VIELFALT IN DER STADT

Kriegerdenkmäler in Hamburg

So unterschiedlich die ästhetisch-künstlerische Gestaltung, die Texte und Inschriften der Kriegerdenkmäler in Hamburg auch erscheinen mögen, gemeinsam sind den meisten die nachträgliche Stilisierung der getöteten Soldaten zu Helden und die Legitimation des Krieges als Kampf für Volk, Kaiser und Vaterland. Eine Absage an Krieg und Militär und ein Bewusstsein von Verantwortung und Schuld findet sich nicht.

Die meisten davon sind nach dem 1.Weltkrieg errichtet worden: auf öffentlichen Plätzen, neben Kirchen, auf Friedhöfen. Alle diese Denkmäler sind über viele Jahrzehnte Orte der Kriegsverherrlichung gewesen und in der Regel bis heute gut erhalten. Nur sehr wenige sind neu oder umgestaltet worden.

Ein Klick auf das Bild öffnet die Spalte mit Texten und Fotos zum Denkmal. Haben Sie weitere interessante Informationen oder historische Bilder zu den vorgestellten Kriegerdenkmälern? Dann würden wir sie gerne auf dieser Seite veröffentlichen.

Ein Klick auf den schwarzen Balken am Anfang der Denkmaldokumentation von

Bramfeld   Dammtor    Ottensen

öffnet die Berichte über die temporäre Kunstaktion der Evangelischen Akademie in Zusammenarbeit mit dem KunstHaus am Schüberg im Sommer 2014: »Kriegerdenkmäler – Stumme Zeugen ins Gespräch bringen«.

Fotos: Marlise Appel, Evangelische Akademie der Nordkirche, wenn nicht anders angegeben.

 


I N H A L T
Das Denkmal
Volkstrauertag 2018
Opfer oder Täter?
Die Geschichte
Historische Postkarte
»Unseren Gefallenen«
Trauernde Frauen
Carl M. Geiling
Ein Workshop im Dezember 2018

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Lohbrügge

Vor der Erlöserkirche, Lobrügger Kirchweg

Auf dem Weg zur Kirche passiert man das Denkmal für die toten Soldaten beider Weltkriege. Ursprünglich stand es direkt vor der Kirche, 1961 ist es im Zuge einer Umgestaltung der Kirchenanlagen versetzt worden.

 

HH Lohbruegge Kirche mit Kirche web


In einer flachen Umrandung steht ein vielstufiger, 1,40 m hoher Sockel mit quadratischem Grundriss – wie die Umrandung am Boden mit Klinkersteinen gemauert.

HH Lohbruegge Kirche ganz web 1    


Auf dem Sockel steht die Bronzeskulptur einer junge Frau in einem Hauch von Gewand. Sie hockt mit den Unterschenkeln auf einem angedeuteten Felsstein, mit gesenktem Kopf betrauert sie die toten Soldaten. Der Maler und Bildhauer Carl M. Geiling aus Düsseldorf hat sie für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs geschaffen. Das Denkmal ist am 6. November 1927 enthüllt und eingeweiht worden, Pastor Marnitz hielt die Weiherede. Es wurde mit den Einnahmen von Konzerten und Spenden finanziert.

 

HH Lohbruegge Kirche Rose web


Die Rose in ihrem Schoss, die sie lose hält, ist ein fast obzöner Hinweis auf die Freuden, die den toten Soldaten mit ihren zurückgebliebenen Frauen entgangen sind.

 

HH Lohbruegge Kirche Tafel web


Die schlichte aufgesetzte Bronzetafel ist 1961 erneuert worden, nun trägt sie die Widmung:

Unseren Gefallenen
1914 – 1918
1939 – 1945

Die Grünanlagen um die Kirche wurden in diesem Jahr von der Firma Großmann neu gestaltet. Zum Kirchenportal führen nun Treppenstufen, das Denkmal wurde vor die Stufen gesetzt.

 

HH Lohbruegge Kirche von hinten web2    


Auch die Rückseite ist detailreich gearbeitet: Frisur, Schleife, jede Falte ist genau definiert.

 

HH Lohbruegge Kirche Fuesse web


Was will der Künstler uns mit diesen auffälligen nackten Füßen sagen? Soll die Unschuld der jungen Frau betont werden? Gehört zur Trauer die Qual vom Hocken auf hartem Untergrund und barfußlaufen? Ist sie eine Nymphe, griechisch für Braut, junge Frau, heiratsfähiges Mädchen? Laut Wikipedia ist eine Nymphe in der griechischen und römischen Mythologie ein Naturgeist. Im weiteren Sinne wird die Bezeichnung auch für Priesterinnen gebraucht. In der griechischen Mythologie sind Nymphen weibliche Gottheiten niederen Ranges, welche als Personifikationen von Naturkräften überall auftreten, teils als Begleiterinnen höherer Gottheiten.

 

HH Lohbruegge Kirche Signatur web


An der Seite das auffällige Signet von Carl M. Geiling.

 

HH Lohbruegge Kirche von der Kirche web


Der Blick vom Portal der Erlöserkirche auf das Denkmal.

»Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«

Ralph Giordano, Die zweite Schuld


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Volkstrauertag 2018

Opfer- und Tätergedenken an einem Ort – eine gute Idee?


HH Lohbruegge VTT 2018 web2    

»Die ›Opfer‹ gelten als solche von ›Krieg und Gewaltherrschaft‹. Nun war aber der Krieg, nun war die Wehrmacht, die ihn führte, zugleich ein Bestandteil dieser Gewaltherrschaft – sind die Angehörigen der Wehrmacht also Opfer ihrer selbst? Und war Roland Freisler, der 1945 in Berlin durch einen alliierten Luftangriff starb, ebenso ein Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wie die Widerstandskämpfer, die er zuvor als Präsident des Volksgerichtshofs an den Galgen geschickt hatte?

Soll diese unhistorische Gleichmacherei, welche die Unterschiede zwischen den Toten hinter dem Opferbegriff versteckt, nicht weitergeführt werden, dann muss sich das bundesdeutsche Totengedenken von diesem Begriff verabschieden. Was aber könnte an dessen Stelle treten? Denkmäler, so wird heute oft gefordert, sollten die paradoxe Botschaft ausdrücken, dass ihr Sinn gerade darin bestehe, keinen Sinn für den Tod bieten zu können. Die Schwierigkeit, dieser Anforderung gerecht zu werden, liegt letztlich in den Dimensionen des zu erinnernden Tötens und Sterbens selbst begründet. Die ›postheroische‹ Gesellschaft der Bundesrepublik ist ein Kind der Erfahrung, dass sich alle Versuche der Verherrlichung von Krieg und Tod 1945 endgültig desavouriert hatten.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S. 101


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Opfer oder Helden?

»Im Deutschen führt die Rede vom Opfer zwei Bedeutungen zusammen, die in anderen Sprachen als Sacrificium und Victima getrennt werden. Es verwischt den für den Totenkult zentralen Unterschied zwischen dem passiv erlittenen Leid und dem aktiv dargebrachten Opfer. Die Linke lehnte eine Denkmalsprache ab, die den Krieg verherrlicht, und entwickelte eine avantgardistische Formensprache. Etwa bei der auf einem Friedhof angesiedelten Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin Friedrichsfelde, für die Mies van der Rohe 1926 ein kubistisches Revolutionsdenkmal schuf. Insgesamt jedoch konnte sich die viktimistische, mehr den Schmerz als den Stolz betonende Totenehrung in der auf die Revision der Kriegsniederlage orientierten Weimarer Republik nicht durchsetzen. 1932 wurde einem deutschen Professor sogar die Lehrerlaubnis entzogen, weil er öffentlich geäußert hatte, für ein Kriegsdenkmal sei ›eine leicht bekleidete Jungfrau mit der Siegespalme in der Hand‹ weniger angemessen als ›eine einzige große Kohlrübe‹ zum Gedenken an den mörderischen Hunger im Krieg. Und nach 1933 verschwanden mit Mies’ Revolutionsdenkmal auch die vereinzelten pazifistischen Denkmale mit dem Motiv des Knochenmanns oder der Pietà, etwa von Käthe Kollwitz oder Ernst Barlach.

In der nationalistischen Denkmalskultur hingegen stieg der Soldat auf den Sockel. Anders als in Frankreich oder England wird der Soldat nicht als heimkehrender Bürger dargestellt, der seine militärische Pflicht erfüllt hat, sondern als Krieger, der das heroische Soldatentum verkörpert. Der Denkmalskult diente der inneren Mobilmachung, er zielte auf eine Sinngebung, in der die gebrachten Opfer als Auftrag an die Nachfahren verstanden wurden, die Schmach von Versailles auszulöschen. Eine beliebte Inschrift lautete: ›Unseren Gefallenen – Sie werden auferstehen‹, eine andere: ›Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!‹«

Martin Sabrow, Der Tagesspiegel, 5. Juli 2014


Lesen Sie den kompletten Beitrag auf www.tagesspiegel.de


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Die Geschichte

Aus 1899 – 1999. 100 Jahre Erlöserkirche Hamburg-Lohbrügge
Auf dem kleinen Platz unterhalb der Erlöserkirche stellte man 1927, in Verlängerung der Kirchenachse, ein von Carl M. Geiling geschaffenes Bronze-Mahnmal auf. Die kniende Frauengestalt auf einem 1,40 m hohen Sockel aus blauen Klinkern, gedachte der Kriegsgefallenen des Weltkrieges 1914-18. 1961 wurde die Treppenanlage vor dem Portal erneuert und das Mahnmal an seinen heutigen Platz versetzt, es steht zum Gedenken der Kriegstoten beider Weltkriege.

Aus der Kriegschronik der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Sande-Lohbrügge
Kriegsarbeit auf dem Gebiet von Gottesdienst und Seelsorge:

5. August 1914: Morgens 7,15 Uhr, Festgottesdienst auf dem Marktplatz vor einer ungeheuren Menschenmenge mit einer großen Anzahl ausziehender Krieger. Der Pastor sprach im Talar und eine Musikkapelle wirkte mit. Die Krieger wurden dann mit Musik zum Bahnhof geleitet, wo der Pastor jedem einzelnen die Hand gab. Eine Reihe von Kriegstrauungen sind vollzogen worden. Leute, die vorher gar nicht und nachher sich wenig um die Kirche kümmerten, verlangten stürmisch nach Gottes Wort.

Lesen sie hier alle Einträge des Pastors in der Kriegschronik. Im kirchlichen Gesetz- und Verordnungsblatt war vorgegeben, was Pastor und Kirchengemeinde an Kriegsgottesdiensten, Gefallenenehrungen, Festgeläut und Beflaggung der Kirche bei militärischen Siegen, Durchhalteermahnungen und »Kriegsjugendpflege« durchzuführen hatten. In der Kriegschronik wurde alles dokumentiert.

Kriegschronik Lohbrügge


Aus der Chronik der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Sande-Lohbrügge / Propstei Stormarn

2. August 1925: Auf Anregung der militärischen Kameradschaft Sande: Feier zum Gedächtnis des Kriegsbeginns vor 11 Jahren und der Gefallenen. Die Kameradschaft nahm geschlossen mit Fahne am Gottesdienst teil.

14. März 1926: abends 8 Uhr in der Erlöserkirche: Kirchenkonzert zum Besten eines Gefallenen-Ehrenmals vor der Kirche.

22. September 1927: Vormittags 8 Uhr. Grundsteinlegung für das Gefallenen-Ehrenmal vor der Erlöserkirche in Sande. Die Urkunde war von dem Pastor Marnitz verfaßt, von dem Kirchenältesten Dohrendorf auf Pergament (Kalbshaut) geschrieben und von sämtlichen Mitgliedern der Kirchenvertretung unterschrieben. Sie wurde nach einer kurzen Ansprache des Pastors verlesen und in einer an Ort und Stelle zugelöteten Bleiröhre in den Sockel der Denkmalsfigur vermauert. – Dann taten der Pastor und die Kirchenältesten Dohrendorf, Sievers und Christlieb, sowie die Kirchenvertreter Ollmann, Stahmer, Irwahn und Joost unter bezüglichen Sprüchen die drei üblichen Hammerschläge, der Pastor mit den Worten: Joh.15,13 und 13,35.

