer der spätere Bürgermeister, Verwaltungs-Oberinspektor Glissmann.

Der Anordnung des Reichsinnenministeriums von 1942, die Metallteile (Adler und Schwert) des Denkmals »zur Verstärkung der Metallreserve« abzuliefern, ist die Stadt bis Kriegsende nicht nachgekommen. Es wurde Zeit geschunden mit der Begründung des Arbeitskräftemangels und mit der Schwierigkeit ein so großes Gerüst zu errichten.

Im Rahmen der Entnazifizierung wurde 1945 das Hakenkreuz unter dem Adler durch ein eisernes Kreuz ersetzt. Genehmigung der britischen Militärregierung (Major W. Brook).

Der Hauptausschuss beschließt am 03.10.1949: »Das Denkmal soll vor Verfall geschützt werden.«

1952 beschloss der Magistrat eine Gedenktafel für Kriegsgefangene anzubringen und dauerhaft mit Grün zu schmücken und zu beleuchten.

Alljährliche Kranzniederlegungen am Volkstrauertag bis heute.

Wie auch andere noch heute vorhandene und genutzte Anlagen, wie z.B. Bahnhofsplatz, Rosengarten, Sportanlagen, und Freibad, haben die Nationalsozialisten in den 1930er Jahren auch das Kriegerehrenmal am Bahnhof im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen errichten lassen.

Die Planungen der meisten Projekte reichen jedoch zurück in die Zeit der Weimarer Republik und wurden dann von den Nazis vereinnahmt.

Wir danken Martin Ramcke vom Stadtarchiv Pinneberg für diese Zusammenfassung.


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Die Vorgeschichte

»Eine auf Initiative der NSDAP einmalig tagende Denkmalskommission aus überwiegend NS-Prominenten beschließt symbolträchtig am 10. Jahrestag des Hitlerputsches in München ein ›Krieger-Ehrenmal‹ nach fertigem Entwurf des Stadtbaumeisters Theodor Hansen, Vorstandsmitglied in einem deutsch-völkischen Verband.

20. April 1934: Grundsteinlegung am Bahnhof zu Adolf Hitlers Geburtstag. Text der Grundsteinurkunde: ›Zum Zeichen des ewigen Angedenkens an die für das Dritte Reich gefallenen Helden‹. Den ungefähr 275 bekannten Gefallenen des WK I in Pinneberg werden vermutlich ca. 37 sogenannte ›Blutzeugen der Bewegung‹ zugerechnet, nach denen auch zehn Straßen in Waldenau benannt wurden. Inschrift am NS-Bauwerk: ›In unwandelbarer Treue zum Vaterland und in der Hoffnung auf den Sieg ließen -312- Helden dieser Stadt ihr teures Leben auf dem Felde der Ehre‹.

• Text aus der Spendenbroschüre der Mahnmalinitiative Pinneberg. Nachdem 2019 eine bauliche Ergänzung des NS-Bauwerks durch einen Schülerwettbewerb und 2020 durch künstlerische Beteiligung gefunden werden sollte, wurde 2021 beschlossen den Entwurf von F. Jörg Haberland zu realisieren. Laut Beschluss der Stadt Pinneberg soll das im Wesentlichen durch Spenden finanziert werden. Die Broschüre soll für Spenden werben: Ihre Spende an das hier angegebene Konto ist steuerlich absetzbar. Spenden bis 200 Euro erkennt das Finanzamt auch ohne Quittung an. Verwendungszweck: Haberland-Mahnmalergänzung. Förderverein Lokale Agenda 21 Pinneberg e.V., IBAN DE20 2305 1030 0015 0792 54.

Mehr zum Entwurf bei Initiativen, Kapitel 11

»Am 1. Juli 1934 wurde das Ehrenmal mit großem Pomp eingeweiht. Zunächst hielt Pastor Fölster in der Christuskirche die Festpredigt. Daran nahmen die Wehrverbände geschlossen teil. Dann folgte der Abmarsch zum Adolf-Hitler-Platz, dem heutigen Bahnhofsplatz, wo Oberkonsistorialrat Pg. Peperkorn aus Kiel die Weiherede hielt, es folgte eine Ansprache von Bürgermeister Backhaus.«

• Text und Foto stammen aus »Pinneberg zur Zeit des Nationalsozialismus« von Johannes Seifert, herausgegeben von der VHS-Geschichtswerkstatt Pinneberg. Wir danken Rudi Ahrendt für's Einscannen.

SH Pinneberg Einweihung web

● 1934: NS-Bürgermeister Backhaus weiht das »Ehrenmal« am Bahnhof ein.

»Pinneberg zur Zeit des Nationalsozialismus« S.154 - 157


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Die geschichte

Das Kapitel Pinneberg aus Claudia Eisert-Hilberts Examensarbeit (1987): »Denkmäler für Soldaten und andere Kriegsopfer seit dem Ersten Weltkrieg im Kreis Pinneberg« können Sie hier lesen. Unser Dank gilt der Verfasserin.

Examensarbeit Eisert-Hilbert


Siehe auch folgende Website:

www.spurensuche-kreis-pinneberg.de


Anfang 2017 gründete sich in Pinneberg eine Initiative, die das Kriegerdenkmal in eine kritische Erinnerungsstätte umwandeln möchte. Mehr Informationen dazu auf dieser Website unter Initiativen.

Das Nazi-Denkmal in Pinneberg


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Die geschichte In Bildern

Ein Foto vom 31. August 1941 zeigt, wie das Denkmal in der Zeit des Nationalsozialismus genutzt wurde.

SH Pinneberg 1941 08 31 Lily Westphal web

Das Foto gehört Frau Lily Westphal, 91 Jahre, aus Rellingen.
Vielen Dank an Achim Diekmann für’s Einscannen.


     SH Pinneberg Spenden Stadtarchiv web

Ein Spendenquittungsblatt mit einer Skizze des gewünschten Denkmals, unterschrieben von Bürgermeister Backhaus, der den Denkmalsausschuss einberufen und später das Denkmal auch eingeweiht hat.

 

SH Pinneberg Modell Stadtarchiv web


Das Modell für das Bauwerk mit Eichenzweigen. Stadtbaumeister Hansen hatte sich wohl »Deutsche Eichen« als Hintergrund gewünscht.

 

SH Pinneberg Hakenkreuz Stadtarchiv web


1934: Das offizielle Foto nach der Fertigstellung. Der Adler sitzt auf einem Kranz mit Hakenkreuz.

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1952 beschloß der Magistrat die Gedenktafel Kriegsgefangene anzubringen. Die Inschrift lautet:

Die Heimat ruft ihre Kriegsgefangenen und Vermissten

Ausserdem sollte das Denkmal beleuchtet und dauerhaft mit Grün geschmückt werden.

Tatsächlich wurde nur die kleine Tafel für wenige Jahre beleuchtet. Die Behauptung der Stadtverwaltung, das Bauwerk sei schon immer beleuchtet gewesen, entspricht nicht den Tatsachen. Siehe »Am 17. November 2017« weiter unten und bei »Initiativen« auf dieser Website:

Das Nazi-Denkmal in Pinneberg

 

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Ein Foto, vermutlich 1956, ohne die gewünschten hohen Bäume, aber jetzt mit Eisernem Kreuz im Kranz.

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Volkstrauertag im Jahr 1958

Alle Fotos stammen aus dem Stadtarchiv Pinneberg. Vielen Dank an Jochen Hilbert für den Besuch dort.

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Historische Postkarten

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... und da ist der Adler ab! Wird das Hakenkreuz gerade durch das Eiserne Kreuz ersetzt?

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Am 27. November 2017

Das Kriegerdenkmal wird neuerdings angestrahlt. Die im Dunkeln sonst unsichtbare Schrift mit der Heldenverehrung, das Schwert, der Adler sind jetzt schon von weitem sichtbar.

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Der Stadtverwaltung ist seit einem Jahr bekannt, dass es eine Initiative gibt, die das Kriegerkultmal zum Mahnmal machen möchte. Seit Juli gibt es einen mehrheitlichen Beschluss der Ratsversammlung in diese Richtung. Und nun dies!

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I N H A L T

Der Soldat
Die Rachefaust
»Der ideale Soldat«
Der frühere Standort des Soldaten
Der Bildhauer Bernhard Butzke
Eichenblätter
Die Denkmalstätte
Das Kreuz auf der Biberhöhe
Die Geschichte der Denkmalstätte
Die Opfer mahnen
Die Initiative 

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Plön, Kreis Plön

In der Prinzenstraße am Fuß der Biberhöhe

Auf einem hohen Sockel steht die Sandsteinskulptur eines Soldaten. Das Denkmal ist den toten Soldaten des 1. Weltkriegs gewidmet. Der Berliner Kunstschmied und Bildhauer Bernhard Butzke (1876 - 1952) hat es 1925 geschaffen.

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In einer gepflegten Anlage mit Kiesflächen, Bank und geschnittenen Hecken führen drei Stufen zum Monument.

 

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Der Soldat steht dort in voller Kriegsausrüstung, die linke Hand greift ans Herz, die rechte ist zur Faust geballt.

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Auf dem Sockel die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs

1914-1918

darunter ein Eisernes Kreuz als Symbol für die Anerkennung der »Vaterlandstreue« der Soldaten. Ihr Tod im Krieg wurde als Beweis dafür gedeutet.

 

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Zu Stiefeln und Stahlhelm trägt der Krieger eine ungewöhnliche Uniform, sie läßt Muskeln und Kniescheiben durchscheinen (siehe auch die Rückenansicht). Diese Darstellung ähnelt dem Erscheinungsbild eines antiken nackten Helden.

Vorn auf dem Felsblock zwischen seinen Beinen ist ein Fächer aus drei Eichenblättern im Relief herausgearbeitet.

Lesen Sie mehr im Kapitel »Eichenblätter«.

 

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Detailgetreu werden zwei Stabhandgranaten, eine Pistole im Holster, Kurzschwert, Schlagstock und Axt als das Waffenarsenal eines Kriegers wiedergegeben.

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Am schmalen Koppel hängen im Rücken noch Tasche und Trinkflasche. Die geballte rechte Faust ist hier gut zu sehen.

Lesen Sie mehr im nächsten Kapitel »Die Rachefaust«.

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Hier der oben angekündigte Blick auf die Rückenmuskeln des »Helden«.

 

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Die Signatur des Berliner Bildhauers Bernhard Butzke und das Entstehungsjahr 1925.

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Die Rachefaust

Den »Schmachfrieden von Versailles« zu rächen, auf den nächsten Krieg einzustimmen, dafür steht in der Nachkriegszeit als Symbol die männliche Faust.

»Nicht Schmerz allein künden die starren Züge, da ist noch etwas anderes, da ist mehr als Leiden und Trauer, da ist finstere, aber heilig-feste Entschlossenheit, und die Faust, die sich dort auf dem Schenkel ballt, sie spricht vom stolzen Willen, durchzuhalten, bis dies Herz wieder frei, die Schultern stark geworden sind, um die Bergeslast, die ein hartes Schicksal darüber getürmt hat, in gewaltigem Schwung abzuwälzen.«
Festschrift »Die Denkmals-Einweihung«, Berlin 1924


»Das ist der 82er, der schon den Schmerz, den Groll und den Zorn der unverdienten und unerwarteten Niederlage in sich trägt – die helmbeschatteten Augen, das hagere Gesicht, sie reden deutlich davon – und dem trotz allem oder gerade darum ein unbezwingliches Dennoch auf den trotzigen Lippen liegt, tatengewillt bekräftigt durch die zur Faust geballte Linke.«
Denkmalseinweihung in Göttingen, 23. August 1925

»Die linke Hand umkrampft das bei Fuß gehaltene Gewehr, die rechte hängt geballt herab [...] Der fest geschlossene Mund gräbt zugleich Schmerz und Trauer und unbeugsamen Willen in das hagere Antlitz. Unter dem Stahlhelm hervor blicken Augen voll Sehnsucht und Erwartung auf ein fernes Ziel. Das Standbild ist Symbol des geschlagenen, aber nicht besiegten Volkes, das einer größeren Zukunft entgegenharrt.«
Bergisch-Märkische Zeitung, 1. Juni 1931

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»Der ›Held mit der geballten Faust‹ gehört zum Typus des damals gängigen ›trotzigen Kriegers‹, der durch diese Geste [...] den Über- und Nachlebenden die gemeinsam gefühlte Wut anzeigte.«

• Die Zitate zur »Rachefaust« sind Loretana de Liberos Buch Rache und Triumph, De Gruyter Oldenbourg entnommen.

Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung werden die Parlamentsdebatten zum Versailler Vertrag beschrieben:

»In den folgenden Jahren nutzten fast ausschließlich NSDAP-Abgeordnete, wie Franz Stöhr, Wilhelm Kube und Gregor Strasser, den Begriff ›Schmachfrieden‹ und instrumentalisierten den Versailler Vertrag, um gegen die Republik und die Demokraten zu agitieren. Der Sozialdemokrat Kurt Löwenstein brachte es im Juni 1925 auf den Punkt: ›Die Herren von rechts (…) wollen (…) auf den Krücken des ›Schmachfriedens von Versailles‹ die schwärmerische Jugend im Geiste der Revanche erziehen und durchbilden.‹«

Link zum Beitrag


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»Der ideale Soldat«

1930 beschreibt der NSDAP-Ideologe Alfred Rosenberg in »Mythus des 20. Jahrhunderts – Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit« das typische Gesicht des idealen Soldaten so:

»In allen Städten und in allen Dörfern Deutschlands sehen wir hier bereits die Ansätze dazu. Die Gesichter, die unterm Stahlhelm auf den Kriegerdenkmälern hervorschauen, sie haben fast überall eine mystisch zu nennende Ähnlichkeit. Eine steile durchfurchte Stirn, eine starke gerade Nase mit kantigem Gerüst, ein festgeschlossener schmaler Mund mit der tiefen Spalte eines angespannten Willens.

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Die weitgeöffneten Augen blicken geradeaus vor sich hin. Bewußt in die Ferne, in die Ewigkeit. Diese willenhafte Männlichkeit des Frontsoldaten unterscheidet sich merklich vom Schönheitsideal früherer Zeiten: die innere Kraft ist noch deutlicher geworden als zur Zeit der Renaissance und des Barock. Diese neue Schönheit ist aber auch ein arteigenes Schönheitsbild des deutschen Arbeiters, des heutigen ringenden Deutschen schlechtweg.«

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Der frühere Standort des Soldaten

Das Kriegerdenkmal für die getöteten Soldaten des 1. Weltkriegs wurde 1925 an der Nikolaikirche am Markt eingeweiht.

 
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Nach 1955 wurde der Soldat an seinen jetzigen Standort an der Prinzenstraße in der Plöner Neustadt gebracht.

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Der Bildhauer Bernhard Butzke

Bernhard Johannes Karl Butzke, geboren am 20. Mai 1876 in Berlin, gestorben 1952 in Berlin, war ein Berliner Kunstschmied und Bildhauer.

Bernhard Butzke lernte bei KPM Berlin, war anschließend Schüler an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin und von 1893 bis 1900 bei KPM Berlin als Modelleur fest angestellt. 1922-23 war er für die Schwarzburger Werkstätten und als freier Bildhauer in Berlin tätig.

Butzke ist besonders für seine Darstellungen von Rehen und anderen Tieren bekannt.

Ebenfalls von ihm ist der 1922 aus Muschelkalk gefertigte Gänselieselbrunnen vor dem Rathaus. Gestiftet wurde er von den Brüdern Müller, die auswärts ein Vermögen gemacht hatten und ihrer Heimatstadt den Brunnen schenkten.

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Eichenblätter

Eichenlaub ist in der militärischen Symbolsprache ein Zeichen hoher Ehre. Darum findet man es oft auf Orden, z.B. auf dem Ritterkreuz in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie kam es zu dieser Symbolkraft?


Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.

Mit der Nationalromantik des 19. Jahrhunderts, mit der Deutschen Revolution 1848/1849 und der Reichsgründung 1871, die das Gefühl nationaler Einheit bestärkten, zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen und dergleichen dient Eichenlaub in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches bzw. der Lorbeerkranz.

Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019

 
»Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«

Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525


»Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«

Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de


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Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0


Eichenlaub als höchste Zier: SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS Theodor Eicke im Jahr 1942.


»Eichenlaub« war ab 1999 ein rechtsextremes Liedermacher-Duo aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes.


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Die Denkmalsstätte

Das Soldatstandbild zum 1. Weltkrieg steht östlich von einer großen Denkmalsstätte mit rechteckigem Grundriss zum 2.Weltkrieg. Oben auf dem ca. 60 Meter hohen Berg, der Biberhöhe, steht ein weithin sichtbares acht Meter hohes Kreuz, das sogenannte Kreuz des Ostens, aus Eichenholz. Das ganze Ensemble ist unter Denkmalschutz gestellt. Begründung: »geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, Kulturlandschaft prägend«.

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Von der Prinzenstraße aus betritt man ein 1955 großzügig angelegtes Areal mit einem Kiesvorplatz, der von einer halbhohen Bruchsteinmauer umgeben ist.

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Dahinter, direkt am Fuß der Biberhöhe, geht man über zwei breite Stufen auf eine Bruchsteinwand zu. Umgeben ist sie an drei Seiten von einer halbhohen Mauer gleicher Art auf die 14 eckige Säulen gemauert wurden. Eine hölzerne Pergola verbindet die Säulen. 19 schmiedeeiserne Kranzhalter sind an Mauer und Säulen befestigt.

 

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An der Mauer in schmiedeeisernen Buchstaben:

Die Opfer mahnen

Es werden keine Jahreszahlen genannt. Auch nicht welche Opfer gemeint sind: die deutschen und nichtdeutschen Soldaten, zivile Opfer in Deutschland und in anderen Ländern, die in den Konzentrationslagern Ermordeten, die Zwangsarbeiter, die Opfer der Euthanasiemorde? Das erfährt man nicht.

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Das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein stellt in seiner Datenbank Beschreibungen der geschützten Denkmäler zur Verfügung. Hier ein Auszug zur Anlage in Plön: »Als Ehrenmal der 1950er Jahre mit beachtlicher Größe und schlichter, zurückgenommener Architektur unter Einbeziehung der topografischen Gegebenheiten und der historischen Bedeutung der Biberhöhe als Aussichtspunkt von besonderem städtebaulichem Wert.«

Die Beschreibung des Landesamtes  Lizenz CC BY-SA 4.0


In der Bildmitte auf dem Foto oben ist das Gebäude des Gymnasiums Schloss Plön zu sehen, neben dem großen Denkmalsplatz sind die Fahrradständer der Schule aufgebaut.

Den Gedenkstein auf dem Schulhof beschreiben wir hier

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Das Kreuz auf der Biberhöhe

Das sogenannte »Kreuz des Ostens« ist ca. 8 Meter hoch, vermutlich ein Denkmal für die vertriebenen Deutschen. Fünf Eichen mussten dafür gefällt werden. Die Firma Kreutzfeld aus Ascheberg schnitt diese gewaltigen Bäume zu. Die Eisenbänder für das Kreuz wurden vom Schmiedemeister Kruse gefertigt.

Der Abbund durch Eisen und die Aufstellung erfolge durch Zimmermeister Holst. Für das Fundament mussten 8 Kubikmeter Beton in der Prinzenstraße gemischt, und den 22 Meter hohen Hang hinaufbefördert werden. Die obere Plattform der Biberhöhe mit dem Kreuz wurde am 11. Mai 1954 zur Benutzung freigegeben.

 

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Das Kreuz steht neben einem ebenfalls denkmalgeschützten Lindenrondell aus dem 18. Jahrhundert.


Eine lokale Gruppe kümmert sich um die Gedenkstätte. Allerdings scheint die Arbeit zum Erliegen gekommen zu sein.

www.bieberhoehe.de


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Die Geschichte der Denkmalsstätte

»Nach dem 2. Weltkrieg wollte man für die vielen Opfer ein Mahnmal errichten. Auch die Verbände der Vertriebenen wünschten ein Mahnmal für die verloren gegangenen deutschen Ostgebiete. In der Plöner Stadtverordnetenversammlung lagen bereits einige Anträge vor – nur das Stadtsäckel war leer. Viele Stadtverordnete setzten sich für diesen Plan ein. Besonders seien dabei Karl Schröder Sen. (Schilderfabrik) und Herr Tepper (damals Meister im Eissegeln) beide aus den deutschen Ostgebieten stammend, erwähnt. Der Stadtarchitekt Schwindt wurde mit dem Projekt beauftragt.

Die Bevölkerung wurde aufgerufen, in unentgeltlicher Gemeinschaftsarbeit mitzuwirken. Ein Beispiel enormer Loyalität der Bürger zu der Zeit.

Am 1. Juni 1951 wurde mit den Rodungsarbeiten begonnen, obwohl der Bauantrag der Stadt Plön erst am 10. August genehmigt wurde. Alle arbeiteten unentgeltlich. Das Material für den Bau stammte aus Spenden.

Der Bauhof sammelte Feldsteine aus den Kiesgruben. Herr Emil Maas, der beim Bauhof beschäftigt war, schlug die Steine auf Maß und führte auch alle Maurerarbeiten aus. Die Planierarbeiten bis zum Gipfel, sowie die Auffüllung der Mutterböden, wurden von freiwilligen Helfern ausgeführt. Vereine, Verbände, die Kirchengemeinde, Freiwillige Feuerwehr und Behörden stellten »Arbeitskommandos« zusammen. Jeden Tag waren auch zwanzig Schüler des Gymnasiums, der Real- oder der Volksschule zum Helfen da. Jeden Abend ab 17 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit wurde gearbeitet.

Die am Mahnmal befindliche Schrift wurde vom Schmiedemeister Kruse gefertigt. Die Zimmererarbeiten der Pergola hat der Modelltischler Alfons Kantowski ausgeführt. Die Anpflanzungsfläche des Hanges war in Dreiecken an Landesmannschaften, Verbände und Vereine aufgeteilt, die auf eigene Kosten die Stauden kauften. Die Bepflanzungen wurden vom Gärtnermeister Kantel und dem Stadtgärtner Walter Henck ausgeführt.

Nach vierjähriger Gemeinschaftsarbeit, Baubeginn war am 1.Juli 1951, konnte am 1. November 1955, es war Volkstrauertag, diese Gedenkstätte eingeweiht werden.«

www.bieberhoehe.de


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Die Opfer mahnen

»Es ist nicht wahr, dass die Opfer mahnen, bezeugen, Zeugenschaft für etwas ablegen, das ist eine der furchtbarsten und gedankenlosesten, schwächsten Poetisierungen (...) Auf das Opfer darf sich keiner berufen. Es ist Missbrauch.

Kein Land und keine Gruppe, keine Idee, darf sich auf ihre Toten berufen.«

Ingeborg Bachmann, Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar

Dieses Zitat steht auf einer Tafel zum Kriegerdenkmal in Neustadt in Holstein.

Neustadt in Holstein


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Die Initiative

Auf ihrer Website berichtet die Initiative »Bieberhöhe« aus Plön von ihrem Anliegen: »Bürgerengagement ist das Gebot der Stunde, denn es sollte von allgemeinem Interesse sein, einem weiteren Verfall unserer Infrastruktur entgegen zu wirken.«

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Der früher serpentinenartig vom Kreuz zur Gedenkstätte hinabführende Weg ist heute zugewachsen. Die gemauerte Treppe, mit der der Weg endet, ist noch erhalten, war aber bei unseren Besuchen 2019 und 2023 wegen Unfallgefahr gesperrt.


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I N H A L T

Der Gedenkstein auf dem Schulhof des Gymnasiums Schloss Plön
Der Bismarck-Stein
Die Geschichte des Gymnasiums
Die Butenplöner

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Plön, Kreis Plön

Auf dem Schulhof des Gymnasiums Schloss Plön in der Prinzenstraße

Bei Kriegsausbruch im August 1914 kam es am damaligen Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium in Plön wie überall in Deutschland zu einer Welle von freiwilligen Meldungen von Schülern der oberen Klassen zum Kriegseinsatz. Die Jungen der Abschlussklassen meldeten sich manchen Orts geschlossen an die Front, nur wenige kamen zurück.

SH Ploen Schulhof Kraenze webFoto: Der Scheinwerfer

Lorbeerkränze für die im 1. Weltkriegs getöteten Mitschüler in der Aula des Gymnasiums. Der erste Lorbeerkranz mit schwarz-weiß-roter Schleife wurde allerdings für Oberlehrer Winkler angebracht, der bereits am 15. September 1914 »an der Spitze seiner Kompanie [...] den Heldentod« gestorben sei, wie Direktor Petersen berichten musste. Die Schleifen und Inschriften hingen dort, bis sie im Mai 1945, kurz nach Kriegsende, durch ein Feuer zerstört wurden.

Bereits 1919 wurde vom Direktor ein Fond zur Finanzierung eines Gefallenendenkmals auf dem Schulhof gegründet. Der Direktor sah sich offenbar in der Verantwortung, nun, nach der niederschmetternden Niederlage, erst recht Orientierung zu geben und Sinn zu stiften. Die Inschriften des Gedenksteins geben einen ersten Hinweis auf die inhaltliche Richtung dieser Orientierung. Die Auswahl wird Direktor Petersen zugeschrieben. 1920 wurde dann der Gedenkstein für die toten Soldaten unter den Schülern und Lehrern des Gymnasiums am Ende des Schulgrundstücks, vor dem Wäldchen am Ufer des Kleinen Plöner Sees, errichtet.

 

SH Ploen Schulhof Weihe web

Bild: Kreisarchiv Plön, D 32 1.1

Titelseite des Programmheftes zur Denkmalsweihe für die im 1. Weltkrieg getöteten Schüler und Lehrer am 12. August 1920. Der Text am unteren Rand lautet: »Wohl wiegt das eine vieles auf, Allvater sieht darauf: Das ist für unsres Vaterlandes Not der Heldentod.«

Direktor Petersen in seiner Rede: »Wenn die Jugend, und ich weiß, sie wird es, eine empfängliche Seele für diese geheimnisvolle aber gewiß unleugbare Macht der Toten hat, dann wird das deutsche Volk auch aus den Tiefen der Not wieder hinaufgeführt werden zu sonnigen Höhen; dann ist der Tod der Helden auch in diesem Sinne nicht umsonst gewesen, ja sie sind dann nicht gestorben, sie leben und wirken.«

In regelmäßigen Abständen bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg hinein trafen sich fortan die Ehemaligen am »Denkstein« auf dem Schulhof, um der Helden/Opfer zu gedenken. Überliefert ist die Gedenkrede vom 17. August 1924, gehalten von Pastor Heinrich Prieß: »Wenn aber neben der schmerzvollen Klage um sie [die Opfer], wir auch immer gedenken mußten der unendlichen Schmach, die unsere endlich triumphierenden Feinde unserm, durch eigene Schuld wehrlos gemachten, am Boden liegenden, geschändeten und geknechteten Vaterlande höhnend zufügten, so glüht doch zugleich in uns allen auch die unerschütterliche Hoffnung, das felsenfeste Vertrauen, daß einst ein Tag kommen werde, – so steht es vor unseren Augen ja auch tief eingegraben in diesen Stein – an dem wir in neuer Kraft die große Schmach wieder von uns abschütteln, und dann das liebe deutsche Vaterland wieder in neuer Kraft und Herrlichkeit aufblühen werde! [ ... ] Und ist dann die Schlacht siegreich geschlagen, dann werden – glückselig, wer das noch miterlebt – die Schüler, alte und junge, am wieder erstandenen Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium hier in das festliche geschmückte Plön unter Glockengeläute mit fliegenden Fahnen einziehen, hin zu diesem Stein, hier sie senken und Siegeskränze niederlegen mit dem Jubelruf: Du Lenker der Schlachten, warst mit uns, der Sieg ist dein. Dein Name sei gelobt. O Herr, mach uns frei!«

1953 wird im »Heimatbuch des Kreises Plön« auf Seite 373 die kriegsvorbereitende Pädagogik des Dr. Petersen und seines Kollegiums beschrieben – allerdings völlig unkritisch:

»Dadurch, daß die Schüler an den Übungen des Jungdeutschlandbundes und später der Jugendkompanie teilnahmen, wurden sie mit der Jugend aller Volkskreise zusammengebracht und lernten sie kennen und schätzen. Daß sich die Schule im Weltkriege bewährt hat, beweist das Ehrenmal auf dem Schulhof mit seinen 90 Namen, bewiesen die 24 Kränze in der Aula für die Lehrer und Schüler, die unmittelbar von der Schule in den Krieg zogen. Auch die in der Heimat Zurückgebliebenen haben, jeder an seinem Platz, ›Kriegsdienste‹ geleistet.«

 

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Das Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium in Plön um 1925. Am rechten Bildrand ist vor dem Wäldchen der 1920 errichtete Gedenkstein zu erkennen. Er ist bis heute den toten Soldaten, Schülern und Lehrern der Schule gewidmet.

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Der Stein ist beidseitig beschriftet, auf der Frontseite werden 92 Namen aufgezählt.

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Darüber steht, die erste Zeile im Bogen:

Dulce et decorum est pro patria mori
[Süß und ehrenvoll ist es für das Vaterland zu sterben, nach Horaz]
Es starben den Heldentod im grossen Krieg
1914 – 1918

Siehe auch das Denkmal in Hamburg-Harburg


Auf der Rückseite steht:

Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultur
[Möge einst aus unseren Gebeinen ein Rächer erstehen, ein Vers aus Virgils »Aeneis«]

Siehe auch das Denkmal in Altenkirchen auf Rügen



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Auf dem blaugrauen flachen Findling am Fuß des großen Steins ist zu lesen:

Unseren ehemaligen Schulkameraden
den Gefallenen und Vermißten
des 2. Weltkriegs zum Gedenken

Diese Zitate haben weit nach dem 2. Weltkrieg scharfe Kritik in der Schülerschaft des Gymnasiums hervorgerufen.

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Foto: Der Scheinwerfer

Am 8. Mai 1985 gab es in der Schülerschaft eine lebhafte Kontroverse über den Umgang mit dem Gedenkstein. Während eine Gruppe mit einer symbolhaften Verhüllung des Steins mit einem schwarzen Tuch ihre kritische Haltung den Sinnsprüchen gegenüber zum Ausdruck brachte, pflanzte eine Gegenpartei Stiefmütterchen und legte einen Kranz nieder, um der Opfer der Kriege zu gedenken.

• Karsten Dölger, früher Oberstudienrat am Gymnasium Schloß Plön, hat für das »Jahrbuch für Heimatkunde im Kreis Plön« Bd. 44 (2014), S. 7 - 36 den Beitrag »Das Kaiser-Auguste-Victoria-Gymnasium in Plön und der erste Weltkrieg« geschrieben. Er bietet Einblicke in die pädagogische Vorbereitung der Schüler auf kriegerische Auseinandersetzungen, die Wahrnehmung der Kriegsereignisse und die Verarbeitung der Niederlage an der »Heimatfront« Plön. Die historischen Fotos und Texte zum Gedenkstein wurden dieser Publikation entnommen. Vielen Dank dafür!

Jahrbuch Bd. 44, S. 7 - 36

 

SH Ploen Schulhof Stein web2    

Dies ist ein Foto von 2003, kurz nach der Wiederherstellung der Schrift, zuvor war der Text nur noch schwer zu entziffern gewesen. Die Restaurierung erfolgte auf Initiative und mit dem finanziellen Engagement von Dr. Walter Kähler aus Stade. Er war in den 1940er und 1950er Jahren Schüler der damaligen Internatsoberschule gewesen.

Artikel Kieler Nachrichten vom 15. August 2013

 

Bei unserem Besuch 2023 konnten wir eine neu aufgestellte Aluminiumtafel fotografieren:

SH Ploen Gymnasium 2023 10 1WK Stein mit Schild web


Die schwarze Schrift hat sich teilweise verflüchtigt, der Text ist bei schwierigen Lichtverhältnissen kaum zu lesen.

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Diese Inschriften eine »Mahnung zum Frieden«?

Dr. Alfred Heggen war von 1989 bis 2014 Lehrer am Gymnasium Schloss Plön, die letzten Jahre als Schulleiter. Unter seiner Ägide ist die Tafel aufgestellt worden.

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Der Bismarckstein

Noch unkommentiert ist ein Stein zwischen den zahlreichen Schulgebäuden auf dem Gelände des Gymnasiums.

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Dicht an einer Eiche und hinter einer Ruhebank steht ein kantiger Findlung zu Ehren Otto von Bismarcks.

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Die Inschrift ist schlicht: Links oben steht 1815, das Jahr seiner Geburt am 1. April in Schönhausen bei Stendal. Es folgt dynamisch schräg ein knappes

BISMARCK

um unten rechts mit dem Jahr 1915 zu enden. Nun ist Bismarck nicht hundert Jahre alt geworden. Warum also steht 1915 auf dem Stein auf dem Schulgelände Schloss Plön? Bei Wikipedia lesen wir die Erklärung:

»Der entscheidende Schritt zu einer extremen Überhöhung von Bismarcks Bild in der Historiografie wurde während des Ersten Weltkriegs vollzogen. Anlässlich des 100. Geburtstags von Bismarck 1915 entstanden Weiheschriften, die ihren rein propagandistischen Zweck kaum verhüllten. In patriotischem Überschwang betonten Historiker die Pflicht der deutschen Soldaten, die von Bismarck herbeigeführte Einheit und Größe Deutschlands gegen die anderen europäischen Mächte zu verteidigen ...«.

 

Otto von Bismarck war von 1867 bis 1871 Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes und von 1871 bis zu seiner Entlassung durch Wilhelm II. 1890 Reichskanzler. Er gilt als Begründer des Deutschen Reiches, einen liberalen Verfassungsstaat hatte er dabei nicht im Sinn. Für den deutschen Herrschaftsanspruch führte er zwischen 1864 und 1872 zwar drei Kriege, doch der Professor für Neueste Geschichte Christoph Nonn konstatiert in Zeit Geschichte/2021 »Die Kanzler«: »...sein Beitrag zur Reichsgründung wird bis heute überschätzt«.


Bismarck verfolgte die Interessen der militärischen und aristokratischen Führungsschicht Preußens bzw. nach 1871 des Deutschen Reichs. Er führte das Sozialversicherungssystem ein, aber auch das repressive Sozialistengesetz. Um das Gesetz gegen die Sozialdemokratie und die Arbeiterbewegung im Reichstag durchzusetzen, nutzte er die Empörung über die Attentate auf den beim Volk beliebten Kaiser Wilhelm I.

Das Sozialistengesetz auf LeMO


»In der deutschen Geschichtsschreibung dominierte bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine ausgesprochen positive Bewertung von Bismarcks Rolle, die teilweise Züge einer Idealisierung trug. Nach dem Zweiten Weltkrieg mehrten sich kritische Stimmen, die Bismarck für das Scheitern der Demokratie in Deutschland mitverantwortlich machten und das von ihm geprägte Kaiserreich als obrigkeitsstaatliche Fehlkonstruktion darstellten.«

Wikipedia, abgerufen am 7.11.2021

Mehr auf Wikipedia

 

1884 hatte Bismarck die Kongo-Konferenz einberufen, auf der die europäischen Kolonialmächte den afrikanischen Kontinent zwecks Ausplünderung unter sich aufteilten und war so Wegbereiter des deutschen Kolonialismus.

Das größte deutsche Bismarck-Denkmal – mehr als 34 Meter hoch – wurde 1906 gegen Proteste der SPD auf einer Anhöhe in Hamburg St. Pauli eingeweiht. Die Hamburger Kaufleute, die von der Kolonialpolitik Bismarcks profitierten, hatten es gestiftet. Es zeigt den »Eisernen Kanzler« als Roland mit Schwert und Umhang. Später wurde es zur Kultstätte für nationale und völkische Aufmärsche, dann auch für die NSDAP.

Pastor i. R. Ulrich Hentschel, der ehemalige Studienleiter für Erinnerungskultur an der Evangelischen Akademie der Nordkirche beschreibt Bismarck und sein Denkmal:

Link zum Film auf YouTube


SH Suesel Bismarckaufkleber web


Von AFD bis zu den Jungen Nationalisten – die Mitglieder der rechten Szene sind Bismarckfans.


SH Suesel Bismarck T Shirt web


Bei Amazon kann Mann dieses T-Shirt mit Bismarckzitat kaufen: »Wenn die Deutschen zusammenhalten, so schlagen sie den Teufel aus der Hölle«.

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Die Geschichte des Gymnasiums

Das Gymnasium Schloss Plön beschreibt die eigene Geschichte auf der Website der Schule. »Gegründet 1704, blickt das Plöner Gymnasium auf eine mehr als 300-jährige wechselvolle Geschichte zurück, in der es seinen Namen und rechtlichen Status mehrfach verändert hat.«

Gymnasium Plön / Schulgeschichte


Wir fassen zusammen:

1704 – 1821: Gründung der Lateinschule, die nach dem Gründer und Stifter des späteren Gymnasiums, Christoph Gensch von Breitenau, benannt wurde.

1821 – 1864: Umwandlung in eine Gelehrtenschule, als Zeichen für den Ruf und die Bedeutung dieser Einrichtung. Auf Veranlassung des dänischen Königs wurde das Gebäude am Schloßberg erbaut und 1842 bezogen. Nur neun Schulen in Holstein hatten diesen Status.



 

Matthias Paustian hat 1994 in den Informationen zur schleswig-holsteinischen Zeitgeschichte des AKENS (Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein) einen ausführlichen Bericht über die Geschichte seiner ehemaligen Schule veröffentlicht: »Die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Plön 1933 - 1945«. Enthalten ist auch eine Beschreibung der Vorläuferanstalten: die Kadettenanstalt von 1867 - 1920 und die Staatliche Bildungsanstalt 1920 - 1933. Matthias Paustian war Schüler des 13. Jahrgangs 1992/93.

Der komplette Bericht mit zahlreichen Fotos, 7,5 MB


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DIe Butenplöner

Text folgt


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I N H A L T
Das Denkmal
Die Inschriften
Aus der Geschichte
Wilhelm Kieckbusch
Die Deutsche Eiche
Das Eiserne Kreuz

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Pönitz, Kreis Ostholstein

Auf dem Bahnhofsvorplatz

Vor dem Eingang zum Bahnhof besuchen wir die kleine Anlage für die toten Soldaten beider Weltkriege.

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Sie ist zwar umgeben von Parkplätzen und Straßen, aber eine stattliche Eiche erhöht die Aufmersamkeit für die Anlage.

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Die drei aufgespaltenen Granitfindlinge wurden in unterschiedlichen Zeiten aufgestellt.

 

SH Poenitz 1WK web


Der mittlere Stein ist den 35 toten Soldaten des 1. Weltkriegs gewidmet. Die Inschrift lautet:

1914 (Eisernes Kreuz) 1918
Starben für das Vaterland

(Es folgen die Namen)

Ehre und Andenken diesen Helden


Das Eiserne Kreuz sagt uns, dass es hier um tote Soldaten geht. Es wird den toten Soldaten von den Denkmalsstiftern posthum verliehen. Der Tod im Krieg wird als Beweis für die »Vaterlandstreue« und die Tapferkeit der Soldaten gewertet, darum wird der militärische Orden hier kollektiv verliehen. Ein Soldat, der lebend oder lebend invalide zurückgekommen ist, erhält ihn nicht ohne »Leistungsnachweis«.