6. November 1927: Enthüllung des Gefallenen-Ehrenmals vor der Kirche. Beginn 9,45 Uhr in der Kirche. Predigt Pastor Marnitz 2. Cor. 6,9a 1 10. Hecke’scher Kirchenchor: »Traure, traure« und »Wirf dein Anliegen auf den Herren«. Übergabe der Fahne von 1892 des Kampfgenossenvereins 1870/71 des Kirchspiels Steinbek an die Kirche.
Unmittelbar anschließend Weiheakt am Denkmal: Glocken, Posaunenchor Sande »Ich hatt einen Kameraden« und »Morgenrot«. Übergabe durch Emil Bentin, Übernahme durch Joh. Sievers, Pastor Marnitz Weiherede. Viele Fahnen und Kränze. Figur von Bildhauer G. Geiling hergestellt in Würth Metallfabrik. Entwurf der Anlage: Architekt Moren, Hamburg, der vor 30 Jahren die Entwürfe für den Kirchenbau ausgearbeitet hatte. Maurer- und Erdarbeiten: Emil Bentin, gärtnerische Anlagen: Ernst Albers.

Die Mittel für die Figur sind aufgebracht durch Kirchenkonzerte des Hecke’schen Kirchenchors und des Bahrenfelder Posaunenchors sowie eine Spende des Frauenvereins Sande. Die dringend nötige Instandsetzung der Kirchenanlage, sowie die Einfriedigung und der Denkmalssockel wurden aus der Kirchenkasse bezahlt.

29. Juli 1934: Gedächtnis des Kriegsbeginns 1914 in der Kirche. Mil. Kameradschaft.

2. August 1934: abends Trauergottesdienst für den Reichspräsidenten

5. August: desgleichen. Am Beisetzungstage des Reichspräsidenten, vormittags Ansprache des Pastors am Ehrenmal vor der Kirche bei der Kranzniederlegung der SA., desgleichen bei der Kranzniederlegung der H.J. und des BDM. am Abend.

17. März 1935: Heldengedenktag in Gegenwart aller Formationen der Partei, des Kyffhäuserbundes, der Gesangsvereine, Freiwilligen Feuerwehr, Frauenverein, Bevölkerung. Die geräumige Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Predigt: Pastor Marnitz. Vorher: Kranzniederlegung am Ehrenmal vor der Kirche.

1961: Die Grünanlagen um die Kirche wurden in diesem Jahr wesentlich verbessert. Die Ehrenmalsanlage vor der Kirche wurde von der Firma Großmann neu gestaltet. Durch die Versetzung des in den Jahren 1927/28 aufgestellten Denkmals und den Bau von Treppenstufen konnte ein neuer Zugang zur Kirche und damit ein weitaus besserer Blick auf das Kirchenportal geschaffen werden.

• Unser Dank geht an Pastor Reinsberg für die Unterstützung.

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Historische Postkarte

Aus dem Jahr 1933

HH Lohbruegge Kirche Karte web

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»Unseren Gefallenen«

Die Inschrift auf dem Lohbrügger »Ehrenmal« ist schlicht, sie hört sich nicht kriegsverherrlichend an. Trotzdem kann man einiges zu diesen zwei Wörtern sagen:


Unseren: Durch das Possessivpronomen soll ein persönlicher Bezug zu den toten Soldaten hergestellt werden. Die Pflicht der Lebenden den Tod der Soldaten zu betrauern und ihre Taten zu ehren wird dadurch verstärkt.

Gefallenen: »›Gefallenendenkmal‹ verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.22

»Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

Ebd. S. 60/61

»Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.
Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«

Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S. 100

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Trauernde Frauen

»Auf deutschen Erinnerungszeichen ballt keine Frau ihre Faust. Ihr obliegt es zu trauern. Die weiblichen Figuren brechen nicht aus der ihnen von der Gesellschaft zugewiesenen passiven Rolle des stillen Leidens und Duldens aus.«

• Lorentana de Libero: »Rache und Triumph, Krieg, Gefühle und Gedenken in der Moderne«, De Gruyter 2014, S.80

 

HH Lohbruegge Kirche Kopf web

 

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Carl M. Geiling

Der Maler und Bildhauer ist 1874 in Münster geboren und 1924 in Düsseldorf gestorben. Drei seiner Zeichnungen werden gerade im Internet zum Verkauf angeboten. Sie tragen die Namen: »Panzerfaust«, »Gefangene« und »Furor Teutonicus«. Als Bildhauer stellt er seine Figuren oft nackt oder figurbetont gekleidet mit deutlich erotischem Akzent dar.

HH Lohbruegge Geiling Kraemer Poppelsdorf web2Foto: Jotquadrat / Wikimedia Commons

Hier das Bronzerelief »Abschied« von ca. 1914 an der Begräbnisstätte Kraemer auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn.

 

HH Lohbruegge Schweden web2    

Ebenfalls von ihm stammt das Bronzerelief (1908) einer Trauernden im schwedischen Landskrona am Grab von Josepha Ahnfelt (1834 – 1921), der Leiterin einer Mädchenschule, an der auch Selma Lagerlöf unterrichtet hat.

HH Lohbruegge Kirche Ehrenmal zur Erinnerung an Mitglieder und Freunde des Malkasten Duesseldorf Jula2812 WikimediaCommons web2Foto: Jula2812 / Wikimedia Commons

Dieses steinerne Denkmal hat Carl M. Geiling geschaffen zur Erinnerung an die toten Soldaten des 1. Weltkriegs, die Mitglieder und Freunde des »Malkastens« waren. Am 24. Juli 1921 ist es im Malkastenpark in Düsseldorf aufgestellt worden. »Malkasten« ist der Name des am 6. August 1848 in Düsseldorf gegründeten Künstlervereins.

Klaus Türk hat in seinem Buch »Arbeiterskulpturen« die Bronzefigur »Schmied« von Carl M. Geiling abgebildet und beschrieben. Das Buch ist 2011 im Klartext-Verlag in Essen erschienen.

»Schmied« von Carl M. Geiling


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Ein Workshop im Dezember 2018

Am Donnerstag, den 8. Dezember 2018 von 10 – 17 Uhr fand im Rahmen der Wanderausstellung der Nordkirche »Neue Anfänge nach 1945?« ein Workshop zum »Ehrenmal« vor der Erlöserkirche statt. Der Künstler Ludger Trautmann hat ihn durchgeführt.

Es entstanden Modelle für eine künstlerische Kommentierung. Zwei Beispiele:

SH Lohbruegge Modell1b

SH Lohbruegge Modell2d

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I N H A L T
Das Denkmal
Die Einweihung
Die 1940er Jahre
Das Eiserne Kreuz
Der Findlingsmythos

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Lohbrügge

In einem Wäldchen am Hang

Unterhalb des Grundstücks »Am Langberg 99« führen zwei Wanderwege an dem großen Findling vorbei. Am 21. November 1920 wurde er feierlich eingeweiht, zusammen mit einem »Heldenhain«, der ihn wohl auch heute noch umgibt. Im Jahr 1999 plante die Garten- und Friedhofsabteilung des Bezirksamts Bergedorf einen Kinderspielplatz an diesem Ort und wollte dafür zahlreiche Bäume fällen. Wie man auf den aktuellen Fotos aus dem Jahr 2015 sieht, ist es dazu nicht gekommen.

HH Lohbrugge gesamt web

Das Denkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs – mit der Anmutung eines Hünengrabs – besteht aus einem efeubewachsenen Erdhügel, der unregelmäßig mit kleinen Findlingssteinen und auch Ziegelsteinen gestützt wird.

HH Lohbrugge vorne web

Oben thront der große kantige Findling mit der Aufschrift:
1914 – 1918
Den Helden zur Ehre der Nachwelt zur Lehre

Darüber ist ein Eisernes Kreuz eingraviert. Obwohl der Denkmalsplatz insgesamt unbeachtet wirkt und der große Stein sehr bemoost ist, kann man die Schrift gut lesen; sie ist wohl vor nicht allzu langer Zeit nachgemalt worden.

HH Lohbrugge Stein web

Vor dem Stein liegt eine dunkle polierte Granittafel mit 30 schlecht lesbaren Namen.

HH Lohbrugge mitNamen web


Wir danken Christian Römmer vom Kultur- & Geschichtskontor der Initiative zur Erhaltung historischer Bauten e.V. für die Recherche.

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Die Einweihung

HH Lohbrugge Einweihung1 web


Großer Aufmarsch im neu angepflanzten »Heldenhain«

HH Lohbrugge Einweihung2 web


Viele Kränze, auch der Sozialdemokratische Ortsverein Boberg wollte sich da nicht ausschließen

Die historischen Bilder verdanken wir Christian Römmer vom Kultur- & Geschichtskontor der Initiative zur Erhaltung historischer Bauten e.V.

www.geschichts-kontor.de


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Die 1940er Jahre

Das Gedenken an die toten »Helden« des 1. Weltkriegs spielte in der NS-Zeit eine große Rolle. Dieses Foto wurde am Lohbrügger Findling aufgenommen:

HH Lohbrugge 1940er webFoto: privat


»Wenn ich dieses Foto aus Lohbrügge betrachte, denke ich an ein Foto in unserem Familienalbum aus dem Jahr 1941. Es zeigt meine Mutter, Jahrgang 1921, in dunklen Strümpfen und schwarzem Mantel. Sie trug Trauer, ihr Verlobter war an der Ostfront getötet worden. Einer seiner Kameraden hatte ihr geschrieben, dass ihr Hermann durch einen Kopfschuss umgekommen sei, er hätte nicht gelitten. Sie hat das als tröstliche Vorstellung so hingenommen, es aber nie ganz geglaubt. Bis an ihr Lebensende war sie unvermindert zornig darüber, dass ihr Onkel, ein SA-Offizier, damals gesagt hatte, sie könne stolz sein, dass sie dem Führer so ein Opfer bringen durfte.«

Marlise Appel, Ev. Akademie der Nordkirche


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden. Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


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• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008


Soldaten der Wehrmacht kämpfen nicht nur pflichtschuldig  und gehorsam. Ohne die Gefühlswelt aus Stolz, Ehre und Männlichkeit ist nicht zu erklären, warum so viele an die Front streben – und dem Krieg bis zum Untergang verhaftet bleiben. (Frank Werner in ZEITGeschichte 4/2018)

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Geschickte Propaganda: Begehrenswerte Ordensbrust in »Die Woche« Januar 1940.

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

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Der Findlingsmythos

Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.

 

»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134

»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.

• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203

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I N H A L T
Das Denkmal
Die Geschichte
Die Reden zur Einweihung
Volkstrauertag
Für das Vaterland?
Volkstrauertag 2019

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Lokstedt

Bei der Lutherbuche, Ecke Grandweg

Das Kriegerdenkmal wurde 1923 nach Entwürfen des Wandsbeker Architekten Rudolf Reuße gebaut. Es wurde von der damals selbständigen Gemeinde Lokstedt in Auftrag gegeben. Hier wurde das Kriegerdenkmal nicht in eine vorhandene Anlage integriert, sondern die Anlage wurde um das Denkmal herum gestaltet.

HH Lokstedt entfernt


Das in expressionistischer Architektursprache gebaute, hoch aufragende achtstrahligen Klinkersäule auf dreistufigem sternförmigen Podest liegt eingebettet in eine kreisförmige Anlage mit Hecken, symmetrisch angelegten Wegen, Rasenflächen, vier Klinkerbänken und einem Kranz aus Blutahornbäumen, als Zeichen für das für das »Vaterland« vergossene Blut. Im unteren Bereich des Denkmals sind acht Bronzeplatten angebracht, eine davon mit Reliefs aus gekreuzten Fahnen, Eisernem Kreuz, Sternen und einem Strahlenkranz, die anderen mit den 172 Namen der getöteten Soldaten des 1.Weltkriegs. Am 4. Mai 2004 wurde das Kriegerdenkmal mit dem gesamten Platz unter Denkmalschutz gestellt.

HH Lokstedt schmal           
»Das Kriegerdenkmal (…) wurde bemerkenswert frei von konventionellen Vorbildern gestaltet. Kristall, Flamme oder Stern 
mit Kometenschweif sind die vagen Assoziationen, die sich angesichts des extravaganten Klinkeraufbaus einstellen, der sich
 auf seinem achtstrahligen Sternsockel gleichsam aufzufalten scheint. Diese expressive, aufsteigende Geste korrespondiert
 mit der Inschrift am sockelartigen Unterbau.«

• Ralf Lange: Architekturführer Hamburg, Stuttgart 1995, Seite 117  


HH Lokstedt


Die Inschrift auf der Widmungstafel lautet:

1914  1918

(Eisernes Kreuz und gekreuzte Fahnen)

DEN GEFALLENEN / ZUM / GEDÄCHTNIS
*

DEN LEBENDEN / EIN / VERMÄCHTNIS
*

DEM VATERLAND / DER / SCHWUR
*

EMPOR

1923
ERBAUT IN LOKSTEDT



HH Lokstedt Bank

In der Parkanlage wachsen Blutahornbäume im Kreis, am umlaufenden Weg stehen vier gemauerte Sitzbänke mit dreieckigem Klinkerrückenteil im Stil des Denkmals.

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Die Geschichte

In Lokstedt hatte man sich bereits 1918 Gedanken über eine Gefallenenehrung gemacht. Den ursprünglichen Plan eines Gefallenenehrenhains hatte man bald fallen gelassen und ein Entwurf des Groß-Borsteler Bildhauers Albrecht war von der Bevölkerung abgelehnt worden. Deshalb wurde im März 1922 von allen Lokstedter Vereinen ein Ausschuss eingesetzt, der beschloss, »ein Denkmal in monumentaler Form ins Leben zu rufen.«

Die Gemeinde stellte das Grundstück des bereits 1902 abgebrannten Quast’schen Hofes an der Ecke Grandweg/Lutherstraße [Bei der Lutherbuche] zur Verfügung. Man sammelte Geld – u. a. mit einem Fußballturnier auf dem ehemaligen HSV-Sportplatz an der Rothenbaumchaussee/Turmweg – und schrieb einen künstlerischen Wettbewerb aus. 31 Entwürfe gingen ein, die anschließend ausgestellt wurden. Eine Abstimmung der Ausstellungsbesucher ergab eine Mehrheit »für den Entwurf ›Unser Schwur‹ des Wandbeker Architekten Reuße. Der Entwurf ›Bleib Deutsch‹ des Gartenarchitekten Jakob Ochs hatte den Vorteil der besseren Platzverteilung. Beide Architekten einigten sich schnell über die Verschmelzung ihrer beiden Entwürfe.«

Nachdem die Erdarbeiten Ende März 1923 von der Lokstedter Bevölkerung erledigt worden waren, mauerte der Architekt Reuße am 1. April 1923 den Grundstein ein. [...]

Die Denkmalsenthüllung fand am 11. Mai 1924 unter Beteiligung nahezu der gesamten Bevölkerung Lokstedts statt. Zunächst sprach Johannes Benöhr, der Vorsitzende des Ausschusses für die Gefallenenehrung (seit 25. März 1925 auch 1. Vorsitzender des Bürgervereins zu Lokstedt von 1888), Pastor Otte hielt die Weiherede und als letzter sprach Thomas Schütz, der Schatzmeister des Denkmalausschusses. Zum Abschluss überflog der Luftfahrtpionier Paul Bäumer den Platz und warf »einen prächtigen Kranz mit meterlanger Schleife« ab, der punktgenau auf der Plattform des Ehrenmals landete. Die Gesamtkosten für das Denkmal betrugen 9 946 Goldmark, allein für die acht Bronzetafeln wurden 389 871 929 000 Papiermark ausgegeben. (Seite 116)

... die Größe eines Denkmals und die Form einer Säule (die eigentlich nur als Siegessäule gebräuchlich war) deuten auf Trotz und Revanchismus (»Sieg in der Zukunft«) hin. ... (Seite 113)

• Wir danken Jürgen Franz für den Auszug aus seinem Buch: »Lokstedt – Niendorf – Schnelsen / Die holsteinisch-deutsche Geschichte und der Erste Weltkrieg«, herausgegeben vom Forum Kollau. Die Zitate und Fotos stammen aus »Der Kollauer Chronik« II. Band aus dem Jahr 1929 von Dr. Adolph Hansen und Rudolf Sottorf.

Zum Vertiefen Beiträge des Deutschen Historischen Museums, Berlin:

Der Versailler Vertrag erklärt auf LeMO

Die »Dolchstoßlegende« erklärt auf LeMO


HH Lokstedt Grundstein web

Grundsteinlegung in Lokstedt. Am 1. April 1923 (Ostersonntag) mauerte der Wandsbeker Architekt Rudolf Reuße den Grundstein mit den Worten:

»Ich nehme Dich, Stein, ich lege Dich, Stein,
Als den ersten Stein in den Bau hinein.
Du sollst Grundstein sein, um mit Dir im Verein
Soll das ganze Gestein unvergänglich sein;
Soll lange Jahrhunderte währen,
Den Lokstedter Helden zu Ehren.«

HH Lokstedt Einweihung web

Die Einweihung am Sonntag, den 11. Mai 1924.

HH Lokstedt Flieger web

Paul Wilhelm Bäumer wirft einen Kranz mit meterlanger Schleife ab. Er war mit 43 Luftsiegen einer der »erfolgreichsten« Jagdflieger im 1. Weltkrieg. Nach dem Krieg stürzte er 1927 beim Einfliegen eines neuen Flugzeugtyps zwei Kilometer vor Öresund ins Meer. Er starb mit 31 Jahren.

In den Vaterstädtischen Blättern aus Lübeck von 1927 wird seine Grabstätte beschrieben:

»In Ohlsdorf bei Hamburg ist dieser Tage auf der Grabstätte des am 15. Juli bei einem Probeflug in Dänemark verunglückten Fliegers Paul W. Bäumers ein Denkmal eingeweiht, das dem andächtigen Beschauer unmittelbar den gefahrvollen Beruf des Fliegers naherückt. Eine Luftschraube, deren Flügel wie ein Kreuz wirkt, ist als dies Erinnerungsmal gewählt, es paßt sich stimmungsvoll in den heiligen Hain des Friedhofs ein. Es darf bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, daß Bäumer neben v. Richthofen und Udet einer der erfolgreichsten Kampfflieger während des Weltkrieges war. hat ihn der Krieg trotz Wirkens an gefahrvollster Stelle gesund in die Heimat entlassen, so mußte ihn hier sein Schicksal ereilen. Er ruhe in Frieden in deutscher Erde!

HH Lokstedt Baeumergrab web


Den zahlreichen Freunden Bäumers in Lübeck wird die Wiedergabe des Erinnerungsmales des kühnen, zu früh verstorbenen Piloten sicher erwünscht sein.«

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Die Reden zur Einweihung

Aus der Lokstedter Chronik von Dr. Adolph Hansen und Rudolf Sottorf.
Erschienen Weihnachten 1929.

J. Benöhr, der Vorsitzende des Ausschusses für die Gefallenen-Ehrung:

»Meine Herren, wir empfinden in dieser Feierstunde, als seien unsere teuren unvergessenen Gefallenen alle bei uns, als ruhten sie dort unter dem wuchtigen Steinbau, den wir zu ihren Ehren in Liebe und Treue aufgerichtet haben. Zum Teil durch unsere Schuld ist aus unserm einst so schönen Vaterlande ein Tummelplatz feindlicher Willkür, ein Spielball der andern Völker geworden. Sollen unsere Gefallenen dafür gestorben sein? Nein, und tausendmal nein! Sie starben, damit Deutschland lebt, und wir müssen dafür sorgen, daß es wieder anders mit uns wird. Wir müssen die alten deutschen Tugenden wieder üben: Treue und Redlichkeit, Zucht und Ordnung, reine Sitten, Liebe zur Arbeit, Liebe zum Vaterland, Mannesmut und Gottesfurcht. Das sind wir unseren Gefallenen schuldig. Der schaffende Künstler hat unser Denkmal mit dem Namen »Deutscher Schwur« versehen. Angesichts dieser Säule legen wir den feierlichen Schwur ab: Wir wollen wieder heraus aus der dunklen Tiefe, aus dem Sumpfe, in dem wir bis an den Hals stecken. Und auch unsern Kindern und Kindeskindern vermachen wir unsern heiligen Schwur, den wir in eine unserer Tafeln eingegraben haben: ›Dem Vaterland der Schwur: Empor!«

Pastor Otte hält die Weiherede:

»132 Namen auf jenen Tafeln, deren Träger nicht mehr unter den Lebenden weilen, die draußen ruhen in der fremden Erde oder auf dem Grunde des Meeres. Unsere Gedanken gehen heute hinaus nach den vielen stillen Grabhügeln im Westen und Osten. Wir konnten den teuren Schläfern nicht das letzte Geleit geben. Viele ihrer Gräber sind ohne Schmuck, und kein Glockengeläut geht über ihre letzte Ruhestatt. Sie sind gestorben für uns, die Tapferen und Treuen, und der Ruhm ihrer Taten wird strahlen durch alle Zeit, wenn erst das geile Laub der feindlichen Lüge verwelkt ist, das ihren Lorbeer überwuchert. Die Wahrheit muß siegen, sie siegt schließlich immer.«

Nach ihm spricht Schatzmeister Thomas Schütz:

»Liebe Lokstedter, fast ist es mir, als hörte ich manch einen klagen: Warum hast Du mich so schnell vergessen? Manchen Bruder höre ich zu seinem Bruder sagen: Wenn Du mit Deinen 20 Jahren das wärest, was ich mit meinen 20 Jahren war, nämlich ein deutscher Soldat, dann stände es heute anders um Dich. Ich habe Zucht und Ordnung, Gehorsam und Disziplin gelernt und geübt. Du aber tanzest im Foxtrott- und Shimmy-Schritt über mein Gedenken hinweg. Mit meinem verkrüppelten Arm ermahne ich Dich, und mein zerschossener Mund tut es Dir kund: Ich und alle, die da draußen liegen, kämpften und litten und stritten, wir starben für Dich und für das Vaterland. Solche Ehre, wie Ihr sie uns gebt, die brauchen wir nicht. Unsere Ehre liegt und lag in der Pflichterfüllung. Wahrlich, es kommt der Tag, da man unsere Toten wieder verstehen wird. Schon rauscht es ganz leise über den Gefilden der Toten. Reicht ihnen die Hand – seid einig! ...«

Landrat Niendorf beschließt die Reden:

»In unseres Herzens tiefster Kammer liegt der Schmerz. Nicht immer ist er lebendig, nicht immer wirkt er sich aus. Eine solche Ehrenstätte zwingt den Beschauer, Einkehr bei sich zu halten, sich zu fragen, wie stehst Du, was tust Du? Diese Stätte ist eine Stätte der ernsten Mahnung, ob wir unsere Pflicht getan haben. Wir müssen die große gemeinsame Linie finden. Wir müssen schaffen und arbeiten und wirken. Deutschland soll leben und nicht sterben, und wir wollen mithelfen, daß es blüht und gedeiht in Zukunft.«

Kollauer Chronik II. Band, Seite 129 - 132


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Volkstrauertag

Gedenken in den 80er Jahren mit Feuerwehr und Kriegervereinen.

HH Lokstedt 1980er Jahre web


Im Schnee leuchten die vielen bunten Blumen der zahlreichen Kränze besonders gut.

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Auch Mitglieder der Friedensinitiative Lokstedt legen ein Gebinde nieder. Eine der Frauen sieht das Denkmal als Ort der Trauer um Ihren »gefallenen« Verlobten an. Die anderen Mitglieder der FI – mit mulmigem Gefühl – versuchen sich von den anderen Akteuren zu distanzieren.
   

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Wir danken Walter Schönfeld von der Friedensinitiative Lokstedt für die Fotos und die Geschichte.

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Für das Vaterland?

»Wenn in den Inschriften explizit erwähnt wird, für was die Soldaten gestorben sind, ist es in den häufigsten Fällen das ›Vaterland‹. Die Verwendung dieses Begriffes war nach dem Ersten Weltkrieg meist mit einer nationalistischen Haltung verbunden: das ›deutsche Vaterland‹, mit dem die eigene Identität untrennbar verknüpft ist, und nur das ›deutsche Vaterland‹ stellt höchsten Wert dar. Dass dieses ›Vaterland‹ aus dem Streben nach politischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet. Nach der Niederlage, die im Nachhinein durch die so genannte ›Dolchstoßlegende‹ von vielen Deutschen bereitwillig uminterpretiert wurde, und dem Versailler Vertrag entwickelte sich zu Beginn der 1920er Jahre in vielen Köpfen eine Trotz-Haltung, ein ›Jetzt erst recht‹-Gedanke, der Kritik an der deutschen Kriegspolitik nicht zuließ.