Die Soldaten sind nach ihren Heimatgemeinden Bhf. Gleschendorf, Pönitz und Steenrade sortiert, innerhalb der Orte gibt es kein ersichtliches Ordnungsprinzip. Die Soldaten werden ohne weitere Angaben mit Vor- und Familiennamen in zwei Spalten aufgeführt.

Wie wir weiter unten sehen werden, war der große Stein früher mit einem aufsteigenden Adler bekrönt. Die Reste der Befestigung sind heute von Efeu bedeckt.

 

SH Poenitz 2WK links web


Die kleineren Steine links und rechts haben identische Kopfzeilen:

1939 (Eisernes Kreuz) 1945
Für das Vaterland gefallen

Sie erinnern an die toten Soldaten des 2. Weltkriegs. Auf dem linken Stein stehen 52 Namen ...

SH Poenitz 2WK rechts web


... auf dem rechten 47. Wieder werden nur die Namen in zwei Spalten aufgeführt, diesmal wird aber der Familienname vorangestellt, der Vorname ohne Komma danach. Mit kleinen Ausreissern sind die Soldaten nach dem ersten Buchstaben ihres Familiennamens alphabetisch geordnet.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es bei dieser Denkmalsanlage ausschließlich um tote deutsche Soldaten geht. Es gibt keine kritische Reflektion über die Kriegsursachen und die deutsche Schuld.

SH Poenitz hinten web


Die Steine von hinten am Rand des großen Parkplatzes vor dem Bahnhofsgebäude.


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Die Inschriften

Kommentare von Expert:innen:

1. WK: Starben für das Vaterland
Ehre und Andenken diesen Helden

»Kriegerdenkmäler für den ›gemeinen Mann‹ stehen in einer eigenen Tradition, die begann, als im 18. Jahrhundert das stehende Heer das Söldnerheer verdrängte und das stehende Heer sich durch die allgemeine Wehrpflicht – in Preußen 1814 eingeführt – zum Volksheer wandelte. Das Söldnerheer verrichtete ein riskantes, aber Profit versprechendes Handwerk. Das Freiwilligen- oder Volksheer griff nicht des Geldes wegen zu den Waffen. Die Vorstellung, das Vaterland von feindlicher Besetzung zu befreien oder vor feindlichem Zugriff zu schützen, wurde auch in den Kriegen aufrechterhalten und propagiert, wo die Führung den Angriff befahl.«

• Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 78


»Wenn in den Inschriften explizit erwähnt wird, für was die Soldaten gestorben sind, ist es in den häufigsten Fällen das ›Vaterland‹. Die Verwendung dieses Begriffes war nach dem Ersten Weltkrieg meist mit einer nationalistischen Haltung verbunden: das deutsche Vaterland, mit dem die eigene Identität untrennbar verknüpft ist, und nur das deutsche Vaterland stellt höchsten Wert dar. Dass dieses ›Vaterland‹ aus dem Streben nach europäischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 94


»Der Erste Weltkrieg war eine Materialschlacht – auch in der Propaganda. Für alle kriegerischen Auseinandersetzungen gilt, dass Objektivität und Ausgewogenheit den eigenen Interessen zumeist entgegenlaufen. Wenn das vermeintliche Wohl und die Zukunft des Staates auf dem Spiel stehen, ist es das Ziel einer jeden Regierung, den Fluss unabhängiger Informationen so weit es geht zu unterbinden und eine geschlossene Meinungsfront aufzubauen, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung hinter sich zu vereinen und Zustimmung für das eigene Handeln zu erhalten. Gleichzeitig gilt es, die Bevölkerung zu mobilisieren und keinen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungen und am glücklichen Ausgang des Konfliktes aufkommen zu lassen. In der national aufgeladenen, zum Teil hysterische Züge tragenden Atmosphäre sich überbietender Vaterlandsliebe bedurfte es keiner staatlichen Einflussnahme, um im Sommer 1914 Millionen Deutsche geistig für den Kampf zu mobilisieren.«

• Arnulf Sriba, LeMO, Lizenz: 4.0 international


»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter. ›Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.‹ [Giordano, Die zweite Schuld, S. 324].«

• Häger, S.29


»Prinzipiell existieren keine Helden, sondern sie werden per Zuschreibung von außen dazu gemacht. Dies erkennt man bereits daran, dass heute andere Menschen als Helden gelten, als zur Zeit des 1. und  2. WK. Es handelt sich um eine Konstruktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll, denn nicht jeder Soldat ist ein Held. Auch werden andere am Krieg direkt oder indirekt Beteiligte (Dichter, Ärzte, Hausfrauen, Invaliden usw.) deutlich seltener als Helden verehrt – von Kriegsgegnern ganz zu schweigen.«

www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden/Gedenkorte-fuer-Verstorbene-der-Weltkriege


»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. Das soll die Hinterbliebenen stolz machen. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Klingel, S.89


»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

• Kurt Tucholsky

 

2. WK: Für das Vaterland gefallen

Der Tod eines Soldaten muss erklärt und gerechtfertigt werden und er begründet eine spezifische Erinnerungspflicht. Wobei es nicht die Toten sind, die die Lebenden dazu verpflichten könnten, es sind immer die Überlebenden, die als Denkmalstifter die Getöteten für ihre Zwecke benutzen, sie als Helden, als Retter des Vaterlands, als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung benennen, deren Tod nicht sinnlos gewesen sein darf. Bis 1945 benutzen die Nationalsozialisten die toten Soldaten für eine Verpflichtung an die nachfolgende Generation, ihnen an Kampfesmut und Opferbereitschaft nicht nachzustehen.


»Das ›Vaterland‹ forderte – vor allem im Zweiten Weltkrieg – bedingungslose Treue und ließ keine Frage nach der Rechtmäßigkeit des Krieges, der Befehlshaber oder der Befehle zu. Die absolute Treue wiegt die Schmach der Niederlage auf – man ist wenigstens treu geblieben, dem Eid, dem Vaterland, einer Idee, sich selbst ...«

Häger, S.54


»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.

Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S.100


»An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Häger, S.60/61


»Das sind natürlich Erinnerungen an Menschen, die man lieb hat. [...] Da fällt es schwer zuzugestehen, dass jemand, um den man trauert, einerseits Opfer war – auf jeden Fall Opfer – und auf der anderen Seite auch Teil eines verbrecherischen Regimes war, ob er nun wollte oder nicht. Aber es ist eine Frage der historischen Ehrlichkeit, dass wir uns solchen Fragen stellen.«

Wolfgang Froese, Stadtarchivar von Gernsbach, Badische Neueste Nachrichten 4.10.2019


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Aus der Geschichte

1932: Auf dem Bahnhofsvorplatz, dem Zentrum des Ortes, findet die Einweihung des Kriegerdenkmals für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs statt.

SH Poenitz Einweihung webFoto: Archiv des Regionalmuseums Scharbeutz / Pönitz

Ein prominenter Gast: Landesprobst (Bischof) Wilhelm Kieckbusch.

SH Poenitz 1939 web

1939: Der Stein zum 1. Weltkrieg steht noch allein, oben aufgesetzt hebt ein Adler seine Schwingen zum Abflug. In der damaligen revanchistischen Symbolik das Zeichen an die nachfolgende Soldatengeneration, die Schmach des »Schandvertrags von Versailles« zu tilgen. Der 2. Weltkrieg hat schon begonnen.


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1956: Die Anlage ist um zwei neue Steine zum 2. Weltkrieg ergänzt worden. Ob es den Adler noch gibt, können wir unter dem gewaltigen Blätterdach nicht erkennen.

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1986: der Luftkurort Pönitz in Farbe – das »Ehrenmal« darf nicht fehlen.

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Wilhelm Kieckbusch

Hansjörg Buss schreibt in seinem Aufsatz »Die ›Ära Kieckbusch‹ (1930 - 1976)« zur Einführung Wilhelm Kieckbuschs als Hauptpastor in Eutin:

»Der veränderte Umgang der Landeskirche gegenüber der NSDAP zeigte sich augenfällig bereits bei der Einführung Kieckbuschs als Hauptpastor knapp zwei Wochen nach den Reichstagswahlen vom 14. September 1930, die den politischen Durchbruch der Nationalsozialisten auf Reichsebene bedeuteten. Erstmals nahmen Mitglieder der NSDAP mit Hakenkreuzfahne und in brauner Uniform am Gottesdienst teil, die – so der sozialdemokratische ›Lübecker Volksbote‹ – ›dem geistlichen Herrn noch eine Huldigung darbrachten. Auch das Blasen der Posaunenchöre wurde in den Pausen durch den Gesang der Hitlerschen vervollständigt.‹ Diese positive Haltung setzte sich mit der Teilnahme an und der aktiven Gestaltung von Feierlichkeiten der NSDAP und ihrer Gliedorganisationen, vor allem aber durch die Zusammenarbeit mit dem Stahlhelm und der NSDAP im Winterhilfswerk und dem Freiwilligen Arbeitsdienst fort (Lawrence D. Stokes, Kleinstadt und Nationalsozialismus, S. 637).

Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, AKENS 44, S.9

Auszug aus der Festansprache Kieckbuschs zum 450. Geburtstags Martin Luthers im November 1933:

»Der November 1933 mit seinem herrlichen Bekenntnis heute und für alle Zeit zum 3. Reich und damit für Heimat, Volk und Vaterland möge auch dafür sorgen, dass der Glaube nicht zu kurz kommt. Nach den schweren Novembertagen 1918, als unser Heer unbesiegt, aber doch entwaffnet zurückkehrte, da mussten wir uns unter der Not der Nachkriegszeit beugen, und nicht nur der wirtschaftliche Niedergang, sondern auch Gemeinheit, Charakterlosigkeit und sittlich-religiöse Not kamen zum Ausdruck. Internationale Gedanken und Liebäugelei mit den Feinden wurden in uns wachgerufen. Da kam endlich der November 1933 mit seiner unvergeßlichen, wunderbaren Wendung, die uns die Führung durch den durch Gott begnadeten Kanzler Adolf Hitler brachte, der mit seiner zündenden Persönlichkeit zu den Größten des deutschen Volkes gehört, die ihr Bestes für ihr Vaterland hingeben wollten.«

Lawrence D. Stokes, Kleinstadt und Nationalsozialismus, S. 661

Der als »vaterländisch geprägte Persönlichkeit« und »soldatische Natur« charakterisierte Wilhelm Kieckbusch amtierte von 1930 bis 1976 ohne Unterbrechung als leitender Geistlicher der Eutinischen Landeskirche. In aller Öffentlichkeit setzte er sich nach 1945 für ehemals führende Theologen der nationalsozialistischen »Deutschen Christen« ein. Anderswo galten sie als untragbar. Kieckbusch nahm unter anderem die »Deutschen Christen« Hugo Rönck und Joachim Hossenfelder als Pastoren in seine Landeskirche auf. Hossenfelders Einstellung wurde vom damaligen Ratsvorsitzenden der EKD Otto Dibelius befürwortet. Weder Rönck noch Hossenfelder ließen nach 1945 jemals Reue über ihre Rolle im Nationalsozialismus erkennen.

Hugo Rönck war einer der radikalsten Vertreter der aggressiv antijüdischen Nationalkirchlichen Thüringer »Deutschen Christen«, frühes NSDAP-Mitglied und ab 1943 Präsident beziehungsweise Landesbischof der Thüringer Evangelischen Kirche. Und als glühender Antisemit einer der Initiatoren des Eisenacher »Entjudungsinstituts«. Noch 1944 bezeichnete er in seinen Predigten Hitler als »Führer von Gottes Gnaden«. Nach dem Krieg sah Rönck keine Notwendigkeit, sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren, auch dann nicht, als »Der Spiegel« 1963 Einzelheiten aus seiner Thüringer Zeit aufdeckte. Er schmückte sich auch weiterhin mit dem Bischofstitel, den er sich kurz vor Kriegsende selbst verliehen hatte. Der Berliner Pfarrer Hossenfelder war treibendes Gründungsmitglied und erster Reichsleiter der »Deutschen Christen«. Er bekannte sich nach 1945 ebenfalls stolz zu dem Bischofsamt, das er als »Deutscher Christ« 1933 kurzzeitig inne gehabt hatte. Ansonsten bewahrte er über seine frühere Karriere strengstes Stillschweigen.

Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen«, Kapitel 4

Neue Anfänge nach 1945?


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Foto: Bitterling, Eutin

Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Eutin an Wilhelm Kieckbusch anlässlich seines 70. Geburtstags, Eutin, 28. Mai 1961


Wilhelm Kieckbusch zwischen 1929 und 1933

Nach dem überraschenden Tod von Landespropst Rathgens im Jahr 1929 wurde Wilhelm Kieckbusch (1891-1987) im darauffolgenden Jahr mit knapper Mehrheit zu dessen Nachfolger gewählt. Mit ihm begann die Öffnung der Landeskirche zum Nationalsozialismus. In Ostholstein war die NSDAP bereits 1930 mit fast 40 Prozent die stärkste Partei geworden. Bei seiner Einführung als Landespropst 1930 nahmen NSDAP-Mitglieder in Parteiuniform und mit Hakenkreuzfahnen teil.

Zeitlich fiel Kieckbuschs Aufstieg an die Spitze der Landeskirche mit dem politischen Durchbruch der Nationalsozialisten auf Reichsebene zusammen.

Mit der aktiven Beteiligung an Feierlichkeiten der NSDAP und deren Gliedorganisationen, vor allem aber mit der Zusammenarbeit im Freiwilligen Arbeitsdienst, setzte sich 1931 die von Kieckbusch eingeleitete kirchliche Öffnung gegenüber den Nationalsozialisten fort.

Wie in den meisten protestantischen Landeskirchen des Deutschen Reiches führte die nationalsozialistische Machtübernahme auch in Eutin zu einer Neuordnung der landeskirchlichen Verhältnisse, die Ende Juni 1933 mit der Einführung des Führerprinzips, der Auflösung der Kirchengemeinderäte und der Übertragung von deren Befugnissen und Pflichten auf den Landeskirchenrat eingeleitet wurde.

Von der neugewählten, mehrheitlich mit Mitgliedern der Deutschen Christen besetzten Synode wurden diese Regelungen im Kern am 11. September 1933 bestätigt, sodass schließlich ein achtköpfiges Gremium mit Kieckbusch an der Spitze die gesamte kirchenleitende Gewalt ausübte.

Einen Abschluss fand dieser Konzentrationsprozess am 20. März 1936, als die Rechte und Pflichten des Landeskirchenrates vollständig auf den Landespropst übertragen wurden.

https://www.forumgeschichte-nordkirche.de/eutin

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Die Deutsche Eiche

Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.

Mit der Nationalromantik des 19. Jahrhunderts, mit der Deutschen Revolution 1848/1849 und der Reichsgründung 1871, die das Gefühl nationaler Einheit bestärkten, zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen und dergleichen dient Eichenlaub in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches bzw. der Lorbeerkranz.

Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019

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»Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«

Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525


»Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«

Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu  d e m  deutschen Orden.

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• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

Am 26. November 2018 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrem Tagesbefehl ein Veteranenabzeichen eingeführt. Am 15. Juni 2019 sind die ersten Abzeichen ausgehändigt worden. Am 10. Januar 2020 meldet das ›Bundeswehrjournal‹, dass bisher rund 35.700 Anträge auf ein Veteranenabzeichen eingegangen sind.

SH Haffkrug Veteranenabzeichen der Bundeswehr 2019 DocHeintz Wikimedia Commons web
Foto: Doc.Heintz/Wikimedia Commons


Überreicht wird das Abzeichen mit einem Dankesschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr:

»... Dieser Dienst in der Bundeswehr verdient hohen Respekt und große Dankbarkeit, welche auch in der Gesellschaft spürbar und sichtbar werden soll. Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die uns alle verbinden: Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft ...«

Ein anonymisiertes Anschreiben bei Wikipedia


Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

2010 10 EK Reeperbahn web

2018: ein Schaufenster auf der Reeperbahn in Hamburg

 
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I N H A L T
Das Denkmal
Volkstrauertag 2021
1914 – 1920
»Gefallene«
Das Eiserne Kreuz
Der Findlingesmythos
Erinnerungskultur in Prasdorf

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Prasdorf, Kreis Plön

In der Ortsmitte neben dem Haus Dorfstraße 6

Die kleine Anlage ist den Soldaten beider Weltkriege gewidmet. Es ist nach acht Jahren Recherche zu Kriegerdenkmälern auf dem Gebiet der Nordkirche das erste Weltkriegsdenkmal, in dessen Inschrift die lebend zurückgekehrten Soldaten neben den toten Soldaten geehrt werden. Wer unter der angegebenen Zeitspanne 1914-1920 (!) »heimgekehrt« ist, kann man weiter unten erfahren. Das Denkmal mit seiner Inschrift ist nach dem 1. Weltkrieg errichtet worden, aber auch nach der Ergänzung zum 2. Weltkrieg ist diese Ehrung beibehalten worden.

Warum kennen wir kein anderes Denkmal, auf dem zurückgekehrte Soldaten erwähnt werden? Ist das Risiko, dass man da einen Falschen ehren könnte, zu groß?

SH Prasdorf weit web


Auffällig ist die Trauerbuche, die ihre Krone wie einen Schutzschirm über dem Denkmal ausbreitet. Umgeben ist die Anlage von einem einfachen Lattenzaun zwischen trutzigen Quadersteinpfeilern.

 

SH Prasdorf Denkmal web


Der Weg führt auf Waschbetonplatten durch eine Rasenfläche. Man hat ein bisschen Zeit, sich dem Denkmal zu nähern. Es besteht sozusagen aus zwei Stockwerken, obenauf wurde in der Mitte, genau vor dem Stamm der Trauerbuche, ein Findling in Dreiecksform augestellt.

 

SH Prasdorf Denkmal quer web


Die Botschaft auf dem Widmungsstein beginnt mit der militärischen Ehrung »Eisernes Kreuz«, hier ist die Form flächig mit schwarzer Farbe ausgefüllt. Es wird hier in Prasdorf allen verliehen, wie wir gleich erfahren werden: den »Heimgekehrten« und den »Gefallenen« beider Weltkriege. Es folgen die Jahreszahlen:

1914 – 1920   (!, siehe Kapitel 1914 – 1920)
1939 – 1945

SH Prasdorf Den Heimgekehrten zur Ehre web2


Hier nun die Widmung in eleganter kursiver Schrift mittig gesetzt:

Den Heimgekehrten
zur Ehre
Den Gefallenen
zum Gedächtnis

 

SH Prasdorf links web


Nun zum Aufbau der Namenssteine: In der unteren Steinreihe werden die Namen der neun toten Soldaten des 1. Weltkriegs aufgezählt. Wir vermuten, dass damals der große Findling an zentraler Stelle mit den Namenssteinen auf dem Boden stand.

SH Prasdorf rechts web


Als die Anlage nach dem 2. Weltkrieg ergänzt werden sollte, bauten die Prasdorfer einen zweiten, etwas zurückgesetzten Stock für die 19 neuen Namenssteine. Alle Steine wurden mit Beton verbunden (siehe dazu auch die Fotos der Ansicht von hinten), als Abdeckung wurden über alle Steine Waschbetonplatten verlegt, auf eine große Platte in der Mitte wurde der Findling gehievt. Insgesamt ein fragiles Konstrukt!

SH Prasdorf Hans Wiese Urlaub web

 
Bei der unteren Reihe zum 1. Weltkrieg werden ausser den Namen noch Angaben zur Person gemacht: Geburtstag, Sterbetag und Sterbeort. Hans Wiese ist drei Wochen vor Kriegsende gestorben in »Prosdorf während seines Urlaubs«.

SH Prasdorf Westen Osten web


Im »Westen« sind sieben Soldaten zu Tode gekommen. Nur Otto Denker starb im »Osten«.

SH Prasdorf Dorer web


Auf der oberen Reihe zum 2. Weltkrieg sind nur noch die Namen vermerkt. Zweimal stehen Männer mit dem gleichen Nachnamen auf einem Stein, vermutlich Brüder.

SH Prasdorf hinten weit web


Wir sehen von hinten, dass der große Findling gespalten wurde, damit er nicht zu schwer ist und dass er ein eigenes Podest erhalten hat, das hatten wir von vorne gar nicht bemerkt.

SH Prasdorf hinten web


Die Rückseite des Denkmals ist in der Aufbauphase verschalt worden, an den Seiten wurden noch ein paar Feldsteine in den Beton gedrückt.

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Volkstrauertag 2021

Der Kranz der Gemeinde Prasdorf sieht fast aus wie ein Lorbeerkranz, das Symbol für Sieg und Ehre.

SH Prasdorf Lorbeerkranz VTT2021 web

 
In Ermangelung von echten Lorbeerblättern wurde beheimateter Kirschlorbeer verarbeitet.
 

SH Prasdorf Schleife VTT 2021 web


»Unseren Toten zum Gedenken« steht auf der Schleife.

Dazu einige Zeilen aus einem Gedicht von Georg Schwikart:

... Ein Mahnmal mahnt so wenig wie

ein Denkmal denkt und ein Grabmal gräbt

man wollte sie nicht vergessen, die Burschen

man wollte allerdings vergessen die Tränen

der Frauen, Geliebten, der Eltern, Geschwister
verdrängen das Ende: zerschossen, zerfetzt
verhungert, erfroren, von Krankheiten dahin-
gerafft. Neue Kriege, neue Tote, neue

Ehrenmale. Bis heute geht es weiter. Bis heute
erinnert man sich an Johann, Harm und Cornelius,
ihre Namen bleiben, in Stein konserviert.

Sie sollen bleiben. Nicht aber der Satz,

der niemals stimmte: Nicht vor hundert oder
tausend Jahren, nicht in Reich und Republik.

Erklär mir diese Ehre mal!

Der Satz, er prangt am Ehrenmal

wo der Soldaten Tod verbrämt wird

zur Großtat. Gefallen, heißt es verhüllend,
doch wer fällt, kann wieder aufstehn.

Sie bleiben liegen. Es ist noch nicht vorbei.
Opfer für Mars, Indra und den Gott Kapital.
Meißelt ihn weg, er verdummt das Volk,

er bedroht unsere Jugend, der Satz:

Sie starben fürs Vaterland.

Vaterland stirbt, Muttersprache verstummt.
Sie starben ohne Sinn. ....

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1914 – 1920

Mit dieser Zeitangabe wollten die Denkmalsstifter in Prasdorf ein politisches Zeichen setzen, sie wollten auch die Aktivitäten der Freikorps nach dem Ende des 1. Weltkriegs bedacht wissen.

Heer und Marine mussten in Folge des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 demobilisiert und abgerüstet werden.

»Trotz der bereits eingeleiteten Vorverhandlungen zum Waffenstillstand sollte die deutsche Marine, die seit der Skagerrakschlacht vom Juni 1916 kaum noch zum Einsatz gekommen war, Ende Oktober 1918 zu einem letzten ›ehrenvollen‹ Gefecht gegen überlegene britische Verbände auslaufen. Der eigenmächtige Befehl der Seekriegsleitung war unmittelbarer Anlass zu Meutereien kriegsmüder Matrosen, die sich weigerten, ihr Leben bei einer militärisch aussichtslosen ›Todesfahrt‹ aufs Spiel zu setzen.« (LeMO, siehe Link).

SH Prasdorf Bundesarchiv Bild 183 J0908 0600 002 Novemberrevolution Matrosenaufstand webFoto: Bundesarchiv, Bild 183-J0908-0600-002 / CC-BY-SA 3.0

Soldatenrat an Bord des Linienschiffs Prinzregent Luitpold Das Schiff befand sich in dieser Zeit in Wilhelmshaven.

Mit dem Aufstand der Matrosen und Arbeiter am 3.11.1918 in Kiel beginnt die Novemberrevolution. Am 6. November greift die revolutionäre Bewegung auf Wilhelmshaven über. Sie führt zum Sturz der Monarchie und zur Ausrufung der Republik in Deutschland.

Der Matrosenaufstand 1918 auf LeMO


Da der von Friedrich Ebert geführte Rat der Volksbeauftragten über keine eigenen militärischen Machtmittel verfügte, verband er sich mit der noch bestehenden Obersten Heeresleitung und wollte mit Freiwilligen der zurückgeführten Fronttruppen die Lage stabilisieren. Daneben wurde von Offizieren, aber auch von privaten Hasardeuren, die Aufstellung von Truppenverbänden aus ehemaligen Soldaten und ungedienten Freiwilligen vorangetrieben. Diese paramilitärischen Verbände wurden Freikorps genannt. Sie sollten und wollten die linken Aufstände bekämpfen und die Grenze im Osten gegen die »Bolschewisten« verteidigen.

Auf der Website www.kriegsreisende.de lesen wir: »Ins Baltikum zog es die Chancenlosen und Gescheiterten, da die baltischen Barone Siedlungsland als Sold versprachen, die Kriminellen, die hofften, dort noch viel besser rauben zu können, und diejenigen, die man heute als Adrenalinjunkies bezeichnen würde, die den Nervenkitzel des Krieges vermissten oder die gar zu spät dafür gekommen waren. Natürlich lohnte sich auch die Bezahlung. Zum Grundsold des alten Heeres von 30 Mark, erhielten die Freiwilligen im Reich eine Tagezulage von 5 Mark, im Baltikum dagegen 9 Mark – das war das Zehnfache!«

Im März 1920 gehörten die Freikorps zu den wesentlichen Stützen des Kapp-Putsches. General Walther von Lüttwitz und der Politiker Wolfgang Kapp waren entschlossen, die Novemberrevolution von 1918/19 mit dem Sturz der Monarchie im Deutschen Reich und zu dessen Umwandlung in eine parlamentarische Demokratie, die Weimarer Republik, rückgängig zu machen. Nachdem die Reichsregierung bereits Anfang März 1920 auf Druck der Alliierten die Auflösung der Freikorps angeordnet hatte, waren deren Mitglieder nun bereit, gegen die Regierung vorzugehen. Lüttwitz protestierte gegen die Auflösung der Freikorps, indem er den Rücktritt des Reichspräsidenten und der Reichsregierung forderte. Er wurde daraufhin entlassen. So begann am 13. März 1920 der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Generalstreik und passives Abwarten der Reichsregierung und öffentlicher Stellen ließen den ohnehin überstürzt geplanten Putsch scheitern, die Kapp-Clique entwarf noch ein paar Flugblätter, aber am 17. März gab sie auf.

Nach der im April 1920 erfolgten Auflösung bildeten Mitglieder der Freikorps unter der Führung des Antisemiten und Republikfeinds Hermann Ehrhardt die Geheimorganisation Organisation Consul, die zahlreiche politisch motivierte Fememorde beging, um die Weimarer Republik zu stürzen, etwa die Attentate auf Walther Rathenau und Matthias Erzberger.

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»Gefallene«

»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.

Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S.100


»An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 60/61


»Das sind natürlich Erinnerungen an Menschen, die man lieb hat. [...] Da fällt es schwer zuzugestehen, dass jemand, um den man trauert, einerseits Opfer war – auf jeden Fall Opfer – und auf der anderen Seite auch Teil eines verbrecherischen Regimes war, ob er nun wollte oder nicht. Aber es ist eine Frage der historischen Ehrlichkeit, dass wir uns solchen Fragen stellen.«

Wolfgang Froese, Stadtarchivar von Gernsbach, Badische Neueste Nachrichten 4.10.2019

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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden. Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.

Auf Kriegerdenkmälern wird das Eiserne Kreuz den toten Soldaten posthum verliehen. Der Tod im Krieg wird von den Denkmalsstiftern als Beweis für die »Vaterlandstreue« und die Tapferkeit der Soldaten gewertet, darum wird der militärische Orden hier kollektiv verliehen. Ein Soldat, der lebend oder lebend invalide zurückgekommen ist, erhält ihn nicht ohne »Leistungsnachweis«.

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Soldaten der Wehrmacht kämpfen nicht nur pflichtschuldig und gehorsam. Ohne die Gefühlswelt aus Stolz, Ehre und Männlichkeit ist nicht zu erklären, warum so viele an die Front streben – und dem Krieg bis zum Untergang verhaftet bleiben. (Frank Werner in ZEITGeschichte 4/2018)

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Geschickte Propaganda: Begehrenswerte Ordensbrust in »Die Woche«, Januar 1940.

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. 

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z.B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle und als Schmuck am Auto:

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der FindlingsMythos

Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.


»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134

»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.

• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203


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Erinnerungskultur in Prasdorf

An einigen Stellen im Dorf wurden Informationsschilder aufgestellt. Eins sehen wir auf dem Foto ganz rechts: das Schild steht auf dem unbebauten Grundstück neben der Gedenkanlage. Man wird über das Haus aufgeklärt, das dort einstmals stand.

 

SH Prasdorf weit mit Tafel web

Wir finden die bemerkenswerte Prasdorfer Kriegerdenkmalsanlage hätte auch eine Informationstafel verdient. Jung und Alt könnten viel über deutsche Geschichte lernen.


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I N H A L T
Das Denkmal zum 1. Weltkrieg
Die Preetzer Schützengilde
Das Denkmal zum 2. Weltkrieg
Historische Postkarten
Der Bürgerpark »Wehrberg«

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Preetz, Kreis Plön

Auf dem zentralen Aussichtspunkt im Bürgerpark »Wehrberg«

In der Mitte der Denkmalsanlage für die getöteten Soldaten des 1. Weltkriegs steht ein großer natürlich kantiger Stein, der an seiner abgeflachten Frontseite die Widmung trägt. Er ist in einem gemauerten Rund aufgerichtet worden, die freigebliebene Fläche darin ist mit Blumen und losen Steinen aufgefüllt worden.

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Auf der Mauer sind in Sichtrichtung auf den Lanker See (siehe weiter unten) Holzplanken als Sitzmöglichkeit montiert worden. Das Rund ist ebenso wie die acht den Denkmalstein umgebenden Säulen mit bunten grob behauenen Natursteinen aufgemauert worden. Die Säulen mit quadratischer Grundfläche haben am Fuß eine überragende Steinschicht, sie tragen Holzstaketen, die ein Achteck ergeben. An den Säulen sind Rankgewächse angepflanzt worden. Das Ganze ist von rund verlegten Katzenkopfsteinen umgeben, innerer Ring ein Stein breit, äusserer Ring drei Steine breit.

 

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Die Widmung ist erhaben herausgearbeitet worden, sie lautet:

1914 – 1918
Ihren gefallenen Helden
Die Stadt Preetz

Die häufigste Bezeichnung für die toten Soldaten auf Kriegerdenkmälern ist das Wort »Helden«. Dieser Begriff macht die toten Soldaten zu Vorbildern. Er passt zur Symbolik vom Eisernem Kreuz. Obwohl der 1. Weltkrieg so viele Menschenleben forderte und der Krieg verloren wurde, interpretierten die Stifter in den Inschriften fast aller Kriegerdenkmäler den Kriegstod als sinnvoll. Das anonyme Massensterben wurde ignoriert, stattdessen heroisierte man die toten Soldaten und stilisierte ihr Schicksal. Soldaten die lebend aus dem Krieg zurückkehren, werden nicht als »Helden« bezeichnet, sie werden gar nicht erwähnt. So wird mit der Bezeichnung »Held« die besondere militärische Leistung des Soldaten geehrt, die vor allem in seinem Tod besteht.

Gefühle von Trauer werden hier nicht artikuliert, das würde auch nicht zu der Absicht vieler Stifter passen, durch die Kriegerdenkmäler nachfolgende Generationen für den Kriegsdienst zu begeistern.

 

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In die Innenseiten der Säulen sind Namenstafeln aus grauem Stein eingelassen. Die Namen der Soldaten sind nach dem Jahr ihres Todes geordnet, nachgestellt ist je ein Soldat für die Jahre 1919 und 1920. Dann folgen noch die Namen von 15 Vermissten.

 

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An der rechten Seite ist in einem quadratischen Feld im Relief ein Eisernes Kreuz umgeben von zwei Eichenlaubzweigen herausgearbeitet worden. Das Eiserne Kreuz mit Krone, großem »W« für Kaiser Wilhelm II und der Jahreszahl 1914. Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden. Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung.

 

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Auf der linken Seite ist in einem runden Feld im Relief ein Stahlhelm umgeben von zwei Eichenlaubzweigen herausgearbeitet worden.

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Die Preetzer Schützengilde

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Ein Kranz der Preetzer Schützengilde und ihr Logo:

SH Preetz Wappen Schuetzengilde web

 

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Das Denkmal zum 2. Weltkrieg

Vom Castöhlenweg kommend sieht man vor dem Denkmal einen großen flachen Findling liegen, umgeben von beschnittenen Hecken und Blumen, teilweise im Boden versenkt. Die Hanglage wird mit Steinreihen abgefangen. Die Inschrift lautet:
Allen Opfern des Zweiten Weltkrieges

SH Preetz beide web

SH Preetz 2WK web

Auf der anderen Seite sind die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs graviert:
1939 – 1945

Die Säule rechts daneben sieht fast so aus als trüge sie eine Feuerschale. Wir hoffen, dass diese Vermutung falsch ist, zu unangenehm würden wir an die Fackelinszenierungen der Nationalsozialisten erinnert werden.

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Die schöne Aussicht vom Denkmalsplatz auf den Lanker See.


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Historische Postkarten

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• Aus dem Jahr 1927


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Der Bürgerpark »Wehrberg«

1885 wurde in Preetz der »Verschönerungsverein« gegründet um »in der Stadt und Umgebung für die Verschönerung und den Schutz der öffentlichen Anlagen durch Baumpflanzungen, Verbesserung von Promenaden und Plätzen etc. Sorge zu tragen.«

Mit Hilfe des Vereins konnte ab 1885 der bis dahin landwirtschaftlich genutzte Wehrberg parkähnlich bepflanzt werden, am höchsten Punkt wurde ein achteckiger Pavillon errichtet. 1918 legte der Lübecker Gartenarchitekt Harry Maasz mit seinem Entwurf die Grundlage für das heutige Erscheinungsbild. Auch die Planung des Kriegerdenkmals auf dem zentralen Aussichtspunkt des Wehrbergs geht auf ihn zurück.

Harry Maasz, geboren am 5. Januar 1880 in Cloppenburg, gestorben am 24. August 1946 in Lübeck, war von 1912 bis 1922 Leiter des Lübecker Gartenbauamts und bezeichnete sich selbst gerne als Gartenbaukünstler.

SH Harry Maasz web
Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst Schleswig-Holstein, Bestand Harry Maasz, Sign. 233 Fo
                  

»Sein früher Tod und Defizite in der Aufbereitung der Landschaftsarchitektur in der NS-Zeit mögen dazu beigetragen haben, dass seine nationalsozialistische Vergangenheit, die scheinbar im Gegensatz zu seinen künstlerischen Hauptwerken steht, bis heute nicht aufgearbeitet ist.«

www.historischegaerten.de


»Der Ehrenhain als besondere Form des Gedenkens und der Würdigung der im Krieg gefallenen Soldaten gewann erstmals zu Beginn des Ersten Weltkrieges an Bedeutung. Jedem Kriegstoten wurde das Recht auf ein eigenes Gedächtnismal zugesprochen. Das Preußische Innenministerium sah es als eine nationale Aufgabe an und veröffentlichte einen Erlass zur Förderung der Ehrenhaine. Dem Berufsstand des Landschaftsarchitekten kam die besondere Aufgabe zu, die Planung und Umsetzung von Gedächtnisstätten auszuführen. Harry Maasz (1880-1946) gehörte zu den wichtigsten norddeutschen Vertretern, die sich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt haben. Insgesamt plante er fast 40 Anlagen zur Kriegerehrung. Neben Ehrenfriedhöfen und Ehrengrabstätten waren dies auch Kriegergedächtnisstätten und Ehrenmale, zum Teil ohne Gräber, da die Gefallenen und Vermissten in fremdem Boden fern der Heimat lagen.«

Gartendenkmalpflegerisches Gutachten der Landschaftsarchitektin Gudrun Lang, 2010 - 2011, Projekt »Ehrenhain« Bad Schwartau

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I N H A L T

Das Denkmal zum 1. Weltkrieg
Der erste Standort
»Unsern gefallenen Helden«
Die Denkmalswand
Das Kunstwerk
Weiteres Gedenken in bunter Reihe
»Jakob und der Engel«
Die Fritz-During-Stiftung
Das Eiserne Kreuz
August Streufert
Das Lager Karkkamp 

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Raisdorf, Teil der Stadt Schwentinental, Kreis Plön

Auf dem »Ehrenhof« hinter der Kirche St. Martin

Auf dem Wegweiser steht »Ehrenmal«, er weist uns den Weg zu einem großzügigen Gelände mit sich gegenüberstehenden Denk- und Erinnerungsmälern. Es wird von der politischen Gemeinde Raisdorf gepflegt.


SH Raisdorf Wegweiser web


Mit »Ehrenmal« ist wohl das Kriegerdenkmal zum 1. Weltkrieg gemeint. 1924 ist es in einer Kriegerdenkmalsanlage für die 30 toten Raisdorfer Soldaten im 1. Weltkrieg am Rönner Weg eingeweiht worden. Heute sehen wir den übrig gebliebenen Gedenkstein nach seinem Umzug hier auf dem Friedhof.

 

SH Raisdorf 1WK web


Er steht nun auf einem zweistufigen Sockel, am 1. Mai 2023 lehnt noch der Kranz vom Volkstrauertag im November am Stein.


SH Raisdorf 1WK Widmung web


Unter einem großen Eisernen Kreuz mit innenliegender Kontur lesen wir beginnend zwischen den Jahreszahlen des 1. Weltkriegs die Zeilen:

1914  Unsern  1918
gefallenen Helden
gewidmet

Das Eiserne Kreuz, das Ehrenzeichen des Militärs, haben die Denkmalsstifter den Toten posthum und kollektiv verliehen. Es steht symbolisch für die Anerkennung der ›Vaterlandstreue‹ und die Tapferkeit der Soldaten. Ihr Kriegstod gilt als Beweis. Mehr dazu im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«.

Unter der Widmung folgen in zwei Spalten die Namen der toten Soldaten. Ohne weitere Angaben werden die Vornamen als Initial und die Familiennamen aufgelistet, ein Ordnungsprinzip ist nicht ersichtlich.

 

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Der erste Standort

In den 60er Jahren sollte der Rönner Weg verbreitert werden. Die Denkmalsanlage am alten Dorfplatz, der sich am heutigen Abzweig in die Holstenstraße befand, wurde aufgelöst. Nur der Gedenkstein wurde auf dem Friedhof wieder aufgestellt. Die gärtnerische Anlage und vor allem die aufwändige Einfriedung gehörten nun der Vergangenheit an.

SH Raisdorf 1WK historisch webFoto: Raisdorf-Inside, Helmut Ohl


Was hatte die Kette, die von Pfosten zu Pfosten gespannt war, 1924 für eine Bedeutung?

An den Denkmalsanlagen nach dem 1. Weltkrieg sollten sie an die Fesselung Deutschlands an den Versailler »Schandvertrag« erinnern. Manchen Orts wurde die Kette dann in späteren Jahren symbolträchtig vor Publikum von den Nazis der Gemeinde durchgehauen.

In der Wendtorfer Chronik wird dieser »grüne Stimmzettel« abgebildet. Zum 12. November 1933 erschien im Ost-Holsteinischen Tageblatt ein Artikel: ... »Mit dem Einzeichnen des Kreuzes unter ›Ja‹ bekennst du dich zur Freiheits- und Friedenspolitik Adolf Hitlers. [...] Er will das deutsche Volk endlich frei machen von den Ketten von Versailles«.