Die ›Dolchstoßlegende‹ ist eine Verschwörungstheorie der damaligen politisch Rechten, die 1919 von Feldmarschall Paul von Hindenburg, der unfähig war, sich das eigene Versagen bei der Kriegsführung im Ersten Weltkrieg einzugestehen, zusätzlich genährt wurde. Sie besagt, dass das deutsche Heer ›im Felde unbesiegt‹ war, aber die Heimat ihm durch die Agitationen der politischen Linken und die Revolution 1918 in den Rücken gefallen sei. Diese Theorie entbehrt jeder berechtigten historischen Grundlage, sie stieß jedoch bei vielen Deutschen auf offene Ohren und trug schließlich auch mit zum Scheitern der Weimarer Republik bei. (Vgl. Helmut M. Müller, Schlaglichter der deutschen Geschichte. Bonn 2002, S. 239).

Die revanchistische Haltung der Stifter drückt sich auf dem Denkmal in Lokstedt besonders drastisch aus. Dort wird das Zitat des Berliner Kreuzbergdenkmals folgendermaßen umgewandelt: ›Den Gefallenen zum Gedächtnis / Den Lebenden ein Vermächtnis / Dem Vaterland der Schwur / Empor‹.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Seite 94-95

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Volkstrauertag 2019

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HH Lokstedt VTT2019 FF web

Der Kranz der Freiwilligen Feuerwehr Hamburg-Lokstedt:
Unseren gefallenen Kameraden

 

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Den Gefallenen zum Gedächtnis
Den Lebenden ein Vermächtnis
Dem Vaterland der Schwur
empor

Bei dieser Inschrift gedenkt die Kirchengemeinde Lokstedt, Bürgerhaus Lokstedt und Forum Kollau auf der Kranzschleife der Opfer von Krieg und Gewalt.

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I N H A L T
Das Denkmal Turnverein Lokstedt von 1892
Das Turnerkreuz
Das Denkmal Fußballclub Eintracht Lokstedt von 1908
Eine frühe Abbildung
»Denkt an Versailles«
Der Findlingsmythos
Das Denkmal mit dem Schwert
Die Skagerrak-Schlacht

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Lokstedt

Die Denkmäler der Sportvereine an der Döhrntwiete

Der Turnverein Lokstedt von 1892 hat vor dem Vereinshaus ein Kriegerdenkmal erbaut. Es ist 14 toten Soldaten des 1. Weltkriegs gewidmet, die »Turnbrüder« waren. In einen hohen Findling auf einem aus behauenen Natursteinen gemauerten wuchtigen Sockel ist die Widmungstafel aus Bronze eingelassen.

HH Lokstedt Turn1 gesamt web


Sie hat einen Schmuckrand im Stil eines Bilderrahmens, mit Halbreliefs aus Eichenblättern und Bändern. Zwischen den Jahreszahlen des 1. Weltkriegs steht ein Kreuz bestehend aus vier »F«, ein sogenanntes Turnerkreuz. Es zitiert den Wahlspruch von »Turnvater« Jahn: »Frisch, fromm, fröhlich, frei«. Es folgt die Widmung:

Zur Erinnerung an unsere gefallenen Turnbrüder
T. V. L. v. 1892

Darunter werden 14 Namen genannt.

HH Lokstedt Turn1 Tafel web

 

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Das Turnerkreuz

Das Turnerkreuz ist eine graphisch gestaltete Bildmarke, die im Jahr 1844 von dem Kupferstecher und Drucker Johann Heinrich Felsing (1800–1875) aus Darmstadt entwickelt wurde.

Es steht noch heute als Symbol für das Turnen. Das Original-Logo gemäß Deutschem Turner-Bund ist heute immer quadratisch und formt ein achsengleiches griechisches Kreuz. Es besteht aus vier Exemplaren des horizontal und vertikal gespiegelten Buchstabens F in Versalien, die den Turner-Wahlspruch »Frisch, fromm, fröhlich, frei« aufgreifen.


                 SH Ellerhoop Turnerkreuz 1968 Turnfest web

»Den Spruch in seinen vier Anfangsbuchstaben habe ich zusammengestellt in 4 F. Ich habe sie zum Zeichen vereint, […] sie bilden wie die Turnerschaft – gleiche Kraft, gleiche Form, gleiche Stärke nach allen Seiten, es ist das Viereck überall gleich stark, fest in den vier Ecken stehend, nehmt’s, wie ihr wollt: es ist das F aus dem FF. Vergeßt mir nicht, daß es auch das Christenzeichen ist« schrieb Johann Heinrich Felsing 1846.

Der Spruch steht in seiner Urfassung »Frisch, frei, fröhlich, fromm« an der Giebelseite des letzten Wohnhauses von »Turnvater« Friedrich Ludwig Jahn in Freyburg an der Unstrut, das heute das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum beherbergt.

Jahn hat den Turner-Wahlspruch nicht erfunden, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit einen studentischen Spruch aus dem 16. Jahrhundert übernommen. In seinem Buch »Die deutsche Turnkunst« hat Jahn den Wahlspruch »Frisch, frei, fröhlich, fromm« im Kapitel »Turngesetze« dann gleichsam manifestiert.

Jahn hat sich stets gegen eine Umstellung der vier F-Begriffe gewandt, so zum Beispiel 1846: »In den vier Worten ist die Steigerung unverkennbar, jede Umstellung verändert den Sinn und verschwächt ihn. Der Spruch ist Inschrift eines Ringes um das turnerische Leben. Das Weglassen nur eines Wortes macht den Reifen brüchig. Selbst die Verwandlung des ›fröhlich‹ in ›froh‹ entstellt die Sinnschrift, weil, so nahe verwandt, sich auch beide Worte fügen, froh mehr die innere Stimmung bezeichnet und das Wirkende, fröhlich hingegen das Offenbarwerden in äußerer Erscheinung […], fröhlich muß mitteilen, gemeinsam empfinden […], bedarf der Gesellschaft«.

Dennoch wurde die Aneinanderreihung der vier Begriffe über Frisch, fromm, froh, frei zum heute gebräuchlichen »Frisch, fromm, fröhlich, frei« verändert. 1933 entstand im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 1936 von Berlin eine Diskussion darüber, ob das Turnerkreuz oder die olympischen Ringe für die Olympiade in Berlin Verwendung finden sollten. Die Entscheidung fiel zugunsten der fünf Ringe.

Nach Einführung des Reichsflaggengesetzes vom 15. September 1935 übernahmen alle deutschen Turnvereine das von den Nationalsozialisten gebrauchte Hakenkreuz als einziges Symbol.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand man auf Vereinsebene sehr rasch wieder zum Turnerkreuz zurück, zumal die historischen Vereinswappen und -fahnen dieses zumeist beinhalteten. Demgegenüber benötigten die Verbände dazu längere Zeit. Beim Deutschen Turnfest in München 1958 fand es in der offiziellen Festzeitung noch keinerlei Verwendung, eine aus diesem Anlass herausgegebene Briefmarke der Deutschen Bundespost griff es hingegen wieder auf.

nach Wikipedia, abgerufen am 25. Mai 2018

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das zweite Denkmal

Daneben befindet sich das Gelände des Fußballclubs Eintracht Lokstedt von 1908.

Die meisten der folgenden Informationen haben wir dem Buch von Jürgen Frantz »Lokstedt - Niendorf - Schnelsen. Die holsteinisch-deutsche Geschichte und der Erste Weltkrieg«, Edition Forum Kollau, entnommen:

35 Vereinsmitglieder sind als Soldaten im 1. Weltkrieg ums Leben gekommen. In der Festschrift zum 50-jährigen Vereinsjubiläum werden 25 Namen von toten Soldaten genannt. Auf der Skagerrak-Kampfbahn wurde ein Kriegerdenkmal in Form eines großen aufgerichteten Schwertes auf dreistufigem Postament aus Stein errichtet. Das Denkmal steht heute nicht mehr [siehe das historische Foto weiter unten]. Zur gleichen Zeit wurde direkt an der Döhrntwiete auf dem Vereinsgelände eine Anlage »Denkt an Versailles« errichtet. Dieses Denkmal sollte an die durch den Friedensvertrag von Versailles verlorenen ehemals deutschen Provinzen erinnern. Es bestand aus gemauerten Ziegelsteinsockeln auf denen Findlinge plaziert waren. Die größere Mittelsäule war demnach rechts und links umringt von mehreren kleineren Säulen, alle waren symbolträchtig mit einer langen Eisenkette umschlungen und verbunden. In der Mitte des Runds lag ein Kissenstein mit einem großen Eisernen Kreuz. Diese Anlage ist wahrscheinlich von vaterländischen Vereinen gestiftet worden.

Zitat von Volker Bulla bei einer Führung durch Lokstedt: »Vor dem 2. Weltkrieg wurde das Denkmal sicherlich auch für nationalistische Feiern am Rande der Skagerrak-Kampfbahn, wie die Sportfläche früher hieß, genutzt. Nach dem 2. Weltkrieg nahmen Altmetalldiebe alle Metalle mit.«

Umstanden war und ist die ganze Anlage von einer Buchenhecke.

HH Lokstedt Turn2 gesamt web


Die Hecke wird auch heute noch gepflegt, die Anlage selbst ist völlig verwahrlost, mit Brombeerranken überwuchert.

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HH Lokstedt Turn2 Stein2 web

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HH Lokstedt Turn2 Stein3 web

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Eine frühe Abbildung

So ordentlich sah die Denkmalsanlage ca. 1930 aus: Die Findlinge standen vor einer gepflegten Hecke auf gemauerten Backsteinsockeln.

HH Lokstedt Denkt an Versailles 1930 web

Die Mauerpfeiler waren mit einer Eisenkette verbunden, die oft an den Denkmalsanlagen nach dem 1. Weltkrieg die Fesselung Deutschlands an den Versailler »Schandvertrag« verkörpern sollte. Manchen Orts wurde die Kette dann in späteren Jahren symbolträchtig von den Nazis der Gemeinde durchgehauen.


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»Denkt an Versailles«

Der Friedensvertrag von Versailles wurde bei der Pariser Friedenskonferenz 1919 im Schloss von Versailles von den Mächten der Triple Entente und ihren Verbündeten bis Mai 1919 ausgehandelt.

Die deutsche Delegation durfte an den Verhandlungen nicht teilnehmen, sondern konnte erst am Schluss durch schriftliche Eingaben wenige Nachbesserungen des Vertragsinhalts erwirken. Der Vertrag konstatierte die alleinige Verantwortung Deutschlands und seiner Verbündeten für den Ausbruch des Weltkriegs und verpflichtete es zu Gebietsabtretungen, Abrüstung und Reparationszahlungen an die Siegermächte. Nach ultimativer Aufforderung unterzeichnete Deutschland am 28. Juni 1919 den Vertrag. Wegen seiner hart erscheinenden Bedingungen und der Art seines Zustandekommens wurde der Vertrag von der Mehrheit der Deutschen als illegitim und demütigend empfunden.

Die Unterschriften durch Hermann Müller und Johannes Bell, die durch die Weimarer Nationalversammlung 1919 in ihre Ämter gelangt waren, nährten die vor allem durch Paul von Hindenburg und Ludendorff sowie später von Adolf Hitler propagierte Dolchstoßlegende.

• Nach Wikipedia, abgerufen am 13. Juni 2017

Mehr über den Versailler Vertrag bei Wikipedia

Der Versailler Vertrag auf LeMO

 

Die Dolchstoßlegende war eine von der deutschen Obersten Heeresleitung in die Welt gesetzte Verschwörungstheorie, die die Schuld an der von ihr verantworteten militärischen Niederlage des Deutschen Reiches im 1. Weltkrieg vor allem auf die Sozialdemokratie und andere demokratische Politiker abwälzen sollte. Sie besagte, das deutsche Heer sei im Weltkrieg »im Felde unbesiegt« geblieben und habe erst durch oppositionelle »vaterlandslose« Zivilisten aus der Heimat einen »Dolchstoß von hinten« erhalten. Antisemiten verknüpften »innere« und »äußere Reichsfeinde« dabei zusätzlich mit dem Trugbild vom »internationalen Judentum«.

Sie gilt in der Zeitgeschichte als bewusst konstruierte Geschichtsfälschung und Rechtfertigungsideologie der militärischen und nationalkonservativen Eliten des Kaiserreichs. Sie lieferte dem Nationalsozialismus wesentliche Argumente und begünstigte seinen Aufstieg entscheidend.

Nach Wikipedia, abgerufen am 13. Juni 2017

Mehr über die Dolchstoßlegende bei Wikipedia


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Der Findlingsmythos

Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.

 

»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134

»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.

• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203

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Das Denkmal mit dem schwert

Auch von dem heute nicht mehr vorhandenen Kriegerdenkmal, ebenfalls am Rand der Skagerrak-Kampfbahn gelegen, gibt es eine historische Fotografie.

Das aufgerichtete Schwert ist ein deutlich kriegerisches Symbol auf Denkmälern, es signalisiert Kampfbereitschaft. In der Ikonographie des Militärs gilt das aufrecht stehende Schwert als Zeichen des Wehrwillens. Zitat aus der Urkunde, die im Grundstein des Kriegerdenkmals am Pinneberger Bahnhof eingelassen worden ist: »Das Ehrenmal wird an der Vorderseite ein aufrechtes Schwert tragen. Hiermit soll die Mannhaftigkeit und der Wehrwille des deutschen Mannes vor aller Welt bekundet werden.« Es gibt auch Kriegerdenkmäler mit gesenktem Schwert als Zeichen der Aufgabe z.B. in Lübstorf/Mecklenburg-Vorpommern oder mit abgebrochenem Schwert als Zeichen der Niederlage z.B. in Thürk/Schleswig-Holstein.

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Wir danken Hans-Jürgen Storr, der diese Fotografien aus dem Nachlass seines Vaters aufbewahrt hat, dafür, dass wir sie hier zeigen dürfen und Joerg Kilian für die Dateien.

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Die Skagerrak-Schlacht

Die Skagerrak-Schlacht vom 31. Mai 1916 bis zum 1. Juni 1916 in den Gewässern vor Jütland gilt als die größte Seeschlacht der Geschichte, an der 112 deutsche und 150 britische Schiffe beteiligt waren. Trotz der Übermacht der »Home Fleet« waren die Verluste auf britischer Seite erheblich größer als auf deutscher.


     Hamburgische Lazarett Zeitung 1916 07 01 Skagerrak web

• Karikatur auf dem Titel der Hamburger Lazarett-Zeitung vom 1. Juli 1916: der deutsche Reichsadler holt den hässlichen Engländer aus seinem kleinen Holzruderboot – Neptun staunt.

Die Deutschen feierten den Ausgang der Schlacht als taktischen Sieg und 2 551 ertrunkene deutsche Seemänner als »Helden«. Für die Reichsmarine war es »der größte Ruhmestag ihrer Geschichte«, der fortan alljährlich gefeiert wurde. Dieser »Ruhmestag« änderte natürlich nichts an der Übermacht der britischen Flotte und dem Kriegsverlauf.

Für die damalige Zeit bezeichnend wurde die Gedenkkultur für propagandistische Zwecke instrumentalisiert, den Menschen im nationalsozialistischen Deutschland wurde bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem »Vaterland« abverlangt.

Der Soldatentod sollte als heldenhafte Aufopferung erscheinen und der wahre Grund für das tausendfache Sterben verschleiert werden.

Bis mindestens 2010 benutzte der Fußballclub Eintracht Lokstedt von 1908 noch den Namen »Skagerrak-Kampfbahn« für seinen Sportplatz:


HH Lokstedt Skagerrak Kampfbahn

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I N H A L T
Das Denkmal
Die Geschichte
Der Findlingsmythos
Der Gedenkstein zum 29. März 1814
Eine historische Postkarte
»Die Franzosenzeit«
Marmstorf

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Marmstorf

Gegenüber der alten Schule am Lüraderweg

Für das Kriegerdenkmal der im 1. Weltkrieg getöteten Marmsdorfer Soldaten wurde ein ungewöhnlich geformter Findling auf zwei gemauerte Füße gestellt. Darauf die die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs in schwarzer Schrift:

1914 - 18


Der heutige Denkmalsplatz liegt an einer Böschung zu einem höher gelegenen Wohngebiet. Das Denkmal ist umgeben von Rhododendren und anderen Büschen und Bäumen.

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Vier breite Stufen führen auf den kleinen Platz; alle Flächen sind mit Natursteinplatten gepflastert.

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Die dreiseitige Feldsteinmauer dahinter ist den Toten des 2. Weltkriegs gewidmet. Rechts und links sind, halb verdeckt vom großen Findling, zwei Bronzetafeln eingelassen.

HH Marmstorf links web


Auf der linken Seite die Widmung:

Den Opfern des 2. Weltkriegs

HH Marmstorf rechts web


Die Tafel auf der rechten Seite offenbart, wer mit den »Opfern des 2. Weltkriegs« gemeint ist:

17 Männernamen – mit hoher Wahrscheinlichkeit waren es Soldaten.

HH Marmstorf mit Feuerwehr web


Der heutige Standort liegt an der Einfahrt zu einem Gebäude der Feuerwehr. Die Kette zwischen Pfeiler und Findlingssteinen dient demnach der Absperrung der Feuerwehreinfahrt.

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Die Geschichte

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1935: Das Denkmal unter der riesigen Trauerweide, inszeniert in einer großen Anlage mit aufwändiger Feldsteinmauer und großer Freitreppe zum Feuerlöschteich. Dahinter die Schule mit dem markanten Uhrturm.

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1935: Das Findlingsdenkmal von der Seite auf seinem erhöhten Platz. Die Trauerweide war längst zum Wahrzeichen von Marmstorf geworden. Der Stamm bildete einen idealen Kletterbaum für die Dorfjugend. Im November 1967 musste sie gefällt werden, weil der schiefe Stamm eine Gefahr für die Kinder geworden war.

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1935: Noch einmal ein Blick aus einer anderen Perspektive. Das Denkmal steht im Schatten der Trauerweide.

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Foto: Rudolf Schumacher

Der Findling mit Schneemütze. Hier sieht man auch, wir sich der Stamm der Trauerweide unter der Last der ausgebreiteten Krone zur Seite gelegt hatte. Als der Baum im November 1967 entfernt werden musste, wurde auch das Kriegerdenkmal zum Lürader Weg neben das damalige Spritzenhaus der Feuerwehr verlegt.


Dieser Fotos und die Informationen stammen aus dem Buch »Marmstorfer Bilderchronik« vom Marmstorfer Chronisten Herbert Schulz. Sie können es für 18 Euro + Versankosten bestellen bei: www.chronik-marmstorf.de

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Der Findlingsmythos

Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.

 

»Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

»Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134

»Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.

• Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203

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Der Gedenkstein zum 29. März 1814

Am Feuerteichweg Ecke Handweg steht ein hoher Findling umgeben von kleineren auf einem größeren Findlingssockel. Die kleine Anlage ist mit Bäumen und Büschen bepflanzt.

HH Marmstorf Franz weit web

Der Denkmalstein erinnert an die harten Zeiten der Befreiungskriege 1813/14. Hier speziell an die Belagerung der Franzosen mit der Niederbrennung der Dörfer im März 1914.

     HH Marmstorf Franz gross web


Die Inschrift lautet:

Zum Gedächtnis an die Niederbrennung der Dörfer Marmstorf u. Appelbüttel durch die Franzosen am 29. März 1814.

Gewidmet am 29. März 1914.

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Eine Historische Postkarte

Hier sieht man den Gedenkstein in voller Pracht, auch zwei von den eisernen (Kanonen-)Kugeln, die man zu dieser Zeit oft als Dekor verwendet hat kann man erkennen.

     HH Marmstorf 1814 Postkarte web


Die Karte wurde vom Ansichtskartenverlag F. Schwarz gedruckt.
Das Bild stammt wie die historischen Fotos oben aus dem Buch »Marmstorfer Bilderchronik« von Herbert Schulz.

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Die »Franzosenzeit«

Die Dörfer der Marsch und Geest hatten in der sogenannten Franzosenzeit, also der Zeit der französischen Besetzung von 1803 bis 1814, stark zu leiden. Sie mussten neben den üblichen Abgaben auch Verpflegung, Unterkunft und Dienste für die Französische Armee und später auch für die Belagerungsarmee der Alliierten stellen. Allein im Jahr 1807 wird die Anzahl durchziehender Truppen mit 959 Offizieren, 23 330 Unteroffizieren und Mannschaften sowie 1 685 Pferde angegeben, die alle jeweils 1 Nacht in Harburg und Umland Quartier bezogen. Ab Mai 1813 musste beispielsweise die 3. Meile des Alten Landes täglich Heu, Stroh, Roggen, Branntwein, Brot und Speck, sowie 100 bis 200 Personen zum Schanzen nach Harburg senden. Im Sommer 1813 waren das unter anderem 2 200 Himpten (Himpten war ein Hohlmaß und entsprach 30 Litern) Weizen, 28 Ochsen und 200 Schweineschinken. Dienste mussten vor allem im Rahmen der Straßen- und Brückenbauarbeiten verrichtet werden, bei welchem die Dörfer aufgerufen waren Spann- und Handdienste zu leisten. Auch neue Steuern, wie die »Thüren- und Fenstersteuer« der Franzosen, kamen zur Anwendung. Heinrich Sievers aus Hoopte musste auf Grund seiner vielen Fenster und Türen im Haus eine Summe von 8 Francs und 13 Cent pro Jahr entrichten. Zusätzlich belastete die gesamte Region die seit 1803 gültige Kontinentalsperre, die Napoleon verhängt hatte, um so den Handel mit dem Erzfeind Großbritannien zu unterbinden. ...

Ganz schlimm kam es in den Jahren 1813 und 1814 während der Belagerung Hamburgs und Harburgs, in denen viele Dörfer fortlaufend geplündert, niedergebrannt oder sogar in die Kampfhandlungen verstrickt wurden. ...

Noch heute erinnert eine ganze Reihe von zumeist plattdeutschen Redewendungen und Wörter an die Zeit der französischen Besatzung. Viele dieser Wörter haben sich in den alltäglichen Sprachgebrauch eingebürgert und wurden einfach so ausgesprochen, wie man sie von den Franzosen gehört hatte. Ein Beispiel dafür sind das Wort »schenant« für peinlich berührt (franz. gênant) und »propper« für sauber, adrett (franz. propre) oder »Miljö« (franz. milieu). Berühmt in Hamburg sind die »Fisimatenten«. Immer wieder versuchten französische Soldaten, deutsche Mädchen zum Zeitvertreib in ihr Lager zu locken, z. B. mit der Einladung: »Visitez ma tente« (dt. besuchen Sie mein Zelt) oder auch »Vois-y ma tente« (dt. sieh dort mein Zelt). Stand also abendlicher Ausgang an, wurde den jungen Frauen ein »mach’ aber keine Fisi ma tenten« mit auf den Weg gegeben.

• Diese Zitate stammen aus dem Blog tabletopdeutschland

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Marmstorf

Da sämtliche Gebäude dieses Dorfes in den Befreiungskriegen zerstört wurden, gibt es kein Haus mehr aus dieser Zeit. Allerdings bilden die schönen, alten Bauernhäuser, die kurz nach den Napoleonischen Kriegen errichtet wurden, noch heute ein schönes Ensemble rund um den Dorfteich. Ein Kopfsteinpflasterweg und der Straßennamen erinnert außerdem an die alte Poststraße, die hier einst bis nach Bremen führte. Zur Ehrung des Niedersächsischen Hallenhauses, gibt es im Dorf einige Straßennamen, die nach Teilen des Hauses benannt sind. So findet man unter anderem »Am Diggen«, »Flett«, »Ulenlock« und »Up den Wiemen«. Im Dorfkern findet man außerdem ein Denkmal, welches an die Niederbrennung des Dorfes im Jahr 1814 erinnert.