 

SH Ost Holsteinische Tageblatt 12 11 1933 web

Der Versailler Vertrag auf LeMO

 

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»Unsern gefallenen Helden«

»Der Tod eines Soldaten muss erklärt und gerechtfertigt werden und er begründet eine spezifische Erinnerungspflicht. Wobei es nicht die Toten sind, die die Lebenden dazu verpflichten könnten, es sind immer die Überlebenden, die als Denkmalstifter die Getöteten für ihre Zwecke benutzen, sie als Helden, als Retter des Vaterlands, als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung benennen, deren Tod nicht sinnlos gewesen sein darf. Bis 1945 benutzen die Nationalsozialisten die toten Soldaten für eine Verpflichtung an die nachfolgende Generation, ihnen an Kampfesmut und Opferbereitschaft nicht nachzustehen.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.142


»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 89

»Prinzipiell existieren keine Helden, sondern sie werden per Zuschreibung von außen dazu gemacht. Dies erkennt man bereits daran, dass heute andere Menschen als Helden gelten, als zur Zeit des 1. und  2. WK. Es handelt sich um eine Konstruktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll, denn nicht jeder Soldat ist ein Held. Auch werden andere am Krieg direkt oder indirekt Beteiligte (Dichter, Ärzte, Hausfrauen, Invaliden usw.) deutlich seltener als Helden verehrt – von Kriegsgegnern ganz zu schweigen.«

www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden/Gedenkorte-fuer-Verstorbene-der-Weltkriege

»Der Krieger mutiert zum Held, das Kriegerdenkmal zum Heldenehrenmal – und ist damit jeder kritischen Betrachtung entzogen. Der deutsche Soldat hat sich sui generis heldenhaft verhalten, so wenig wie er dürfen die Reichswehr oder die Wehrmacht in Zweifel gezogen werden. Die von Hindenburg am 18. November 1919 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Reichstags als Erklärung für die Niederlage des Ersten Weltkriegs vorgetragene ›Dolchstoßlegende‹ oder die Proteste gegen die ›Wehrmachtsausstellung‹ über von ihr begangene Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sind Ausdruck der Bemühungen, sowohl die militärischen Institutionen wie auch die ihnen angehörenden Personen der geschichtlichen Realität und damit auch der Verantwortung zu entziehen.«

Häger, S.33

»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

• Kurt Tucholsky

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Die Denkmalswand

Gegenüber steht die im Raisdorfer Sprachgebrauch »Mahnmal« genannte Wand zum 2. Weltkrieg. 1962 ist sie errichtet worden.

SH Raisdorf Wand 2WK web


Auf der langezogenen Rasenfläche warten drei Fahnenmasten auf ihre Beflaggung.

 

SH Raisdorf 2WK ganz web


Am Ende des Sandwegs beginnt ein kleinteilig gepflasterter Platz, der an einer geschlossenen Wand endet. Rechts schließt sich ein mächtiger vorspringender Betonklotz an, an dessen Frontseite eine Bandskulptur aus Bronze des Raisdorfer Künstlers Fritz During angebracht wurde. Mehr zum Kunstwerk im nächsten Kapitel.

 

SH Raisdorf 2WK Zahlen web


Die Wand besteht aus sieben schmalen Betonstreifen zwischen Waschbetonplatten. In einheitlicher Höhe sind einzeln die Bronzeziffern der Kriegsjahre befestigt.


SH Raisdorf 2WK 1962 WVZ 326 16 webFoto: Plöner Kreismuseum, WVZ-326-(16), Nachlass During

Die Denkmalswand kurz nach ihrer Entstehung 1962.


Durch Luftangriffe auf die Werften am Ostufer der Kieler Förde wurden Raisdorf und die Nachbargemeinde Klausdorf schwer getroffen. Bedingt durch die Nähe zum Reichskriegshafen Kiel fielen tausende Sprengbomben und Luftminen auf das Gebiet. Und so erinnert diese Gedenkmauer neben den toten Soldaten der Deutschen Wehrmacht auch an die vielen zivilen Opfer.

 

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Das Kunstwerk

»Der Bildhauer Fritz During, der in Raisdorf an der Schwentine sein Atelier und Wohnhaus hatte, bekam im Zuge des Baues der St. Martin Kirche 1960, die unter dem Kirchenarchitekten Dr. Gerhard Langmaack (1898-1986) entstand, mehrere Aufträge von Seiten der Gemeinde. Der erste Auftrag war der fast lebensgroße, freihängende Christus am Kreuz aus Bronze, welcher im Zentrum der Kirche an der Stelle hing, wo Chorapsis und Kirchenschiff aneinandergrenzen. Im Zuge der Umbauten des Kircheninneren im Jahre 2012 wurde das Kruzifix in einen Andachtsraum ins Haus der Kirche verlegt. Ein weiteres Werk ist die Figur des St. Martin an der äusseren Giebelwand der Kirche, die Fritz During 1961 aus Klinker geschaffen hat. Sie ist teilweise glasiert.

SH Raisdorf 2WK Kunstwerk web

Als drittes Werk wird er 1962 mit dem Ehrenmal auf dem Friedhof betraut, für das er eine Gitterplastik aus Bronze schafft. Die auf einer vorspringenden Betonwand angebrachte stilisierte Figur, greift einer weiteren, schlaff und leblos wirkenden Person unter die Arme und trägt sie gen Himmel. Das Ehrenmal erinnert an die Gefallenen des zweiten Weltkrieg, auf den die Jahreszahlen von 1939 bis 1945 hinweisen.«

Text: Julia Meyer M.A., Leiterin des Plöner Kreismuseums

 
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Weiteres Gedenken in bunter Reihe

Ganz rechts sehen wir den Gedenkstein mit Kranz zum 1. Weltkrieg, den wir am Anfang der Dokumentation vorgestellt haben.

 

SH Raisdorf diverse in Reihe web


In einer Flucht schließen sich nun vier Gedenkmäler der unterschiedlichsten Art an, aus unterschiedlichsten Anlässen wurden sie aufgestellt.

 

SH Raisdorf Stein Uffz Kurt St web


Auf einem dicken runden Findling wird unter einem ehrenden Eisernen Kreuz gedacht an:

Uffz.
Kurt Sievers
3. Pz. Gren. Regt.
24. 9. 1914 – 5. 9. 1943
Kotelwa / Ukraine


Wir lesen auf Wikipedia über das Regiment von Kurt Sievers als Teil der 3. Panzer-Division der Wehrmacht:

»Die 3. Panzer-Division war ein vor Beginn des Zweiten Weltkrieges im Rahmen des Heeresaufbauprogramms aufgestellter Großverband der Wehrmacht. Gemeinsam mit der 1. und 2. Panzer-Division gehört dieser im Jahr 1935 gebildete Verband zur Keimzelle der Panzertruppe. [...]

In den letzten beiden Kriegsjahren teilte die Division das Schicksal vieler Panzer-Divisionen an der Ostfront, die als ›Feuerwehr‹ eingesetzt wurden. Bei gegnerischen Frontdurchbrüchen wurden eine oder mehrere Panzer-Divisionen herangezogen, um die Lücke im Gegenangriff wieder zu schließen. Währenddessen brach die Front an anderer Stelle, so dass die Panzer-Divisionen wieder verlegt werden mussten, ohne einen weitreichenden Erfolg zu haben. Durch die häufigen Verlegungen und Kampfeinsätze verschliss das Material besonders schnell. Personelle Verluste wurden nicht mehr ausreichend ersetzt, die Kampfkraft sank ab.«

Wikipedia über die 3. Panzer-Division


Wie und warum der Stein für Kurt Sievers mit der inzwischen fast unleserlichen Inschrift hier hingekommen ist, wissen wir und auch die Friedhofsverwaltung nicht.

 

SH Raisdorf During weit web

Das benachbarte Bronzerelief »Jakob und der Engel« stand ursprünglich auf dem anonymen Urnengrab des Raisdorfer Künstlers Fritz During (1910 - 1993) und seiner Frau Käthe. Nach Ablauf der Ruhezeit wurde das Grab aufgelöst und das Relief  – von Fritz During selbst geschaffen – in diese Gedenkreihe versetzt. Wir stellen das Relief im nächsten Kapitel vor.

SH Raisdorf Streufert web

 

Weiter geht’s mit dem Grabmal für August Streufert und seine zweiten Frau Ella. August Streufert wurde als SPD-Mitglied und Naziwiderstandskämpfer im August 1944 inhaftiert und starb im KZ Neuengamme. Er lebte viele Jahre in Raisdorf.

Mehr im Kapitel »August Streufert«.

Der Grabstein stand ursprünglich am Bestattungsort des Ehepaars Streufert in Preetz. Nach Auskunft der Friedhofsverwaltung wurde der Antrag auf Anerkennung als Kriegsgrab zu spät eingereicht, das Ruherecht auf dem Friedhof in Preetz lief ab.

Auf Grundlage des Völkerrechts sind Kriegsgräber – das betrifft auch die Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft – dauerhaft geschützt; Kriegstote haben ein ewiges Ruherecht. Für August Streuferts Grab kam der Antrag zu spät – wir hören den Amtsschimmel wiehern! Der Grabstein des Ehepaar Seufert fand dann einen Platz in der Raisdorfer Gedenkreihe.

Sein Platz ist an der schmalen Rückseite und den zwei sehr langen Seiten von eine Buchsbaumhecke umgeben. Das schwarze Kreuz auf dem hellen Steinsockel ist bei unserem Besuch im Mai 2023 mit kunstvoll hergestellten Ketten behängt. Wir erfahren, dass der Sohn aus August Streuferts erster Ehe auf Hawaii lebt und der Kettenschmuck durch ihn auf den Raisdorfer Friedhof kam. Der Grabstein von Fritz During ist dann wohl gleich mitbedacht worden.

 

SH Raisdorf Fuehrer web


Das Ende der Gedenkreihe bildet eine helle Platte für Heinrich Fuehrer und seine Frau Erna. Der Schleswig-Holsteinische Heimatbund hat eine kleine Tafel daneben aufgestellt:

Heinrich Fuehrer
Ostpreußen
Bürgermeister in Raisdorf
1955 - 1962

»Wir pflegen das Grab des früheren ehrenamtlichen Bürgermeisters Heinrich Fuehrer, der als Flüchtling aus Ostpreußen zu uns kam«, lesen wir auf der Website des Heimatbund. Auf der Platte wird »Pruszischken, Ostpr.« als Heimatort angegeben, das war der deutsche Name von Brjanskoje, heute ein Ort im russischen Gebiet Kaliningrad. 1935 bis 1945 hieß er Preußendorf.

Wir danken Oberkirchenrat Dr. Thomas Schaack für seine Fotos vom Mai 2023 der Raisdorfer Denkmalsanlage, die wir auf dieser Website zeigen dürfen.


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»Jakob und der Engel«

»Dieses Bronzerelief wurde 1952 durch den Bildhauer Fritz During geschaffen und stand ursprünglich auf dem gemeinsamen Urnengrab von seiner Frau Käthe und ihm. [...]

SH Raisdorf During web


Es handelt von der alttestamentarischen Geschichte von Jakobs Kampf am Jabbok (Gen. 32, 23 ff.). Das Relief besaß für Fritz During laut Gespräch mit dem damaligen Gemeindepastor eine besondere Bedeutung. Dargestellt ist ein Engel mit großen, bis auf den Boden reichenden Flügeln und einem Nimbus [Heiligenschein]. Vor ihm kniet ein Mann, dem der Engel segnend die Hände auflegt und der wiederum mit seinen Händen die des Engels umfasst. Es geht um Jakobs Ringen mit einem Mann am Fluss Jabbok, der ihn nicht bezwingen konnte und ihm seinen Namen nicht nennen wollte. Der Mann sagte ihm, er werde von nun an Israel heißen, und Jakob erkannte, dass er mit Gott gerungen hatte. ›31. Und Jakob gab der Stätte den Namen Pnuel: denn ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden!‹ (1. Mose 32, 31).

 

SH Raisdorf During Deko

Fritz During war nach Aussagen des Gemeindepastors ein tief gläubiger Mensch, besaß jedoch seine eigene, durchaus kritische Religionsauffassung. Die zahlreichen Arbeiten, die Bibelszenen zeigen, sind stille Zeugen dafür, dass sich Fritz During sowohl mit dem Alten als auch mit dem Neuen Testament auseinandergesetzt hat und so stellt er auch Szenen dar, die in der jüngeren Kunst nicht unbedingt häufig gezeigt werden. Das Ringen Jakobs mit Gott kann also durchaus psychobiographisch gedeutet werden, und steht in diesem Zusammenhang für Fritz Durings Auseinandersetzung mit Glaubensfragen, für sein eigenes ›Ringen‹ mit Gott. Die Komposition aus Linien und geometrischen Formen bezeichnet Fritz During eigens als ›kompliziert‹. ›Die Linien werden unterbrochen und laufen dann an anderer Stelle weiter.‹ (Quelle: handschriftliches Manuskript von Fritz During ›Komposition und Relief – Die Plastik kennt keine Perspektive‹ o.J., Kreisarchiv Plön, Az. L 9.1)


SH Raisdorf Urnengrab 2002 WVZ 162 3 webFoto: Plöner Kreismuseum, WVZ-162-(3), Julia Meyer M.A.

2002: Das Bronzerelief steht noch auf dem Urnengrab von Käthe und Fritz During.


SH Raisdorf Urnengrab 2002 Signatur WVZ 162 4 webFoto: Plöner Kreismuseum, WVZ-162-(4), Julia Meyer M.A.

Die Signatur auf der oberen Kante der Bronze:

FRITZ DURING 1910–1993

SH Raisdorf Jakob Engel WVZ 162 5 webFoto: Plöner Kreismuseum, WVZ-162-(5), Nachlass During

Das großformatige, 1952 zunächst in Gips geschaffene und erst zu einem späteren Zeitpunkt in Bronze gegossene Relief, reiht sich in mehrere Reliefs zu biblischen Themen ein. Zur Zeit der Aufstellung befand sich das Gipsmodell noch in der Gießerei. Es wurde auf Wunsch der Witwe zerstört. Vermutlich sollte mit dieser Vernichtung sichergestellt werden, dass das Relief, das ihrem Mann viel bedeutete, ein Unikat bleibt.«

Text: Julia Meyer M.A., Leiterin des Plöner Kreismuseums

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Die Fritz-During-Stiftung

»Der künstlerische Nachlass des 1910 in Burg/Spreewald geborenen und seit 1945 in Schwentinental/ OT Raisdorf lebenden Bildhauers ging nach dessen Tod 1993 an den Kreis Plön über. 1996 wurde die Fritz-During-Stiftung im Kreis Plön gegründet. Ihr Zweck ist die Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere die Bewahrung des künstlerischen Nachlasses von Fritz During durch Ausstellungen und Dokumentation in der Öffentlichkeit. In der Kreisverwaltung Plön kann im Innenhof des Hauses C der ›Fritz-During-Figurenpark‹ zu den Öffnungszeiten besichtigt werden.

Zum Künstler: Fritz During wird am 31. März 1910 in Burg im Spreewald geboren. Nach einer Tischlerlehre holt ihn sein älterer Bruder Paul, der selbst eine künstlerische Laufbahn eingeschlagen hatte, 1932 an die ›Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst‹ nach Berlin. Dort wird Fritz During in die Bildhauerklasse von Ludwig Gies aufgenommen. Nachdem die Bildhauerklasse seines als entartet deklarierten Lehrers geschlossen worden ist, geht der junge Bildhauer 1936 nach Kiel, um bei der ›Kieler Kunstkeramik‹ sein Brot zu verdienen. Bereits 1938 hatte er sich ein Grundstück an der Schwentine in Schwentinental/OT Raisdorf gekauft. Dort lebt er zusammen mit seiner Frau Käthe bis zu seinem Tod am 8. April 1993 als freischaffender Künstler. Die Werke des Bildhauers Fritz During sind aus unserer Region nicht wegzudenken. Sie stehen auf Schulhöfen, in öffentlichen Gebäuden und eine Vielzahl befindet sich in privatem Besitz. In seinem Wohnort Raisdorf ist es insbesondere die Kirche gewesen, von der der Bildhauer Aufträge bekommen hat. Für die St. Martinskirche in Raisdorf fertigte er den St. Martin am Giebel, das fast lebensgroße Kruzifix für den Chorraum (hängt heute im Haus der Kirche) und das Ehrenmal auf dem Friedhof.«

Text: Julia Meyer M.A., Leiterin des Plöner Kreismuseums

Mehr zu Fritz During auf Wikipedia

Wir danken herzlich Julia Meyer, die neben ihren vielfältigen Aufgaben noch die Zeit gefunden hat, uns Texte und Fotos zur Verfügung zu stellen.

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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu  d e m  deutschen Orden.

SH Raisdorf EK Hitlerspruch webFoto: Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv.-Nr. PK 2005/2

• Die von Adolf Hitler am 8. November 1939 anlässlich des Überfalls auf Polen ausgesprochene Losung

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


SH Wulfsdorf Hitler EK web

• Auch Hitler selbst trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Am 26. November 2018 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrem Tagesbefehl ein Veteranenabzeichen eingeführt. Am 15. Juni 2019 sind die ersten Abzeichen ausgehändigt worden. Am 10. Januar 2020 meldet das ›Bundeswehrjournal‹, dass bisher rund 35.700 Anträge auf ein Veteranenabzeichen eingegangen sind.

SH Haffkrug Veteranenabzeichen der Bundeswehr 2019 DocHeintz Wikimedia Commons web
Foto: Doc.Heintz/Wikimedia Commons


Überreicht wird das Abzeichen mit einem Dankesschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr:

»... Dieser Dienst in der Bundeswehr verdient hohen Respekt und große Dankbarkeit, welche auch in der Gesellschaft spürbar und sichtbar werden soll. Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die uns alle verbinden: Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft ...«

Ein anonymisiertes Anschreiben bei Wikipedia


Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger, Gürtelschnalle oder als auffällige Sympathiekundgebung mit Totenkopf am Auto.

HH Uhlenhorst EK auf Auto web2

 

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August Streufert

Bericht der Kieler Nachrichten vom 26. April 2010:

»Nur zwei Minuten Zeit für den Abschied 

Wir möchten mit dieser würdigen und dauerhaften letzten Ruhestätte das Gedenken an August Streufert wach halten.« Mit diesen Worten von Schwentinentals Bürgermeisterin Susanne Leyk wurde am Sonntag auf dem Raisdorfer Friedhof ein Grabstein in Erinnerung an August und seine Frau Ella Streufert enthüllt.

Am 27. Dezember 1944 war der Widerstandskämpfer und einstige SPD-Reichstagsabgeordnete aus Raisdorf, der vielen Gegnern des Naziregimes zur Flucht verholfen hatte und damit Staatsfeind war, im Konzentrationslager Neuengamme im Alter von 57 Jahren ums Leben gekommen. Sieben Jahre später verstarb seine Frau Ella Streufert in Raisdorf.

Zu der jetzigen Gedenkfeier war der einzige Sohn Siegfried Streufert mit seiner Frau Glenda, dem Sohn Justin und Schwiegertochter Amy aus Hawaii angereist. Der 76-jährige pensionierte Professor aus den USA kann sich noch sehr gut an die damalige Verhaftung seines Vaters im August 1944 erinnern. Da war er knapp zehn Jahre alt. ›Keine zwei Minuten hatten meine Mutter und ich Zeit, uns von ihm zu verabschieden. Einmal im Monat bekamen wir einen Brief. Irgendwann dann nicht mehr. Erst vier Monate nach seinem Tod erhielten wir seine persönlichen Sachen, verbunden mit der lapidaren Mitteilung, dass er an Lungenentzündung gestorben ist‹, erzählt Siegfried Streufert. [...]

›Mein Vater liebte Deutschland. Er setzte sich für eine freiheitliche gerechte Welt ein. Trotz des Risikos, entdeckt zu werden, kam es für ihn nie in Frage, dieses Land zu verlassen. Wir bleiben hier, hat er immer gesagt‹, so Streufert.«

 
»Nach der Machtübernahme der NSDAP sah Streufert sich in wachsendem Maße politischer Verfolgung ausgesetzt. Im August 1933 wurde er von der Regierung zum Staatsfeind erklärt und aus dem Staatsdienst entlassen. Da zugleich ein Verbot an Dritte ausgesprochen wurde, Streufert zu beschäftigten, unterlag er fortan de facto einem Berufsverbot. Seine Frau ließ sich von ihm scheiden.

Den Großteil der nationalsozialistischen Diktatur erlebte Streufert in der Gemeinde Raisdorf bei Kiel, wo er sich mit seiner zweiten Ehefrau Ella (Elli), seinem zweiten Sohn aus erster Ehe und einem der neuen Ehe entstammenden Sohn in einem kleinen Einfamilienhaus niederließ. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit einem kleinen Laden, den er bald wieder schließen musste, da sich nur wenige Kunden in das von der SA mit diffamierenden Parolen beschriebene Geschäft hineintrauten, und später durch den Verkauf von Gemüse auf einem Wochenmarkt und als Mitarbeiter der deutschen Niederlassung einer niederländischen Firma. Als ehemaliger Parlamentarier sah er sich in den folgenden Jahren beständiger Drangsalierung durch staatliche Stellen und insbesondere auch durch die Gestapo ausgesetzt, die ihn seit 1934 wiederholt in Haft nahm. Als Gegner des NS-Regimes betätigte Streufert sich in den 1930er Jahren in der sozialdemokratischen Untergrundbewegung. Während des Krieges half er Verfolgten des NS-Regimes wie Juden und abgeschossenen britischen und amerikanischen Piloten sich zu verstecken und ins Ausland abzusetzen.

Einige Wochen nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Streufert im Zuge der sogenannten Aktion Gewitter im August 1944 verhaftet und in das Konzentrationslager Neuengamme verschleppt, wo er im Dezember 1944 starb. In der offiziellen Todesmitteilung des Lagerkommandanten an Streuferts Frau wurde sein Tod auf eine Lungenentzündung zurückgeführt. Unbelegt aber durchaus wahrscheinlich ist die von seinem Sohn vermutete Misshandlung Streuferts durch das Lagerpersonal.

Heute sind der August-Streufert-Weg in Stralsund und die August-Streufert-Straße in Raisdorf nach ihm benannt. Zudem ist Streufert eine Platte des Denkmals zur Erinnerung an 96 von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete vor dem Reichstagsgebäude in Berlin gewidmet.«

Wikipedia, abgerufen am 11. Mai 2023

Mehr auf Wikipedia zu August Streufert


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Das Lager Karkkamp

Aus der Chronik auf der Website der Kirchengemeinde:

»Während des 2. Weltkrieges wurden in Raisdorf zwei große Barackenlager eingerichtet. Eines der Lager wurde auf dem Gelände gegenüber der heutigen später entstandenen St.-Martins-Kirche errichtet. Dieses Lager erhielt den Namen ›Lager Karkkamp‹.

SH Raisdorf Karkkamp Archiv St Martin webFoto: Archiv St. Martin

Nach dem Krieg wurden im Lager Karkkamp Flüchtlinge untergebracht. [...] Im Jahre 1949 gelang es, die große Speisebaracke im ›Lager Karkkamp‹ zu pachten. Der große Essraum wurde von  Ersparnissen zu einem schlichten gottesdienstlichen Raum hergerichtet. - Man hatte für den Bezirk Raisdorf lange gespart, um dort eine kleine Kirche bauen zu können. Das Geld reichte nur für das Nötigste. 

Am 28. August 1949 konnte Propst Kobold aus Preetz die  St.-Martins-Kapelle [Vorgängerin der heutigen Kirche St.-Martin] im Lager ›Karkkamp‹ einweihen. [...] Reverend Eastwood, ein englischer Offizier, der im zivilen Leben Pastor war, sorgte dafür, dass die St.-Martins-Kapelle eine Glocke bekam. Durch seine Vermittlung wurde die Schiffsglocke des Kreuzers SMS ›Stralsund‹ umgewidmet und der Kirchengemeinde geschenkt.«

Chronik der Kirchengemeinde
Bericht + Film über die Geschichte der Glocke

 

Über die Bestimmung des Lagers Karkkamp erfahren wir dann hier Genaueres:

Aus der Dokumentation des Lagers »Karkkamp« auf der Website zwangsarbeiter-s-h.de:

»Am 30. Januar 1942 beantragte die DWK beim Landrat in Plön eine Schankkonzession für den Kantinenbetrieb im firmeneigenen ›Wohnlager Raisdorf II am Rosenfelder Weg [dem später so genannten Lager Karkkamp], welches sich z. Z. in der Fertigstellung befindet.‹ Hier sollten ›ausser dem Lagerpersonal 275 ausländische Arbeiter untergebracht‹ werden.«

DWK bei Wikipedia


»Das Gelände war 200 m lang, 60 m breit und damit 1,2 ha groß. Zur Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte waren drei Wohnbaracken mit einer Grundfläche von jeweils fast 500 qm errichtet worden. Die Wirtschaftsbaracke, in der wohl auch die Kantine untergebracht war, hatte eine Länge von 33,15 m und eine Breite von 8,14 m. Die Sanitätsbaracke war ebenfalls 8,14 m breit, aber 37,8 m lang. Sie diente u.a zur Unterbringung einer Wachstube. Außerdem gab es auf dem teilweise mit Rundhölzern und Maschendraht eingezäunten Gelände noch den obligatorischen Feuerlöschteich, zwei Splitterschutzgräben und einen Beobachtungsturm. Die Leitung des Lagers hatte Adolf Kruse übernommen, der dort auch dauerhaft wohnte. [...]


Das ›Ostarbeiter-Lager‹ Rosensee in Raisdorf 1943

Vom 16. November 1942 stammt eine Grundrisszeichnung zum ›Ostarbeiter-Lager Rosensee‹ der Deutschen Werke Werft in Raisdorf. Laut Zeichnung lag es in 30 Meter Entfernung am Ufer der Schwentine und war mit einer zwei Meter hohen Einfriedigung umgeben. Außer zehn Wohnbaracken waren je eine Wirtschaftsbaracke, Krankenbaracke, Verwaltungsbaracke und Gerätebaracke sowie je zwei Waschbaracken und Aborte vorgesehen. Der Antrag auf Gewährung einer Schankkonzession für den Kantinenbetrieb ›im Wohnlager Rosensee in Raisdorf‹ wurde aber erst am 2. Oktober 1943 gestellt. In demselben Schreiben der DWK an den Landrat in Plön wird weiterhin ausgesagt, dass das Lager sich z. Zt. noch in der Fertigstellung befinde und rund 500 ausländischen Arbeitern als Unterkunft dienen solle. Es ist also davon auszugehen, dass das Lager Rosensee zwar schon 1942 konkret geplant aber erst 1943 errichtet worden ist. Auf jeden Fall sollte die lagerinterne Kantine auch hier dazu dienen, ›die Ausländer soviel wie möglich von den deutschen Volksgenossen fernzuhalten.‹ Die Schankkonzession sollte nach Ansicht des Landrats an die Bedingung geknüpft sein, Getränke nur an die ›ausländischen Gefolgschaftsmitglieder‹ auszugeben.Die Leitung des Lagers hatte Willi Pichelmann aus Kiel-Ellerbek übernommen. [...]

Die Deutsche Werke Werft hat also neben dem Barackenlager Schwentinetal in Rastorf zwei weitere Objekte in der Nachbargemeinde Raisdorf betrieben. Nimmt man die Wohnlager in Wattenbek, Flintbek und Boksee hinzu, so ergeben sich sechs im Süden und Osten von Kiel geplante und fertiggestellte Unterkünfte für die zahlreichen Ausländer, die im Verlauf des Zweiten Weltkrieges von der Werft angefordert wurden und in Kiel oder Friedrichsort in der Rüstungsproduktion Zwangsarbeit leisten mussten.«

Mehr auf www.zwangsarbeiter-s-h.de

 

Unter dem Titel »HDW hat doch gar keine Zwangsarbeiter gehabt« hat der Historiker Uwe Fentsahm seine Forschungsergebnisse zu den Lagern der HDW veröffentlicht.

Zwangsarbeiterlager der Deutschen Werke Werft außerhalb Kiels


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<<< schließen

 

Kurzfilme zu den Denkmälern

Seit ein paar Jahren existiert die Website www.denk-mal-gegen-krieg.de, auf der die Evangelische Akademie sich kritisch mit der bestehenden Erinnerungskultur auseinandersetzt. Die häufigsten Erinnerungsmale an die vergangenen Kriege sind Kriegerdenkmäler, auf denen der Soldatentod verklärt und die zivilen Opfer verschwiegen werden.

An einigen Orten produzieren wir kurze Videos und stellen sie online. Den Film über die Denkmalsanlagen in Ratekau können Sie hier sehen: YouTube> und die Einführung zur Filmreihe bei YouTube>

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I N H A L T
Das Denkmal
Das Denkmal zum 2. Weltkrieg
Die Gedenkwand der Heimat
Aus der Geschichte
Das »Ehrengrab« auf dem Friedhof
Volkstrauertag 2019
Die Recherche
Das Schulprojekt
Volkstrauertag 2021
Volkstrauertag 2020
Pastor Hossenfelder
Der Stahlhelm
Das Eiserne Kreuz
Das Denkmal 1870/71
Die Eiche für Kaiser Wilhelm I.

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Ratekau, Kreis Ostholstein

Vor, an und um die Vicelinkirche herum

Rechts und links vom Zugang in den Kirchhof steht je ein vierstufiger Pfeiler aus behauenen Feldsteinen. Oben aufgestellt ist ein steinernes dreidimensionales Eisernes Kreuz. Die beiden Pfeiler mit den Inschriften und die Mauer mit den 179 Namenssteine um die Kirche herum sind den toten Soldaten aus dem 1. Weltkrieg gewidmet. Der bekannte Lübecker Gartenbauarchitekt Harry Maaß hat die Anlage gestaltet. Am 23. Juli 1922 ist sie eingeweiht worden.

SH Ratekau Eingang web

 

In die trutzigen Pfeiler wurde je ein größerer, rechteckiger Stein für die Inschriften eingefügt.

SH Ratekau 1WK Tafel Heilig web


Inschrift auf dem linken Pfeiler:
So selig ist kein Los
So heilig kein Gebot
Als sich für vieler Leben
Zu geben in den Tod
1914 – 1918

Diese vier Zeilen sind dem Gedicht eines Unbekannten entnommen:

Kein Rätsel ist so groß,
so bitter keine Not,
als daß sich alles Leben
muß heben aus dem Tod.
So selig ist kein Los,
so heilig kein Gebot,
als sich für vieler Leben
zu geben in den Tod.

Es ist zu verschiedenen Zeiten in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt worden. Zum Beispiel wurde mit dem Gedicht in der evangelischen Kirche in Lorsch der toten Soldaten des 1. Weltkriegs gedacht, zwischen den Weltkriegen stand es an der Wand im Treppenhaus der Universität Halle und Bischof Dr. Otto Dibelius zitierte es in seiner Predigt am 20. Juli 1960 in der St. Annen-Kirche, Berlin.

 

SH Ratekau 1WK Tafel 1922 web


Inschrift auf dem rechten Pfeiler:
Ihren gefallenen
Vätern und Söhnen
in dankbarer Treue
die Kirchengemeinde Ratekau
1922

Obwohl der 1. Weltkrieg so viele Menschenleben forderte und der Krieg verloren wurde, wird der Kriegstod in den Inschriften als sinnvoll interpretiert, für den man den Soldaten danken muss. Das anonyme Massensterben, das Grauen des Krieges wird vom Denkmal verbannt. Das »Vaterland« forderte Treue bis in den Tod von den Soldaten. Der Mythos der Treue, der die Kameraden, der die militärische Führung vom Kaiser bis zum Unteroffizier und die Soldaten zusammenschweißen soll, verpflichtet nun die Hinterbliebenen. Deren dankbare Treue wurde hier auf ewig in den Stein gemeißelt.


SH Ratekau 1WK Pfosten links web


Hinter dem linken Pfeiler beginnen wir unseren Gang um die Vicelinkirche. Um und an der Kirche sind die 179 Namenssteine der toten Soldaten aus dem 1. Weltkrieg des Kirchspiels Ratekau eingemauert.
 

SH Ratekau 1WK Namen Pfosten web


Eine niedrige Mauer aus behauenen bunten Feldsteinen fasst den gesamten Kirchhof ein.

SH Ratekau 1WK 3Namen web


Einzelne größere Steine ragen ober heraus, sie tragen die eingemeißelten Namen. Es werden die mit dem Initial abgekürzten Vornamen und die Nachnamen genannt. Weder Dienstgrad, Geburts- oder Sterbedatum, noch Sterbeort, wie sonst oft üblich.


SH Ratekau 1WK Namen Ecke web

Die lange Reihe von Soldatennamen wird an beiden Seiten des Kirchhofs durch Zugänge unterbrochen. Die Namenssteine gehen mit um die Ecke.

SH Ratekau 1WK Namen hinten web


Die Mauer zieht sich mit Schwüngen, fast wie in einem Barockgarten, weiter um die Kirche. Nach einem Rundbogen hinter der Kirche setzt sie sich in gleicher Art auf der anderen Seite fort. An markanten Stellen sind weitere Eckpfeiler eingezogen.


SH Ratekau 1WK Reihe rechts web


Die rechte Seite der Namenssteinmauer: Besucher schreiten auch hier wieder gewissermaßen »die Front der Gefallenen« ab. Ganz hinten vor der Mauer sehen wir den Denkmalsstein zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 (siehe weiter unten), im Vordergrund links gucken wir auf den Kirchspielstein von Ratekau. Die 179 toten Soldaten des 1. Weltkriegs kamen aus den zahlreichen Gemeinden des Kirchspiels: Sereetz, Pansdorf, Wilmsdorf, Offendorf, Klein Timmendorf, Groß Timmendorf, Ovendorf-Hobbersdorf, Neuhof, Timmendorfer Strand, Techau, Hemmelsdorf, Luschendorf, Grammersdorf und Rohlsdorf.


SH Ratekau 1WK Namen Kirche web


Weiter geht’s am Kirchgebäude, selbst dort mussten noch Namenssteine untergebracht werden! Der Fuß des Turms wurde dafür 1922 zusätzlich ummauert. In »Vaterländische Blätter« (siehe unten) steht, dass die Steine am Turm die vermissten Soldaten nennen.

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Das Denkmal zum 2. weltkrieg

Der breite Aufgang zur Kirchentür wird an den Seiten von höheren Feldsteinmauern gesäumt. Auf der rechten Seite sind verschiedene Elemente »zum Gedächtnis« der »Gefallenen« und »Vermissten« des 2. Weltkriegs eingefügt.

SH Ratekau 1WK Wand rechts web


Auf dieser, wie auch auf der anderen Seite sind vom Anfang bis zum Pfeiler je fünf steinerne Kranzhalter eingemauert.


SH Ratekau 2WK Denkmal web


Hier sehen wir das zentrale steinerne Monument. Es wird oben mit einem Schriftband abgeschlossen. In erhabenen Buchstaben steht dort:

ICH LEBE UND IHR SOLLT AUCH LEBEN

Dahinter zweizeilig in kleineren Buchstaben:

JOH. 14
Vers 19

Jesus Christus spricht diesen tröstenden Satz im Johannesevangelium.


Die rechteckige Fläche darunter ist in ein Puzzle aus rechteckigen Steinen, die unterschiedlich hohe, unterschiedlich dekorierte Kreuze formen. Unter dem Schriftband sind zwei Steine eingefügt, die die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs tragen.  

1939
1945

Die Zwischenräume sind mit rechteckigen Steinen ausgefüllt worden, so dass ein großes Puzzlebild entstanden ist.


SH Ratekau 2WK Kreuze web


Die beiden kleineren Kreuze haben eine erhabene innenliegende Kontur und je ein Symbol in gleicher kräftiger Linienstärke.

Links sehen wir den griechischen Buchstaben Alpha, rechts den Buchstaben Omega. Alpha und Omega, der erste und der letzte Buchstabe des klassischen griechischen Alphabets, sind ein Symbol für Anfang und Ende, damit für das Umfassende, für Gott. Die Bibelstelle lautet: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige. Offenbarung 1, 8.

Christliche Symbole und Bibelzitate sollen dem Soldatentod eine religiöse Weihe und damit einen Sinn geben.

»Die Gedenkstätten sind ausnahmslos Ausdruck des Bedürfnisses, das Gedenken an den Tod der Soldaten zu sakralisieren, also zu etwas Heiligem zu stilisieren. In Form von Kreuzen, Säulen, Räumen der Stille oder Plastiken wird nicht der Tod, sondern der vorgebliche Sinn dieses Todes dargestellt [...] Die Sakralisierung schirmt die Gedenkorte auch gegen Widerspruch ab, denn wer würde in einem Raum der Stille oder vor einem Kreuz laut protestieren?«

Clemens Tangerding, Für Deutschland gestorben, Beitrag des Deutschlandfunks vom 18.11.2012


SH Ratekau 2WK Baeume web


Auf den drei größeren Kreuzen sind Bäume dargestellt, in der Mitte ein Eichbaum, aussen Lorbeerbäume. Es scheinen junge Bäume zu sein, die noch wachsen werden.

»Die Eiche ist knorrig. So kann man sich auch die alten Germanen vorstellen, weniger die feinsinnigen Römer. Die Eiche ist überdauernd. Das wollten auch die Deutschen im Heiligen Römischen Reich. Die Eiche ist standfest. Treue, unerschütterliche Souveränität schrieben die deutschen Fürsten und Könige auf ihr Panier – und nach ihnen Adolf Hitler. Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden.«

• Wolf Stegemann, 20. Januar 2014 auf der Website >www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de


SH Ratekau 2WK Tafel Gefallene web


Rechts und links sind Schrifttafeln in die Mauer eingelassen. Auf der linken Seite steht »DEN GEFALLENEN ZUM GEDÄCHTNIS«. Das Wort »Gefallene« sagt uns, dass es bei diesem Denkmal um ein Erinnern an tote Soldaten geht.

»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.
Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S.100


»Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 60/61

»›Gefallenendenkmal‹ verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort. [...] Die deutsche Sprache bevorzugt auch dafür einen schönfärbenden Ausdruck: ›im Felde gefallen‹ oder ›auf dem Felde der Ehre gefallen‹. Nicht auf ein ›Gefallenendenkmal‹ gehörten demnach alle, die beim Beschuss der Unterkunft, im Lazarett, auf dem Transport oder in Gefangenschaft ums Leben kamen.«

• Ebd., S.22


SH Ratekau 2WK Vermisste web


Auf der rechten Seite steht »DEN VERMISSTEN ZUM GEDÄCHTNIS«.


»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter. ›Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.‹ [Ralph Giordano, Die zweite Schuld, S. 324].«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 29

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Die Gedenkwand der Heimat

Auch auf der linken Steinwand sind fünf Kranzhalter eingemauert.

SH Ratekau 1WK Wand links web


Zwei einfache Steinbänke rahmen die zentrale Tafel ein.


SH Ratekau Heimatplatte web


DEN TOTEN DER
HEIMAT ZUM GEDEN=
KEN / DEN LEBENDEN
ZUR MAHNUNG

steht darauf, die letzte Zeile schließt mit einem Blattsymbol ab. Die Zeilen sind hier ausgeblockt, die erste ist eingezogen, es wurde eine andere Schrifttype gewählt, ansonsten ähnelt die Tafel den Gegenüberliegenden.