Die häufige Endung »Torf« hat ihren Ursprung übrigens im alten plattdeutschen Wort »thorp«, was einfach Dorf bedeutet und eine Schar oder Volkshaufen bezeichnet. Die Dörfer mit dieser Endung waren daher wohl meist ältere Orte, die von einer Gruppe von Siedler gegründet wurden. Die Endung »Stedt« meint eine Stelle oder einen Punkt in der Landschaft, hier entwickelte sich das Dorf vermutlich aus einem Einzelhof.

• Auch dieser Text steht im Blog tabletopdeutschland

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Kurzfilme zu den Denkmälern

Seit ein paar Jahren existiert die Website www.denk-mal-gegen-krieg.de, auf der die Evangelische Akademie sich kritisch mit der bestehenden Erinnerungskultur auseinandersetzt. Die häufigsten Erinnerungsmale an die vergangenen Kriege sind Kriegerdenkmäler, auf denen der Soldatentod verklärt und die zivilen Opfer verschwiegen werden.

An einigen Orten produzieren wir kurze Videos und stellen sie online. Den Film über das Denkmal in Hamburg-Meiendorf können Sie hier sehen: YouTube> und die Einführung zur Filmreihe bei YouTube>

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I N H A L T
Das Denkmal
1933: Die erste Tafel
1963: Die zweite Tafel
2016: Die dritte Tafel
Die Geschichte in Bildern
Historische Postkarten
»Treue um Treue«
»Neuheidentum und braune Esoterik«

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Meiendorf

Am Deepenhornteich, im Park hinter der Stadtteilschule

Der oben spitz zulaufende Findling steht auf einem gemauerten Sockel, er ist umgeben von acht hohen gemauerten Pfeilern, die einen Kreis aus Granitbalken stützen. Das Kriegerdenkmal auf dem künstlichen Hügel wurde am 20. August 1933 eingeweiht. Die Anlage ähnelt einer neuheidnischen Kultstätte. Sie wurde nach einem Entwurf von Karl-Heinz Bouschka, Architekt und Baumeister aus Radebeul bei Dresden, errichtet.

HH Meiendorf Ajepbah wikimedia commons webFoto: Ajepbah_wikimedia commons


Die Anlage ist von einer Buchenhecke umgeben, zwei Steinstufen führen hinauf. Vor 1949 hing an jeder der acht Säulen eine Tafel mit Namen der getöteten Soldaten, alle wurden gestohlen und sind nicht ersetzt worden.

»... hier wird durch den Steinkreis ein Sakralraum erzeugt, der den bereits in germanischer Tradition gesehenen Findling in der Mitte zusätzlich gewissermaßen germanisch mystifiziert. Das Denkmal wirkt wie eine heidnisch-germanische Kultstätte.«

• Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Seite 72

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1933: Die erste Inschrift

TREUE UM TREUE
UNSEREN HELDEN
DIE DANKBARE
HEIMAT
MEIENDORF
1914 - 1918

mit Stahlhelm, Schwert und Lorbeerzweig im Relief.

Vier Jahre waren die Soldaten bei zunehmender Technisierung des Krieges vor allem für das maschinelle Töten zuständig. Soldaten beider Seiten harrten im Schlamm in den Schützengräben aus und mussten den Tod als etwas jederzeit Mögliches, Alltägliches hinnehmen. Diese Abstumpfung des Einzelnen thematisiert die Inschrift nicht – im Gegenteil: sie glorifiziert den heldenhaften Kampf.

HH Meiendorf 1Tafel web


Obwohl der 1. Weltkrieg so viele Menschenleben forderte und der Krieg verloren wurde, wird der Kriegstod in den Inschriften als sinnvoll interpretiert, für den man den Soldaten danken muss. Das anonyme Massensterben, das Grauen des Krieges wird vom Denkmal verbannt. Der »Heldentod« der Soldaten verpflichtet nun die Hinterbliebenen. Deren Dankbarkeit sollte hier auf ewig festgehalten werden. »Sie starben den Heldentod« steht dann auf den Denkmälern. So, als ob das Sterben die Erfüllung ihres Lebens, die Bestimmung des soldatischen Auftrags ist. Der Tod eines Soldaten muss erklärt und gerechtfertigt werden und er begründet eine spezifische Erinnerungspflicht. Wobei es nicht die Toten sind, die die Lebenden dazu verpflichten könnten, es sind immer die Überlebenden, die als Denkmalstifter die Getöteten für ihre Zwecke benutzen, sie als Helden, als Retter des Vaterlands, als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung benennen, deren Tod nicht sinnlos gewesen sein darf. Bis 1945 benutzen die Nationalsozialisten die toten Soldaten für eine Verpflichtung an die nachfolgende Generation, ihnen an Kampfesmut und Opferbereitschaft nicht nachzustehen.

»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz. Das soll die Hinterbliebenen stolz machen. [...] Die Soldaten, die lebend aus dem Krieg wieder heimgekehrt sind, werden in den Inschriften nicht als Helden bezeichnet.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, S. 89

»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

Kurt Tucholsky

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1963: Die zweite Inschrift

Die neue Tafel aus Kupfer hatte die Inschrift:

EHRET
DIE TOTEN
DES ERSTEN
UND ZWEITEN
WELTKRIEGES

Nun wurde am Denkmal aller Toten der beiden Weltkriege gedacht. Nicht explizit erwähnt, aber doch mitgedacht sind die Opfer des Nationalsozialismus. Das ist nach dem ausschließlich kriegerischen Gedenken der ersten 30 Jahre eine Verbesserung. Die allgemeine Formulierung wird allerdings nirgends deutlich erklärt und die Inszenierung der »Kultstätte« aus der Zeit des Nationalsozialismus wird beibehalten. Die Meiendorfer folgten den geänderten Auffassungen zu einer zeitgemäßen Erinnerungskultur:


»Ende der 60er, Anfang der 70er gibt es in Deutschland einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Es kommen jüngere Historiker und jüngere Offiziere in verantwortliche Positionen, die vieles von dem was vor 1914 bis 1918 war hinterfragen, die auch ganz andere Fragen an die Vergangenheit stellen und an die entsprechenden Repräsentationen der Vergangenheit. Die sich fragen: Ist es noch zeitgemäß Erinnerungen zu pflegen, die Ausdruck von Aggression, Imperialismus und Hybris ist?«

Michael Epkenhans, Historiker, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam

 

Im Oktober 2014 lud die Kirchengemeinde Rogate in Meiendorf Pastor Ulrich Hentschel, den damaligen Studienleiter für Erinnerungskultur der Evangelischen Akademie, zu einer Veranstaltung mit dem Thema »›Gott mit uns‹ – Kirche und 1.Weltkrieg« ein. Es folgten später mehrere Gespräche über das im Gemeindebereich befindliche Kriegerdenkmal und vor allem über den Sinn und die Inhalte der jährlichen Kundgebungen am Volkstrauertag.

Vortrag »›Gott mit uns‹ – Kirche und 1.Weltkrieg«, Ulrich Hentschel

 

VTT2014 Meiendorf Rede web


Volkstrauertag 2014: Pastor Ulrich Hentschel hielt – neben dem üblichen Ritual der Feuerwehr und des Posaunenchors – eine kurze Ansprache. Er sagte er u.a.: »Viele von den Männern, an die auch heute wieder erinnert wird, waren als Soldaten an diesem verbrecherischen Krieg beteiligt. Das ist eine schmerzliche, aber notwendige Erkenntnis.«

Ansprache Ulrich Hentschel

Einladung der Stadtteilkonferenz Meiendorf

Danach gab es weitere Gespräche. Die Kirchengemeinde und die anderen beteiligten Organisationen einigten sich daraufhin auf eine neue, die dritte Inschrift am Kriegerdenkmal.

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2016: Die dritte Inschrift

Aus »Ehren« wird »Gedenken«, ausdrücklich wird »Gewaltherrschaft« benannt, womit wohl die Herrschaft der Nationalsozialisten gemeint ist. Das ist symphatisch, mit dieser Formulierung wird kein gewaltsam im Krieg zu Tode Gekommender ausgeschlossen. Die Inszenierung wird jedoch weiter beibehalten und auch nicht erklärt.

HH Meiendorf Tafel 2016 web

Ist die Interpretation, mit »Opfer« seien alle Kriegsopfer, nicht nur Soldaten, gemeint, die Lösung für die alternativen Gedenktafeln an Kriegerdenkmälern? Der Historiker Klaus Latzel lehrt an der Technischen Universität Braunschweig. Er meint dazu in ZEITGeschichte 4/2018:

»Nach diesem Krieg und nach der erneuten Niederlage war an eine positive Sinnstiftung oder gar Verklärung des Kriegstodes, den zudem nun auch viele Zivilisten gestorben waren, nicht mehr zu denken. Die bundesdeutsche Erinnerung behalf sich mit einem abermaligen Rückgriff auf die Opferidee: Der ›Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft‹ zu gedenken wurde allmählich zur Standardformel. [...] Nun war aber der Krieg, nun war die Wehrmacht, die ihn führte, zugleich Bestandteil dieser Gewaltherrschaft – sind die Angehörigen der Wehrmacht also Opfer ihrer selbst? Und war Roland Freisler, der 1945 in Berlin durch einen alliierten Luftangriff starb, ebenso ein Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wie die Widerstandskämpfer, die er zuvor als Präsident des Volksgerichtshofs an den Galgen geschickt hatte?

Soll diese unhistorische Gleichmacherei, welche die Unterschiede zwischen den Toten hinter dem Opferbegriff versteckt, nicht weitergeführt werden, dann muss sich das bundesdeutsche Totengedenken von diesem Begriff verabschieden.«

Die Anlage in Meiendorf mit ihren Tafelversionen zeigt das Dilemma der Kriegerdenkmäler zwischen »Heldenverehrung« und »Opfergedenken« sehr deutlich.

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Die Geschichte in Bildern

HH Meiendorf 2008 web

● 2008

HH Meiendorf
Foto: Kerstin Klingel

• Ohne Datum, ein bißchen Wildnis vor der Renovierung

           HH Meiendorf 1963 web

           ● Ohne Datum: Ein Foto der umkränzten ersten Tafel

HH Meiendorf 1939 web

● 1939: der nächste Weltkrieg beginnt

HH Meiendorf alt2 web


● Ohne Datum: Umgeben vom Deepenhornteich?

Alle historischen Fotos und die Postkarten hat uns der Bürgerverein Rahlstedt zur Verfügung gestellt. Unser Dank gilt Horst Schwarz.

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Historische Postkarten

HH Meiendorf 1933 web

● Diese Karte ist aus dem Jahr 1933

HH Meiendorf alt web

● Ohne Datum

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»Treue um Treue«

Der Wahlspruch der Waffen-SS hieß »Unsere Ehre heißt Treue«. Der SS-Wahlspruch oder Abwandlungen davon sind in einigen Ländern strafbar, in Deutschland durch das Strafgesetzbuch, § 86a StGB, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

»Treue« war innerhalb der SS-Ideologie ein widerspruchsloser Gehorsam. Durch die Gleichsetzung der Begriffe »Treue« und »Ehre« wurde ein Treuebruch zu einem Ehrverlust. Der Begriff »Ehre« verlor dadurch seinen traditionellen moralischen Inhalt. Denn die Ehre eines Soldaten etwa, der sich aus Ehrgefühl weigern könnte, an einem Kriegsverbrechen teilzunehmen, spielte im Ehrbegriff der SS keine Rolle mehr. Es zählte allein der blinde Gehorsam.
Die Projektion der Tugendbegriffe auf den Führer hin war notwendig, um den bedingungslosen Gehorsam auch bei verbrecherischen Befehlen zu erreichen. Dies konnte man nicht durch ein Gesetz erzwingen. Es bedurfte der Freiwilligkeit des Soldaten, die durch Umdeutung traditioneller Tugendideale erreicht wurde.

nach Wikipedia, abgerufen am 16.2.2014

Erlass von Heeresinspekteur Bruno Kasdorf vom 6. Mai 2014, in Kraft gesetzt am 20. Mai:
»Im Verantwortungsbereich der DSK [Division Schnelle Kräfte] wird der Wahlspruch ›Treue um Treue‹ zur Ehrung für die gefallenen Bundeswehrsoldaten vom ›Karfreitagsgefecht‹ des 02. April 2010 innerhalb von Liegenschaften der Bundeswehr genutzt. Darüber hinaus findet der Wahlspruch u.a. in Dienstgebäuden oder auch auf diversen Trinkbechern in Form einer Gravur Verwendung.

In Anlehnung an die Weisung FüSK II 4 [Abteilung Führung Streitkräfte im Verteidigungsministerium] und als Ergebnis der durch den InspH [Inspekteur des Heeres] beauftragten Untersuchung des Wahlspruches durch bundeswehreigene und externe Institutionen wird festgestellt, dass der Ausdruck nicht geeignet ist, Traditionen der Bundeswehr zu pflegen und in diesem Zusammenhang Treuepflicht zu symbolisieren.

In heutiger Wahrnehmung und in der Geschichte deutscher Streitkräfte ist der Wahlspruch im Wesentlichen durch die Verwendung als Motto der Fallschirmjägertruppe der Wehrmacht geprägt worden und mit dieser verbunden.
Es ist davon auszugehen, dass seine Verwendung in der Bundeswehr und insbesondere bei den Fallschirmjägern in der öffentlichen Wahrnehmung auch als Bekenntnis zu einer Traditionslinie Wehrmacht – Bundeswehr aufgefasst wird.
Mit Entscheidung des InspH vom 06. Mai 2014 wird die Nutzung des Wahlspruches ›Treue um Treue‹ für das Deutsche Heer im dienstlichen Umfeld in jeglicher Form verboten.«

Die im Erlass genannte Weisung aus dem Ministerium, datiert vom 26. Februar 2013, verbietet ausdrücklich diesen Spruch für die Gedenktafeln für gefallene Bundeswehrsoldaten:
»Im Einsatzgebiet AFG enthalten zwei Gedenktafeln für Gefallene der Bundeswehr die Inschrift ›Treue um Treue‹. (…) Hierzu ist festzustellen: Die Inschriften sind nicht geeignet, Traditionen der Bundeswehr zu pflegen oder die den Soldaten der Bundeswehr abverlangte Tapferkeit und Treuepflicht zu symbolisieren. Vielmehr ist absehbar, dass die Inschriften zu Missverständnissen führen können, die einem würdigen Gedenken an die Gefallenen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit abträglich sind. Der Wahlspruch ›Treue um Treue‹ ist daher auf Gedenktafeln für die Gefallenen der Bundeswehr nicht zu verwenden.«

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»Neuheidentum und braune Esoterik«

Neuheidentum bezeichnet seit dem 19. Jahrhundert aufgekommene religiöse und kulturelle Strömungen, die sich vor allem an antikem, keltischem, germanischem und slawischem Heidentum sowie an außereuropäischen ethnischen Religionen orientieren.

Deutsch- und germanischgläubige Gemeinschaften, die der völkischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugerechnet werden, wandten sich vom Christentum ab und waren auf der Suche nach einer arteigenen Religion. Neuheidnische Standpunkte hatten unter Heinrich Himmlers Protektion einen intensiven Einfluss auf einzelne Forschungsprojekte, zum Beispiel in der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe oder im Fach Rechtsgeschichte.

Nach Wikipedia abgerufen am 2. Oktober 2020


»
Ein relativ kleines, aber nicht unwesentliches Element im rechtsextremistischen Spektrum stellen die sogenannten Neuheidnischen Gruppen dar. Ihr primäres Kennzeichen ist der Umstand, dass die teils radikal-rassistischen Auffassungen, die große Kompatibilitäten zur NS-Ideologie aufweisen, mit alteuropäischer Spiritualität verbunden werden.«

Berit Schmaul, 2004, im Online-Wissensarchiv GRIN


Leseprobe der Arbeit von Berit Schmaul


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I N H A L T
Das Denkmal
Die wechselvolle Geschichte
Der Wettbewerb
»Lebenszeichen aus dem Schützengraben«
Der aufsteigende Adler
Die Tommies sind da
Die Rekonstruktion des Reliefs
Historische Postkarte
Das Kaufhaus der Gebr. Hirschfeld
Der Bildhauer Ernst Barlach
Oberbaudirektor Fritz Schumacher
Das Kaiser Wilhelm Denkmal

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Mitte

Rathausmarkt, an der kleinen Alster

Die 21 Meter hohe Muschelkalkstele ist ein Entwurf des Architekten Klaus Hoffmann, geboren am 28. Juli 1889 in Stuttgart, gestorben am 7. Juni 1981 in Rüdesheim. Das 7 1/2 Meter hohe Relief einer schwangeren Frau mit einem größeren Kind in den Armen hat der Bildhauer Ernst Barlach entworfen, der Steinmetz und Bildhauer Friedrich Bursch hat es in den Jahren 1931/32 ausgeführt. Auftraggeber war der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. Barlachs Entwurf wurde schon vor der Einweihung öffentlich so stark und kontrovers diskutiert, dass der Erste Bürgermeister Rudolf Ross (SPD) sie in den frühen Morgenstunden des 2. August 1931 auf einem fast menschenleeren Platz durchführte, in der Nacht hatten Zimmerleute eilig die Holzverschalung entfernt.

Die Inschrift der Stele lautet:
Vierzigtausend Söhne der Stadt liessen ihr Leben für euch
1914–1918

HH Mitte Relief web

                     HH Mitte Inschrift web

Die eindeutige Aussage des Reliefs wird durch die Inschrift wieder zurückgenommen. Die Wendung »... für euch« ist der Versuch einer Legitimation des Kriegstods. Die Diskrepanz erklärt sich aus den damaligen politischen Kräfteverhältnissen.

                      HH Mitte Stele web

                      © alle drei Fotos: http://win2014.de

»Um das Gedächtnis an den Großen Weltkrieg festzuhalten und der Opfer ehrend zu gedenken, die er von Hamburg gefordert hat, soll ein schlichtes Gedenkmal im Herzen der Stadt errichtet werden«, so stand es in den Wettbewerbsbedingungen von 1929.

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Die wechselvolle Geschichte

»In Hamburg wurde nach dem Ersten Weltkrieg über Jahre hinweg eine ›Heldengedächtnishalle‹ auf dem Ohlsdorfer Friedhof geplant. Als die Kosten für dieses Projekt mit mehr als zweieinhalb Millionen Reichsmark veranschlagt wurden, äußerten Friedensverbände und Kriegsopferorganisationen ihren Protest beim sozialdemokratischen Senat und dieser beschloss stattdessen die Gründung einer Stiftung zur Unterstützung von Kriegsbeschädigten und die Errichtung eines schlichten Denkmals.« schreibt Kerstin Klingel. So geht es weiter in ihrem Buch »Eichenkranz und Dornenkrone«:

Kerstin Klingel, Geschichte


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Der Wettbewerb 

Hier ein Beilage der DBZ, der Deutschen Bauzeitung, vom Juni 1930: »Wettbewerbe für Baukunst und Schwesterkünste«. Darin beschreibt der langjährige Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher den Wettbewerb um das »Kriegs-Gedenkmal« in Hamburg.

DBZ, Juni 1930


Unheroisch sollte das Denkmal sein, das hatte der damalige sozialliberale Senat beschlossen, das Leid und die Trauer der Hinterbliebenen zum Ausdruck bringen. Damit sollte auch politisch ein Zeichen gesetzt werden. Den Verlauf des Wettbewebs hat Volker Plagemann in seinem Buch »Vaterstadt, Vaterland ...« beschrieben:

Volker Plagemann


Doch die Reaktion blieb nicht aus. Am 31. Mai 1931 beantragte die Fraktion der Deutschnationalen Volkspartei in der Bürgerschaft, das Denkmal nicht aufzustellen. Ihr Abgeordneter Joseph Hoffmann erklärte: »Wenn das Barlach-Werk erst fertig ist, dann werden sie es ablehnen, wie ich es ablehne und der Stahlhelm und die vaterländischen Verbände.« Die Senatskoalition lehnte den Antrag ab. Zum Jahrestag des Kriegsausbruchs 1914 sollte das Mahnmal enthüllt werden. Doch die politische Lage spitzte sich auch in Hamburg dramatisch zu, politisch motivierte Bluttaten zeigten die Radikalisierung des gesellschaftlichen Klimas, die die Folgen der Weltwirtschaftskrise hervorgerufen hatten. Hamburg stand vor dem Bankrott. Die schnelle unangekündigte Einweihung am 2. August in aller Frühe sollte den Rechtsparteien keinen Vorwand für öffentliche Proteste liefern.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden Stimmen laut, die den Abriß des Denkmals forderten oder zumindest die Entfernung der figürlichen Darstellung verlangten. Noch 1933 holte man ein »juristisches Gutachten« ein, dessen Verfasser Regierungsrat Dr. Struwe für eine Beseitigung eintrat, »weil Relief und Ehrenmal kein einheitliches Kunstwerk sind«. Doch erst am 24.8.1937 wurde die Baubehörde von Senator Ahrens um Vorschläge ersucht, »das Barlach’sche Relief auf dem Adolf Hitler Platz gegebenenfalls durch Symbole des Krieges (Eiserne Kreuze o.ä.) zu überdecken«. 1939, ein Jahr nach dem Tod Ernst Barlachs, erhielt, nach vielen ergebnislosen Entwürfen und einem ebensolchen Wettbewerb, Hans Martin Ruwoldt den Auftrag einen aufsteigenden Adler für das Denkmal zu entwerfen.

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»Lebenszeichen aus dem Schützengraben«

Auch diese sehr lesenswerte Website hat der Stele am Rathausmarkt einen Beitrag gewidmet:

win2014.de

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Der aufsteigende Adler

Hans Martin Ruwoldt, geboren 15. Februar 1891 als Heinrich Hans Martin Meier in Hamburg, gestorben am 16. Oktober 1969 in Hamburg, wurde von seiner kinderlosen Tante in Wismar aufgezogen. 1906 bis 1909 absolvierte er eine Bildhauerlehre in Rostock, 1911 bis 1914 studierte er an der Kunstgewerbeschule Hamburg in der Bildhauerklasse von Richard Luksch. Er nahm als Soldat am 1. Weltkrieg teil und geriet in französische Kriegsgefangenschaft. Um 1928 schloss sich Ruwoldt der Hamburgischen Sezession an. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war er bis 1936 einer der Leiter des Bereichs Bildhauerei an der Reichskammer der bildenden Künste. Von 1926 bis 1933 war es vor allem der hamburgische Oberbaudirektor Fritz Schumacher, der Ruwoldt mit Aufträgen förderte. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten einige seiner Werke, doch er erhielt dann auch wieder Aufträge: sein Urmotiv, der Panther, ließ sich einer Kunstauffassung, die Kampfgeist und Aggression widerspiegeln sollte, anpassen. In seiner schwierigen finanziellen Lage nahm er immer wieder Aufträge der neuen Machthaber an, so fertigte er 1938 – beauftragt vom Gauleiter Hamburgs, Karl Kaufmann – für die Stele am Rathausmarkt »einen adlerartigen aus der Asche aufsteigenden Phönix« als Ersatz für das Relief von Ernst Barlach, das eine trauernde Mutter und ihr Kind darstellte. Den Machthabern missfiel Barlachs Darstellung des Gedenkens für getötete Soldaten, es würde »von weitesten Kreisen der Bevölkerung als unerfreulich, ja verletzend empfunden«, wie es in einer Pressemeldung hieß. Der aufsteigende Adler wurde am 9. November 1939, dem »Gedenktag für die Opfer der Bewegung« enthüllt. Das Hamburger Fremdenblatt kommentierte: »Ein auffliegender Adler ist Sinnbild des Wortes, das allen toten Helden gewidmet ist: Und ihr habt doch gesiegt!«. Ernst Barlach erlebte die Zerstörung seines Reliefs nicht mehr, er war 1938 gestorben.

         HH Mitte Adler web

»... das Relief eines aufsteigenden Adlers, der jedoch bis auf die Krallen nicht als solcher zu erkennen war, der Kopf erinnert mit seinem kurzen Schnabel vielmehr an den einer Taube....« schreibt Kerstin Klingel in ihrem Buch »Eichenkranz und Dornenkrone«. Lesen Sie hier ihre Einschätzung:

Kerstin Klingel, Adler


Hans Martin Ruwoldt lehrte ab 1955 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Kurz vor seinem Tod spendete er einen großen Teil seiner Werke an das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.