SH Ratekau Blatt web


Ein rätselhaftes Blattsymbol: ein größeres legt sich um das kleinere Blatt, der Stiel ist wie ein Eisernes Kreuz gearbeitet. Hat das eine Bedeutung? Wir wissen es nicht.

Wer ist mit den Toten der Heimat gemeint? Welche Mahnung sollen die Lebenden erhalten? Erklären es die Namenssteine rechts und links der Tafel?


SH Ratekau Danzig web


Auf beiden Seiten sind die Namen von einer Stadt und sechs Provinzen in einzelne Mauersteine eingemeißelt. Auf der linken Seite:

DANZIG
GRENZMARK
SCHLESIEN
POMMERN


SH Ratekau Brandenburg web

Auf der rechten Seite:

OSTPREUSSEN
BRANDENBURG
WESTPREUSSEN

Das sind Namen von Gebieten, die nach dem 1. Weltkrieg, bzw. nach dem 2. Weltkrieg für Deutschland verloren gingen. Nach dem verbrecherischen Angriffskrieg Nazi-Deutschlands mussten sie ganz oder im Fall von Brandenburg zum Teil, endgültig abgetreten werden.

Wir müssen nun annehmen, dass mit den »Toten der Heimat« nicht die Opfer der nationalsozialistischen Rassenpolitik, nicht die Opfer der als »Euthanasie« bezeichneten Krankenmorde oder die zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter gemeint sind, sondern ausschließlich die Geflüchteten und Heimatvertriebenen.


»Ein Mahnmal mahnt so wenig wie
ein Denkmal denkt und ein Grabmal gräbt
man wollte sie nicht vergessen, die Burschen
man wollte allerdings vergessen die Tränen.«

• Georg Schwikart

Im Artikel der Lübecker Nachrichten zum Volkstrauertag 2020 (siehe weiter unten) steht Genaueres zur Entstehung der Gedenkwände: »›Gestaltet wurde dieses ›Spalier‹ anlässlich der 800-Jahrfeier in Ratekau 1956‹, berichtet Lehrer Günter Knebel, ›und zwar unter der Federführung des damaligen Pastors Joachim Hossenfelder‹. Dieser trat 1929 der NSDAP bei, war 1933 Reichsleiter der antisemitischen Glaubensbewegung ›Deutsche Christen‹ und nach dem Krieg von 1954 bis 1969 Pfarrer in Ratekau.«

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Aus der Geschichte

Die Anlage für die 179 Namenssteine zum 1. Weltkrieg hat der bekannte Lübecker Gartenbauarchitekt oder, wie er in »Vaterstädtische Blätter« 1922 genannt wird, der Ober-Garteninspektor Harry Maaß gestaltet. Er hat auch den Ehrenfriedhof in Lübeck >, die Gedenkanlage auf dem Wehrberg in Preetz >, die in Klein Wesenberg > und viele andere mehr geschaffen.

  SH Ratekau Kirche web


Zur Gestaltung in Ratekau sagte er: »Richtlinien für die Gestaltung der Gedächtnisstätte gab das aus Feldsteinen errichtete Gebäude – Turm und Kirche. Es war schwierig, dem Bau der Kirche und des Turmes etwas Überzeugendes an die Seite zu stellen, zumal die Namen der Gefallenen zum Ausdruck gebracht werden sollten und ein Denkmal in irgendwelcher Form durch die Wucht des Turmes immer erdrückt werden würde. Es blieb nichts übrig, als der Kirche mit dem Turm eine Basis zu geben in Form eines um den Bau geleiteten Hofes, der durch die Mauer begrenzt wurde. [...]

Auf dieser Mauer selbst ragen um wenige Zentimeter die Namenssteine heraus. Schlichte Schrift, dunkel ausgelegt, nennt den Namen des Gefallenen.«

     SH Ratekau Vaterstaedtische Blaetter web


Der Zugang zur Kirche ist zugleich Zugang zur Gedächtnisstätte. Harry Maaß schreibt, dass links und rechts hinter dem Mäuerchen Beete mit Immergrün gepflanzt wurden, um dort Kränze ablegen zu können.  

»Vaterländische Blätter« Nr.25, 10. September 1922, S.1+2


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Das »Ehrengrab« auf dem Friedhof

Es ist sehr gepflegt mit sauber gestutzter Bepflanzung und umschließender Hecke, die Kirchengemeinde ist verpflichtet, es in »Ehren« zu halten.

SH Ratekau 2WK weit web


Auf dem hinteren Teil des mit großen Steinplatten und kleinen Granitsteinen gepflasterten Mittelteils steht ein Gedenkstein. Was liegt davor?

 

SH Ratekau 2WK web


Wir glauben es kaum: ein Stahlhelm der Deutschen Wehrmacht. Das hatten wir bisher noch nicht gesehen. Wir haben ein Kriegerdenkmal zum 2. Weltkrieg besucht, da war er geklaut. Eine Gemeinde hatte ihn von sich aus entfernt. Zum Grab des Großadmirals Dönitz in Aumühle bringen die Neonazis den Helm immer mit und nach ihrer Feier packen sie ihn wieder ein. Hier in Ratekau liegt also einer auf dem kirchlichen Friedhof.

Im Internet bieten eine Menge Militaria-Händler »Original-Stahlhelme der Deutschen Wehrmacht« zum Kauf an. Auch ein »Kinderhelm wie Stahlhelm M35 Wehrmacht Luftwaffe« für 190 Euro ist im Angebot. Ein T-Shirt, das Amazon anpries mit dem Aufdruck »SS-Stiefel, die besten Wanderschuhe aller Zeiten« wurde erst nach scharfen Protesten aus dem Sortiment genommen.

»Früher musste der Wehrmachtsfan noch in schmuddelige Militaria-Läden schleichen oder dreimal nachdenken, ob er seine Adresse bei einschlägigen rechtsextremen Versandhäusern hinterlassen will. Dank Amazon genügt jetzt ein Klick und der Wehrmachtsstahlhelm liegt auf dem Gabentisch«, empört sich die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke auf www.stimme.de. SPD-Vorstandsmitglied und Juso-Chef Kevin Kühnert sagt dazu: »Ein angemessener Schritt wäre, die bisherigen Gewinne aus diesen Produkten an Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu spenden.«

Mehr dazu auf www.stimme.de: Stahlhelm unterm Christbaum



SH Ratekau 2WK Friedhof Inschrift web


Auf einer schwarzen eingelassenen Tafel steht die Inschrift:

Hier ruhen
8 tapfere Deutsche,
die am 2. Mai 1945
für das Vaterland
gefallen sind

 

SH Ratekau 2WK links web


8 tapfere Deutsche? Wir entdecken 9 kleine dunkelbraune Keramiktafeln. Wer ist denn kein tapferer Deutscher? Etwa Virginia Boureanu, weil sie eine Frau ist oder Friedrich Maschewski, weil er als einziger nicht am 2. Mai 1945 sondern am 21. August 1944 gestorben ist?

SH Ratekau 2WK Namen rechts web


Am 2. Mai 1945 für das Vaterland gefallen! Am 30. April hatte sich Reichskanzler Adolf Hitler seiner Verantwortung durch Selbstmord entzogen, am 2. Mai ist der Kampf um Berlin zu Ende. Dass an diesem Tag noch Menschen für »das Vaterland fallen« mussten, darüber muss man verzweifeln.

Was ist da am 2. Mai 1945 in Ratekau passiert?

»Der Krieg ist Anfang April 1945 eigentlich entschieden. In Jalta beraten die USA, Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion Anfang Februar schon über eine Nachkriegsordnung. Aber statt aufzugeben, werfen die Nazis immer noch alles, was verfügbar ist, in die letzte Schlacht. Alte Männer werden zum ›Volkssturm‹ eingezogen, Kinder der Hitlerjugend werden mit Panzerfäusten auf die Straßen geschickt. An vielen Orten im ganzen Reich werden zahlreiche Menschen noch als ›Verräter‹ hingerichtet. Bis zum Schluss fällten Standgerichte von Wehrmacht und SS tausende Todesurteile gegen deutsche Soldaten und Zivilisten.«

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würtemberg

Lesen Sie weiter auf der Website

 

SH Ratekau 2WK EK web


Über der Texttafel sehen wir ein eingeritztes Eisernes Kreuz. Neben diesem militärischen Ehrenzeichen ist die Darstellung des Stahlhelms das meist gezeigte Symbol auf Kriegerdenkmälern.


SH Ratekau 2WK Helm web

... und hier auf dem Friedhof in Ratekau haben wir ihn im Original.

 

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Volkstrauertag 2019

Eine Abordnung aus der Eutiner Bundeswehr-Kaserne steht wie jedes Jahr mit Sturmgewehr an den Denkmälern zum 2. Weltkrieg.

SH Ratekau VTT 2019 web


Vor der Kirche hängen weiße Schleifen an den Kränzen.

 

SH Ratekau Friedhof VTT 2019 web

Fotos: https://kameradschaft-aufklaerer-eutin.de

Beim Stahlhelm der Deutschen Wehrmacht muss es schon Schwarz-Rot-Gold sein!


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Die Recherche

Weiter oben und in unserem Film über die Denkmäler in Ratekau haben wir uns und die Ratekauer gefragt, was wohl an diesem 2. Mai 1945 passiert ist. Und unsere Frage wurde gehört: Günter Knebel, Lehrer an der Cesar-Klein-Schule schrieb uns und berichtete von seinen Recherchen:

»Abgesehen von den falschen Angaben ist die Inschrift, dass am 2. Mai 1945 acht tapfere Deutsche für ihr Vaterland gestorben sind, in dieser Formulierung mehr als zynisch.

Wir kennen nicht die genauen Umstände, was diese Menschen am 2. Mai auf der Chaussee zwischen Pansdorf und Techau gemacht haben. Es ist sechs Tage vor dem Ende des 2. Weltkrieges und zwei Tage vor Ende der Kriegshandlungen in diesem Teil von Schleswig-Holstein.

Die Straßen sind voll von Flüchtenden und wohl letzten deutschen Truppen und Angehörigen des Volkssturms, die noch meinen, Deutschland bis zum Endsieg verteidigen zu müssen. Die englischen Truppen sind überall im Vormarsch und werden aus der Luft von der englischen Luftwaffe unterstützt.

Am 2. Mai 1945 ist es auf der Landstraße zwischen Techau und Pansdorf im Kreis Eutin zu einem Tiefliegerangriff auf Personen, die sich auf der Straße bewegten, gekommen. Kurt Gosch, ein Landarbeiter aus Pansdorf, hat wohl am nächsten Tag die Toten auf und neben der Straße entdeckt. Er hat sich von seinem Bauern ein Pferdegespann geben lassen, die Toten eingesammelt und zum Friedhof nach Ratekau gebracht. Dort wurde er bereits von englischen Soldaten empfangen. Ein Tag nach diesem tödlichen Ereignis war für die Dörfer und die Menschen des Kreises Eutin der Krieg beendet.

Die erst 19jährige Virginia Boureanu wird im Sterberegister der evangelischen Kirche Ratekau als Flakhelferin bezeichnet. Wie kam sie zu dieser Funktion? Hat sie sich freiwillig dazu gemeldet? Wurde sie dazu gezwungen? Wir wissen es nicht.

Deutet das sehr unterschiedliche Alter der Gestorbenen darauf hin, dass sich die Personen als letzte zur Verfügung stehende Menschen der sich seit Monaten abzeichnenden Niederlage Hitlerdeutschlands noch entgegen stellen wollten, sollten oder mussten?

Das Ganze ist besonders tragisch angesichts des Zeitpunkts. Ein oder zwei Tage später sind die Kampfhandlungen beendet und die neun Gestorbenen hätten überlebt. Die Aussichtslosigkeit ihres Handelns hätte ihnen vielleicht, aber besonders den Verantwortlichen bewusst sein müssen.

Das Tragische an der Situation ist auch, dass zu diesem Zeitpunkt gerade einige führende Nationalsozialisten dabei sind, sich in Schleswig-Holstein zu verstecken und damit sich ihrer Verantwortung zu entziehen, so wie Heinrich Himmler (Reichsleiter der SS) und Rudolf Höss (Kommandant des KZ Auschwitz). Einfache Soldaten und Helfer müssen dagegen noch ihr Leben opfern.

Mit diesem Wissen nach dem Krieg eine Inschrift zu einem Grab von kurz vor der Befreiung gestorbener Menschen mit den Worten, dass sie für ihr Vaterland gestorben sind, ist mehr als zynisch.

Dazu passt die martialische Gestaltung des Grabes mit einem Stahlhelm als Zeichen des Kampfes für eine gerechte Sache, hier wohl gemeint zur Verteidigung des Vaterlandes.

Wir wissen nicht, was dazu führte, dass diese Menschen Angriffsziel englischer Flugzeuge wurden. Ich meine, dass sie und die Menschen, die ihrer gedenken, eine andere Würdigung verdient haben.


Zu den Personen im Sammelgrab gibt es folgende Informationen:

Virginia Boureanu: 13.2.1926–2.5.1945, rumänische Staatsangehörige, Flakhelferin

Paul Hirschel: 23.2.1899–2.5.1945, Soldat aus Kummersdorf

Johannes Jans: 29.7.1901–2.5.1945, Wirtschafter aus Seegalendorf (Ostholstein), im Sterbeverzeichnis: Unbekannter älterer Mann in einfacher Kleidung, wohl Arbeiter, Flüchtling

Friedrich Jabs: gestorben 2.5.1945, Volkssturmmann, Stettin, Jabs nicht Japs wie auf der Grabtafel!

Heinrich Klemm: 18.1.1908–2.5.1945, Seeflieger, Unteroffizier

Friedrich Maschewski: 3.4.1869 in Kaisersdorf/UdSSR–21.6.1944, 75 Jahre alt geworden, Landarbeiter in Neuhof, sowjetischer »Umsiedler«, am 21.8. (nicht am 21.6. wie auf der Grabtafel) an Herzschwäche gestorben. Beerdigt am 24.8. Warum liegt er in dem Grab?

Jean van Damme: 24.9.1925 –2.5.1945, Belgier, Angehöriger der paramilitärischen Organisation Todt, van Damme nicht Dame wie auf der Grabtafel.

Militärangehöriger, angeblich Major, verstümmelt

Unbekannter, Infanterist

Alwine Baumgart, geb. Bothe, 30.10.1905 in Hannover –2.5.1945, ein weiteres Opfer des Fliegerangriffs, wurde durch eine Bombe von der Firstwand ihres Hauses erschlagen. Sie wurde nicht im Sammelgrab beerdigt.«


Wir danken Günter Knebel und wünschen ihm viel Erfolg für seinen Wunsch, die Geschichte dieser in den allerletzen Kriegstagen ums Leben gekommenen Menschen zu erzählen und ihrer würdig zu gedenken.

Am 25. September 2020 erreicht uns die Nachricht, dass es mittlerweile einen Wahlpflichtkurs mit 10 Schüler*innen des 10. Jahrgangs der Cesar-Klein-Schule gibt, die mit ihrem Lehrer Günter Knebel an der Aufklärung der Kriegerdenkmäler in der Gemeinde Ratekau arbeiten.


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Das SchulProjekt

In der Ausgabe zum Volkstrauertag am 15. November 2020 der Lübecker Nachrichten erscheint ein fast ganzseitiger Artikel über den Wahlpflichtkurs »Denk mal« der Cesar-Klein-Schule. Redakteurin Sabine Latzel schreibt: »Wie umgehen mit dem Gedenken an die beiden Weltkriege? Diese Frage beschäftigt engagierte Menschen in Ratekau. Dabei stehen das Ehrengrab auf dem Ratekauer Friedhof und die Gedenkstätte am Aufgang zur Feldsteinkirche im Zentrum – und in der Kritik. Veränderungen regen die Beteiligten eines Schulprojekts an, Pastorin und Bürgermeister zeigen sich dem gegenüber aufgeschlossen.

›Passt das noch in die heutige Zeit, zu einem friedlichen Miteinander in der Welt ohne Rachegedanken?‹, fragt Günter Knebel,, Lehrer für Geschichte und Wirtschaftspolitik an der Cesar-Klein-Schule in Ratekau.«

Ausführlich werden in dem Artikel Denkmäler und Ehrengrab beschrieben. Auch Schülerinnen, Lehrer Knebel, Bürgermeister Keller und Pastorin Dittmann kommen zu Wort.

Bericht Weltkriegsgedenken, Lübecker Nachrichten

Projekt Denkmal auf der Website der Schule


Anfang des Jahres 2021 präsentieren die SchülerInnen des Wahlpflichtkurses vor über 20 Vertretern der Gemeinde, Bürgermeister, Bürgervorsteherin und Pastorin Dittmann die Ergebnisse ihrer Arbeit – und erhalten viel Anerkennung. Der Bürgermeister schlägt vor, einen Denkmal-Ausschuss zu gründen. Dort soll über ein gemeinsames Vorgehen beraten werden.

Günter Knebel und Pastorin Dittmann luden im Frühjahr zu einem Arbeitskreis mit Interessierten aus der Gemeinde ein.

Dieser Arbeitskreis unter Beteiligung von Vertretern aller politischen Parteien in der Gemeindevertretung, der Pastorin, des Bürgermeisters, des Kyffhäuser Bundes, Dr. Wendt und Dr. Linck von der Evangelischen Akademie der Nordkirche und dem ehemaligen Geschichtslehrer der Cesar-Klein-Schule Ratekau Günter Knebel hat die Arbeit der Schüler*innen in den letzten Monaten fortgesetzt. Herausgekommen ist als erstes gemeinsames Ergebnis die neue Infostele.

Die Stele am »Ehrengrab«: Am 1. September 2021 – am Antikriegstag – wird sie auf dem Ratekauer Friedhof eingeweiht. Bürgermeister Thomas Keller hebt in seiner Rede die konstruktive Zusammenarbeit des Denkmal-Ausschusses hervor und betont, dass mit der Stele ein erster Schritt zur Auseinandersetzung mit den Denkmälern in Ratekau zum 1. und 2. Weltkrieg getan sei und weitere folgen müssten.

Den Grundstein für die Infostele hatte das Projekt der Cesar-Klein-Schule gelegt. Den Schüler*innen waren mehrere Ungenauigkeiten und Fehler an der Grabstätte aufgefallen und sie stellten die Inschrift (»Hier ruhen 8 tapfere Deutsche, die am 2. Mai 1945 für das Vaterland gefallen sind«) und die Gestaltung mit einem Stahlhelm infrage.

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Bericht über die Einweihung auf der Website der Cesar-Klein-Schule

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Recherchen beim Bundesarchiv, der rumänischen Botschaft und beim belgischen Staatsarchiv hatten vereinzelte Informationen über Alter, Herkunft und Status der Begrabenen auf dem Ratekauer Friedhof ergeben. Bei einem englischen Tiefliegerangriff zwischen Pansdorf und Techau am 2. Mai 1945 waren insgesamt neun Menschen ums Leben gekommen, darunter vier Soldaten, ein Volkssturmmann, ein Landarbeiter aus Ostholstein, eine Techauer Bürgerin und zwei 19-Jährige aus Rumänien und Belgien.

Diese Informationen sind auf der Stele zusammengefasst und erklären die Umstände des tragischen Ereignisses so kurz vor Kriegsende. Einen Tag später, am 3. Mai 1945, war für die Bewohner des südlichen Ostholsteins der Krieg zu Ende.

Die Stele in größerer Ansicht

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Günter Knebel zitiert bei der Feier den Philosophen Santayana: »Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern, sind verurteilt, sie erneut zu erleben«.

Eine Botschaft auf der Stele ist besonders hervorgehoben: »Nie wieder Krieg!«

Mehr Informationen zur Einweihungsfeier


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Volkstrauertag 2021

Der Tag begann mit der Zeremonie am Ehrengrab auf dem Friedhof.

SH Ratekau VTT 2021 Friedhof BW web


Kranzniederlegung und Ehrenwache – diesmal ohne Sturmgewehr. Die Soldatin steht vor der neuen Informationsstele.

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Trotz der Veränderungen, die der Denkmalsarbeitskreis in Ratekau diskutiert und durch die neue Informationsstele am Grab auf dem Friedhof schon realisiert hat: Die Kyffhäuser Kameradschaft zelebrierte ihr Ritual am Kriegerdenkmal vor der Kirche wie in den vergangenen Jahren auch.

Mehr Informationen und Fotos finden Sie hier


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Volkstrauertag 2020

Im oben genannten Artikel der Lübecker Nachrichten regt Lehrer Günter Knebel eine »›zivile Würdigung aller Toten am Volkstrauertag‹ an und stellt den sonst üblichen uniformierten Marsch der Soldatenvereinigung ›Kyffhäuserbund‹ infrage. ›Die Bundeswehr bewegt sich schon‹, sagt er: ›Sie verzichtet auf die Präsentation von Sturmgewehren bei der Ehrenwache vor der Kirche und auf dem Friedhof.‹«

Und so war es dann: In der Kirche waren einige Vertreter des Kyffhäuserbundes, alle außer einem in Zivil und ohne Orden. Draußen warteten nach dem Gottesdienst einige Uniformierte, es wurde eine Inschrift verlesen und zwei Kränze wurden am Denkmal zum 2. Weltkrieg aufgehängt.

Es gab diesmal keine Ehrenwache der beiden Vertreter der Bundeswehr. Sie waren mit im Gottesdienst und mischten sich dann draußen unter’s Volk. Am »Ehrengrab« auf dem Friedhof wurde ein Kranz der Verteidigungsministerin in schwarz-rot-gold niedergelegt.

Predigt von Pastorin Dittmann


Vielen Dank für den Predigttext, Frau Dittmann und für den Bericht, Herr Knebel!

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Pastor Hossenfelder

Joachim Hossenfelder war von 1954 bis 1969 Pastor für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Eutin in Ratekau.

SH Ratekau Hossenfelder web

Foto: privat

Pastor Hossenfelder ist gerade, dem Brautpaar voran, durch die »Kriegerdenkmalspforte« geschritten. Im August 1958 ist dieses Foto aufgenommen worden. In der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945? Wie die Kirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen« wird Hossenfelders Werdegang im Kapitel 4 »Streit um Schuld und Mitverantwortung« beschrieben.

Mehr Informationen www.nordkirche-nach45.de

 

                  SH Ratekau Hossenfelder 1933 web

 

Der als »vaterländisch geprägte Persönlichkeit« und »soldatische Natur« charakterisierte Wilhelm Kieckbusch amtierte von 1930 bis 1976 ohne Unterbrechung als leitender Geistlicher der Eutinischen Landeskirche. In aller Öffentlichkeit setzte er sich nach 1945 für ehemals führende Theologen der nationalsozialistischen »Deutschen Christen« ein. Anderswo galten sie als untragbar. Kieckbusch nahm unter anderem die »Deutschen Christen« Hugo Rönck und Joachim Hossenfelder als Pastoren in seine Landeskirche auf. Hossenfelders Einstellung wurde vom damaligen Ratsvorsitzenden der EKD Otto Dibelius befürwortet. Weder Rönck noch Hossenfelder ließen nach 1945 jemals Reue über ihre Rolle im Nationalsozialismus erkennen. [...]

Der Berliner Pfarrer Hossenfelder war treibendes Gründungsmitglied und erster Reichsleiter der »Deutschen Christen«. Er bekannte sich nach 1945 ebenfalls stolz zu dem Bischofsamt, das er als »Deutscher Christ« 1933 kurzzeitig inne gehabt hatte. Ansonsten bewahrte er über seine frühere Karriere strengstes Stillschweigen.


Bis heute ist die Kirchengemeinde in Ratekau verpflichtet Joachim Hossenfelders Grab zu pflegen.

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Der Stahlhelm

Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der neue Helm aus Stahl wurde entwickelt, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30.000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.


     SH Kasseedorf Plakat Stahlhelm web

     Plakat von Ludwig Hohlwein zum 10. Reichsfrontsoldatentag 1929

Die Einführung eines Stahlhelms für die Bundeswehr im Juni 1956 war ein Politikum. Den Forderungen des Militärs nach einem wirksamen Kopfschutz für die Soldaten wurde nur sehr zögerlich entsprochen. Unter keinen Umständen sollte der Helm für die Bundeswehr auf Konstruktionen beruhen, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.

Für den aktuellen »Gefechtshelm, allgemein«, der am 15. Januar 1992 eingeführt wurde, galten diese politischen Bedenken nicht mehr. Der Helm sollte unter Wahrung der modernsten militärischen Gesichtspunkte auch alle Vorteile des Stahlhelms M35 in sich vereinigen.

Die Stahlhelme der alten Form blieben weiterhin im Gebrauch beim Bundesgrenzschutz und der Polizei.

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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.

SH Ratekau 1WK EK web

 

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

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Das Denkmal 1870/71

Das hübsch gestaltete Denkmal zum Deutsch-Französischen Krieg mit zierlichem Lorbeerkranz an wehenden Bändern trägt die Inschrift:

Dem Gedächtniß
der im Krieg von 1870/71
fürs Vaterland
gefallenen Gemeindeglieder:
Hans Hinr. Fried. Pien (?) aus Techau,
Hinr. Joh. August Steen aus Liuschendorf,
Wilhelm Julius Böhme aus Wilmsdorf,
widmet diesen Denkstein
das dankbare Kirchspiel
Ratekau.

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»1870 stellte Napoleon III., im Zusammenhang mit der Erbfolge in Spanien, Forderungen an Preußen, die Wilhelm I. nicht erfüllen wollte. Die Ablehnung des Preußenkönigs wurde von Bismarck in der Emser Depesche, die in der Presse platziert wurde, so brüsk formuliert, dass der französische Kaiser sich veranlasst fühlte, den Preußen den Krieg zu erklären. Am 2. September 1870 errangen die Preußischen Truppen bei Sedan einen triumphalen Sieg, bei dem Napoleon III. gefangengenommen wurde. Die Schlacht bei Sedan war nicht kriegsentscheidend, wurde aber später zum nationalen Mythos stilisiert. Im Januar 1871 kam es zum Waffenstillstand. Am 18. Januar 1871 ließ sich Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser krönen. Damit war die Teilung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen in ein ›kleines‹ Deutsches Reich und die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn vollzogen.«

Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt, Aschendorff Verlag 2018, S.15f


Nach dem Deutsch-Dänischen und dem Deutschen Krieg von 1864 und 1866 gilt der Konflikt mit Frankreich als dritter und letzter der deutschen Einigungskriege. Der preußische König Wilhelm I. nahm den Titel ›Deutscher Kaiser‹ an, Otto von Bismarck wurde erster Reichskanzler. In Frankreich hatte der Krieg nicht nur die endgültige Abschaffung der Monarchie zur Folge. Vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich. Beides belastete die deutsch-französischen Beziehungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.«

nach Wikipedia, abgerufen am 9. 12. 2017


SH Ratekau 70 71 Eiche web


Nach dem Sieg forderte die Regierung in Deutschen Kaiserreich dazu auf, Friedenseichen zu pflanzen und zu pflegen, damit »dieses Sinnbild deutscher Kraft und deutscher Treue sich in aller Herrlichkeit entwickeln könne und künftigen Geschlechtern Gelegenheit geben würde, sich in seinem Schatten dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern.«

In Ratekau ist die Friedenseiche gefällt worden.

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Die Eiche für Kaiser Wilhelm I.

Auf einem großzügigen Rasenstück vor dem Kirchhof steht diese prächtige Eiche. Wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung ist sie als Naturdenkmal geschützt.

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Am 22. März 1897 feiert man überall im Deutschen Reich den 100. Geburtstag des Kaisers Wilhelm I., der wegen seiner Verdienste zur Reichseinigung von Kaiser Wilhelm II. nun zum »Kaiser Wilhelm der Große« erklärt wurde. Überall im Land wurden ihm zu Ehren Denkmäler enthüllt, zum Beispiel auch in Trittau. Dort hat die Stiftung Geschichtskultur ein erläuterndes Schild aufgestellt:

»Wilhelm I.
• Geboren am 22.3.1797 als Sohn von König Friedrich-Wilhelm III. von Preußen und Königin Luise
• Niederschlagung der Revolution 1848 (›Kartätschenprinz‹)
• König von Preußen 1861 - 1888
• Deutscher Kaiser 1871 - 1888
• Gestorben 1888. Ihm folgt Friedrich III. (99-Tage-Kaiser) und im gleichen Jahr Wilhelm II. (1888 - 1918)

Kaiser Wilhelm I. und sein Kanzler Bismarck haben ihr Jahrhundert geprägt. Um beide entstand nach ihrem Tod eine kultische Verehrung. Kaiser Wilhelm II. förderte den Kult um seinen Großvater, für den zu dessen 100. Geburtstag das riesige Nationaldenkmal in Berlin, etwa 350 Denkmäler in deutschen Städten und zahlreiche Gedenksteine, wie hier in Trittau, eingeweiht wurden.«

Zum Vertiefen: Dorlis Blume für das Deutsche Historische Museum

 

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I N H A L T
Das Denkmal
Die Einweihung
Bericht in den Vaterstädtischen Blättern 1921/22
Die Lindenkuppel
Im Winter ein Rodelberg
2012: Künstler gegen Rechtsextremismus
2014: Die Renovierung
2014: Das Projekt »Denk mal! Unbequem!«
Der Bildhauer H. Hosaeus
Das Eiserne Kreuz

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Ratzeburg, Kreis Herzogtum Lauenburg

Das Denkmal am Röpersberg

Der Berg liegt etwa drei Kilometer südlich von Ratzeburg in der Nähe der Straße nach Schmilau. 1921 wurde die dortige Anlage vom Architekten Wilhelm Heilig aus Darmstadt nach den Grundsätzen des vom Deutschen Kriegerbund eingesetzten Ausschusses entworfen. Dem Ausschuss gehörte auch der Berliner Bildhauer Hermann Hoseus an. Die Namen von 142 im 1. Weltkrieg getöteten Soldaten der Stadt Ratzeburg sind auf fünf Steinpfeilern aus Muschelkalk rund um einen Hügel verzeichnet. Die Anlage wurde im Juni 1921 eingeweiht.

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Um einen Erdhügel, dessen Plattform zehn Linden krönen, gruppieren sich die fünf Steinpfeiler, die jeweils einem Kriegsjahr gewidmet sind.


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Die gemauerten Muschelkalkpfeiler tragen auf der Frontseite oben eine Inschrift, darunter in der Mitte ein großes Eisernes Kreuz im Relief, daneben Namensllsten und darunter eine Jahreszahl des 1. Weltkriegs.


Die Inschriften lauten:

Unseren Tapferen, die für Deutschland fielen und von der Heimat unvergessen im fremden Lande ruhen
1914  

Kindern und Enkeln künden diese Steine die Namen der Väter, die einst für uns in Kampf und Tod zogen
1915
 

Lebe droben im Licht, o Vaterland, und zähle nicht die Toten, dir ist Liebes nicht einer zu viel gefallen
1916 
 

Und wer den Tod im heiligen Kampfe fand, ruht auch in fremder Erde im Vaterland
1917  

Die dankbare Vaterstadt dem Gedenken ihrer gefallenen Söhne, die fern im Kampf für sie fielen
1918  


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Auf den beiden Steinen links und rechts vom Eisernen Kreuz sind, auf die fünf Muschelkalkpfeiler verteilt, insgesamt 142 Namen eingemeißelt. Sie gehören toten Soldaten, die am Anfang des 1. Weltkriegs in Ratzeburg wohnten. Es werden das Initial des Vornamens und der Nachname genannt, ohne Lebensdaten, ohne weitere Angaben. Die Namen in Versalien einer klassischen Antiqua-Schrift sind mittig gesetzt, ein Ordnungsprinzip ist nicht zu erkennen.


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Eine Allee führt zum Denkmalshügel. »Beim Betreten der Erinnerungsstätte wird jeder Deutsche eine Weihestunde erleben« steht in den Vaterstädtischen Blättern von 1921/22.

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Die Einweihung

Die Anlage wurde am 21. Juni 1921 eingeweiht. Die 1928 in zweiter Auflage erschienene Chronik der Stadt Ratzeburg stellt die germanisierenden Bezüge des Kriegerdenkmals deutlich heraus:

»Am Abend des 21. Juni 1921 fand beim flackernden Schein der Sonnenwendfeuer und im Beisein einer nach Tausenden zählenden Trauergemeinde die Einweihung des Kriegerehrenmals statt, das die Stadt Ratzeburg ihren gefallenen Söhnen errichtet hat. Draußen auf einem hochgelegenen Felde am Farchauer Ende, abseits vom lärmenden Verkehr, erhebt sich ein Naturdenkmal, das in seiner Anlage und schlichten Größe an alte germanische Kultstätten erinnert.«

Stadtchronik von 1928

Stadtarchivar Christian Lopau: »Am 21. Juni 1921 wurde die Anlage im Beisein des Architekten Wilhelm Heilig als Sonnwendfeier inszeniert eingeweiht. Superindendent Lange hielt die Feldpredigt, wobei wieder einmal verblüfft, wie er voller Inbrunst darlegt, dass Gott exklusiv für das deutsche Volk Partei nimmt, auch immer genommen hat und auch in Zukunft nehmen wird. Wer die Predigt und die anschließende Festrede von Dr. Tamm liest und sich das Szenario mit Fackeln, Bataillonskapelle und Gesang vorstellt, der sieht den Boden für die Parolen der Nationalsozialisten bereitet.«

Predigt und Festrede, 1921 (Abschrift)


• Wir danken herzlich dem Stadtarchivar von Ratzeburg Christian Lopau für die Fotos und den Damen des Kreisarchivs in Ratzeburg für die Texte

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Bericht in den Vaterstädtischen Blättern 1921/22

»... An die alten gewaltigen Hünengräber mit ihren großen Eckquadern, ihren Wällen und Gräben erinnernd, stimmt es auch durch seine Lage, die einen Blick weit übers Land zuläßt, zu feierlichem Ernst.

SH Ratzeburg Roepersberg 1921 web


Noch sind die auf der Rundfläche des Walles gepflanzten Linden jung und dünnstämmig, aber ein Jahrzehnt wird genügen, eine einzige, gewaltige Baumkrone aus den Stämmchen zu erzeugen, die dann weithin sichtbar sein wird, als das erhebende Erinnerungsmal an Deutschlands einstige Größe, an die Opfer, die wir gegen eine Welt von Feinden gebracht haben. Fernab vom Lärm der Stadt, wird die Stätte ein Sammelpunkt aller Denkenden auf der Höhe der Menschheit sein. Ein Sinnbild noch nach Jahrhunderten an die wahre Opferfreudigkeit fürs deutsche Vaterland, wird es dastehen alle Zeiten solange noch Dankbarkeit und Vaterlandsliebe im Menschengeschlecht wohnt.«

 

SH Ratzeburg Roepersberg Pfeiler1918 web

Auf diesem Foto aus den Vaterstädtischen Blättern 1921/22 sieht man den Aufbau der Pfeiler noch einmal präzise. Im leicht geneigten Dach ist ein Spruch eingemeißelt, auf dem mittleren Stein in der zweiten Reihe ist das Eiserne Kreuz hervorgehoben. Rechts und links davon sehen wir die Namenslisten auf jeder Seite 13 - 15 Namen. Die beiden größten Steine über dem Sockel tragen die Jahreszahl in großen, zarten Ziffern.

Download des Textes in den Vaterstädtischen Blättern 1921/22


• Wir danken sehr herzlich Frau Dr. Karen Meyer-Rebentisch aus Lübeck für ihr Mitdenken und ihre Unterstützung.

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Die Lindenkuppel

»Und da geht unsere neue, schöpferische Zeit ganz andere Wege als die Vergangenheit. Nicht toter Stein und totes Eisen halten das Andenken an die Helden fest, sondern die Schöpfer der Krieger-Gedächtnisstätten nehmen mit feinem Instinkt für die künstlerischen Werte des lebendigen Schmuckes die Natur in ausgedehntem Maße zu Hilfe.«, schreibt der Kirchenvorstand des Kirchspiels Bordesholm als er 1920 den Entwurf für seine »Ehrengedächtnisstätte« vorstellt.

SH Ratzeburg Roepersberg Illustration Heilig web


Am Röpersberg möchte man ebenfalls »den lebendigen Schmuck der Natur« nutzen. Die Wallhöhe der Denkmalsanlage soll ein Jahrzehnt nach der Einweihung mit einer »bekrönenden Lindengruppe« geschmückt sein, siehe Zeichnung. Die Vorstellung von Architekt Heilig konnte jedoch nicht ganz realisiert werden.

 

SH Hohenwestedt Karte 1924 web


Auch in Hohenweststedt hat man eine Lindenkuppel geplant.

SH Hohenwestedt Karte Laubdach web


Diese Postkarte entstand in den Anfangsjahren der dortigen Denkmalsanlage. Es handelt sich auch um eine Illustration, die das erwünschte Laubdach vorwegnimmt.


SH Hohenwestedt Linden webFoto: Ulf Evers


... und so sieht die Lindenkuppel in Hohenweststedt auch tatsächlich im Jahr 2020 aus.

Die Dokumentation der Anlage in Hohenweststedt


Die Symbolik der Linde hat die Universität Göttingen erforscht:

»... Sie wurden zu vielen besonderen Anlässen gepflanzt und fungierten so als lebende Denkmäler, wie Goethelinde, Friedenslinde oder Hindenburglinde (Owinger Linden 1991).
Die Linde gilt als ein Symbol für Gerechtigkeit, Liebe, Frieden und Heimat sowie als Platz der Gemeinschaft. [...]
Die Linde gab vielen Städten und Dörfern aber nicht nur ihren Namen, sondern ging auch als Symbol für Tapferkeit und Sieg, in deren Wappen ein, ebenso wie in die einiger deutscher Adelsgeschlechter (Funcke 1869). Eine ganz besondere Bedeutung hat die Linde im deutschsprachigen Raum als Symbol für die Heimat. Auch die unzähligen deutschen Gasthöfe lockten die Reisenden somit indirekt mit einem Heimatbegriff (Beuchert 1996).«

Mehr zur Linde auf www.uni-goettingen.de


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Im Winter ein Rodelberg

Der Denkmalsberg mit Schnee – eine Freude für die Kinder.

SH Ratzeburg Roepersberg Matzematik Wikimediacommons webFoto: Matzematik / Wikimedia Commons


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2012: Künstler gegen Rechtsextremismus

Zum Volkstrauertag startete der Lauenburgische Kunstverein (LKV) eine Plakataktion an 16 Kriegerdenkmälern und Gedenkstätten im Kreis Herzogtum Lauenburg unter dem Titel »Botschaften setzen – Gegen missbrauchtes Gedenken«. In Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg entwarfen elf Künstler:innen großformatige Plakate, deren Ausstellung durch Vorträge und Diskussionsveranstaltungen vor Ort ergänzt wurden.


SH Ratzeburg Roepersberg Missbrauchtes Gedenken web

 

Auch am Röpersberg wurde ein Plakat gegen die zunehmende Instrumentalisierung des Volkstrauertages durch rechtsextremistische Aktionen, sogenanntem »Heldengedenken«, aufgestellt.

»Die Zivilgesellschaft darf die Deutungshoheit über unsere Kriegerdenkmäler nicht aus der Hand geben. Es gilt, den Gedenkraum zum Gedenken und zum Nachdenken über Krieg, Terror und Gewalt zu nutzen«, schreiben die Künstler:innen.

PDF zur Plakataktion


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2014: Die Renovierung

Mit Unterstützung vieler Spender und Organisationen sind die wesentlichen Renovierungsmaßnahmen – Säuberung der fünf Schrifttafeln für die einzelnen Kriegsjahre und Neuverfugung – durchgeführt worden.

Im Spendenaufruf auf der Website der Stadt Ratzeburg wird auch die Geschichte des Soldaten Hans Winkelmann erzählt:

»Wie wichtig der Erhalt des Mahnmals ist, zeigt sich ganz aktuell, im 100. Jahr nach Ausbruch des 1. Weltkrieges, an der Geschichte des Hans Winckelmann, einer der 144 Gefallenen, die auf dem Ehrenmal namentlich genannt sind. [In den historischen Quellen werden 142 genannt, es sind wohl in späteren Jahren noch zwei Namen dazugekommen.] Der als vermisst geltende junge Ratzeburger wurde im März 2014 in der Nähe von Verdun bei Forstarbeiten zufällig aufgefunden. Einem der Arbeiter fiel dabei der obere Teil eines deutschen Stahlhelms ins Auge und wenig später konnten die Überreste eines deutschen Soldaten geborgen werden. Der Soldat lag auf dem Rücken, seine rechte Hand dem Gesicht zugewandt. Nicht nur das Skelett des Gefallenen wurde freigelegt, sondern auch die Reste seiner Ausrüstung: Gasmaske, Uniformknöpfe, Karabiner, eine Schere, ein Löffel, eine Gabel. Das Wichtigste jedoch, der Soldat trug noch seine Erkennungsmarke, mit der sich seine Identität rasch feststellen ließ. Es handelt sich um Hans Winckelmann aus Ratzeburg.

Recherchen des Stadtarchivs ergaben, dass die Familie Winckelmann seit 1908 in Ratzeburg lebte, zunächst in der Gr. Wallstraße, dann in der Schrangenstraße. Der Vater war Buchhalter. Hans Winckelmann hatte fünf Brüder und zwei Schwestern. Die Kinder wurden alle in Kertel auf der Insel Dagö geboren (heute Kärdla / Hiiumaa / Estland). Wie seine älteren Brüder wurde auch Hans Soldat. Wie Hunderttausende deutscher und französischer Soldaten wurde er vor Verdun eingesetzt. Der Ort, in dessen Umgebung wohl 143.000 Deutsche und 162.000 Franzosen ihr Leben verlieren, wurde zu einem Symbol des mörderischen Stellungskrieges. Hans Winckelmanns Bruder Karl war dort, gerade 20 Jahre alt, Ende Mai 1916 in einem Feldlazarett gestorben. Vermutlich am 20. August 1917 traf auch Hans ein tödliches Geschoss. Nun soll er ganz in der Nähe seines Bruders seine letzte Ruhestätte finden. Nachkommen der Familie Winckelmann haben sich bislang nicht ausfindig machen lassen.«

SH Ratzeburg Roepersberg Winkelmann web2

»Diese Begebenheit zeigt einmal mehr, wie viel Bedeutung den Ehrenmälern noch zukommt, als Mahn-, Lern- und Erinnerungsorte, an denen sich das Leid des 1. Weltkrieges ablesen lässt – 144 Namen allein in Ratzeburg, eine große Zahl für eine Stadt mit damals nicht einmal 3.900 Einwohnern.«, sagte Stadtarchivar Christian Lopau.

Spendenaufruf der Stadt Ratzeburg vom 11. Juli 2014


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2014: Das Projekt »Denk mal! Unbequem!«

Zwei Künstlerinnen des Lauenburgischen Kunstvereins veranstalteten mit Jugendliche aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg und Jugendgruppen aus Großbritannien und Australien einen Workshop zum 1. Weltkrieg und nahmen an einem internationalen Mail Art Projekt teil.

Beim Besuch des Denkmals am Röpersberg waren die Jugendlichen überrascht von der monumentalen Größe der Anlage und den fünf gewaltigen Gedenksteinen.

Auf dem St. Georgsberger Ehrenfriedhof fand danach wie jedes Jahr die Gedenkfeier zum Volkstrauertag statt, diesmal mit der Mail Art Plakataktion der Jugendlichen. Auf dem Weg zum Ehrenfriedhof konnten die Besucher*innen »über die kritische Auseinandersetzung der Jugendlichen mit dem Thema Krieg und ihren Mahnruf sich für den Frieden einzusetzen nachdenken«.

Die Tafeln des Projekts »Denk mal! Unbequem!«


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Der Bildhauer H. Hosaeus

»Hermann Hosaeus wurde 1875 in Eisenach geboren. Aufgewachsen ist er in Buxtehude, und von hier aus lernte er Hamburg kennen. Er besuchte die Kunstgewerbeschulen in Dresden, Nürnberg, München und zuletzt die Berliner Akademie, wo er von 1898 bis 1900 Meisterschüler bei Reinhold Begas war. Sein Lebensmittelpunkt wurde Berlin, wo er 1922 Professor an der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg wurde. Dass Hosaeus ein anerkannter Künstler war, unterstreicht auch seine Berufung an die Preußische Akademie der Künste. (...)

Sein eigentliches Betätigungsfeld wurde die Gestaltung von Kriegerdenkmälern. Im Kyffhäuserbund übernahm er den Vorstand und die Aufgabe des künstlerischen Beauftragten. Dieser Bund existierte seit 1900, er war der Dachverband der Deutschen Landeskriegerverbände. Ursprünglich oblag ihm die Pflege des Kyffhäuserdenkmals, das von 1891 bis 1897 zu Ehren des 1888 verstorbenen Kaisers Wilhelm I. errichtet wurde. Es gehört noch heute zu den imposantesten monumentalen Gedenkbauwerken Deutschlands. In diesem Bauwerk kam vor allem zum Ausdruck, sich vor inneren (gemeint ist die Sozialdemokratie) und äußeren Feinden zu schützen. Das war ganz im Sinne der Kriegervereine, die die Reichseinheit propagierten. 1922 wurde aus dem Kyffhäuserbund der Dachverband des Reichskriegerverbandes, der bald Wegbereiter der nationalsozialistischen Ideologie wurde. 1934 wurde er ›gleichgeschaltet‹ und 1943 auf Reichsebene aufgelöst.

Es verwundert nicht, dass Hosaeus sich in diesem Verein gut aufgehoben verstand, wo er während des Aufstiegs der Nationalsozialisten zahlreiche Aufträge erhielt, häufig wohl ohne Ausschreibung.«

• Der »Harburger Soldat« und sein Erbauer Hermann Hosaeus, Ralf Busch im Harburger Jahrbuch 23, 2012


HH Harburg HosaeusFoto: Helmsmuseum


Hermann Hosaeus in seiner Werkstatt mit dem Kopf des »Soldaten«, der bis heute vor der Johanniskirche in Hamburg-Harburg steht.

Hamburg-Harburg


Auf dieser Website dokumentieren wir Denkmäler von Hosaeus in:

Schleswig-Holstein Eutin

Schleswig-Holstein Thürk

Hamburg-Wilhelmsburg


Hermann Hosaeus war während des 1.Weltkriegs an leitender Stelle in der Staatlichen Beratungsstelle für Kriegerehrungen tätig und verfasste 1922 Leitsätze für die »Vaterländische Bauhütte« zur Ausführung und Aufstellung von Kriegerdenkmälern:

Leitsätze 1922, Verlag Deutscher Bund Heimatschutz

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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.

Auf Kriegerdenkmälern wird das Eiserne Kreuz den toten Soldaten posthum verliehen. Der Tod im Krieg wird als Beweis für die »Vaterlandstreue« und die Tapferkeit der Soldaten gewertet, darum wird der militärische Orden hier kollektiv verliehen. Ein Soldat, der lebend oder lebend invalide zurückgekommen ist, erhält ihn nicht.

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• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen und Massaker an der Zivilbevölkerung begangen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle und als Schmuck am Auto:

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I N H A L T
Das Denkmal
Zu den Inschriften
Aus der Geschichte
Ich hatt’ einen Kameraden
Was ist deutsche Kunst
Im Turmraum der Kirche
2012: Künstler gegen Rechtsextremismus
2014: Das Projekt »Denk mal! Unbequem!«
Auch die NPD Südost-Holstein kommentiert

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Ratzeburg, Kreis Herzogtum Lauenburg

Vor der St. Georgsberger Kirche

Das Denkmal für die getöteten Soldaten des 1. Weltkriegs wurde von Architekt Wilhelm Heilig aus Darmstadt geschaffen. Es wurde am 13. Mai 1923 unter Teilnahme des Krieger- und Militärvereins eingeweiht. Wilhelm Heilig gestaltete auch die Kriegerdenkmäler in Gr. Grönau, Kasseburg, Lütau, Ratzeburg (Röpersberg) und Lauenburg/Elbe.

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Das Denkmal besteht aus einem fast fünf Meter hohen Steinkreuz, das sich auf einer von Buchen umgebenen Lichtung erhebt. Die Vorderseite enthält drei Reliefs.

Oben den Reichsadler, in der rechten Klaue einen mit Pfeilen bespickten Schild tragend, darüber die Inschrift:
Viel Feind, viel Ehr

Im Querbalken links eine zerfetzte Fahne mit der Inschrift:
Haltet aus im Sturmgebraus!

Rechts drei Grabkreuze, das mittlere mit Stahlhelm weist sie als Soldatengräber aus. Baumranken umgeben die Stätte, danach die Worte:
Ich hatt’ einen Kameraden

In der Mitte stehen die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs:
1914
1918.

Darunter ist zu lesen:
Kämpfend für Recht und Freiheit, für Heim und Herd, fielen 71 unserer Besten. Der du, Wanderer, diese Stätte betrittst, gedenke der Toten in Ehrfurcht und in Treue

Die Rückseite trägt die Widmung:
In Einigkeit erbauten die 17 Gemeinden des Kirchspiels St. Georgsberg dieses Mal, den Gefallenen zur Ehre, den Enkeln zur Mahnung
Anno domini 1923

 

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Ursprünglich war das Denkmal im Fuchswald an der Straße zwischen dem Bahnhof und der Kirche aufgestellt worden. Im August 1967 wurde es auf den heutigen Platz vor der St. Georgsberger Kirche umgesetzt.

Zusätzlich wurden drei Steinplatten für die toten Soldaten des 2. Weltkriegs verlegt.

• Wir danken herzlich Stadtarchivar Christian Lopau für die Erlaubnis seinen Text in weiten Teilen übernehmen zu dürfen und für das Foto.

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Zu den Inschriften

Der Historiker Gerhard Schneider, bis 2008 Professor für Geschichtsdidaktik an der Universitär Hannover, schreibt:

»Der Kriegsausgang hatte im Hinblick auf die Entwicklung der Kriegerdenkmäler und des Gefallenengedenkens einschneidende Konsequenzen. Der siegreiche Verlauf des Krieges von 1870/71, die Verwirklichung der langersehnten Reichseinigung und die Aufrichtung des Kaisertums ließen den Gefallenentod in diesem Krieg als sinnvoll erscheinen. Das mit jenem Krieg neugewonnene und durch entsprechende Gesinnungsakte immer wieder erneuerte nationale Prestige und das Gefühl, einer aufstrebenden Großmacht anzugehören, waren hinreichender Trost für die Hinterbliebenen.

Nach dem ersten Weltkrieg konnten sich dergleichen hohe und tröstliche Gefühle nicht einstellen. Die Erfahrung des Massensterbens an der Front, die noch lange nachwirkenden Eindrücke des Stellungskrieges im Westen und der neuen Kampfmittel, dann der für die meisten Menschen überraschende und niederschmetternde Kriegsausgang, die unbegreifliche Niederlage, das Bekanntwerden der immensen Zahl an Kriegsopfern und schließlich die trostlose Perspektive, die das ›Versailler Diktat‹ dem Deutschen Reich eröffnete, verlangten geradezu nach einer Sinngebung des Gefallenentodes. das ›Ihr-seid-nicht-umsonst-gefallen‹, das jede Denkmalseinweihung und jede Kriegergedächtnisfeier begleitete, war als Trotzreaktion der Überlebenden immer auch eine Drohung, daß mit diesem Kriegsausgang das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Kriegerdenkmäler waren in ihrer Formensprache ein bildhafter Ausdruck der uneingestandenen Niederlage. Dem Künstler, der den Auftrag erhielt, ein Kriegerdenkmal zu entwerfen, stellte sich die schwierige Aufgabe, dem Gefühl Ausdruck zu verleihen, man habe zwar den Krieg verloren, fühle sich aber nicht und gelte auch nicht als besiegt. [...]

Die politische Funktionalisierung und Instrumentalisierung des Gefallenentodes durch Denkmalgestalt, Einweihungsfeier und Denkmalsnutzung wurden in dem Maße stärker, wie die Trauer der Hinterbliebenen mit der Zeit abklang oder eine pietätvolle Rücksichtnahme auf die Betroffenheit dieser Personengruppe nicht mehr notwendig erschien. Man gedachte des ›Opfers‹ der Gefallenen in der Absicht, die ›zukünftigen Geschlechter‹ auf bestimmte Werthaltungen und kämpferische Charaktereigenschaften, die den Gefallenen angeblich zu eigen gewesen seien, einzuschwören. In Kreisen des Militärs, der Veteranenorganisationen und der vaterländischen Verbände verband man damit die Absicht, dadurch die unerwünschte pazifizierende Kraft der Trauer neutralisieren zu können. Der Opfertod der Gefallenen behalte nur dann seinen Sinn, wenn das deutsche Volk den Gefallenen im Geiste der Opferbereitschaft und im Geiste der Frontkameradschaft nachzufolgen bereit sei.«

Gerhard Schneider in »erinnern, vergessen, verdrängen«, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1998, S.339f


Fünf Jahre nach Kriegsende und vier Jahre nach dem Versailler Frieden ging es bei dem neuen Ehrenmal wahrlich nicht um die Ehrung der Soldaten oder Trauer um die Gefallenen. Es war der Gedanke an Rache und Revanche, der oberste Priorität hatte: Das Sterben der Kameraden dürfe nicht umsonst gewesen sein.

Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt, Aschendorff Verlag 2018, S.60


Lesen Sie dazu auch die zeitgenössische Interpretation der Inschriften aus den Vaterstädtischen Blättern 1923 / 24 im folgenden Kapitel.


Zum Vertiefen ein Beitrag des Deutschen Historischen Museums, Berlin:

Der Versailler Vertrag auf LeMO


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Aus der Geschichte

»Neben der Straße vom Bahnhof Ratzeburg nach St. Georgsberg ragt im Buchenhochwald ein steinernes Kreuz, gedrungen und kräftig geformt, wie der Baustoff es erfordert. Die drei Felder, die Schaft und Balken bilden, werden ausgefüllt von sinnbildlichen Darstellungen des Erlebnisses ›Weltkrieg‹, deren Gestaltung, an sich ganz modern, dennoch unmittelbar an die handwerkliche Gebundenheit frühmittelalterlicher Steinbilder anschließt. Oben am Schaft sieht man den Reichsadler mit einem pfeilgespickten Schilde, dabei die stolzen Worte ›Viel Feind, viel Ehr‹, zur Linken eine von Kugeln zerfetzte Sturmfahne ›Haltet aus im Sturmgebraus‹, rechts Gräber im Felde mit dem erschütternd einfachen: ›Ich hatt’ einen Kameraden‹. Im Mittelfelde, das Schaft und Balken gemeinsam ist, stehen die Jahreszahlen, und in den Schaft ist in deutschen Buchstaben eine Inschrift eingehauen, deren wundervoll in den Raum gestellte Zeichen sagen: ›Kämpfend für Recht und Freiheit, für Heim und Herd fielen 71 unserer Besten. Der Du, Wanderer, diese Stätte betrittst, gedenke der Toten in Erfurcht und Treue!‹.

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In dieser eindringlichen Gestalt steht das Zeichen der Erinnerung am Rande des Alltags, den Vorübergehenden immer gegenwärtig und damit dem Vergessen sicher entrückt. Ist es in dieser Form nicht unendlich viel mehr als nur ein Bauwerk aus Findlingen mit einer Tafel etwa aus Bronze oder gar aus schwarzem Glase, das in künftigen Jahrzehnten und Jahrhunderten der Zeit seiner Erbauung immer etwas steinzeitlich Primitives anzudichten scheint? Ist ein Mal wie das St. Georgsberger nicht unendlich viel eindringlicher und wahrer, als ein Gebilde aus Kunststein oder Bronze, das in genau gleicher Ausführung auch an so und so viel anderen Orten steht?«

• Wilhelm Hadeler, Wilhelm Heiligs Werke im Kreise Herzogtum Lauenburg, in: »Lauenburgische Heimat«, 3. Jahrgang, Heft 2, April 1927


Schon kurz nach der Einweihung 1923 stand im Jahrgang 1923 / 24 der Vaterstädtischen Blätter aus Lübeck auf Seite 11 der folgende Bericht. Er ist mit dem selben Foto des Denkmalkreuzes illustriert.

»In der Gemeinde St. Georgsberg bei Ratzeburg ist nach den Entwürfen des Architekten Heilig aus Darmstadt, dem künstlerischen Berater für die Denkmalspflege des Lauenburger Landes, ein imposantes Ehrenmal in Form eines fast 5 Meter hohen Steinkreuzes errichtet. Das Kreuz trägt auf der der Straße zugekehrten Seite in seinem oberen Teil drei Steinbilder, das oberste Steinbild: ›Viel Feind, viel Ehr‹. Ein Adler, der ein Schild in einer Klaue vorhält, das von unzähligen Pfeilen bereits bespickt – unser Abwehrkampf –. Nicht oft genügend kann man bei dem Ehrenzeichen für unsere Gefallenen wiederholen, daß wir einen uns aufgezwungenen Kampf führten. Es ist sogar unsere Pflicht, in den Werken aus Stein, immer und immer wieder der großen Weltlüge entgegenzutreten, die uns die Schuld am Kriege aufbürden will.

Das zweite Steinbild zeigt eine im Kampf zerfetzte Fahne. Die Inschrift lautete: ›Haltet aus im Sturmgebraus‹. Auch hier ist in Bild und Text das Ausharren in engstem Zusammenhang mit der Notwehr gebracht. Das 3. und letzte Bild deutet unsere Verluste an: 3 Kreuze, auf dem mittelsten der Stahlhelm, ein Bäumchen umkränzt die Zeichen des Todes, dazu die Inschrift:›Ich hatt einen Kameraden‹. Unter den drei Steinbildern findet der Beschauer nachstehenden Text: ›Kämpfend für Recht und Freiheit, für Heim und Herd fielen 71 unserer Besten. Der Du Wanderer diese Stätte betrittst, gedenke der Toten in Ehrfurcht und Treue‹.

Auf der Waldseite des Kreuzes steht in großen Buchstaben, die ganze Fläche des Kreuzes überziehend: ›In Einigkeit erbauten die 17 Gemeinden des Kirchspieles St. Georgsberg dieses Mal, den Gefallenen zur Ehre, den Enkeln zur Mahnung Anno Domini 1923‹. Es erübrigt sich wohl, besonders zu betonen, daß die Inschriften alle in unserer schönen deutschen Schrift gehalten sind. Leider trifft man die Anwendung der deutschen Schrift auf Denkmälern sehr wenig an, der Grund ist nicht recht ersichtlich. Wer das Kreuz von St. Georgsberg betrachtet, wird zugeben müssen, daß wir Deutsche keine Ursache haben, Anleihen bei anderen Völkern zu machen. Unsere deutsche Schrift ist nicht nur Mittel zur Verständigung sondern, richtig angewendet, eine hohe Zierde.

Das Kreuz ist nahe am Wege, inmitten des kleinen Wäldchens, an der Landstraße vom Bahnhof zur Stadt Ratzeburg errichtet. Es ist eines jener Zeichen, das erzieherisch wirken soll, bei dem es nicht genügt, im Vorbeifahren, vom Auto aus, einen Blick auf das Zeichen zu werfen. Das Kreuz von St. Georgsberg fordert eine Vertiefung in Wort und Bild; ein Verweilen, ein sinniges Betrachten. Die Zeit für die Betrachtung ist der Wanderer den Toten schuldig.«

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Ich hatt’ einen Kameraden

»Der gute Kamerad« wurde 1809 von Ludwig Uhland in Tübingen gedichtet, Friedrich Silcher vertonte, ebenfalls in Tübingen, das Gedicht im Jahre 1825. Als Lied ist es besser bekannt unter der Anfangszeile der ersten Strophe: »Ich hatt’ einen Kameraden«. Es wurde vor allem von der politischen Reaktion instrumentalisiert, und zwar zur Beschönigung und Verklärung des Kriegsopfers und Heldentods. Das Lied vom »guten Kameraden« spielt im Trauerzeremoniell der deutschen Bundeswehr eine große Rolle. Es ist Bestandteil eines Begräbnisses mit militärischen Ehren und jeder militärischen Trauerfeier.

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»Menschen könnten im normalen Leben bessere Freundschaften als im Schützengraben finden.«

Pfarrer Detlev Besier, Leiter der landeskirchlichen Arbeitsstelle Frieden und Umwelt, am Volkstrauertag 2018


Sehen Sie hier eine Sammlung von historischen und politischen Bildpostkarten von Karl Stehle, München, die diesen Liedtext zitieren:

www.goethezeitportal.de


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Was ist deutsche Kunst?

Nicht nur in politischer, auch in künstlerischer Hinsicht war die Phase des 1. Weltkriegs eine Epoche des Umbruchs. Bei seinem Beginn erhofften sich viele vom Krieg eine Gesundung des deutschen Kunstlebens. Die Diagnose, dass in der deutschen Kunst eine Entfremdung stattgefunden hatte, bildete die allgemeine Ansicht. Der Krieg sollte das »Gemüt« zurückbringen. Die weitverbreitete Forderung, die Kunst solle einen internationalen Charakter bekommen, wurde von konservativen, national denkenden Stimmen strikt abgelehnt. Andere polemisierten gegen das »Modebewußtsein« in der Kunst, weil es einen Bruch mit der Tradition beinhalte. Die Aussage, Findlinge und andere von Menschenhand nicht bearbeitete Naturdenkmäler befänden sich auf dem kulturellen Niveau von Höhlenmenschen, wurde scharf zurückgewiesen.

Nicht ganz so vernichtend, aber dennoch eindeutig für »edle Form und wahre Kunst« – hier beim Kriegerdenkmal auf dem St. Georgsberg – spricht sich der Verfasser eines Artikels in der Lauenburgischen Zeitung vom 6. Dezember 1921 aus:

Lauenburger Zeitung, 1921 (Abschrift)


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Im Turmraum der Kirche

Auch hier wird der getöteten Soldaten gedacht. Ein Kniender in Uniform, Koppel und Stahlhelm zeigt seine Handinnenflächen. Was will er uns mit dieser Geste sagen?

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Rechts und links vom Soldaten befinden sich dreispaltige Namenstafeln. Die Toten sind nach Heimatgemeinden geordnet, den Namen ist das Todesjahr vorangestellt.

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Auf der Steinplatte unter seinen Knien steht im schwarzen Schriftband:

1914                     1918
DEM GEDÄCHTNIS DER
GEFALLENEN   BRÜDER

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Eine lange Girlande und zwei Kränze: ein Schmuck in früheren Zeiten (Foto ohne Datierung).

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2012: Künstler gegen Rechtsextremismus

Zum Volkstrauertag startete der Lauenburgische Kunstverein (LKV) eine Plakataktion an 16 Kriegerdenkmälern und Gedenkstätten im Kreis Herzogtum Lauenburg unter dem Titel »Botschaften setzen – Gegen missbrauchtes Gedenken«. In Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg entwarfen elf Künstler:innen großformatige Plakate, deren Ausstellung durch Vorträge und Diskussionsveranstaltungen vor Ort ergänzt wurden.


SH Ratzeburg St Georgsberg Missbrauchtes Gedenken web


Auch am Denkmal vor der St. Georgsberger Kirche wurde ein Plakat gegen die zunehmende Instrumentalisierung des Volkstrauertages durch rechtsextremistische Aktionen, sogenanntem »Heldengedenken«, aufgestellt.

»Die Zivilgesellschaft darf die Deutungshoheit über unsere Kriegerdenkmäler nicht aus der Hand geben. Es gilt, den Gedenkraum zum Gedenken und zum Nachdenken über Krieg, Terror und Gewalt zu nutzen«, schreiben die Künstler:innen.

PDF zur Plakataktion


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2014: Das Projekt »Denk mal! Unbequem!«

Zwei Künstlerinnen des Lauenburgischen Kunstvereins veranstalteten mit Jugendliche aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg und Jugendgruppen aus Großbritannien und Australien einen Workshop zum 1. Weltkrieg und nahmen an einem internationalen Mail Art Projekt teil.

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• Detail einer Tafel des Projekts »Denk mal! Unbequem!«

Auf dem St. Georgsberger Ehrenfriedhof fand wie jedes Jahr die Gedenkfeier zum Volkstrauertag statt, diesmal mit der Mail Art Plakataktion der Jugendlichen. Auf dem Weg zum Ehrenfriedhof konnten die Besucher*innen »über die kritische Auseinandersetzung der Jugendlichen mit dem Thema Krieg und ihren Mahnruf sich für den Frieden einzusetzen nachdenken«.

Alle Tafeln des Projekts »Denk mal! Unbequem!«


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Auch die NPD Südost-Holstein kommentiert

Zum 8. Mai 2020 legten Vertreter der NPD Südost-Holstein am Denkmalskreuz des St. Georgsberger Ehrenfriedhofs ein Gebinde mit Grablicht und Trauerschleife nieder.

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Von viel Eichenlaub umgeben steht dort das Statement der NPD:

Wir feiern nicht!


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Für die NPD ist der 8. Mai 1945, der Tag der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht, kein guter Tag. Den 8. Mai 1945, als »Tag der Befreiung […] von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft« (Richard von Weizsäcker) zu bezeichnen, käme für die Mitglieder der NPD nicht in Frage.

Der NPD-Landesvorsitzende Mark Poch wird zum Volkstrauertag 2020 auf Facebook unter der Überschrift »Dem Schuldkult entgegentreten!« so zitiert: »Unsere Soldaten gaben ihr Leben für uns, für den Fortbestand des Volkes. Das dürfen wir nie vergessen.«

Weizsäcker-Rede zum 8. Mai 1985

Weizsäcker-Rede zum 8. Mai 1985, MP3 im Internet Archive

 

Der 8. Mai ist als »Tag der Befreiung« in verschiedenen europäischen Ländern ein Gedenktag, an dem als Jahrestag zum 8. Mai 1945 der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und damit des Endes des 2. Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus gedacht wird.

Im Gegensatz zur DDR war der 8. Mai in der frühen Bundesrepublik Deutschland kein Bezugspunkt in der Erinnerungspolitik und erfuhr auch ansonsten wenig öffentliche Aufmerksamkeit.

In den 1970er Jahren verstärkte sich die Aufmerksamkeit für den 8. Mai als politischen Gedenktag deutlich. Der Deutsche Bundestag veranstaltete jedoch erst am 40. Jahrestag, dem 8. Mai 1985 auf hohem protokollarischem Niveau eine Gedenkstunde, in deren Zuge der Bundespräsident Richard von Weizsäcker die Rede „Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft« hielt.

Seit 1985 wurde in der Bundesrepublik verstärkt darüber diskutiert, wofür der 8. Mai 1945 steht: für die totale militärische Niederlage Deutschlands oder für seine Befreiung vom Nationalsozialismus. Während in der Nachkriegszeit der Aspekt der Niederlage im Vordergrund stand, hat der Aspekt der Befreiung zunehmend an Gewicht gewonnen.

Nach Wikipedia, abgerufen am 5. Mai 2021

 

Die Bundeszentrale für politische Bildung zum »Tag der Befreiung«:

Der 8. Mai – ein deutscher Feiertag?

 
Zum 8. Mai 2021 ergänzte die Kirchengemeinde den St. Georgsberger Ehrenfriedhof mit den Friedensplakaten die 2012 bei der Plakataktion von Künstler:innen des Lauenburgische Kunstverein (LKV) unter dem Titel »Botschaften setzen – Gegen missbrauchtes Gedenken« entstanden waren.

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Die Aufsteller wurden über das Friedhofsgelände verteilt. 

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Die Plakate sind in Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg erstellt worden, nun konnte die Kirchengemeinde St. Georgsberg sie wieder sinnvoll einsetzen.

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Auf diesem Plakat ist ein Gedicht von Wolfgang Bittner, Schriftsteller und Jurist, Jahrgang 1941, zu lesen:

Kollektivschuld

Wir haben es nicht gewusst,
Keiner hat es gewusst,
Keiner hat es wissen wollen,
Keiner konnte es wissen,
Selbst wer es hätte wissen können,
Hat es nicht wissen wollen,
Selbst wer es wissen konnte,
Wollte es nicht wissen.

So ist das gewesen,
Was hätten wir denn tun können,
Wenn wir nichts wussten?
Wir haben uns nichts vorzuwerfen,
Wir brauchen uns nichts vorwerfen lassen,
Wir lassen uns auch nichts vorwerfen!
Einmal muss Schluss sein damit!
Damit haben wir nichts zu tun gehabt.
Damit haben wir nichts zu tun.

Wir haben es nicht getan,
Andere haben es getan,
Aber keiner hat es gewusst.
Nur die es getan haben,
Wussten etwas davon,
Aber sie wussten nicht was sie taten,
Sie taten es,
Sie taten es auf Befehl,
Was einem befohlen wird muss getan werden.

Wir sind unschuldig,
Uns kann keiner in den Schmutz ziehen,
Wir haben es nicht getan,
Und wir hätten es auch nicht getan,
Wir haben es nicht einmal gewusst,
Niemand kann sagen wir hätten es gewusst,
Wir haben es selbstverständlich auch nicht gewollt,
Niemand kann sagen wir hätten es gewollt.

Keiner hat es gewollt,
Und keiner hat es gewusst,
Manche haben es zwar geahnt,
Aber gewusst hat in Wirklichkeit keiner,
Alle haben es nicht gewusst,
Alle haben es nicht gewollt,
Wer etwas hätte wissen können,
Hätte es auch nicht gewollt,
Wenn er etwas gewusst hätte,
Uns kann keiner etwas wollen.

 

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Auch auf dem Gedenkplatz am Ende der Treppe standen zwei Plakataufsteller.

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Die Plakate rahmten die vier Steine für die toten Soldaten beider Weltkriege ein. Gegenüber steht ein Steinkreuz mit den Jahreszahlen der Kriege:

1914  1918
1939  1945

 

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Auf den Steinen werden 20 Namen zum 1. Weltkrieg, 94 Namen zum 2. Weltkrieg, darunter ein SS-Sturmbannführer und ein SS-Rottenführer und eine DRK-Helferin genannt.

 

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Auf dem rechten Plakat steht ein Ausspruch des französischen Schriftstellers, Malers und Grafikers Francis Picabia, Jahrgang 1879.


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I N H A L T
Das Denkmal
Die Geschichte
Historische Postkarten
Die Einweihung
Der Architekt Hermann Höger
Der Bildhauer Ludwig Kunstmann
Die Erweiterung
Die Rellinger Kirche

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Rellingen, Kreis Pinneberg

Auf dem Kirchplatz in der Ortsmitte

Die von Architekt Hermann Höger unter Mitarbeit seines Kollegen Bernhard Hopp entworfene Klinkerstele trägt Keramikplatten und Plastiken vom Bildhauer Ludwig Kunstmann. Sie ist den 100 toten Soldaten des 1. Weltkriegs aus Rellingen gewidmet. Am 27. Mai 1923 wurde sie eingeweiht.

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Die Säule ist mit hart gebrannten, dunklen Ziegelsteinen im expressionistischen Stil gemauert. Sie ist fast 5,50 Meter, mit den aufgesetzten Schmuckelementen sogar über 6 Meter hoch. Die achteckige Grundform hat einen Durchmesser von ca. 1,35 Metern.

 

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An vier sich gegenüberliegenden Wänden wurden mittig je neun braune matt glasierte Ton- bzw. Terrakottaplatten übereinander angebracht, oben je eine Abschlussplatte mit gebogener Kante. Terrakotta ist die Bezeichnung für unglasierte keramische Produkte. Die Seite, die der Kirche zugewandt ist, trägt die Widmung, die auf sieben Platten in erhabener dünner Schrift eingebrannt ist:

1914 – 1918
Ihren gefallenen Söhnen
die dankbare Gemeinde Rellingen

Auf den schmalen Platten können maximal vier Buchstaben Platz finden, deshalb gibt es in dem Satz insgesamt zehn Trennungsstriche (=), die wir uns hier für eine bessere Lesbarkeit ersparen.

 

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Im oberen Drittel ist die Säule mit Details aus Terrakotta geschmückt. Die vielfach gefächerte Krone, die den oberen Abschluss bildet, trägt über den vier Schriftplattenreihen je eine Trauer- oder Totenmaske in unterschiedlicher Ausformung. Aufgesetzt ist ein stilisierter Blattschopf, den Hochblättern einer Ananas ähnlich, in der Farbe von oxidiertem Kupfer. Darüber, gleichsam schwebend, ein vielzackiger gelber Stern.

 

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Jeweils zwischen den beiden obersten Tonplatten über den gemauerten Ziegelfalzen wacht ein extrem schmaler, stilisierter Adler mit angelegten Flügeln im Halbrelief mit herausragendem dreidimensionalen Kopf. Adler stehen symbolisch für Stolz und Macht, auch für Weitblick, Mut und Kraft.

 

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An drei Seiten sind in die senkrecht angebrachten Platten in erhabener Schrift die Namen der toten Soldaten von Rellingen in alphabetischer Reihenfolge zu lesen. Insgesamt 100, rechts und links je 34, hinten 32 Namen. Sie sind mittig gesetzt.

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Die Geschichte

So konnte der Gemeindevorsteher Schmidt, in Rellingen genannt Vogt Schmidt, dem Kirchenvorstand  und damaligen Pastor Bitterling  im März 1922 mitteilen, »dass in einer am 27. des Monats  stattgefundenen Sitzung der Gemeindevertretung einstimmig beschlossen wurde, auf dem mit dem Kirchenvorstand bezeichneten Platz neben der Kirche ein Denkmal für die gefallenen Krieger zu errichten.« Das Denkmal solle, so wörtlich, den Verhältnissen der Kirche angepasst sein. Den Entwurfs- und Gestaltungsauftrag erhielt der den Rellingern persönlich bekannte damals 40-jährige Architekt Hermann Höger. Als Honorar war wegen der Geldknappheit der Gemeinde und des sich anbahnenden inflationären Verfalls  des Geldwertes (1923 Höhepunkt der Inflation) vereinbart worden, so die Fama, eine großzügige Grabstelle auf dem Rellinger Friedhof, auf der Hermann Höger auch tatsächlich, nur 28 Jahre später, bestattet wurde. Heute ist die Grabstelle aufgegeben und Grabstätte für anonyme Bestattungen.

zitiert aus dem Vortrag von Wieland Witt zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 14. September 2008. Vorgetragen in der Rellinger Kirche.

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Historische Postkarten

Die Denkmalssäule ist hier noch ohne die Erweiterung zum 2. Weltkrieg aus dem Jahr 1967 zu sehen. Sie stand damals auf einem dreistufigen gemauerten Sockel mit quadratischem Grundriss. Eng an der Säule ein schmales Beet, wie heute; um den Sockel herum ein Sandplatz, der von einer Hecke begrenzt wurde.

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Die Säule umgeben von Kränzen, der Vegetation nach zu urteilen am Volkstrauertag im November.

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1962 ist die Hecke schon ein Stück gewachsen, aber fünf Jahre später wird sie dann für die Erweiterung des Denkmals entfernt.

Die erste, zweite und vierte Karte durften wir der Website von Reinhold Miller entnehmen. Herzlichen Dank!

www.rellingen-allerlei.de


... und noch ein schönes, aber undatiertes Foto aus dem Kreisarchiv Stormarn:

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Digitalisat: Kreisarchiv Stormarn >internationale Lizenz 4.0


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Die Einweihung 1923

Das am Fuße der Kirche errichtete Denkmal zu Ehren unserer im Weltkrieg Gefallenen ist nunmehr nachdem es auch mit gärtnerischen Anlagen umgeben worden ist, fertiggestellt und soll am Sonntag nach Pfingsten, 27. Mai, eingeweiht werden. Die Feier, zu der alle Einwohner Rellingens, insbesondere die Angehörigen der Gefallenen, eingeladen werden, wird um [?] Uhr beginnen. Die Vereine versammeln sich eine Viertelstunde früher beim Hause des Gemeindevorstehers. Glockengeläut und Orgelspiel werden die Feier einleiten und schließen. Herr Pastor Kähler hält die Weiherede und der Gesangverein »Harmonie« wird durch Vortrag entsprechender Lieder mitwirken. Nach der Weiherede findet die Kranzniederlegung statt.

Pinneberger Tageblatt, Freitag, den 18. Mai 1923

Einweihung des Krieger-Denkmals. Am gestrigen Sonntag fand die Einweihung unseres zu Ehren der im Weltkrieg Gefallenen errichteten Denkmals statt. Das Denkmal nach dem Entwurf des Architekten Hermann Höger aus Hamburg, ist neben der Kirche aufgestellt. Es ist eine aus Ziegelsteinen erbaute Säule, die in ihrer achteckigen Gestalt sich harmonisch dem Baustil unserer Kirche anschmiegt und einen imponierenden, durchaus würdigen Eindruck macht. Mitten im Ort gelegen, hat das Denkmal doch auch wieder im Schatten der Kirchhofslinden einen ruhigen Standort gefunden. Die vier Säulenwände sind mit braunen Tonplatten belegt. Die Platten der einen Seite tragen die Inschrift: 1914 - 1918. Unseren gefallenen Söhnen die dankbare Gemeinde Rellingen. Auf den Platten der anderen drei Seiten sind die Namen der hundert Gefallenen aus unserem Ort eingebrannt.  Nachdem die Gemeindevertretung und die Vereine mit ihren Fahnen sich um zwei Uhr beim Hause des Gemeindevorstehers versammelt hatten, marschierten sie unter Glockengeläut und Orgelspiel auf den Kirchplatz zum Denkmal. Ein vom Gesangverein vorgetragenes Grablied eröffnete die Feier. Sodann hielt Herr Pastor Kähler die Weiherede, und danach wurde das Denkmal von der Denkmals-Kommission dem Gemeindevorsteher als dem Vertreter der Gemeinde Rellingen übergeben. Es folgte noch eine Ansprache des Herrn Landrats und dann wurden von der Gemeindevertretung und den Vereinen prächtige Ehrenkränze auf die Stufen des Sockels niedergelegt. Ein Lied des Gesangvereins und Orgelspiel schlossen die eindrucksvolle Feier. Auch von den Einwohnern Rellingens und den Angehörigen der Gefallenen, die zahlreich an der Feier teilnahmen, wurde das Denkmal noch mit Kränzen und Blumen geschmückt.

Pinneberger Tageblatt, Montag, den 28. Mai 1923


Zitiert von der Website Rellingen-Allerlei von Reinhold Miller

www.rellingen-allerlei.de


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Der Architekt Hermann Höger

Der Architekt Hermann Höger, geboren am 15. Januar 1882 in Bekenreihe bei Elmshorn, gestorben am 13. Juli 1950 in Hamburg, gilt als einer der Vertreter des norddeutschen Backsteinexpressionismus.

Höger war eines von sechs Kindern eines Kleinbauern, der eine Zimmerei betrieb. Zwei seiner Brüder ergriffen ebenfalls Berufe des Bauhandwerks. Sein viereinhalb Jahre älterer Bruder Fritz (1877−1949) war ebenfalls als Architekt in Hamburg tätig und wurde durch die Errichtung des Chilehauses bekannt. Fritz Höger förderte die Ausbildung seines Bruders an der Baugewerkschule und nahm ihn von 1910 bis 1912 in seinem Büro auf, wo er weiter ausgebildet wurde.

Während seines Studiums wohnte Höger bei seiner Schwester Maria in Rellingen, die mit einem Zimmermann verheiratet war. Seine Ehefrau Emmi, früh verstorben, ist auf dem Friedhof Rellingen beigesetzt. Eines seiner frühen Werke ist die Klinkerstele des Kriegerdenkmals an der Rellinger Kirche, das 1923 eingeweiht wurde, und deren baukeramischen Schmuck der Bildhauer Ludwig Kunstmann gestaltete, mit dem Höger mehrfach zusammenarbeitete.

Höger wurde in den Bund Deutscher Architekten (BDA) berufen, der seinem Bruder Fritz die Aufnahme verweigert hatte.

Konstanty Gutschow, der offizielle »Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg«, der künftigen »Führerstadt« in der Zeit des Nationalsozialismus, betraute Höger nach Ausbruch des 2. Weltkriegs mit Planungsaufgaben.

nach Wikipedia, abgerufen am 11. Mai 2018


Als Högers Mitarbeiter für das »Ehrenmal« wird in der Literatur der Architekt Bernhard Hopp benannt.

Hopp bei Wikipedia


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Der Bildhauer Ludwig Kunstmann

Ludwig Kunstmann, geboren am 9. Dezember 1877 in Regensburg, gestorben am 27. März 1961 in Hamburg, war ein deutscher Bildhauer, ein Gestalter in Klinker und Keramik.

Er machte von 1890 bis 1894 eine Lehre zum Holz- und Steinbildhauer in Regensburg und studierte an der Kunstakademie Stuttgart. Nach ausführlichen Studienreisen durch Deutschland und Nordeuropa siedelte er sich 1910 in Hamburg an. Dort wurde er in den 1920er Jahren zu einem der erfolgreichsten Künstler, was eine Vielzahl von Bauplastiken zeigt. Kunstmann zählte 1919 zu den Gründungsmitgliedern der Hamburgischen Sezession, trat aber bereits 1920 nach internen Streitigkeiten zusammen mit weiteren Kollegen wieder aus. Er war zudem Mitglied im Hamburger Künstlerverein von 1832.

nach Wikipedia, abgerufen am 11. Mai 2018


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Die Erweiterung

Sie wurde vom Pinneberger Architekten Meier entworfen und am Volkstrauertag, den 19. November 1967 eingeweiht.

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Das Denkmal ist eine leicht gebogene Mauer, 60 cm hoch und 5 Meter lang. Die Mauer steht hinter der Denkmalssäule für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs und dient ohne weiteren Schmuck als Trägerin der Inschrift. Der Denkmalsplatz wurde gepflastert und an der abschüssigen Seite mit drei langen flachen Stufen versehen. Der gesamte Kostenaufwand betrug 50 482,94 DM, er wurde aus den Haushaltsmitteln der Gemeinde Rellingen getragen.

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Die Widmung ist mit Bronzelettern angebracht worden und lautet:

Denen die starben + 1939 - 1945 + davor und danach
Gott ist unser Friede

Architekt Meier hatte am 1. November 1963 dem fünfköpfigen »Ausschuß für die Errichtung eines Ehrenmals« seine Vorstellungen dargelegt. Er ging davon aus, dass ein Denkmal über die Jahre 1939-45 auch den Zeitraum von 1933-39 berücksichtigen müsse. Als ergänzende Beschriftung hatte er vorgeschlagen: »Es ist weiter an eine Gedenkplatte oder ähnliches mit den Worten ›Denkt daran‹ gedacht. Auch sollen die historischen Ereignisse durch Nennung der geographischen Bezeichnungen festgehalten und ein oder einige Konzentrationslager stellvertretend für die vielen genannt werden.«

In den folgenden Beratungen wurde Meiers Position von der SPD-Fraktion vertreten. In der Gemeinderatssitzung am 15. Mai 1964 konnte sich der Antrag durchsetzen.

Nun kommt es zu einem Bruch in der Planung: Auf der Sitzung der Kirchengemeinde am 1. März 1965 heißt es: »Folgende Beschriftung soll angebracht werden:

Denen, die starben
davor 1933-1945 danach
Gott ist unser Friede

Gemeinderatsmitglied Ehlers (FDP) hatte argumentiert: »Die Angehörigen der in der Gefangenschaft nach 1945 umgekommenen deutschen Soldaten würden es nicht verstehen, wenn in Rellingen dieser Opfer nicht gedacht würde. Das gleiche träfe für die vielen Menschen zu, die bei der Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten und bei der Flucht aus Mitteldeutschland den Tod gefunden haben.«

Die Intention der ersten Vorschläge von Architekt Meier wurden geradezu ins Gegenteil verkehrt. Sein Inschriftenentwurf enthielt den Appell, nicht zu vergessen, sondern sich ausdrücklich an die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft zu erinnern – an die unterschiedlichen Kriegsopfer in gleicher Weise. Nun wurde nicht an die überlebenden Opfer, nicht an die Täter, nicht an die Ereignisse, sondern nur an den Tod allgemein erinnert. Jedes konkrete Leid wurde aufgehoben in eine vage Erlösungsformel. Sie machte es möglich, die Botschaft des Denkmals mit wunschgemäßen Inhalten zu füllen.

Als Beispiel sei hier aus der Rede von Bürgervorsteher Otto Stummer (CDU) zitiert, sie ist in der Akte »Ehrenmal« der Kirchengemeinde dokumentiert:

»Wir denken an die Männer des Heeres, der Luftwaffe, der Marine, der Waffen-SS – der angeschlossenen Verbände und des Wehrmachtsgefolges, die in treuester Pflichterfüllung und im festen Glauben an Recht und Gesetz gefallen sind.

Eingeschlossen in das Gedenken seien die Opfer furchtbarer Bombennächte und die in Gefangenschaft leidvoll Verstorbenen. Das Denkmal soll ehren die Menschen, die vor, in und nach dem Kriege aus innerer Überzeugung gegen den Strom der Macht standen und schwerste Opfer an Leib und Leben erduldeten. Unerheblich das warum und wieso, unwichtig, ob richtig oder nicht. Tiefes Mitgefühl für die Opfer von damals verpflichtet uns.

Es soll mahnen an die Opfer der Flüchtlingsströme, Frauen, Kinder, Greise, jene wahrhaft unschuldigen Menschen, denen das letzte Inferno des Krieges nicht nur Heimat, Hab und Gut, sondern auch das Leben qualvoll abverlangte, manchmal noch zu einer Zeit, als bereits die Waffen schwiegen, als die Mächtigen der Stunde vom Frieden säuselten, aber Berge von Hass und Rache duldeten.«


All diese Informationen verdanken wir Claudia Eisert-Hilberts Examensarbeit aus dem Jahr 1987: »Denkmäler für Soldaten und andere Kriegsopfer seit dem Ersten Weltkrieg im Kreis Pinneberg«. Lesen Sie hier den gesamten Text zur Denkmalserweiterung in Rellingen.

 

Claudia Eisert-Hilbert, Kriegerdenkmal Rellingen


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Die Rellinger kirche

Die evangelisch-lutherische Kirche in der Ortsmitte von Rellingen ist einer der bedeutsamsten Barockbauten des Landes Schleswig-Holstein. Die Kirche wird außerhalb der Gottesdienste regelmäßig für Konzerte und ähnliche Veranstaltungen genutzt.

Rellingen wurde wahrscheinlich im 9. Jahrhundert christianisiert. Es gibt jedoch keine Quellen darüber, so dass man nur vermuten kann, dass in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts die romanische Feldsteinkirche errichtet wurde, von der noch Reste am Rundturm zu erkennen sind. Dieses Gotteshaus wurde zwar 1584 durch einen südlichen Anbau erweitert, während der Jahrhunderte jedoch zu klein und baufällig, außerdem durch das Unwetter vom 14. Februar 1648 beschädigt und anschließend nur notdürftig wiederhergestellt. Im 18. Jahrhundert ordnete Friedrich V. von Dänemark, der zu dieser Zeit Landesherr von Holstein war, einen Neubau für das Rellinger Kirchspiel an.

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1754 wurde die alte Kirche abgetragen und bis 1756 der Neubau unter Einbeziehung des Turmes errichtet. Als Architekt für die neue Kirche war der holsteinische Architekt Cay Dose verpflichtet worden. Dose war einer der führenden Baukünstler des Barock in der Region und hatte einige Jahre zuvor die Hauptkirche St. Trinitatis in Altona und die Kirche in Brande-Hörnerkirchen entworfen.

Mehr über die Geschichte der Kirche können Sie auf der Website lesen:

www.rellinger-kirche.de


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I N H A L T
Das Denkmal
Die Einweihung
Die Tafel zum 2.Weltkrieg
Die Gedenktafeln in der Kirche
Die Deutsche Eiche
Garnisonskirche bis 2010
Rendsburg – die Garnisonsstadt
Der Bildhauer Richard Kuöhl

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Rendsburg, Kreis Rendsburg-Eckernförde

Vor der Christkirche am Paradeplatz

Auf einem vierstufigen Sockel aus Backstein liegt der »Sterbende Soldat«, er hält seinen Stahlhelm im Arm. Er liegt dort in Kampfausrüstung: Uniformmantel, Stiefel, Koppel, Feldflasche und Stabhandgranate in der Wurfhand. Laut Baubeschreibung des »Ehrenmals der 85er« im Stadtarchiv Rendsburg bezeichneten der Architekt Carl M. Franck und der Bildhauer Richard Kuöhl die Figur als trauernden Soldaten.

SH Rendsburg Wikimedia Commons Witz und Verstand web
Foto: Wikimedia Commons / Witz und Verstand


Die Zahl 85 auf der Schulterklappe weist ihn als Mitglied des Regiments 85 aus. Das Figur aus Keramik von Richard Emil Kuöhl (1880 - 1961) wurde 1922 gefertigt. Das gemauerte Denkmal mit Figur wurde Pfingsten 1923 eingeweiht.

SH Rendsburg ganz web

 
In den Sockel sind die Keramikplatten mit den mittig gesetzten Widmungen eingelassen:

1914 / 1918

UNSEREN HELDEN
INF. REGT. HERZOG VON HOLSTEIN
(HOLST.) NR. 85

Später wurde darunter ergänzt:

UND DES
TRADITIONSTRUPPENTEILS II. / I.  R. 46
1939 / 1945

SH Rendsburg Wanderer web


Auf der Rückseite:
WANDERER NEIG’ IN BESCHEIDENHEIT
DEIN HAUPT VOR DEM TODE
UND DER TAPFERKEIT

SH Rendsburg Signatur web

Das Signet von Richard Emil Kuöhl mit der Angabe des Entstehungsjahrs der Figur, links daneben zwei Eichblätter.

Ebenfalls dokumentiert sind auf dieser Website Kuöhls Denkmäler in:

Schleswig-Holstein Neumünster

Hamburg Dammtor

Hamburg Langenhorn

Schleswig-Holstein Wilster

Hamburg Neuenfelde

Hamburg Finkenwerder

Hamburg Moorburg

Schleswig-Holstein Großhansdorf

Schleswig-Holstein Lübeck


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Die Einweihung

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Damals führte ein Weg zum Denkmal: Denkmalsweihe zu Pfingsten am 19. + 20. Mai 1923.

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Überall kleine Zäune, der Rasen durfte nicht betreten werden!


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Auch nach 1945 gab’s noch Lorbeerkränze für den sterbenden Krieger.

Dahinter die ergänzte Widmung:

UND DES
TRADITIONSTRUPPENTEILS II. / I.  R. 46
1939 / 1945


Zur Geschichte des Denkmals vor der Christuskirche hat Gesine Gehl-Marzinzik eine ausführliche »Spurensuche« vorgelegt.

Der Artikel wurde im »Rendsburger Jahrbuch 2022«, hrsg. von der Gesellschaft für Rendsburger Stadt- und Kreisgeschichte e.V., veröffentlicht.

Vielen Dank, dass wir ihn hier zur Verfügung stellen dürfen.

 

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Die Tafel zum 2.Weltkrieg

Gesine Gehl-Marzinzik hat weiter geforscht, um die Geschichte der zum 2. Weltkrieg ergänzten Tafel aufzuklären. Ein Hinweis auf weitere Unterlagen im Stadtmuseum ermöglichte, die Frage nach den Auftraggebern und Finanziers der Zusatztafel nun eindeutig zu klären. Die vorherige Hypothese (siehe oben: »Rendsburger Jahrbuch 2022«) über die Rolle von General a.D. Kießling musste danach revidiert werden. Der neue Aufsatz ist veröffentlicht im Rendsburger Jahrbuch 2023, hrsg. von der Gesellschaft für Rendsburger Stadt- und Kreisgeschichte e.V.. Wir dürfen ihn hier verlinken und daraus zitieren. Vielen Dank!

»Ehemalige Angehörige des preußischen IR 85 und des IR 46 der Wehrmacht haben die Zusatztafel 1957 bei der Carlshütte in Auftrag gegeben, aus privaten Spenden finanziert und in Eigenleistung am Denkmalssockel angebracht.

Wie kam es dazu?

In Rendsburg gab es bereits seit 1902 einen ›Verein ehemaliger 85er (Regiment Herzog von Holstein) für Rendsburg und Umgegend‹, dessen Satzung bestimmte, ›die Liebe und Treue für Kaiser und Reich, Landesfürst und Vaterland bei seinen Mitgliedern zu pflegen und zu stärken, die Anhänglichkeit an die Kriegs- und Soldatenzeit im Sinne kameradschaftlicher Treue und nationaler Gesinnung aufrecht zu erhalten, Feier vaterländischer Gedenktage‹. Zwischen aktiven Soldaten und Veteranen bestanden insbesondere zur Traditionspflege enge Beziehungen, bei der Ausgestaltung von Gedenktagen oder Feiern.

Als nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund des Versailler Vertrags das IR 85 aufgelöst wurde, bestand der Veteranenverein weiter. [...]

Die in den Veteranenverbänden gelebten Erinnerungen und Traditionen wurden für die NS-Ideologie und ihre Realisierung vereinnahmt und für die Kriegsvorbereitung instrumentalisiert. [...] So zitierte die gleichgeschaltete Lokalpresse einen Redner während des Kameradschaftsabends: ›Wenn nun, in der hellen deutschen Gegenwart, die alten Soldaten im Gedenken an die Vergangenheit immer wieder fragen: ›Kamerad, weißt du noch?‹, so ist es nötig, im Anschluß daran die Frage zu stellen: ›Kamerad, weißt du auch?‹. Das heißt, weißt du auch, was diese Gegenwart bedeutet? (...) Der Führer hat die alten Soldaten dadurch geehrt, daß er die Tradition ihrer Regimenter in neuen Truppenteilen fortleben lässt. Es gelte, den jungen Kameraden die mustergültige Kameradschaft und Pflichterfül- lung vorzuleben.‹ Und der Kommandeur des II. Bataillons des IR 46 warb am selben Abend unter Bezug auf die Traditionspflege dafür, die Söhne und Enkel zu dem Traditionstruppenteil, zur Infanterie zu senden, ›denn das Wort Tradition ohne blutmäßige Verbindung sei Schall und Rauch!‹ [...]

Die Alliierten verboten 1946 mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 34 u. a. ›alle Organisationen ehemaliger Kriegsteilnehmer und aller anderen militärischen und militärähnlichen Organisationen sowie aller Vereine und Vereinigungen, die der Aufrechterhaltung der militärischen Tradition in Deutschland dienen.‹ Nachdem die Alliierte Hohe Kommission dieses Gesetz für die im Jahr 1949 neu gegründete Bundesrepublik Deutschland außer Kraft gesetzt hatte, ergriffen ehemalige Mitglieder der 85er in Rendsburg 1952 die Initiative und gründeten den Verein ›Infanteriekameradschaft ehem. 85er und 46er‹. Aufgaben und Vereinsstruktur wurden im August 1953 in einer Satzung festgelegt.  Danach bestand der Zweck der Kameradschaft in der ›a) Pflege vaterländischer Gesinnung und deutschen Volkstums, Beteiligung an der Durchführung derartiger Veranstaltungen, b) Wachhalten der Erinnerung an die gemeinsame Dienstzeit und des Wehrgedankens, c) Stärkung der Kameradschaft und Unterstützung hilfsbedürftiger Kameraden bzw. ihrer Hinterbliebenen, d) Beteiligung am Suchdienst, e) Bestattung verstorbener Kameraden mit den üblichen soldatischen Gebräuchen.‹ [...]

Aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung vom 12.06.1957 geht hervor, dass der Vorstand und die Mitglieder der Infanteriekameradschaft den Text vorbehaltlos akzeptiert haben. Im Protokollbuch wird dazu vermerkt: ›Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Kameraden des II./IR. 46 ebenso treu, wie die 85er – und damit der Tradition gerecht werdend – gefallen sind.‹ [...] Eine kritische Reflexion über den Missbrauch von Werten wie Treue und Kameradschaft durch den NS-Staat ist nicht protokolliert und war auch nicht zu erwarten. Kriegsteilnehmer, die sich nach 1945 kritisch mit dem Nationalsozialismus und ihrer eigenen Militärlaufbahn auseinandergesetzt haben, sind vermutlich nicht Mitglied in der Infanterie-Kameradschaft geworden. [...] Und seitens der Christkirchengemeinde schlug der damalige Gemeindepastor Ketelsen vor, die Einweihung des gereinigten und neu gestalteten Denkmals nach einem vorausgehenden Festgottesdienst vorzunehmen. [...]«


Der komplette Aufsatz


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Die Gedenktafeln in der Kirche

Gesine Gehl-Marzinzik hat sich zum 100. Jahrestag des Endes des 1. Weltkriegs auch mit neun Gedenktafeln in der Christkirche auseinandergesetzt. Die Tafeln sollen die toten Soldaten der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848 bis 1851 über die des Völkermords im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika bis zu den toten Soldaten der Deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg ehren. Gesine Gehl-Marzinziks Aufsatz wurde im Rendsburger Jahrbuch 2019, herausgegeben von der Gesellschaft für Rendsburger Stadt- und Kreisgeschichte, abgedruckt. Vielen Dank, dass wir ihren Aufsatz hier verlinken dürfen.

Gesine Gehl-Marzinzik, Rendsburger Jahrbuch 2019, S. 177 - 202


Gesine Gehl-Marzinik hat auch eine Kurzfassung ihres Aufsatzes erstellt zur Auslage in der Christkirche.

Infoblatt zu den Gedenktafeln


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Garnisonskirche bis 2010

Das Gebäude der Christkirche entstand 1695 bis 1700 im Zusammenhang mit der Erweiterung der Rendsburger Festungsanlage Neuwerk nach einem Entwurf von Hans van Steenwinckel. Die Ausführung wurde zunächst D. Vijfhuysen anvertraut, ab 1698 dem Architekten Dominicus Pelli. Die Kirche diente nach ihrer Einweihung im Jahr 1700 als Garnisonskirche für die Offiziere und Soldaten der damals dänischen Garnison. Ihren Namen verdankte sie neben Jesus Christus dem dänischen König Christian V., auf dessen Anordnung sie gebaut worden war. Die Christkirche war bis 2009 durchgehend Kirche für die hier stationierten Soldaten. An der Wand hängen die Gedenktafeln für die in den Kriegen getöteten Soldaten: bei der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, im Deutsch-Französischen Krieg, beim Boxeraufstand in China, beim Herero-Aufstand in Afrika, im 1. Weltkrieg, im 2. Weltkrieg ... viele kriegsverherrlichende Sprüche sind darauf zu lesen.

Bis zur Auflösung der Rendsburger Garnison im Jahr 2010 ist die Christkirche regelmäßig für Gottesdienste der Militärseelsorge genutzt worden.

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Ein Beitrag in der Publikation »Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland« vom Frühling 2014 beschreibt die nötige Auseinandersetzung mit den »Unbequemen Denkmälern«. Ein Kommentar aus dem Gästebuch der Christkirche: »Ich sehe hier zu viel Ehre für Gefallene in sinnlosen Kriegen«.

Unbequeme Denkmäler 2014


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Die Deutsche eiche

Eichenlaub ist in der militärischen Symbolsprache ein Zeichen hoher Ehre. Darum hat der Bildhauer Kuöhl zwei Eichblätter als Bildzeichen für den Stützklotz des Soldaten verwendet.


SH Rendsburg Eichenblaetter web


Wie ist die Symbolkraft der Eiche entstanden?


Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.

Mit der Nationalromantik des 19. Jahrhunderts, mit der Deutschen Revolution 1848/1849 und der Reichsgründung 1871, die das Gefühl nationaler Einheit bestärkten, zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen und dergleichen dient Eichenlaub in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches bzw. der Lorbeerkranz.

Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019

 
»Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«

Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525


»Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«

Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de


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Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0


Eichenlaub als höchste Zier: SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS Theodor Eicke im Jahr 1942.


»Eichenlaub« war ab 1999 ein rechtsextremes Liedermacher-Duo aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes.


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Rendsburg – Die GarnisonsstadT

Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges stand die Stadt von 1627 bis 1629 unter kaiserlich-deutscher Herrschaft. In den Jahren 1644 und 1645 wurde Rendsburg von schwedischen Truppen besetzt und wenig später erneut belagert. 1665 erhielt Rendsburg eine dauernde militärische Belegung und wird Garnisonsstadt.

350 Jahre lang war das Militär in der Stadt präsent. Die »Königl. Privilegierte Garnison-Apotheke« am Paradeplatz, der Garnisonfriedhof und die Arsenalstraße zeugen von der militärischen Geschichte.

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Foto: Wusel007 / Wikimedia Commons

• Der Gedenkstein auf dem Garnisonsfriedhof für die im 1. Weltkrieg getöteten Artilleristen trägt neben einem eisernen Kreuz und allerlei Kriegsgerät die Inschriften:
Den gefallenen Artilleristen des Kreises Rendsburg

Im umlaufenden verschlungenen Schmuckband steht:
Ultima Ratio Regis pro Gloria et Patria 1914–1918
Das letzte Mittel des Königs für Ruhm und Vaterland

Vor dem 1. Weltkrieg war Rendsburg die größte deutsche Garnison nach Metz.

SH Rendsburg Karte web

 

Später war das Korpshauptquartier der Nato für Schleswig-Holstein und Jütland in Rendsburg. Im Kalten Krieg waren die Hauptaufgaben des Korps die landseitige Verteidigung der Ostseezugänge sowie der nördlichen Grenze der Bundesrepublik Deutschland hin zur DDR in Schleswig-Holstein, also nördlich der Elbe. Die personelle Stärke betrug am Ende der 1990er Jahre etwa 40.000 Soldaten.

Rendsburg war seit der Gründung der Bundeswehr 1955 bis Ende 2009 eine Garnisonsstadt mit zwei Kasernen: Die im Stadtteil Neuwerk um die Jahrhundertwende 1900 erbaute Eiderkaserne und die im Norden gelegene Feldwebel-Schmid-Kaserne (bis 8. Mai 2000 »Rüdel-Kaserne«). Die Eiderkaserne wurde bereits Mitte 2008 geschlossen. Das in der Feldwebel-Schmid-Kaserne stationierte Ausbildungszentrum Heeresflugabwehrtruppe wurde Ende 2009 nach Munster verlegt und die Kaserne ebenfalls geschlossen.

• Nach Wikipedia, abgerufen am 18. Oktober 2016

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Der Bildhauer Richard Kuöhl

Richard Emil Kuöhl wurde am 31. Mai 1880 in Meißen geboren. Seine handwerkliche Ausbildung als Kunsttöpfer erhielt er in einer der Modellfabriken dieses Zentrums keramischer Kunst. Nach dreijährigem Studium an der Dresdner Kunstgewerbeschule, wurde er als leitender Modelleur einer bauchemischen Versuchsanstalt mit den modernsten Techniken der Tonbearbeitung vertraut. 1912 folgte er seinem Dresdener Architekturprofessor Fritz Schumacher nach Hamburg. Dort arbeitete er in den 1920er und 1930er Jahren mit fast industriellem Ausstoß. Es entstanden Skulpturen in Stein, Keramik und Reliefs in Terrakotta. Er starb am 19. Mai 1961 in Rohlfshagen bei Bad Oldesloe.

Kriegerdenkmäler gehörten während der Weimarer Republik zu den häufigsten und begehrtesten Auftragswerken deutscher Bildhauer. Auch Kuöhl hatte bereits zahlreiche Kriegerdenkmäler ausgeführt, dabei war es ihm stets gelungen, die von nationalistisch und militärisch gesinnten Kreisen mit einem »Ehrenmal« beabsichtigte politische Aussage künstlerisch zu formulieren. »Nicht Jammer und Not, sondern Mannestat und Einsatzbereitschaft, das Heldische, Kraftvolle, das ein Mahnmal verkörpern muß, zeigen die »Ehrenmäler«, die er geschaffen hat ... immer wieder spricht ein trotziges ›Dennoch!‹ aus diesen Denkmälern.

»Neben idealisierten nackten Kriegern ... hatte er in kontinuierlicher Folge eine Darstellungsform des grobschlächtigen uniformierten deutschen Soldaten entwickelt, die den Vorstellungen der neuen Auftraggeber offenbar besonders entsprach: Im Mittelpunkt des Lübecker Ehrenfriedhofs, 1924, steht breitbeinig ein Infanterist, der den Helm zum Gebet abgenommen hat. Auf dem Klinkersockel des Regimentsdenkmals in Rendsburg, 1927, lagert ein sterbender Soldat, dem der Helm herabgesunken ist. Auf dem Klinkersockel des Kriegerdenkmals in Langenhorn, 1930, beugt ein Soldat mit abgenommenem Helm das Knie vor dem toten Kameraden.

Kuöhl war mit seiner Praxis als Bauplastiker und Mitarbeiter von Architekten, mit seiner praktischen Erfahrung als einsatzbereiter Gestalter von Soldatengrabmälern und Ehrenfriedhöfen an der Front, vor allen Dingen aber mit dieser Reihe von Soldatendarstellungen, die instinktsicher das trafen, was Kriegervereine und Rechtsparteien sich unter neuer deutscher Plastik vorstellen mochten, prädestiniert für weitere und größere Aufgaben dieser Art.«

Zitat aus Volker Plagemanns Buch »Vaterstadt, Vaterland, schütz Dich Gott mit starker Hand«, Hans Christians Verlag, 1986

Eine Autorengruppe um Roland Jäger veröffentlichte 1979 ein Buch über den »Kriegsklotz« hinterm Dammtorbahnhof in Hamburg (siehe auch Hamburg Dammtor), das wohl umstrittenste Denkmal Kuöhls. Hier können Sie zwei Seiten daraus lesen:

Jäger u.a. Kuöhl

Hamburg Dammtor

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Kurzfilme zu den Denkmälern

Seit ein paar Jahren existiert die Website www.denk-mal-gegen-krieg.de, auf der die Evangelische Akademie sich kritisch mit der bestehenden Erinnerungskultur auseinandersetzt. Die häufigsten Erinnerungsmale an die vergangenen Kriege sind Kriegerdenkmäler, auf denen der Soldatentod verklärt und die zivilen Opfer verschwiegen werden.

An einigen Orten produzieren wir kurze Videos und stellen sie online. Den Film über die Denkmalsanlage in Rethwischdorf können Sie hier sehen: YouTube> und die Einführung zur Filmreihe bei YouTube>

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I N H A L T
Das Denkmal
Volkstrauertag 2019
Die Geschichte
»Unsere Gefallenen«
Das Eiserne Kreuz
Die Adolf-Hitler-Eiche
Harry Maasz

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Rethwischdorf, Kreis Stormarn

Auf einem erhöhtem Platz am Dorfrand

Gegenüber vom Rethwischer Friedhof und der Autobahnkirche der BAB 1 befindet sich an der Straße Kirchberg das Denkmalgelände. Die Anlage ist nach einem Entwurf des damals bekannten Gartenarchitekten Harry Maasz verwirklicht worden. Der große, nahezu runde Platz ist heute von einem einfachen Holzzaun umgeben. Zur Einweihung am 5. Juni 1921 hatte der Rethwischer Militärverein die Kriegervereine der umliegenden Orte eingeladen, deren Mitglieder mit ihren Fahnen beim Denkmal Aufstellung nahmen. Der Platz hat sicher seitdem einigen Versammlungen, Aufmärschen, Feierlichkeiten etc. Raum geboten.

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Das Denkmal in der Mitte des Platzes ist den toten Soldaten beider Weltkriege gewidmet. Ringsherum stehen im weiten Kreis Bäume verschiedenen Alters, in der Mehrzahl sind es Eichen.

 

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Eine zehnstufige, unten breit auslaufende Steintreppe führt zum Denkmalsplatz. An den Seiten wird sie von niedrigen Mauern, aus Bruchsteinen wie die Stufen, begrenzt, die auf Straßenniveau in einer harmonischen Schneckenform enden. Diese wunderschöne Treppe würde jedem Aufgang in einem Schloßgarten zur Ehre gereichen. Entworfen hat die Anlage samt der Treppe Harry Maasz, er hat in dieser Zeit fast 40 Denkmalsplätze und »Ehrenhaine« für Städte und Gemeinden in Norddeutschland geplant. Als die Rethwischer neben den Gedenktafeln in der Kapelle auch einen Gedenkplatz unter freiem Himmel haben wollten, hatten sie ihn beauftragt.

 

SH Rethwischdorf Denkmal web


Am 5. Juni 1921 wurde das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten beider Weltkriege eingeweiht. Zentral besteht es aus einem klotzigen, mehrstufigen Turm mit quadratischer Grundfläche. Er ist mit bunten Bruchsteinen aufgemauert worden. In die hohen Mittelflächen aller vier Seiten sind schwarze Steintafeln eingelassen.

 

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Gekrönt ist das Bauwerk mit einem dreidimensionalen Eisernen Kreuz aus einem Stein.

 

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Der Turm ist auf zwei Seiten umgeben von einer Steinstufenanlage, jeweils begrenzt von einer niedrigen Mauer. So entstehen auf dem in der Höhe leicht ansteigendem Platz zwei Orte, die zum Beispiel von Rednern genutzt werden können.

 

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Die vier eingelassenen Marmortafeln sind gleichartig gestaltet: gleiches Maß, gleiches Material, gleiche Schrift. Die Steinplatten haben eine polierte schwarze Oberfläche, die herausgearbeiteten Flächen wirken hellgrau. Alle haben einen breiten schwarzen Rand.

 

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Die Frontplatte schmückt oben ein Eisernes Kreuz mit innen liegender heller Kontur. Dieses soldatische Ehrenzeichen wird umrahmt von gekreuzten Eichenzweigen. Eichenlaub ist ein militärisches Symbol für Treue und Standhaftigkeit. Damit ist das Motto klar: hier wird toter Soldaten gedacht. Unter dem Dekor bestätigt das die Widmung. Auf Mittelachse gesetzt steht dort:

Unseren Gefallenen
und Vermissten
1914 – 1918
1939 – 1945

Da die typografische Gestaltung auf Querlinien und geblockten Zeilen beruht, folgen nun zwei Linien – aussen bündig mit den Namenszeilen, innen mit den Jahreszahlen. Die nun über die vier Tafeln folgenden geblockten Zeilen werden zwischen den Namen mit verschieden langen Linien ausgeglichen.

Die erste Zeile beginnt mit den Jahreszahlen des 1. Weltkriegs. Es folgen die 43 Namen der toten Soldaten aus der Zeit von 1914 bis 1918, alphabetisch nach dem ersten Buchstaben des Nachnamens geordnet. Die Soldaten werden genannt ohne Dienstgrad oder Truppengattung, ohne Geburts- oder Sterbedatum. Das ist eher ungewöhnlich und erklärt sich vielleicht aus der Entstehungszeit der Tafeln. 1957 hat Architekt Dr. Moll die Entwürfe für eine Erweiterung des Denkmals nach dem 2. Weltkrieg vorgelegt. Er hat die bestehenden Tafeln zum 1. Weltkrieg nicht übernommen, sondern hat die zu nennenden toten Soldaten beider Weltkriege in seiner reduzierten Ästhetik vereinheitlicht.

 

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Auf der zweiten Tafel unten beginnen nun die Namensnennungen zum 2. Weltkrieg, es sind 77, wieder in alphabetischer Reihenfolge. Die Liste fängt an mit den Jahreszahlen des Krieges, dazwischen erneut das Ehrenzeichen eines Eisernen Kreuzes. Gleich als erstes fällt uns ein Frauenname auf, es sind auf der langen Liste insgesamt zwei. Da auch auf der Website der Gemeinde das Denkmal als »Gefallenendenkmal« bezeichnet wird, bleibt nur der Schluß, dass es sich bei den genannten Frauen etwa um Lazarettschwestern im Kriegsgeschehen gehandelt haben könnte. Es werden keine zivilen Opfer gewesen sein.

 

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Auch auf den beiden folgenden Tafeln beginnt die sich fortsetzende Namensliste mit einem Eisernen Kreuz zwischen den Jahreszahlen des Krieges.

 

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Wir haben das Denkmal nun einmal umrundet und blicken auf die letzte Tafel.

 

SH Rethwischdorf Detail Balken web


Wir sehen am Ende der Liste eine schwarze Fläche aus der noch weitere Namen herausgemeißelt werden könnten. Der Name von Hans-Georg Hornsmann ist schon nachgetragen worden, er fällt aus der alphabetischen Abfolge heraus, die Farbe des Untergrundes hebt sich vom übrigen Grau ab. Warum sein Tod 1957 bei Erstellung der Tafeln noch nicht bekannt war, wissen wir nicht.

 

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In einiger Entfernung zum Denkmal steht ein Steinring für eine pflegeleichte Bepflanzung.

 

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Auf dem Rückweg zur Straße müssen wir eine ungewöhnliche Pforte aus massiven Metallrohr öffnen.

 

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Dann betreten wir noch einmal die kunstvolle Treppe.

 

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Ein Blick zurück: oben endet sie mit zwei gemauerten Pfeilern, die mit einem pyramidenförmigen Stein bedacht sind. Dann können wir auf dem großen Parkplatz rechts von der Treppe wieder in unser Auto steigen.

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Volkstrauertag 2019

»In stillem Gedenken« hat die Gemeinde Rethwisch einen Kranz am Denkmal niedergelegt. Die Farben der Schleife sind gehalten in den Farben der Bundesrepublik und des Landes Schleswig-Holstein.

 

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»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter. ›Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben‹ (Ralph Giordano, Die zweite Schuld).«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 29

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Die Geschichte

Der Denkmalsplatz: sehr gepflegt und ordentlich, exakte Wege, beschnittene Hecken, die Bäume stehen in Reih und Glied.

 

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Das Foto ist undatiert. Man sieht aber an den Tafeln, dass es nach der Erweiterung um die Toten des 2. Weltkriegs 1957 entstanden ist. Am 1. September 1957 erschien in den Lübecker Nachrichten ein kurzer Artikel: »Eine Erweiterung des bestehenden Ehrenmales für die Gefallenen von 1914/18 plant die Gemeinde Rethwisch. Architekt Dr. Moll hat bereits Entwürfe vorgelegt. Vorgesehen ist, das Ehrenmal, das an der Straße nach Treuholz auf einem kleinen Hügel einen hervorragenden Standort hat, durch Anbringen von Gedenktafeln für die Gefallenen des letzten Krieges zu erweitern.«

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Im Winter 1966


SH Rethwisch Christuskirche 1970

Einzug der Kirchenältesten, des Propstes Schwarz und der Pastoren zur Einweihung der Christuskirche und ihrer Widmung zur Autobahnkirche 1970. Im Hintergrung rechts liegt die Anlage des Kriegerdenkmals.


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Ca. 1980 ist dieses Foto entstanden. Von 1957 bis heute hat sich an dem Denkmal eigentlich nichts verändert.

Fotos zur Geschichte: Kreisarchiv Stormarn >internationale Lizenz 4.0

 

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»Unsere Gefallenen«

»›Gefallenendenkmal‹ verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort. [...] Die deutsche Sprache bevorzugt auch dafür einen schönfärbenden Ausdruck: ›im Felde gefallen‹ oder ›auf dem Felde der Ehre gefallen‹. Nicht auf ein ›Gefallenendenkmal‹ gehörten demnach alle, die beim Beschuss der Unterkunft, im Lazarett, auf dem Transport oder in Gefangenschaft ums Leben kamen.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.22


»Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Ebd. S. 60/61


»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.
Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S.100

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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.

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• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017


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Die Adolf-Hitler-eiche

»1933 wurde mit einer offiziellen Zeremonie eine Adolf-Hitler-Eiche auf dem Dorfplatz gepflanzt (s. Foto). Auf dem Foto sieht man Heinrich Behnke, ... Schirrmacher hielt die Eiche, Pastor Harder, Julius Wendt, Willi Schulz (Bauer in Steenrade) in Uniform, Ernst und Hans Werner Böttger, sowie Hartwig Gäde. Herbert Hansen, mit weißen Kniestrümpfen, musste damals ein Gedicht aufsagen. Lehrer Kühl hielt eine Rede.
Am 8. Mai 1945, am Tag der deutschen Kapitulation, wurde die Eiche von Ernst Meier mit den Worten umgehauen: ›Du Aas kümmst af!«
Hartwig Gäde erzählt dazu: ›As ik ut de Gefangenschaft, ut den Krieg kam, da käm de ole Meier to mi hin un seggt: ›Soll ik di mal wiesen, wo diene Adolf Hitler Eiche is? Denn komm mal mit!‹
Da ist er dann mit mir in seinen Garten gegangen und zeigte auf einen Zaunpfahl. Die Eiche hatte er abgesägt und einen Zaunpfahl daraus zurechtgeschnitten. Der alte Meier war der SPD treu geblieben.«

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• Diese schöne Geschichte steht in der »Chronik der Landgemeinde Rethwisch« von Doris Moßner und Inga Rogga aus dem Jahr 2001.

»Die Eiche ist knorrig. So kann man sich auch die alten Germanen vorstellen, weniger die feinsinnigen Römer. Die Eiche ist überdauernd. Das wollten auch die Deutschen im Heiligen Römischen Reich. Die Eiche ist standfest. Treue, unerschütterliche Souveränität schrieben die deutschen Fürsten und Könige auf ihr Panier – und nach ihnen Adolf Hitler. Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹ und manchmal auch Linden. Es müssen Zigtausende gewesen sein, die teils noch stehen und bekannt sind, meistens inzwischen vergessen, wenn sie nicht schon 1945 umgehauen wurden.«

• Wolf Stegemann, 20. Januar 2014 auf der Website >www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de


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Harry Maasz

Harry Maasz, geboren am 5. Januar 1880 in Cloppenburg, gestorben am 24. August 1946 in Lübeck, war von 1912 bis 1922 Leiter des Lübecker Gartenbauamts und bezeichnete sich selbst gerne als Gartenbaukünstler.

SH Harry Maasz web
Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst Schleswig-Holstein, Bestand Harry Maasz, Sign. 233 Fo
                  

»Sein früher Tod und Defizite in der Aufbereitung der Landschaftsarchitektur in der NS-Zeit mögen dazu beigetragen haben, dass seine nationalsozialistische Vergangenheit, die scheinbar im Gegensatz zu seinen künstlerischen Hauptwerken steht, bis heute nicht aufgearbeitet ist.«

www.historischegaerten.de


»Der Ehrenhain als besondere Form des Gedenkens und der Würdigung der im Krieg gefallenen Soldaten gewann erstmals zu Beginn des Ersten Weltkrieges an Bedeutung. Jedem Kriegstoten wurde das Recht auf ein eigenes Gedächtnismal zugesprochen. Das Preußische Innenministerium sah es als eine nationale Aufgabe an und veröffentlichte einen Erlass zur Förderung der Ehrenhaine. Dem Berufsstand des Landschaftsarchitekten kam die besondere Aufgabe zu, die Planung und Umsetzung von Gedächtnisstätten auszuführen. Harry Maasz (1880-1946) gehörte zu den wichtigsten norddeutschen Vertretern, die sich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt haben. Insgesamt plante er fast 40 Anlagen zur Kriegerehrung. Neben Ehrenfriedhöfen und Ehrengrabstätten waren dies auch Kriegergedächtnisstätten und Ehrenmale, zum Teil ohne Gräber, da die Gefallenen und Vermissten in fremdem Boden fern der Heimat lagen.«

Gartendenkmalpflegerisches Gutachten der Landschaftsarchitektin Gudrun Lang, 2010 - 2011, Projekt »Ehrenhain« Bad Schwartau

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I N H A L T
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Die Hindenburg-Eiche beschrieben von Ulf Evers
Das frühe Denkmal
Das Weltkriegsdenkmal
Volkstrauertag 2020
Der Landesverein für Innere Mission
• AKTUELL: Medikamentenversuche 1949-75
• AKTUELL: Von der ausgrenzenden zur inklusiven Gesellschaft
Das kirchliche KZ-Kuhlen
Bischof-Halfmann-Saal
Gasthof »Zur Doppeleiche«
Doppeleichen

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Rickling, Kreis Segeberg

An der Dorfstraße im Ortsteil »Unterdorf«

In der Denkmalsanlage stehen zwei Kriegerdenkmäler und eine mächtige Eiche, die den kleinen Platz überdacht. Wir beginnen mit der Geschichte dieser Eiche, die unser ehrenamtlicher Mitarbeiter Ulf Evers beschreibt.

Sein Text mit den Anmerkungen / Fußnoten

Die Hindenburg-Eiche

Gegenüber dem Gasthof »Zur Doppeleiche« befindet sich an der Dorfstraße in Rickling ein Gedenkplatz, in dessen Zentrum eine große Eiche steht.


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Es wird angenommen [1], dass diese Eiche nach dem Krieg 1870/71 als sogenannte »Friedenseiche« gepflanzt wurde. Auf Wunsch der Regierung sollten hochstämmige Eichen gepflanzt werden, in deren Schatten künftige Geschlechter die Gelegenheit haben sollten, sich dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern [2]. Als Ehrensache wurde angesehen, die Eiche zu schützen und zu pflegen. Wie das gekappte Efeuwurzelwerk zeigt, wird dieser Aufgabe bis heute nachgegangen.


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1934 wird auf Beschluss der Gemeindevertretung aus der »Friedenseiche« eine »Hindenburg-Eiche« [3]. Einer Mitarbeiterin des Chronik-Arbeitskreises Rickling zufolge wird die Gravur des Gedenksteines am 12. Juni 1934 in Auftrag gegeben.

SH Rickling Gedenkstein Hindenburg Eiche 1 Mai 1933 web

Warum das Datum »1. Mai 1933« lautet, sei unklar. Fest steht: Am 1. Mai 1933 pflanzte Adolf Hitler in Berlin eine Hindenburg-Eiche [4].

Damit sind alle Spuren gelegt und unklar, warum die Umbenennung erfolgte und die Inschrift des Gedenksteines gewählt wurde, ist es eigentlich nur noch denjenigen, die es lieber nicht wissen wollen.

Hitler pflanzte am 1.Mai 1933 nicht nur eine Eiche [5] auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, sondern hielt von dort aus auch eine landesweit im Rundfunk übertragene Ansprache [6]. Diese knapp einstündige Ansprache ist als Tondokument erhalten [7]. In dieser Rede blickt Hitler zurück auf siebzig Jahre »Wahnsinn als politische Idee« [8], vierzehn zurückliegende Jahre des Verfalls, den »minderwertige Parteien« zu verantworten hätten und gibt einen Ausblick auf die Ziele, die er, umgeben von einer feindlichen Welt, verfolgen will. Neben der Arbeitsdienstpflicht, die Hitler in ein bemerkenswertes Verhältnis zur allgemeinen Wehrpflicht setzt, steht eine Kampfansage an »die Unerträglichkeit der Zinssätze« und die Demokratie. Der Inhalt der Rede ist eine klare Kampfansage an Pluralismus, gewerkschaftlich organisierten Arbeitskampf, die Demokratie im allgemeinen und die Weimarer Republik und die sie tragenden Parteien im besonderen.

Diese Rede fiel nicht nur, aber auch in Rickling auf fruchtbaren / furchtbaren Boden. Bei der Reichstagswahl im März 1933 hatte die NSDAP in Rickling 382 von 608 abgegebenen Stimmen erhalten, rechnet man die Stimmen für die die NSDAP unterstützende ›Kampffront Schwarz-Weiß-Rot‹ hinzu, kommen NSDAP und Kampffront auf knapp 76% der  Stimmen. Daher wundert es nicht, wenn die Schulchronik berichtet: »Am 5. III. hat sich die Mehrheit unseres Volkes für eine Regierung Hindenburg-Hitler entschieden. Aus Freude darüber veranstalteten die nationalen Verbände in Rickling einen Fackelzug. Es war erhebend, wie herrlich alles illuminiert war« [9].

Der Wunsch, auch den Brückenschläger vom Kaiserreich zur NS-Diktatur [10] zu ehren, kam also nicht von ungefähr, sondern, um es frei nach Heinrich Heine zu sagen: »auf demselben Dudelsack spielte dasselbe Lumpenpack« [11]. Dass keine neue Eiche gepflanzt wurde, lag vielleicht daran, dass verhindert werden sollte, die Ricklinger Eiche würde ähnlich wie die von Hitler gepflanzte Eiche schon nach vier Wochen von Unbekannten im frühen Morgenrot gefällt.

Als 2014 auch in Rickling kurz die Diskussion [12] aufflackerte, ob mit der Eiche ein Wegbereiter des Nationalsozialismus ver-/geehrt wird, wurde völlig ausgeblendet, dass durch die Inschrift des Gedenksteins nicht nur Hindenburg geehrt wird, sondern auch auf die durch Hitler erfolgte Pflanzung einer »Hindenburg-Eiche« und die untrennbar damit verbundene Rede Hitlers auf dem Tempelhofer Feld Bezug genommen wird. Der Gedenkstein stellt also nicht nur eine Ehrung Hindenburgs dar, sondern auch eine Absage an unsere heutige demokratische und pluralistische Gesellschaft.

So blieb es dabei, den Gedenkstein unerläutert und von einer Blase des lieber-nicht-wissen-wollens umhüllt zu lassen.

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• Wir danken Ulf Evers sehr herzlich für seine Mitarbeit. Die Geschichte von Rickling ist sein fünfter Beitrag für unsere Website. Er hat die Denkmalsanlage auch fotografiert und uns alle Bilder zur Verfügung gestellt. Die ersten Orte, die Ulf Evers kommentiert hat, sind:

Langwedel

Bordesholm

Hohenweststedt

Hohenlockstedt


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Das frühe Denkmal

Hier noch einmal ein Blick zur zentralen Hindenburg-Eiche auf dem halbrunden Rasenplatz, der hinten mit einer Bruchsteinmauer abschließt. Links sehen wir den Findling zu den beiden Weltkriegen ...

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... rechts den Sockel des ersten Kriegerdenkmals in Rickling. Um das geht es jetzt:

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»Das ›Kriegerdenkmal‹ neben dem Amtsgebäude wurde unter Mitwirkung des Ricklinger Kriegervereins 1913 eingeweiht. Es sollte unter anderem an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erinnern«, so steht es in der Ricklinger Chronik.


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Drei Granitstufen führen hoch zum kreisrunden Denkmalsplatz. Die Sockelmauer besteht wie das Monument selber aus bunten Bruchsteinen mit erhabenen Fugen. Das ist eine aufwendige Arbeit, man nennt die Hervorhebungen des Fugennetzes »Krampfaderfugen«.

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Auf der Spitze des Monuments bereitet sich ein Bronzeadler mit ausgebreiteten Schwingen auf den Abflug vor. Noch sitzt er auf der Weltkugel.

Prof. Loretana de Libero schreibt in ihrem Buch ›Rache und Triumph‹: »Als Hoheitszeichen des Deutschen Reiches und als Symbol für deutsche Macht und Stärke galt der Seeadler. Der Raubvogel konnte nach 1871 wachsam nach Westen spähen, oft aufreizend mit den Flügeln schlagen und/oder den geöffneten Schnabel drohend dem französischen Feind entgegenstrecken.«

Die sogenannte ›Erbfeindschaft‹ belastete die deutsch-französischen Beziehungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein und war immer wieder Vorwand für kriegerische Auseinandersetzungen. Der Adler auf den Denkmälern war dabei das Symbol für die preußisch-deutsche Wehrkraft und militärische Wachsamkeit gen Westen.


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Im großen Mittelteil, unter der abgerundeten Spitze, ist ein Medaillon aus Bronze eingelassen, es zeigt ein Portrait von Kaiser Wilhelm I. im Profil.

Darunter lesen wir auf einer schwarzen Steintafel in goldfarbener Schrift:

ZUR
ERINNERUNG
AN DIE
GEFALLENEN
1848.
1870 – 71.
1914 – 20.

1848: Die Schleswig-Holsteinische Erhebung war ein Konflikt zwischen den nationalistischen Strömungen in Dänemark und Deutschland. Die Schleswig-Holsteiner strebten die gemeinsame Loslösung der beiden Herzogtümer aus dem deutsch-dänischen Gesamtstaat und die Eingliederung beider in den Deutschen Bund an. Die dänischen Nationalisten wiederum strebten einen Nationalstaat an, zu dem nur das Herzogtum Schleswig gehören sollte. Darüber kam es zu einem – mit Unterbrechungen – dreijährigen Krieg (1848 – 1851), bei dem die Schleswig-Holsteiner von den Staaten des Deutschen Bundes unterstützt und nach anfänglichen Erfolgen schlussendlich von der dänischen Seite besiegt wurden.

Mehr bei Wikipedia

 
1870 – 71: Der Deutsch-Französische Krieg war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck hatte mit einer provokant verkürzten Veröffentlichung, der Emser Depesche, einen Streit zwischen König Wilhelm I. und Kaiser Napoléon III. zu nationalistischer Empörung auf beiden Seiten hochgekocht. Daraufhin erklärte Napoléon III. Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg. Am 10. Mai 1871 endete der Krieg mit dem Frieden von Frankfurt, der hohe Reparationen sowie die Abtretung Elsaß-Lothringens durch Frankreich vorsah. Der preußische König Wilhelm I. ließ sich im Spiegelsaal von Versailles (!) zum ›Deutscher Kaiser‹ krönen, Otto von Bismarck wurde erster Reichskanzler.


1914 – 20: Machtpolitische Rivalitäten und intensives Wettrüsten belasteten seit Beginn des 20. Jahrhunderts die internationalen Beziehungen. Nach der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers in Sarajevo am 28. Juni 1914 versagten alle diplomatischen Bemühungen um eine Konfliktlösung auf Grund des unversöhnlichen Machtstrebens der europäischen Großmächte. Der 1. Weltkrieg endete im November 1918 mit der militärischen Niederlage Deutschlands und seines Bündnispartners Österreich-Ungarn. Neu entwickelte Waffen, u.a. das von Deutschland eingesetzte Giftgas, hatten die Kriegsführung zu einem Massenmorden gemacht. Weltweit starben rund neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten.

Mehr zum 1. Weltkrieg auf LeMO    


Der Todestag des letzten Soldaten auf der Namensplatte des Weltkriegsdenkmals (siehe weiter unten) ist der 18. 1. 1920. Ob er nach Kriegsende in einem Lazarett seinen Verletzungen erlegen ist oder ob er nach Kriegsende bei einem Freikorps angeheuert hatte, das im Baltikum ohne offiziellen Auftrag den Rückzug des deutschen Ostheeres deckte und Bolschewisten bekämpfte, wissen wir nicht.

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Das Portrait von Kaiser Wilhelm I. ist als Relief gearbeitet. Am 22. März 1897 hatte man überall im Deutschen Reich den 100. Geburtstag des Kaisers Wilhelm I. gefeiert, der wegen seiner Verdienste zur Reichseinigung von Kaiser Wilhelm II. nun zum »Kaiser Wilhelm der Große« erklärt wurde. Überall im Land wurden nun in den nächsten Jahren ihm zu Ehren Denkmäler enthüllt und wie hier in Rickling Ehrenzeichen angebracht.

Wilhelm I. zum Vertiefen: Dorlis Blume für das DHM

 

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Dieses Foto muss kurz nach 1903, der Einweihung des Denkmals, enstanden sein, denn es enthält noch nicht das Bronzerelief von Kaiser Wilhelm I. ...

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... das wir dann aber auf dieser Postkarte von 1906 sehen können.

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Das Denkmal in späteren Jahren: Die Eiche hat schon eine stattliche Größe.

 

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Damals fehlen noch die Jahreszahlen zum 1. Weltkrieg und die Treppe hatte noch fünf flache Bruchsteinstufen, heute sind es drei Stufen aus Granitstein.

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Das WeltkriegsDenkmal

Auf der linken Seite des Denkmalsplatzes finden wir auf einer gepflasterten Fläche zwei Erinnerungszeichen an die beiden Weltkriege.
 

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Zuerst fällt der zipfelige Findling ins Auge. Auf seiner glatten Vorderseite ist eine Bronzeplatte in angedeuteter Kreuzform angebracht. Als prägendes Symbol wiederholt sich das Kreuz mehrfach auf der Platte. Unter den Zahlen der Weltkriege

1914- (diesmal) 1918
1939-1945

sehen wir ein schmales Kreuz in Kontur mit Punktmuster. Sollen es Nagelköpfe sein?

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Am unteren Ende lesen wir den Satz, von sechs kleinen Kreuzen locker umgeben:

WIR
VERGESSEN
EUCH NICHT

Welchen Toten dieser Satz gilt wird nicht deutlich. Es gibt allerdings auch kein militärisches Zeichen, das ausschließlich für ein Soldatengedenken sprechen würde. Zu vermuten ist aber, dass es sich um deutsche Tote handelt, die nicht vergessen werden sollen, das impliziert die vertrauliche Ansprache »EUCH«. Wen die Ricklinger Feuerwehr nicht vergessen will, lesen wir weiter unten.


SH Rickling 1933 zweier sw web2


Hier schieben wir ein Foto aus dem Jahr 1933 ein, um zu zeigen, wie der Denkmalsstein damals aussah. Der Findling steht an seinem ursprünglichen Ort, einem großen Sandplatz neben der Meierei im Ricklinger Ortsteil Oberdorf auf einem massiv gemauerten Sockel. Oben ist ein Eisernes Kreuz zu sehen, darunter eine schwarze Steinplatte. Die tiefergelegte, glatte Fläche für Eisernes Kreuz und Namensplatte hat die Form eines Kirchengrundrisses bzw. eines Kreuzes. War diese Form Inspiration für die Neugestaltung der Bronzeplatte? Sie verdeckt die frühere Meißelarbeit jedenfalls perfekt. 

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1986 wurde der alte Gedenkplatz aufgelöst, der Findling zog um. Die alte Namenstafel wurde als zweites Erinnerungszeichen neben ihm in das Steinpflaster eingelassen. Auf der Tafel werden in zwei Spalten Namen und Sterbetage in den Jahren 1914 bis 1920 (!) von 20 Soldaten genannt. Am alten »Ehrenmal« mit Adler und Kaiserportrait und der Hindenburg-Eiche entstand 1986 im Unterdorf die neu zusammengestellte Gedenkanlage, wie wir sie heute sehen.

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Links unten noch eine Miniansicht des großen eingezäunten Denkmalsplatzes im Oberdorf – der Findling steht noch am ursprünglichen Platz, er scheint aber schon umgestaltet worden zu sein.


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Volkstrauertag 2020

Kränze der Gemeinde Rickling und der Freiwilligen Feuerwehr Rickling sind niedergelegt worden.

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Die Feuerwehrmänner haben sich entschieden: Sie gedenken ihrer Kameraden – wohl jedes Jahr mit einem letzten Gruß an die toten Soldaten.


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Der Landesverein für Innere Mission

Der Landesverein für Innere Mission in Schleswig-Holstein wurde 1875 von engagierten Bürgern und Pastoren gegründet, um »sozialen Nöten aus christlichem Glauben zu begegnen«. Seit 1883 ist Rickling der Sitz von Einrichtungen des Landesvereins. Fotos und den Textzitate (kursiv) haben wir der Website des Landesvereins zur Ricklinger Geschichte entnommen. Den vollständigen Text lesen Sie hier:

Geschichte des Landesvereins



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Arbeiterkolonie: »Im Jahr 1883 errichtete der Landesverein die erste eigene Einrichtung: die Arbeiterkolonie in Rickling. Es war zu dem Zeitpunkt die dritte Arbeiterkolonie im Deutschen Reich; bis 1929 wurden im Deutschen Reich 57 Arbeiterkolonien gegründet.

Die fortschreitende Industrialisierung und die wirtschaftliche Krise nach den Gründerjahren trieb viele Arbeitssuchende auf die Straße. Ihnen wurde in der Arbeiterkolonie für ihre Arbeitsleistung Unterkunft und Verpflegung angeboten. Eigentliches Ziel war dabei die Vermittlung in feste Arbeitsverhältnisse und die Gewöhnung an ein regelmäßiges Leben.«

Am 26. Juni 1935 wurde das Gesetz zum Reichsarbeitsdienst erlassen. § 1/2: »Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen.« § 3/1: »Der Führer und Reichskanzler bestimmt die Zahl der jährlich einzuberufenden Dienstpflichtigen und setzt die Dauer der Dienstzeit fest.« Junge Männer wurden vor ihrem Wehrdienst für sechs Monate zum Arbeitsdienst verpflichtet. Vom Beginn des 2. Weltkriegs an wurde der Reichsarbeitsdienst auf die weibliche Jugend ausgedehnt.

»Die durch die lange Erwerbslosigkeit der Arbeit entwöhnten Volkgenossen wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern und ihnen die Arbeit lieb zu machen« schrieb der Landesverein 1938 ganz im Jargon der Zeit in seinen Monatsblättern. Die Arbeiterkolonie des Landesvereins war nun zum größten Teil überflüssig geworden, ab 1939 wurden in den Gebäuden psychisch kranke Männer untergebracht.


SH Rickling Maenner web


Trinkerheilstätte: »1887 eröffnete der Landesverein in Rickling die erste stationäre Einrichtung für Suchtkranke in Schleswig-Holstein: die ›Trinkerheilstätte Salem‹.

Im Dritten Reich wurden Suchtkranke zunehmend kriminalisiert. Die nach den Volksgesundheitsbestimmungen verordnete ›Therapie‹ bestand aus dem Prinzip der Abschreckung. Suchtkranke verhielten sich entweder abstinent oder ihnen konnte die Ehe verboten, sie konnten sterilisiert und in konzentrationslagerähnlichen Einrichtungen asyliert werden. 1934 wurde dann die stationäre Behandlung von Alkoholkranken in Salem eingestellt.«

 

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Erziehungsarbeit: Der Schwerpunkt für männliche Jugendliche entstand in Rickling. »1902 wurde diese Arbeit mit der Anstalt ›Burschenheim‹ begonnen. Aufgenommen wurden hier halbwüchsige, in der Regel konfirmierte Jungen, die überwiegend straffällig geworden waren.

Nachdem die Anzahl der Zöglinge stark zunahm, wurde 1906 das Gut Kuhlen, 3 km von Rickling entfernt, erworben und im Gelände die Häuser Falkenhorst und Falkenburg (1910) errichtet. Die jungen Männer wurden eingesetzt zu Kultivierungsarbeiten im Moor, Rodungsarbeiten im Wald, in der Gärtnerei und im landwirtschftlichen Betrieb. Daneben wurde den Jungen die Möglichkeit gegeben, ihren Gesellenbrief in den anstaltseigenen Betrieben wie Schneiderei, Schusterei, Tischlerei, Bäckerei oder Schmiede zu erwerben.

1911 wurde auch die Erziehungsarbeit an jüngeren, schulpflichtigen Jungen – vor allem Sozialwaisen – aufgenommen. Sie besuchten die einklassige anstaltseigene Schule. Nach der Konfirmation wurden die Jungen in Lehrstellen vermittelt.«

»In Folge von Veränderungen im Erziehungswesen wurde die Erziehungsarbeit in Rickling 1934 eingestellt« so steht es auf der Website. Die so neutral beschriebenen »Veränderungen im Erziehungswesen« des NS-Regimes galten dem Ziel die sogenannte »arische« Jugend zu »rassenbewussten Volksgenossen« zu machen, »ihre jugendlichen Körper zu stählen« und sie zu überzeugten Nationalsozialisten zu erziehen.


Barbara Hohmann schreibt über die Erziehung im Nationalsozialismus – »flink wie ein Windhund, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl« auf

www.zukunft-braucht-erinnerung.de



SH Rickling Kirchsaal Linden web2

• Kirchsaal des Hauses Lindenhof

Psychatrische Arbeit: »In den Jahren von 1935 bis 1941 wuchs die Zahl der PatientInnen in den – damals so genannten – ›Ricklinger Anstalten‹ von ca. 400 auf 950, wobei der überwiegende Teil aus Hamburg kam. Im Zusammenhang der Beschlagnahmung des Geländes der Ricklinger Anstalten, des Lindenhofes, als Ausweichkrankenhaus für Hamburg wurden Ende 1941 auf staatliche Weisung 172 Patientinnen nach Pfafferode (Thüringen) verlegt. Von ihnen haben gerade 10 Frauen das Kriegsende überlebt.

Damit das Unrecht, das diesen Frauen geschah, nicht vergessen wird, hat der Landesverein in der Ricklinger Kirche ein Gedenkbuch ausgelegt, in dem ihre Namen, ihre Herkunft vor der Zeit in Rickling, ihre Geburtsdaten, das Datum des Abtransportes nach Pfafferode und das Datum ihres Todes festgehalten sind. Ebenfalls dem Gedenken der Frauen gilt die in der Ricklinger Kirche installierte Tafel mit ihren Namen. Diese mahnt zugleich, nie zu vergessen, dass die Würde des Menschen, wie sie im christlichen Glauben begründet ist, voraussetzungs- und bedingungslos gilt.«


Eckhard Heesch schreibt in ›Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte‹ Nr. 50 über »Kriegsmedizin und Krankenmord. Die ›Aktion Brandt‹ in den ›Holsteinischen Heilstätten für Nerven- und Alkoholkranke‹ in Rickling«.

Wir zitieren zunächst die Website ›t4-denkmal‹ über Karl Brandt:

»Karl Brandt gehört zu den Hauptverantwortlichen der NS-›Euthanasie‹-Verbrechen. [...] Im Oktober 1939 bestellte ihn Hitler, dessen chirurgischer Begleitarzt er seit 1934 war, gemeinsam mit Philipp Bouhler zum Beauftragten für die Euthanasie-Morde. Brandt war nicht nur für Patiententötungen im Rahmen der ›Aktion T4‹, sondern als Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen ab 1942 auch für die dezentralen ›Euthanasie‹-Verbrechen der ›Aktion Brandt‹ verantwortlich. Dabei wurden Patienten von Heil- und Pflegeanstalten verlegt und ermordet, um Bettenkapazitäten für Lazarette und Ausweichkrankenhäuser zu schaffen.

Auf Grund seiner Verantwortung für die ›Euthanasie‹-Verbrechen und zahlreiche medizinische Versuche in den Konzentrationslagern wurde Brandt im Nürnberger Ärzteprozess 1947 zum Tode verurteilt und am 2. Juni 1948 im Kriegsverbrechergefängnis in Landsberg am Lech hingerichtet.«

Link zur Website ›t4-denkmal‹


Eckhard Heesch: »Aus den in Rickling 1931 entstandenen ›Holsteinischen Heilstätten für Nerven- und Alkoholkranke‹ des Landesvereins für Innere Mission in Schleswig-Holstein sind ›gegen Ende des Jahres 1941 [...] etwa 200 Frauen auf Veranlassung der Gemeinnützigen Krankentransport G.m.b.H. nach Pfafferode in Thüringen und etwa 30 Kinder über Pfafferode nach Bethel verlegt worden.‹ [...]

Neben der gezielten Nichtbehandlung der Patienten wurde die Sterblichkeit ›künstlich erzeugt durch Nahrungsmittelentzug, Kälte, ab 1943 wurden die Unterkünfte nicht mehr beheizt, Tabletten und Spritzen‹ in letalen Dosierungen. Nach eigener Auskunft Steinmeyers war die ›Kartoffelration auf 150 Gramm pro Tag herabgesetzt‹ worden. Führten die Ernährungsmangelzustände selbst nicht direkt zum Tode, so begünstigten sie – vergesellschaftet mit der Unterkühlung im Winter und den katastrophalen Hygienebedingungen – tödliche Infektionskrankheiten oder auch andere schwere Erkrankungen, die die massiv geschwächten Patienten nicht überlebten. [...]

Von 1947 bis 1950 betrieb die Kieler Staatsanwaltschaft aufgrund mehrerer Strafanzeigen von Angehörigen mutmaßlich ermordeter Anstaltspatienten ein Ermittlungsverfahren gegen leitende Ärzte schleswig-holsteinischer Heil- und Pflegeanstalten, das ohne eine einzige Anklageerhebung schließlich eingestellt wurde.

Im Rahmen des Verfahrens wurde auch gegen den Ricklinger Anstaltsarzt Dr. Ernst Lüdemann wegen der Beteiligung an den Patientenmorden in Pfafferode ermittelt. Dieses Ermittlungsverfahren wurde ebenfalls eingestellt, da es ›Dr. Lüdemann nicht nachzuweisen [sei], dass er vorher Kenntnis von den späteren Tötungen gehabt und die Tötung der Kranken wissentlich durch Herausgabe gefördert hat.‹«

Der komplette Beitrag als PDF

 

Der Betriebspädagoge Dr. Frank Ragutt widmet sich in seinem Aufsatz »Dorfkirche oder Kirche im Dorf? Der Landesverein für Innere Mission und die Gemeinde Rickling« u.a. der interessanten Frage, wie widersprüchlich der übermächtige Landesverein das Dorfleben in Rickling beeinflusst. Der Landesverein ist größter Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor, es gibt in Rickling mehr Patienten als Einwohner ... was passiert im Dorf:

»Wenn also eine Einrichtung der christlichen Nächstenliebe ansässig ist, die sich nicht nur Bedürftigen vor Ort zuwendet, sondern physisch, psychisch und materiell notleidende Menschen von weit her im Dorf versammelt und mit ihrer Arbeit den Ortsnamen Rickling quasi ›zur Marke macht‹?«

 

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Auch das Wappen von Rickling mit dem Kronenkreuz der Diakonie und dem Pflug als Symbol für die Landwirtschaft hat er in seine Überlegungen einbezogen: »Man kann es auch als Zeugnis einer distanzierten Bindung zwischen zwei Geschwistern lesen. Die Anordnung lässt den Fluss auch als Grenzfluss erscheinen, wie eine Linie, die zwei Geschwister in das gemeinsam bewohnte Kinderzimmer ziehen, um ihre Bereiche voneinander abzugrenzen.«

Aufsatz von Dr. Frank Ragutt: ›Dorfkirche oder Kirche im Dorf?‹


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Medikamentenversuche 1949-75

2018 hatte das Land Schleswig-Holstein eine Studie in Auftrag gegeben, um Einrichtungen auf Medikamentenversuche zu untersuchen. Im Abschlussbericht des Instituts für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Universität in Lübeck über die wissenschaftliche Untersuchung der Praxis der Medikamentenversuche in schleswig-holsteinischen Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie den Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychatrien in den Jahren 1949 bis 1975 wird auf zehn Seiten über die Ricklinger Anstalten berichtet. Dafür waren dort die Archive geöffnet worden. Die Studie belegt, dass auch in Rickling Menschen für Versuche missbraucht wurden.

Studie »Medikamentenversuche«, abgerufen am 3. Mai 2021

Hier der Auszug zu den Ricklinger Anstalten


Unter der Überschrift »Medikamenten-Versuche: Diakonie in SH übernimmt Verantwortung« berichtet der NDR Schleswig-Holstein am 21. April 2021 über die Ergebnisse der Studie zu Medikamentenversuchen in den Ricklinger Anstalten 1949-1975, die damals wie heute in kirchlicher Trägerschaft waren. Landespastor Heiko Naß ist betroffen: »Es beschämt mich, dass so etwas in Einrichtungen der Diakonie in Schleswig-Holstein passiert ist«. Der NDR berichtet: »Landespastor Heiko Naß kennt die Studie und auch die Zitate aus den Stationsbüchern. Seiner Meinung nach wird eine menschenunwürdige Sprache verwendet, die auch zeigt, dass damals ein falsches Menschenbild bestand. ›Die Diakonie und die Kirche stehen zu ihrer Verantwortung‹, sagt er. So ein Umgang mit Menschen sei verwerflich und nicht in Ordnung. [...] Und auf Nachfrage, ob er die Opfer um Entschuldigung bitten wird, sagt er: ›Natürlich werden wir das!‹ Die Diakonie möchte das in einem geeigneten Rahmen machen, um dem Ganzen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.«


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Von der ausgrenzenden zur inklusiven Gesellschaft

Über den Workshop der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein (LAGSH) in Rickling schreibt Heino Schomaker, ehemaliger Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein, im Jahresbericht 2021 des Netzwerk Erinnerungskultur im Bereich der Nordkirche:

»Die Beschäftigung mit der Leitidee der inklusiven Gesellschaft ist im Kontext der Gedenkstättenarbeit bisher vor allem mit einem Fokus auf die Arbeit der KZ-Gedenkstätten verbunden worden. In einem ersten Schritt wurde ein Papier von Helen Ruck erarbeitet, das die Vorstellungen einer inklusiven Gesellschaft konkret auf die NS-Gedenk- und Bildungsarbeit bezieht. Auf dieser Grundlage wurde in 2019 eine umfangreiche Umfrage zum Stand und zum Stellenwert der Inklusion in den Gedenkstätten in Schleswig-holstein gemacht, deren Ergebnisse dokumentiert sind. Im letzten Jahr hat es im Rahmen dieses Arbeitsprozesses eine Exkursion von haupt- und ehrenamtlichen Gedenkstättenmitarbeiter*innen zur ›Euthanasie‹-Gedenkstätte in Lüneburg gegeben. In einem eintägigen Workshop wurden Methoden der Vermittlungsarbeit zur historischen Thematik und mit Bezug zur Gegenwart exemplarisch ausprobiert.

Ziel der Nachfolgetagung am 15. - 16. Oktober 2021 war es, die bisherigen Ergebnisse und Erkenntnisse zu bündeln, weiter zu qualifizieren und in geeigneter Weise für die konkrete Arbeit der Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein (Website: gedenkstaetten-sh.de/lagsh) zur Verfügung zu stellen. Zwei Tage lang diskutierten 34 Teilnehmende aus den Gedenkstätten Schleswig-Holsteins über die Fragestellungen, wie Gedenkstätten bessere inklusive Angebote machen können.

Gastgeber war der Landesverein für Innere Mission in Rickling, der Mitglied der LAGSH ist. Der Ort war doppelt prädestiniert für die Tagung: Auf dem Krankenhausgelände hat im Sommer 1933 ein KZ existiert, in dem insgesamt 189 Menschen inhaftiert waren. Heute steht dort die Gedenkstätte KZ Kuhlen. Die Psychiatrische Einrichtung Rickling war in der NS-Zeit in die Programme der Zwangssterilisationen und Aussonderung involviert. Der theologische Vorstand des Landesvereins führte in die Geschichte ein und berichtete von dem schwerfälligen und langen Prozess, bis sich der Landesverein seiner Täterschaften während der NS-Zeit gestellt hat.

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In einer Führung über das Gelände zeigte er die Gedenktafel in der Kirche, die an die Ricklinger ›Euthanasie‹-Opfer erinnert.«

Der komplette Jahresbericht 2021 des Netzwerk Erinnerungskultur


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Das kirchliche KZ-Kuhlen

In der Chronik der politischen Gemeinde Rickling steht: »In der Zeit vom 27. Juli bis 27. Oktober 1933 befand sich in Kuhlen in einer Baracke des Landesvereins ein Lager für politische Häftlinge – insbesondere für Funktionäre und Anhänger der KPD. Sie wurden ohne Anklage und Gerichtsprozesse in sogenannte Schutzhaft genommen.«

Der Landesverein schreibt auf seiner Website: »Nachdem die Erziehungsarbeit in Rickling eingestellt wurde, verlagerte sich in den dreißiger Jahren der Schwerpunkt in den Ricklinger Einrichtungen hin zur psychiatrischen Versorgung.

Auf den Beginn dieser Arbeit hat der Nationalsozialismus dunkle Schatten geworfen: Von Juli 1933 - Oktober 1933 richteten die Nationalsozialisten das Konzentrationslager Kuhlen in der ›Baracke Falkenried‹ ein. Die Häftlinge wurden in dieser Zeit in der Landwirtschaft des Landesvereins eingesetzt.

1990 setzte der Vorstand des Landesvereins in Anerkennung der Mitschuld an dem Unrecht, das den Menschen im KZ Kuhlen geschah, zur Mahnung einen Gedenkstein an die Stelle der früheren Baracke Falkenried.« 


Bei Wikipedia ist zu lesen: »Am 12. Juli übernahm dann die NSDAP das Arbeitsdienstlager Kuhlen/Falkenried. Ab August 1932 befanden sich 14 SA-Leute der Standarte 213 Segeberg als Erntehelfer und Hofarbeiter auf dem Gutshof.

Errichtung des Konzentrationslagers: Mitte Juli 1933 wies der damalige Landrat Waldemar von Mohl die ersten Häftlinge in das SA-Lager. Über das Lager auf dem Gelände der Rickling-Kuhlen Anstalten wurde am 15. Juli 1933 auf der Titelseite des Segeberger Kreis- und Tageblattes berichtet:

›Das Konzentrationslager in Rickling bietet Raum für 60 und dazu mäßige Kost und Kultivierungsarbeiten in Hülle und Fülle. Wir werden diese Saböteure [sic] des Aufbaues volkswirtschaftlich nützliche Arbeit verrichten lassen. Damit der Geist dabei nicht verkümmert, wird ein langjähriger Parteigenosse Lager-Kommandant Diakon Othmar Walchensteiner nationalsozialistisches Gedankengut gratis reichen.‹

Die offizielle Adresse lautete: ›Landesverein für Innere Mission, Abteilung Konzentrationslager Kuhlen‹. [...]

Am 13. Oktober 1933, drei Tage vor dem Verbot der kommunalen und SA-Lager, wurde das KZ Kuhlen aufgelöst. Die meisten Häftlinge kamen frei, aber etwa 40 Häftlinge wurden in die Emslandlager überführt, wo einige bald starben. [...]

Das KZ Rickling war nach 1945 zweimal Prozess-Gegenstand: 1948 wurde der Stellvertreter des Kommandanten, ein SS-Adjutant aus Neumünster, in Kiel zu einer kurzen Haftstrafe verurteilt. 1976 wurden einem Ex-Gefangenen nach sechsmonatigem Rechtsstreit für seine Haft zwei Monate Rentenausfallzeit anerkannt (eine Wiedergutmachung durch die Innere Mission war nie ein Thema). Obwohl eine 1957 publizierte Karte aller bekannten NS-Konzentrationslager ein nicht näher erklärtes Lager ›Rickling‹ aufführt, wurde die Existenz des KZ Kuhlen erst 1986 durch eine im Selbstverlag herausgegebene Publikation des Diakons Peter Sutter in Rickling der Öffentlichkeit bekannt. Eine nachhaltige Reaktion der Inneren Mission blieb zunächst aus; in einer Festschrift von 1975 hieß es noch, das KZ Kuhlen sei ein ›Konzentrationslager der NSDAP‹ gewesen.«

 

SH Rickling Gedenkstaette KZ Kuhlen web

So sieht die Gedenkstätte mit dem Stein des Landesvereins heute aus: Der Standort der Lagerbaracke ist als Rechteck von 40 x 11 Meter durch eine Buchenhecke markiert. Im Kies des Innenbereichs befindet sich eine Bronzetafel mit der Inschrift: »Fundament der Baracke des Konzentrationslagers Kuhlen. Hier waren von Juli bis Oktober 1933 etwa 200 Männer, fast alle aus Schleswig-Holstein, gefangen. Sie gehörten zu den Ersten, die unter dem Unrechtssystem der Nationalsozialisten litten. Vergib uns unsere Schuld!«.


Elisabeth Höfl-Hielscher verknüpft 2001 in einem Beitrag zum Landesverein für Innere Mission auf HaGalil online die Skandale um die »christlichen ›Fürsorge-Höllen‹« Ende der 20er Jahre mit der Nähe des Landesvereins zur SA und dem KZ-Kuhlen:

»›Das KZ der Kirche‹ war das Lager Rickling/Kuhlen formal zwar nicht, doch es war aufs engste mit der Inneren Mission Schleswig-Holsteins verbunden. Deren Direktor, Oskar Epha, war schon vor der Machtergreifung Mitglied der Reiter-SA; KZ-Verwaltungsleiter war ein Diakon, ›Hausvater‹ Schuba; der Verein führte das KZ-Konto und zahlte den neun SA- und einem SS-Bewacher Kost, Logis plus eine Reichsmark Tageslohn. Er bezahlte auch den SS-Kommandanten, den Österreicher Othmar Walchensteiner, Ex-Diakonschüler und zuletzt Erzieher in einer Diakonenanstalt. Die Innere Mission drückte ihnen nach der Auflösung des KZ die ›Anerkennung für die erfolgreiche Durchführung der Ihnen gestellten, sicher nicht leichten Aufgabe‹ aus.

Ihr gehörte (und gehört) auch das KZ-Gelände – wie der Großteil der Wälder, Felder und Häuser ringsum. Sie sind Teil der ›Ricklinger Anstalten‹, die eine protestantische Brüderschaft Anfang des 20. Jahrhunderts für psychisch Kranke, Problemkinder und Landarbeiter-Lehrlinge gegründet hat. Ende der 20er Jahre waren die Anstalten nach einer Serie von Skandalen in eine Existenzkrise geraten. Die Brüder sahen darin eine Kampfansage der gottlosen Demokratie gegen ihr ›christliches Menschenbild‹. Was sie darunter verstanden, hat das Diakonische Werk vor zwei Jahren in der Jubiläumsausstellung ›Die Macht der Nächstenliebe – 150 Jahre Innere Mission und Diakonie 1848–1998‹ im Berliner Deutschen Historischen Museum selbstkritisch aufgezeigt: Fußketten, Stockschläge, Einzelhaft in vergitterten Zellen, Sprechverbot und Essensentzug als gängige Erziehungsmethoden, ebenso der militärische Tagesablauf mit Marsch zur Kirche, Exerzieren, Appellen und der Schwerstarbeit als Torfstecher. Deswegen war es zu den Weimarer ›Erzieher-Prozessen‹ gekommen. Vor allem die linke Presse hatte ausführlich über die christlichen ›Fürsorge-Höllen‹ berichtet. Als sich noch Unterschlagungen und Missmanagement häuften, waren viele Heime geschlossen worden. Die entlassenen Diakone kamen beim FAD (Freiwilliger Arbeitsdienst) unter, bei der ›Evangelischen Freischar der Arbeit‹ und, sehr häufig gleichzeitig, bei der SA.«

Der Beitrag »Ein lange verdrängtes Kapitel der Geschichte«

Die Ausstellung »Die Macht der Nächstenliebe«



SH Rickling Kuhlen 1933 SKuTageblatt web


Diese Meldung aus dem Segeberger Kreis- und Tageblatt vom 7. September 1933 veröffentlichte Harald Jenner in seiner Untersuchung »Konzentrationslager Kuhlen 1933«. Beauftragt vom Landesverein für Innere Mission in Schleswig-Holstein hat er im Juli 1988 eine gründliche Dokumentation zum KZ Kuhlen vorgelegt. Das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich.

 

Im Zusammenhang mit dem Fall des Ex-Gefangenen, der nach sechsmonatigem Rechtsstreit 1976 für seine Haft zwei Monate Rentenausfallzeit erhielt (siehe oben), schreibt Harald Jenner: »In der Rentenversicherung wird die Zeit eines NS-Konzentrationslager-Aufenthaltes als Ausfallzeit anerkannt, ebenso wie beispielsweise die Arbeitszeit im Reichsarbeitsdienst, in der Wehrmacht und auch in der Waffen-SS.«

Damit endet unsere Dokumentation zur Geschichte des Landesvereins für Innere Mission in Schleswig-Holstein.

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Bischof-Halfmann-Saal

Der schleswig-holsteinische Landesverein für Innere Mission in Rickling benannte 2014 seinen ›Bischof-Halfmann-Saal‹ um.

Der Umbenennung war eine Veranstaltungsreihe zu Bischof Halfmann vorangegangen. Kirchenhistoriker Dr. Stephan Linck, seit 2015 Studienleiter für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit der Ev. Akademie, hatte erklärt, dass Halfmann die antisemitische Überzeugung der Nationalsozialisten geteilt habe. Halfmann, der zur Führung der »Bekennenden Kirche« in Schleswig-Holstein zählte, »habe sich der Judenverfolgung nicht widersetzt und gegen die Entlassung jüdischstämmiger Pastoren nicht protestiert.

Halfmann hat sich nach den Recherchen Lincks in der Nachkriegszeit für die Freilassung von NS-Verbrechern eingesetzt. Linck: ›Heute ist das kaum vorstellbar, aber es war so.‹ Erst als Halfmann in den 60er Jahren öffentlich als Judenhasser diffamiert worden sei, habe er sich vom Antisemitismus distanziert. In einem späteren Privatbrief sprach Halfmann noch von den Juden als Gefahr für das deutsche Volk.«

Zitiert aus dem Bericht (2014) auf nordkirche.de


Die Schleswig-Holsteinische Diakonatsgemeinschaft e.V. in Rickling dokumentiert den Entscheidungsprozess:

Fichtenhofsaal – vormals Bischof-Halfmann-Saal


Der Kontroverse um Wilhelm Halfmanns »Judenschrift« ist auch eine Themenverdichtung in der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945?« gewidmet.

PDF der Seiten im Ausstellungskatalog

Website »Neue Anfänge nach 1945?«


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Gasthof »Zur Doppeleiche«

Auf diesem Foto ist der Gasthof zu sehen, wir kennen ihn schon von den alten Postkarten weiter oben.


SH Rickling Gasthof zur Doppeleiche web


Wer sich nun wundert, warum die Eiche daneben eine Doppeleiche sein soll, dem sei gesagt: ...

 

SH Rickling Doppeleiche web


... die Doppeleiche, die aus zwei Stämmen zu einer gemeinsamen Krone wächst, steht auf der anderen Straßenseite hinter dem Denkmal mit Adler und Kaiserportrait. In der Ricklinger Chronik steht: »Gepflanzt wurden diese Eichen in Schleswig-Holstein 1898 anlässlich des 50. Jahrestages der Erhebung gegen den dänischen König (1848). Es ist jedoch auch möglich, dass die Doppeleiche in Rickling erst 1913 zusammen mit der Einweihung des »Kriegerdenkmals« gepflanzt wurde.« Für Letzteres spricht einiges, wenn man sich die alten Postkarten anguckt.

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Doppeleichen

Sie wurden ab 1898 als Symbol für die Unteilbarkeit Schleswig-Holsteins gepflanzt.

SH Doppeleichen Anzeige web

Anzeige des Gärtners Beck: »Zur Verherrlichung des Nationalgesanges«

»An die Schleswig-Holsteinische Erhebung von 1848 erinnern die so genannten Doppeleichen, die in vielen Dörfern anlässlich des 50. Jahrestages am 24. März 1898 unter besonderen Feierlichkeiten gepflanzt wurden. Sie galten den schleswig-holsteinisch Gesinnten als Sinnbild für Freiheit und Unabhängigkeit von Dänemark sowie für die Einheit von Schleswig und Holstein. Deshalb findet man diese Art von Gedenkbäumen auch nur im nördlichsten Bundesland. Das Privileg von Ripen von 1460 und das Schlagwort ›Up ewig ungedeelt‹ diente dabei den Schleswig-Holsteinern als Grundlage ihres Anspruchs. Die Idee der Doppeleiche kam erstmalig auf dem schleswig-holsteinischen Sängerfest 1844 in Schleswig auf, als das Schleswig-Holstein-Lied erstmalig gesungen wurde; hier heißt es in der 7. Strophe: ›Teures Land, du Doppeleiche, unter einer Krone Dach, stehe fest und nimmer weiche, wie der Feind auch dräuen mag! Schleswig-Holstein, stammverwandt, wanke nicht, mein Vaterland!‹.

Als Standort dieser Bäume wählte man besonders exponierte Plätze in der Dorfmitte oder in der Nähe von Schulen und Gaststätten. Es gab zwei Möglichkeiten, eine Doppeleiche zu schaffen: Entweder pflanzte man zwei Eichen in einem Pflanzloch so eng zusammen, dass aus einer Wurzel die Stämme wuchsen, oder man ordnete die beiden Eichen so an, dass diese aus zwei Pflanzstellen herauswuchsen und im Stammbereich zusammengeführt wurde.«

Telse Stoy, Heimatgemeinschaft Eckernförde e. V., 2014. »Doppeleichen in Schleswig-Holstein«, in: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-261830, abgerufen: 18. Februar 2019

 

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I N H A L T
Das Denkmal
Volkstrauertag 2019
Der Heldentod
Aus der Geschichte
Der Bildhauer Richard Kuöhl
Das Eiserne Kreuz
Die Kaiserkrone
»Lerne vom Militär!«

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Rohlfshagen, Kreis Stormarn

An der Dorfstraße »An de Sylsbek« am Ortseingang

Die kleine, sehr gepflegte Anlage ist den toten Soldaten beider Weltkriege gewidmet.

SH Rohlfshagen weit web


Am 18. Oktober 1925 ist das Denkmal, damals für die sechs toten Soldaten des 1. Weltkriegs, eingeweiht worden. Entworfen hatte es einer der bekanntesten Bildhauer von Kriegerdenkmälern in Norddeutschland: Richard Kuöhl. Er wohnte seit 1943 fest in seinem Sommersitz »Schäferkate« im Rohlfshagener Ortsteil Kupfermühle. Weiter unten mehr.

SH Rohlfshagen Denkmal web


Die kreisrunde Anlage ist von einer beschnittenen Lebensbaumhecke umgeben. Durch eine zweiflügelige Eisenpforte zwischen Granitpfeilern betritt man den kleinen Platz. Das Zentrum der Anlage ist ein großer, gespaltener Findling auf einem niedrigen, quadratischen Sockel aus Bruchsteinen. An seinen Seiten halten zwei hohe Säulen-Lebensbäume die »Ehrenwache«.

 

SH Rohlfshagen Eingang web


Weg und Denkmalsplatz sind mit kleinen Granitsteinen gepflastert. Auf dem Weg kann man die Anlage einmal umrunden.

 

SH Rohlfshagen Findling web2


Auf dem Findling wandern wir von oben nach unten durch das vorige Jahrhundert.

 

SH Rohlfshagen EK web


In der Spitze des Findlings ist ein dreifach gestuftes Eisernes Kreuz eingelassen. Das militärische Ehrenzeichen zeigt uns: hier geht es um tote Soldaten. Das Eiserne Kreuz wird den toten Soldaten von den Denkmalsstiftern posthum verliehen. Der Tod im Krieg wird als Beweis für die »Vaterlandstreue« und die Tapferkeit der Soldaten gewertet, darum wird der militärische Orden hier kollektiv verliehen. Ein Soldat, der lebend oder lebend invalide zurückgekommen ist, erhält ihn nicht ohne »Leistungsnachweis«.

Oben die preußische Königskrone, in der Mitte ein »W« für Wilhelm II und unten »1914«, für das Jahr der erneuten Stiftung des Ordens. Er wurde seit dem 1. Weltkrieg bis 1945 durch eine breite Verleihpraxis zum bekanntesten deutschen Verdienstorden für Soldaten.

 

SH Rohlfshagen Inschrift web


Auch die gusseiserne Widmungstafel ist eingelassen. Sie ist hochrechteckig und hat oben abgeschrägte Ecken. Die Widmung – die erste Zeile ist im Bogen gesetzt – lautet:

Im Weltkriege
1914–1918
starben den Heldentod in Frankreich

Es folgt eine Schmucklinie. Danach sind jedem der sechs Soldaten zwei mittig gesetzte Zeilen zugedacht. Es werden jeweils der Dienstgrad, Vor- und Familiennamen und die Regimentszugehörigkeit genannt. In einer kleiner gesetzten zweiten Zeile folgen Geburts- und Sterbedatum. Die Soldaten sind nach Todestag geordnet.

 

SH Rohlfshagen Inschrift unten web


Nach einer weiteren Schmucklinie folgt eine Zusicherung der Überlebenden:

In treuem Gedenken
die dankbare Gemeinde Rohlfshagen.

 

SH Rohlfshagen 2WK web


Am Fuß des Findlings wurden 1958 einzelne Ziffern und Buchstaben angebracht:

1939—1945
DEN OPFERN
DES ZWEITEN
WELTKRIEGES

Laut Lübecker Nachrichten vom 31. Mai 1958 ist wiederum Bildhauer Richard Kuöhl mit der Erweiterung beauftragt worden. Die Gedenkstätte solle durch »Anbringen von Tafeln für die Gefallenen des zweiten Weltkriegs ausgestaltet werden.« Zu »Tafeln« ist es nicht gekommen. Aus welchem Grund wissen wir nicht.


Das Eiserne Kreuz als militärisches Ehrenzeichen oben am Findling lässt keinen anderen Schluss zu: hier sind tote Soldaten gemeint. Das verursacht Unbehagen in der heutigen Zeit, in der man von den Verbrechen der deutschen Wehrmacht weiß. Ist die Interpretation, mit »Den Opfern« seien alle Kriegsopfer, nicht nur Soldaten, gemeint, die Lösung? Der Historiker Klaus Latzel lehrt an der Technischen Universität Braunschweig. Er meint dazu in ZEITGeschichte 4/2018:

»Nach diesem Krieg und nach der erneuten Niederlage war an eine positive Sinnstiftung oder gar Verklärung des Kriegstodes, den zudem nun auch viele Zivilisten gestorben waren, nicht mehr zu denken. Die bundesdeutsche Erinnerung behalf sich mit einem abermaligen Rückgriff auf die Opferidee: Der ›Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft‹ zu gedenken wurde allmählich zur Standardformel. [...] Nun war aber der Krieg, nun war die Wehrmacht, die ihn führte, zugleich Bestandteil dieser Gewaltherrschaft – sind die Angehörigen der Wehrmacht also Opfer ihrer selbst? Und war Roland Freisler, der 1945 in Berlin durch einen alliierten Luftangriff starb, ebenso ein Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wie die Widerstandskämpfer, die er zuvor als Präsident des Volksgerichtshofs an den Galgen geschickt hatte?«

 

SH Rohlfshagen linksrum web


Der Weg führt um die kleine Anlage herum – immer an der Lebensbaumhecke entlang.

 

SH Rohlfshagen unten web


Der besonders gezeichnete Findling von hinten ... und wir sehen: Die Lebensbäume sind nur von vorne in Saft und Kraft zu sehen.

 

SH Rohlfshagen Bach web


Hier ein Blick ins Tal des Flüsschens Sylsbek. Die Denkmalsanlage steht an einem besonders hübschen Fleck.

 

SH Rohlfshagen rechtsherum web

Der Weg führt uns wieder vor das Denkmal, wir sehen, dass um die Anlage herum Granitpfeiler eine Eisenband-Umfriedung halten.

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Volkstrauertag 2019

»In stillem Gedenken« haben die Vertreter der Gemeinde Rümpel, zu der Rohlfshagen seit 1978 gehört, auf die Kranzschleife geschrieben.

SH Rohlfshagen VTT 2019 web


»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.29

»Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«

Ralph Giordano, Die zweite Schuld

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Der Heldentod

»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

• Kurt Tucholsky

»Prinzipiell existieren keine Helden, sondern sie werden per Zuschreibung von außen dazu gemacht. Dies erkennt man bereits daran, dass heute andere Menschen als Helden gelten, als zur Zeit des 1. und  2. WK. Es handelt sich um eine Konstruktion, die einen bestimmten Zweck erfüllen soll, denn nicht jeder Soldat ist ein Held. Auch werden andere am Krieg direkt oder indirekt Beteiligte (Dichter, Ärzte, Hausfrauen, Invaliden usw.) deutlich seltener als Helden verehrt – von Kriegsgegnern ganz zu schweigen.«

www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden/Gedenkorte-fuer-Verstorbene-der-Weltkriege


»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. Das soll die Hinterbliebenen stolz machen. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 89


»Jedes Gedenken der Gefallenen, also Ermordeten, ohne die klare Ableugnung der Kriegsidee ist eine sittliche Schande und ein Verbrechen an der nächsten Generation.«

Kurt Tucholsky

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Aus der Geschichte

Als das Denkmal am 18. Oktober 1925 eingeweiht wurde, stand es an einem anderen Ort, an der Lindenallee / Ecke »An de Sylsbek«.


SH Rohlfshagen StA2 webFoto: Kreisarchiv Stormarn, Fotograf Raimund Marfels, Lizenz 4,0


Auf dem Foto von 1958 ist schon die Widmung zum 2. Weltkrieg ergänzt. Sockel und Denkmalsplatz sahen allerdings anders aus: der Sockel hatte hervorgehobene Fugen, wie es nach dem 1. Weltkrieg modern war, sogenannte Krampfaderfugen. Der Platz um das Denkmal war mit Bruchplatten belegt.

 

SH Rohlfshagen StA1 webFoto: Kreisarchiv Stormarn, Fotograf Raimund Marfels, Lizenz 4,0


Dies ist ein Foto aus dem Jahr 1968, die Denkmalsanlage steht jetzt – wie heute mit einer kreisrunden Einfriedung – an einer schnellen Asphaltstraße. Die Lindenallee ist ausgebaut worden.

Beim Neubau der Ortsdurchfahrt 1974 wurde die Anlage an den heutigen Standort verlegt.

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Der Bildhauer Richard Kuöhl

Im Stormarn Lexikon lesen wir: »1931 erwarb der Bildhauer als Sommersitz die sogenannte Schäferkate im Rohlfshagener Ortsteil Kupfermühle bei Bad Oldesloe. Am 03.08.1937 beantragte Kuöhl die Aufnahme in die NSDAP. Nach der Zerstörung seines Hamburger Ateliers durch die Bombenangriffe im Juli/August 1943 verlegte Kuöhl Wohn- und Arbeitssitz nach Kupfermühle. Zudem betrieb er eine Werkstatt im ehemaligen Gerichtsgefängnis von Bad Oldesloe. Nach dem Ende der NS-Diktatur wurde ihm wegen seiner Arbeiten für nationalsozialistische Auftraggeber die Aufnahme in den wiedergegründeten Berufsverband der Hamburgischen Künstlerschaft verweigert. [...]

Richard Kuöhl zeigte in seinen zahlreichen, fast seriell produzierten Arbeiten vielseitiges handwerkliches Können. Er passte sich dem jeweils herrschenden Kunstgeschmack und seinen Auftraggebern an. Zu seinem stilistischen Repertoire zählen naturalistische und expressionistische Figuren, Arbeiten im Bereich der Neuen Sachlichkeit und Werke im Sinn der nationalsozialistischen Kunstideologie. Sein Oeuvre reicht von Kleinkeramiken und -plastiken sowie Terrakottareliefs über figürliche Darstellungen und Brunnen bis hin zu zahlreichen, zunächst monumental-heroisierenden, nach dem Zweiten Weltkrieg christlich geprägten Kriegs- und Ehrenmälern. [...]

In der öffentlichen Diskussion bekannt und umstritten ist Kuöhl durch sein 1936 in Hamburg eingeweihtes 76er-Denkmal, dessen Aufstellung vom Hamburger Senat am 19.09.1934 genehmigt worden war. Mit seinen marschierenden Soldaten und der Inschrift ›Deutschland muß leben, auch wenn wir sterben müssen‹ gilt es als kriegsverherrlichend im Sinn der nationalsozialistischen Auftraggeber.«

Link zum Stormarn Lexikon

 

SH Rohlfshagen Kuoehl webFoto: Kreisarchiv Stormarn, Fotograf Raimund Marfels, Lizenz 4,0

1960: Bildhauer Richard Kuöhl in seinem Garten im Rohlfshagener Ortsteil Kupfermühle

Wir haben einige von Kuöhls Werken, die er im Sinn der nationalsozialistischen Kunstideologie geschaffen hat, auf dieser Website dokumentiert. Unter anderem:

Hamburg Dammtor
Hamburg Langenhorn
Schleswig-Holstein Lübeck
Schleswig-Holstein Rendsburg
Schleswig-Holstein Wilster


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu  d e m  deutschen Orden.

Eisernes Kreuz 1WK Kaiser web4
    

• »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

Am 26. November 2018 hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrem Tagesbefehl ein Veteranenabzeichen eingeführt. Am 15. Juni 2019 sind die ersten Abzeichen ausgehändigt worden. Am 10. Januar 2020 meldet das ›Bundeswehrjournal‹, dass bisher rund 35.700 Anträge auf ein Veteranenabzeichen eingegangen sind.

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Foto: Doc.Heintz/Wikimedia Commons


Überreicht wird das Abzeichen mit einem Dankesschreiben des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr:

»... Dieser Dienst in der Bundeswehr verdient hohen Respekt und große Dankbarkeit, welche auch in der Gesellschaft spürbar und sichtbar werden soll. Das Veteranenabzeichen stellt die Werte in den Vordergrund, die uns alle verbinden: Kameradschaft und Pflichterfüllung im treuen Dienst an der Gesellschaft ...«

Ein anonymisiertes Anschreiben bei Wikipedia


Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

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2018: ein Schaufenster auf der Reeperbahn in Hamburg

 
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Die Kaiserkrone

So detailreich wird sie auf dem Eisernen Kreuz von Rohlfshagen dargestellt:

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Wilhelm I. aus dem Haus Hohenzollern war ab 1871 der erste Deutsche Kaiser. Wilhelm war in Preußen unter dem Namen Prinz von Preußen im Jahr 1840 Thronfolger und ab 1858 Prinzregent geworden. Ab 1861 König von Preußen, wurde er 1867 Präsident des Norddeutschen Bundes, aus dem 1871 das Deutsche Kaiserreich hervorging.

Mit der Gründung des kleindeutschen Nationalstaates 1871 stellte sich auch die Frage nach dessen symbolischer Repräsentation. Während des 19. Jahrhunderts wurde die Reichskrone zum Symbol des (groß-)deutschen Kaisertums, was sich in einer Flut von nationalen Bildern und Werken, die Darstellungen der Reichskrone aufweisen, zeigt. Für die neue kleindeutsche Monarchie unter preußischer Führung kam die Übernahme der Reichskrone nicht in Betracht. Zum einen befand sich die Reichskrone seit den napoleonischen Kriegen im Besitz der Habsburger und stand dem neuen Reich somit nicht zur Verfügung, zum anderen war sie durch ihr theologisches Programm und ihren reliquienhaften Charakter ein Ausdruck katholischen Glaubens und daher nicht für ein neues protestantisches Kaisertum geeignet. Die Verwendung einer einfachen heraldischen Mitrenkrone war aus denselben Gründen ebenso ausgeschlossen.

Man entwickelte eine eigene Kaiserkrone, die sich in der Form zwar an die Reichskrone anlehnte, aber sich auch bewusst von ihr unterschied.

Nach Wikipedia, abgerufen am 30. März 2019


Das Kreuz auf der Spitze der Krone zeigt: der deutsche Kaiser war als preußischer König »von Gottes Gnaden« zugleich Oberhaupt der evangelischen Landeskirche.

Ein Gespräch mit dem Kirchenhistoriker Christoph Markschies



SH Schmalensee Krone David Liuzzo Wikimedia Commons web
Foto: David Liuzzo / Wikimedia Commons

Krone des Preußisch-Deutschen Kaisers. Photographie des Holzmodells von 1872, bis 1940 ausgestellt in Schloss Monbijou, Berlin. Der Verbleib des Modells ist unbekannt.


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»Lerne vom Militär!«

Sechs Soldaten aus Rohlfshagen sind über die Jahre des 1. Weltkriegs zu Tode gekommen:

Utffz. Hans Holm R.J.R.31
Musk. Ernst Barekmann J.R.163
Musk. Heinrich Arlt J.R.363
Musk. Walther Plambeck R.J.R.4
Musk. Franz Düwiger J.R.50
Musk. Wilhelm Böhmke J.R.51

Die Dienstgrade und Regimentseinheiten, die uns heute wie böhmische Dörfer vorkommen, kannte damals jedes Kind. Im Kaiserreich blühte der Militarismus: so schneidig wie die preußischen Soldaten sollte die gesamte Gesellschaft sein: vom Greis bis zum Knirps. Unbedingter Gehorsam war das Ziel.

MP Zehlendorf Kinderkarte web


»Bereits die Kinder wuchsen in einer militarisierten Umgebung auf. Kriegsspiele waren äußerst beliebt. In kaum einem Kinderzimmer fehlte ein Satz Bleisoldaten, ebenso gehörte der Matrosenanzug zur Grundausstattung. Zu Weihnachten sangen die Kleinen: ›Morgen kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben, Trommel, Pfeifen und Gewehr, Fahn’ und Säbel und noch mehr, ja ein ganzes Kriegerheer möcht ich gerne haben.‹ In der Schule setzte sich die Einübung militärischer Denk- und Verhaltensmuster fort. Vielerorts glich das Schulleben einem zackigen Paukbetrieb, der wenig Raum ließ für Spontanität und Kreativität. [...]

›Lerne vom Militär!‹ – so lautete das Mantra der pädagogischen Fachliteratur. Das Aufstehen der Schüler beim Eintreten des Lehrers ins Klassenzimmer habe ›mit einem einzigen Ruck zu geschehen‹ und müsse ›klappen wie ein Bataillonstritt bei der Parade‹, hieß es in einem Lexikon der Pädagogik. Im ›Gänsemarsch mit regelrechtem Soldatenschritt‹ müssten die Schüler in den Pausen das Klassenzimmer verlassen und ›zwei und zwei im Schulhof ordnungsgemäß auf und ab marschieren‹.«

Volker Ullrich, ZEITGeschichte 4/2018, S. 45

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I N H A L T
Das Denkmal
Volkstrauertag 2019
Die Inschriften
Aus der Geschichte
Zwei Steine zur Deutschen Einheit
Der Stahlhelm
Das Eiserne Kreuz
Die Eiche

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Rümpel, Kreis Stormarn

In der Dorfmitte an der Lindenstraße

Auf einer größeren Freifläche befindet sich die vieleckig eingefriedete Gedenkanlage unter einer gewaltigen Eiche.

SH Ruempel weit web


Zwischen den aufgemauerten Eckpfeilern ist ein Lattenzaun angebracht, höhere Eingangspfeiler halten die zweiflügelige Metallpforte. Das zentrale Denkmal in der Anlage ist den toten Soldaten beider Weltkriege gewidmet.

SH Ruempel naeher web


Um das Denkmal sind ein abgegrenzter Sandplatz, drumherum bepflanzte Beete angelegt worden.

SH Ruempel Denkmal web


Das Monument ist fast wie ein Puzzle aus vielen Elementen zusammengesetzt. Dem klotzigen Sockel aus einem mehrstufigen Quadermauerwerk sind zwei Betonstelen zur Seite gestellt. In den Sockel sind zwei helle Granitplatten eingelassen, obenauf thront ein rötlicher, unten begradigter Findling.

Alle Inschriften sind bei unserem Besuch 2019 sehr verwittert und teilweise mit Flechten bewachsen.

SH Ruempel StA 1967 Inschriften webFoto (Ausschnitt): Kreisarchiv Stormarn, Lizenz 4,0

Um sie sichtbar zu machen, stellen wir den Auschnitt eines Fotos von 1967 aus dem Stormarner Archiv voran.

SH Ruempel Findling web


In den Findling wurde oben ein Eisernes Kreuz in Kontur eingemeißelt. Das militärische Ehrenzeichen sagt uns, dass es hier um tote Soldaten geht. Es wurde den Soldaten hier posthum und kollektiv verliehen, Tapferkeit und Mut werden durch den Tod als erbracht angenommen. Darunter steht die Zuschreibung:

FÜR EUCH

Es folgen in zarter Schrift links die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs (nachträglich eingemeißelt) und rechts die des 1. Weltkriegs:

1939         1914
– 1945      – 1918

SH Ruempel Helm web


Die obere Tafel im Sockel zeigt das Relief eines Stahlhelms mit Kinnriemen, er liegt auf Lorbeerzweigen – symbolisch für Ehre und Sieg.

SH Ruempel Inschrift unleserlich web


Auf der Granitplatte unter dem Relief kann man die Widmung heute fast nicht mehr entziffern. In früheren Jahren ist sie dokumentiert worden:

Unseren gefallenen Helden zur Ehre
Den trauernden Angehörigen zum Trost
Den heimgekehrten Kameraden zur
Erinnerung

Der heranwachsenden Jugend zur
Nacheiferung

Der dankbaren Gemeinde zum Stolz

SH Ruempel Namen web


Im oberen Teil der Stelen sind jeweils in einer Zeile die Vor- und Familiennamen, die Todestage und die militärischen Einheiten der 25 Soldaten aus Rümpel dokumentiert. 13 links, 12 rechts. Hinter den Todestagen ist vermerkt, wo die Soldaten umgekommen sind: An der Ostfront (O = 7 Soldaten), an der Westfront (W = 13), an der Westfront vermisst (W verm. = 3) und im Lazarett gestorben (Laz. = 2).

SH Ruempel Halter web


Darunter ist an jeder Stele ein geschwungener Metallhaken für Kränze angebracht.

SH Ruempel seitlich web


Von der Seite sieht man erst wie flach das Monument ist und wie übermächtig die Eiche.

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Noch ein Blick von hinten. Der kleine Findling schräg hinter der grünen Gieskanne wird weiter unten besprochen.

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In unmittelbarer Nachbarschaft steht das Feuerwehrhaus. Feuerwehrleute fühlen sich meist traditionell mit den Soldatenkameraden verbunden, besonders beim Zeremoniell am Volkstrauertag. Hier in Rümpel pflegen sie auch die Denkmalsanlage.

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Volkstrauertag 2019

»In stillem Gedenken« haben die Vertreter der Gemeinde in Rümpel und in Rohlfshagen auf die Kranzschleife geschrieben.

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»Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.29

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Die Inschriften

FÜR EUCH

Sind die Soldaten für uns gestorben? Hier wird von den Denkmalsstiftern Dankbarkeit »von uns« eingefordert.

»Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«

Ralph Giordano, Die zweite Schuld


Unseren gefallenen Helden zur Ehre
Den trauernden Angehörigen zum Trost
Den heimgekehrten Kameraden zur Erinnerung
Der heranwachsenden Jugend zur Nacheiferung
Der dankbaren Gemeinde zum Stolz

Im Duktus der Widmung des »Nationaldenkmal für die Befreiungskriege« werden hier in Rümpel sogar fünf Gruppen angesprochen. 1821 hatte der preussische König Friedrich Wilhelm III. das Denkmal auf dem Kreuzberg in Berlin errichten lassen:

Der König dem Volke,
das auf seinen Ruf hochherzig
Gut und Blut dem Vaterlande darbrachte.
Den Gefallenen zum Gedächtniß,
den Lebenden zur Anerkennung,
den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung

Der Text von 1821 findet sich seitdem in Variationen auf vielen Kriegerdenkmälern. Nach dem 1. Weltkrieg ist neben der Heldenverehrung meistens die Forderung nach Revanche für den »aufgezwungenen Schmachfrieden von Versailles« dabei. 

»Wir Toten fordern als unser Recht, die alte Treue vom neuen Geschlecht« so steht es auf dem Kieler Nordfriedhof und an zahlreichen anderen Orten, vielfach wurde der Spruch verkürzt auf die Formel »Treue um Treue«, wie in Kiel-Holtenau. Andernorts wurde offen die Revanche gefordert: »Möge aus ihren Gebeinen der Rächer erstehen« in Altenkirchen/Rügen) oder in Hörnerkirchen: »Wir sind die Saat, von Deutschland ausgesät / mit bebender Hand. / Wollt ernten ihr, so gebt euch hin wie wir / dem Vaterland« und in Rümpel: »Der heranwachsenden Jugend zur Nacheiferung«.

Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung werden die Parlamentsdebatten zum Versailler Vertrag beschrieben:

»In den folgenden Jahren nutzten fast ausschließlich NSDAP-Abgeordnete, wie Franz Stöhr, Wilhelm Kube und Gregor Strasser, den Begriff ›Schmachfrieden‹ und instrumentalisierten den Versailler Vertrag, um gegen die Republik und die Demokraten zu agitieren. Der Sozialdemokrat Kurt Löwenstein brachte es im Juni 1925 auf den Punkt: ›Die Herren von rechts (…) wollen (…) auf den Krücken des ›Schmachfriedens von Versailles‹ die schwärmerische Jugend im Geiste der Revanche erziehen und durchbilden.‹«

Link zu dem sehr empfehlenswerten Beitrag

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Aus der Geschichte

Wie so oft werden uns historische Fotos von Kriegerdenkmälern über alte Postkarten bekannt.

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Auch das Rümpeler Denkmal ziert eine Postkarte, die das Dorf repräsentieren soll: Hier der Auschnitt einer undatierten Karte. Das Eiserne Kreuz ist auffällig mit weißer Farbe ausgemalt.

SH Ruempel StA 1967 webFoto: Kreisarchiv Stormarn, Fotograf Raimund Marfels, Lizenz 4,0

1967: Das komplette Foto aus dem Stormarner Archiv, wir haben es weiter oben schon als Ausschnitt gezeigt. Verblüffend: das Blumenkastenarrangement vor dem Denkmal hat sich bis heute erhalten.

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Zwei Steine zur Deutschen Einheit

Der kleine, spitze Feldstein neben seinem »großen Bruder«, dem Weltkriegsdenkmal, ist dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gewidmet. Minimalistisch ist

1870 – 71

auf ihm zu lesen. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 war eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits. Das nach dem militärischen Sieg nun im Kaiserreich vereinte Deutschland feierte u.a. mit der alljährliche Zeremonie des Sedantages, in Sedan fand die entscheidene Schlacht statt.

SH Ruempel 70 71 web

Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. die französischen Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.

Von den großen Schlachten gingen im gesamten Kriegsverlauf alle für Frankreich verloren oder endeten im Patt. Im Februar 1871 fand sich die französische Regierung, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit.

Noch während Paris von deutschen Truppen belagert wurde, proklamierten die deutschen Fürsten und Vertreter der Freien Städte am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser, eine Demütigung für die Franzosen. Hohe Reparationszahlungen und vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich.


»Die Deutung der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Versailler Spiegelsaal als Demütigung Frankreichs gehörte ebenso zum erinnerungspolitischen Konzept des im Kaiserreich vereinten Deutschland wie die alljährliche Zeremonie des Sedantages, an dem der entscheidende Sieg vom 2. September 1870 gefeiert wurde. Doch jede Demütigung zieht die nächste nach sich, und so muss es kaum verwundern, dass Frankreich im Sommer 1919 nach Beendigung des Ersten Weltkrieges seinen Sieg über Deutschland ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles auskostete. Es gehört sicherlich zu den grössten Verdiensten Charles de Gaulles, dass er nach 1945 kein «drittes Versailles» folgen liess, sondern mit dem Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 die Kette gegenseitiger Demütigungen durchbrach.«

Historiker Clemens Klünemann in Neue Zürcher Zeitung, 9.1.21

 

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Kurios: Der Stein mit fast gleicher Größe und Form zum 3. Oktober 1990 sieht mindestens genauso alt aus. Die Inschrift:

DEUTSCHE
EINHEIT
3. OKTOBER
1990

An diesem Tag feierten die Deutschen die Vereinigung ihrer beider Staaten. Damit war knapp ein Jahr nach dem Mauerfall die Teilung Deutschlands nach über 40 Jahren beendet.

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Der Stahlhelm

Der lorbeerbekränzte Stahlhelm schien den Denkmalsstiftern in Rümpel das passende Symbol zu sein, um ihre »gefallenen Helden« des 1. Weltkriegs zu ehren.

Die neuen Methoden der Artilleriekampfes hatten im 1. Weltkrieg zu einem erbitterten Stellungskrieg geführt.

Mehr zum »Modernen Krieg« auf www.regionalgeschichte.net


Er erforderte einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Ein neuer Helm aus Stahl wurde entwickelt, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30.000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.

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Die Einführung eines Stahlhelms für die Bundeswehr im Juni 1956 war ein Politikum. Den Forderungen des Militärs nach einem wirksamen Kopfschutz für die Soldaten wurde nur sehr zögerlich entsprochen. Unter keinen Umständen sollte der Helm für die Bundeswehr auf Konstruktionen beruhen, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.

Für den aktuellen »Gefechtshelm, allgemein«, der am 15. Januar 1992 eingeführt wurde, galten diese politischen Bedenken nicht mehr. Der Helm sollte unter Wahrung der modernsten militärischen Gesichtspunkte auch alle Vorteile des Stahlhelms M35 in sich vereinigen.

Die Stahlhelme der alten Form blieben weiterhin im Gebrauch beim Bundesgrenzschutz und der Polizei.

Im Internet bieten eine Menge Militaria-Händler »Original-Stahlhelme der Deutschen Wehrmacht« zum Kauf an. Auch ein »Kinderhelm wie Stahlhelm M35 Wehrmacht Luftwaffe« für 190 Euro ist im Angebot. Ein T-Shirt, das Amazon anpries mit dem Aufdruck »SS-Stiefel, die besten Wanderschuhe aller Zeiten« wurde erst nach scharfen Protesten aus dem Sortiment genommen.

»Früher musste der Wehrmachtsfan noch in schmuddelige Militaria-Läden schleichen oder dreimal nachdenken, ob er seine Adresse bei einschlägigen rechtsextremen Versandhäusern hinterlassen will. Dank Amazon genügt jetzt ein Klick und der Wehrmachtsstahlhelm liegt auf dem Gabentisch«, empört sich die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke auf www.stimme.de. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagt dazu: »Ein angemessener Schritt wäre, die bisherigen Gewinne aus diesen Produkten an Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu spenden.«

Mehr dazu auf www.stimme.de: Stahlhelm unterm Christbaum


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden. Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Soldaten der Wehrmacht kämpfen nicht nur pflichtschuldig  und gehorsam. Ohne die Gefühlswelt aus Stolz, Ehre und Männlichkeit ist nicht zu erklären, warum so viele an die Front streben – und dem Krieg bis zum Untergang verhaftet bleiben. (Frank Werner in ZEITGeschichte 4/2018)

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Geschickte Propaganda: Begehrenswerte Ordensbrust in »Die Woche« Januar 1940.


Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.


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Die FriedensEiche

Horst Ostermann schreibt in »Rümpel, Rohlfshagen, Höltenklinken – Eine Heimatgeschichte« auf Seite 48, dass das »Ehrenmal« in Rümpel im Juni 1922 unter der Friedenseiche eingeweiht wurde. Friedenseiche?

Nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg forderte die Regierung im Deutschen Kaiserreich dazu auf, Friedenseichen zu pflanzen und zu pflegen, damit »dieses Sinnbild deutscher Kraft und deutscher Treue sich in aller Herrlichkeit entwickeln könne und künftigen Geschlechtern Gelegenheit geben würde, sich in seinem Schatten dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern.«

SH Ruempel alt Eiche webFoto: Kreisarchiv Stormarn, Lizenz 4,0

Denkmal und Eiche Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts.


In vielen Dorfchroniken wird der Eintrag im Amtsblatt des Regierungs-Vizepräsidenten dazu dokumentiert: »Den Herren Landräten gebe ich zur gefälligen Erwägung anheim, ob es sich nicht empfehlen möchte, in geeigneter Weise darauf hin zu wirken, dass (sofern die Boden- und klimatischen Verhältnisse es gestatten) zur Erinnerung an die gewaltigen Ereignisse des letzten Jahres, ähnlich wie das an vielen Orten nach Beendigung der Freiheitskriege und vor einigen Tagen in Bremen geschehen ist, in den verschiedenen Guts- und Gemeindebezirken unter angemessenen Feierlichkeiten, insbesondere unter Zuziehung der Schuljugend möglichst hochstämmige Friedenseichen gepflanzt werden.

Selbstverständlich muss es dann aber auch von den betreffenden Gemeinden als Ehrensache angesehen werden, diese Friedenseichen zu schützen und zu pflegen, damit dieses Sinnbild deutscher Kraft und deutscher Treue sich in aller Herrlichkeit entwickeln kann und künftigen Geschlechtern Gelegenheit gegeben wird, sich in seinem Schatten dankbar der Helden von 1870 und 1871 zu erinnern.«

Der Landrat des Kreises Schleswig gab diese Empfehlung zum Beispiel im Kreisblatt weiter: »Vorstehende Aufforderung unterlasse ich nicht, auf diesem Wege zur Kunde der Eingesessenen des Kreises zu bringen und ersuche die Gemeindevorstände sowie auch die Herren Prediger dafür sich interessieren wollen, dass die darin enthaltene Idee in geeigneter Weise in den Gemeinden des Kreises zur Ausführung komme.«


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