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Die Tommies sind da

HH Mitte BritischeArmee1945 web

© Imperial War Museum/Wikimedia Commons

4. Mai 1945: Die Britische Armee in Hamburg

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Die Rekonstruktion des Reliefs

Um 1949 beschloß der Senat das Relief von Barlach rekonstruieren zu lassen. Die Alliierten stellten 1946 fest, dass es seit 1914 Kriegerdenkmäler gegeben hatte, die darauf abzielten, »die deutsche militärische Tradition zu bewahren und lebendig zu halten« oder »den Militarismus wachzurufen«. Sie ordneten an, diese zu beseitigen. Eventuell angeregt durch diese Direktive, stellte der Beschluß des neuen Senats aber auch ein Bekenntnis zur Tradition derer dar, die 1930 das Denkmal erichtet hatten. Das Relief wurde 1949 durch den Steinmetz und Bildhauer Friedrich Bursch (5. August 1884 - 20. Januar 1968) ein zweites Mal gefertigt, das war mit Hilfe eines Abgusses von einem Werkmodell Barlachs möglich.

               HH Mitte Busch1949 web

               • Friedrich Bursch rekonstruiert das Relief von Barlach

Kultursenator Hartenfels beantragte, Bürgermeister Brauer möge das Relief enthüllen. Der liess durch Senatssyndikus Kurt Sieveking erwidern:

»Herr Bürgermeister Brauer hat sich dahin entschieden, dass eine besondere Feier anlässlich der Wiederherstellung des Barlach-Reliefs am Ehrenmal nicht stattfinden soll. Vielmehr ist in Aussicht genommen, dass die Hülle des Denkmals in der Nacht vor dem Totensonntag entfernt wird, so dass es am Totensonntag wieder in alter Form erscheint. Dann werden als erste die beiden Bürgermeister, die jedes Jahr am Totensonntag die Gedenkstätten der Toten der beiden Kriege besuchen, auch am Ehrenmal einen Kranz der Stadt niederlegen.«


Die Stele ist seitdem das offizielle Gefallenendenkmal der Stadt für die Toten beider Weltkriege.

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Historische Postkarte

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Das Denkmal am unteren rechten Rand des »Adolf Hitler Platzes«

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Das Kaufhaus der Gebr. Hirschfeld

HH Mitte GbrHirschfeld web     

Hinter dem Denkmal sieht man das Damenbekleidungskaufhaus der jüdischen Gebrüder Hirschfeld. Lesen Sie hier mehr:

Gebr. Hirschfeld


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Der Bildhauer Ernst Barlach

Bereits Barlachs frühe Arbeiten setzen sich mit dem Menschen, seinen Lebensbedingungen und seinen Haltungen zum Leben auseinander. Besonders beschäftigte er sich nach seiner Einberufung 1915 zum Landsturm mit dem Erlebnis »Krieg«. Lesen Sie mehr:

Ernst Barlach


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Oberbaudirektor Fritz Schumacher

In seinen Erinnerungen und Betrachtungen hat Fritz Schumacher kurz vor seinem Tod geschildert, welche Schwierigkeiten es bei der Entstehung des Denkmals am Hamburger Rathaus gab.

Der folgende Link führt zum Text aus dem Buch: Fritz Schumacher, Selbstgespräche, Erinnerungen und Betrachtungen, im Axel Springer Verlag Hamburg, 1949, S.202ff.

win2014.de

Kurzbiografie von Fritz Schumacher

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Das alte Kaiser Wilhelm Denkmal

Das Reiterdenkmal mit Figurengruppe wurde von Johannes Schilling entworfen und am 20. Juni 1903 in Anwesenheit des Enkels Kaiser Wilhelm II. auf dem Rathausmarkt enthüllt. 1930 in die Neustadt versetzt, besteht es seit 1997 in der heutigen Gruppierung im Park Planten un Blomen. Das Denkmal stellte den Kaiser bewusst in würdig empfundener, schlichter Uniform dar. Nicht der preußische Militarismus, sondern die sozialen, ökonomischen und juristischen Errungenschaften nach der Gründung des Deutschen Reiches und Hamburgs Anteil daran, sollten im Vordergrund stehen.

1929/1930 wurde das Denkmal, das schon während der Novemberrevolution 1918 sowie 1922 beschädigt worden war und in der nun demokratischen Weimarer Republik auch von politischer Seite kritisiert wurde, entfernt. Anlass war die aus verkehrstechnischen Gründen erfolgte Umgestaltung des Rathausmarktes 1930/1931 unter Oberbaudirektor Fritz Schumacher, der das Denkmal schon vor dem Ersten Weltkrieg entfernen wollte um die Platzgestaltung wieder an das ursprünglich geplante Raumgefüge (dem Markusplatz nachempfunden) anzunähern. Das Reiterstandbild, die allegorischen Gruppen, ein Teil der Balustraden und zwei Laternenmasten wurden vor dem Ziviljustizgebäude neu aufgestellt. Die nicht mehr verwendeten Teile, wie die Reliefs und Aufsätze der Balustraden, gelten heute als verschollen. Die Flaggenmasten verblieben – näher zum Rathaus gerückt – am alten Ort.

Zudem befinden sich ein erhaltener Lichtmast auf dem St. Anscharplatz und die beiden seitlichen Sockelreliefs des Standbildes in den Schaufenstern des Geschäftes »Thomas I Punkt« am Gänsemarkt und der Rückseite des Hulbe-Hauses. Das im Zweiten Weltkrieg beschädigte Denkmal wurde 1961 wegen der bevorstehenden Umgestaltung der Wallanlagen für die IGA 1963 aufgelöst und das Reiterstandbild auf einem Betonsockel in der Parkanlage erneut umgestellt.

nach Wikipedia, abgerufen am 20. Juni 2014

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Die Enthüllung des Kaiser Wilhelm Denkmals am 20. Juni 1903

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I N H A L T
Das Denkmal zum 1. Weltkrieg und seine Geschichte
Der Sandsteinquader zum 2. Weltkrieg
Die Sturmflut 1962
Der Findling zu den Deutschen Freiheitskriegen 1813
Die Freiheitskriege
Der Kampf um die Moorburger Schanze
Die Kirche St. Maria-Magdalena
Der Bildhauer Richard Kuöhl
Moorburg – Hafenerweiterungsgebiet

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Moorburg

Auf dem Nordteil des Friedhofs der Kirche St. Maria-Magdalena

Die Denkmalsanlage besteht aus drei Teilen, auf dem Foto von links nach rechts zu sehen: ein Findling zu den Deutschen Freiheitskriegen 1813, ein Monument aus zwei Sandsteinplatten und halbhoher Klinkermauer zum 1. Weltkrieg und ein Sandsteinquader in einer langen Klinkermauer über Eck zum 2. Weltkrieg. Sieben Jahre nach der Einweihung der Anlage am 13. November 1960 wurde der Platz erweitert, so wie er auf dem Foto unten zu sehen ist. Seit 1931 hatte es auf diesem Teil des Friedhofs keine Bestattungen mehr gegeben. Nachdem die an die Friedhofsverwaltung zurückgefallenen Grabstellen entfernt worden waren, konnte man Platz für die Gedenkfeiern mit Vereinen und Organisationen schaffen.

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Dahinter sieht man übrigens den Doppelturm des Kohlekraftwerks Moorburg, siehe Informationen weiter unten.

 

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Die Sandsteinplatten haben oben je eine überkragende Abschlussplatte, darauf zur Mitte die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs. Auf den Flächen stehen die insgesamt 73 Namen der getöteten Soldaten, darüber je ein Eisernes Kreuz im Kreis. An der halbhohen Klinkermauer ist der Kranzhalter angebracht. Erstaunlich: keine kriegsverherrlichende Inschrift, keine ehrende Bezeichnung für die toten Soldaten. Bei unseren Recherchen entdecken wir den Grund: Die beiden Namensplatten sind nur ein Fragment des Denkmals, das 1926 in Moorburg errichtet worden ist.

 

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Auf dem Foto sieht man den jetzt fehlenden mittleren Teil. Darauf ist ein Soldat im Relief abgebildet, der weit ausholt, um die Handgranate in der rechten Faust zu werfen. Das Denkmal wurde geschaffen vom Hamburger Bildhauer Richard Kuöhl, der u.a. bekannt ist durch sein martialisches Denkmal der marschierenden Soldaten am Dammtorbahnhof.

»Eine Treppe am Deich, der Kirchenstegel gegenüber, von der Hand des Hamburger Künstlers Kuöl ausgeführt, soll der Nachwelt Zeugnis ablegen von dem Heldentode der Söhne unserer Heimat auf französischen, russischen, serbischen, rumänischen und türkischen Schlachtfeldern. Die große der Straße zugewandte Fläche, zeigt einen Krieger, der fast widerwillig die Handgranate schleudert, ein Symbol dessen, daß wir Deutsche diesen Krieg nicht gewollt haben, daß er uns von unsern Gegnern aufgezwungen wurde, daß wir ihn notgedrungen führen mußten in heiliger Notwehr.«

• Quelle und Datum unbekannt

Zitiert von der Website www.hamburg-moorburg.de

von Harald Meyer, von dem auch alle historischen Fotos von Moorburg stammen. Vielen Dank.

 

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Hier in der Bildmitte kann man die hellen Steinplatten des Denkmals erkennen. Als es auf den Friedhof versetzt werden sollte, entfernte man kurzerhand die mittlere Platte und ließ sie am Deich liegen. Nur die Namensplatten zogen auf den Friedhof und wurden dem neugeschaffenen Denkmal zum 2. Weltkrieg, das ein Sandsteinquader ist, im Stil durch die beigeordnete Halbklinkermauer angeglichen. Da die Einweihung des Sandsteinquaders zum 2. Weltkrieg am 13. November 1960 erfolgte, ist zu vermuten, dass in dieser Zeit auch der Umzug der Namensplatten stattfand und dass seitdem der Kuöhl-Soldat am Deich liegt.

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Der Sandsteinquader zum
2. Weltkrieg

Das Denkmal wurde entworfen und ausgeführt von den Architekten Sandmann und Grundmann. Dieses Architekturbüro hat in dieser Zeit viele Kirchenneubauten in Hamburg verantwortet, z.B. die Blankeneser Kirche am Markt, die Vicelinkirche in Sasel, die »Kirche zum guten Hirten« in Langenfelde.
Eingeweiht wurde das Denkmal am 13. November 1960.

 

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Auf der großen Fläche stehen die 150 Namen der Toten und Vermissten, davon sind 19 Frauen. Die Namen sind nach Jahren geordnet. Für das erste Kriegsjahr 1939 gibt es keinen Eintrag, dann steigern sich die Opferzahlen stetig.

 

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Von der Seite sieht man, wie die Klinkermauer mit den Kranzhaltern durch den Quader geführt wird. Davor ist eine leicht erhöhte Fläche in Mauerbreite gepflastert worden.

 

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Unter dem Quader, als Verbindung zum Boden, eine Platte mit der Inschrift:

Sie sanken dahin ihr Geist aber lebt
ein ewiger Mahner uns zur Pflicht

Darunter im Relief: Alpha, das Christusmonogramm Chi Rho und Omega. Alpha und Omega, der erste und der letzte Buchstabe des klassischen griechischen Alphabets, sind ein Symbol für Anfang und Ende, damit für das Umfassende, für Gott und insbesondere für Christus als den Ersten und Letzten. Alpha und Omega tauchen häufig – wie auch hier – als Begleitmotiv zum Christusmonogramm auf.

Auf einigen nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Denkmälern wurden unspezifische Mahnungen formuliert, bei denen sich zwangsläufig die Frage stellen muss: Mahnung wozu? Ein Beispiel dafür stellt das Denkmal in Rahlstedt dar, die Feuerschale auf gedrehter Säule, die die Inschrift trägt: »Wir mahnen die Welt.« Ein anderes Beispiel ist die Inschrift auf einem Sandsteinmonument auf dem Moorburger Friedhof, wo es heißt: »Sie sanken dahin/ Ihr Geist aber lebt/ Ein ewiger Mahner uns zur Pflicht.« Welche Pflicht damit gemeint sein könnte, wird offen gelassen, es könnte auch die militärische Pflicht sein. Hier gibt nur das Christusmonogramm auf dem Denkmal den Hinweis, dass die christliche Pflicht zur Nächstenliebe gemeint sein wird.

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg

 

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Die Sturmflut 1962

An dem kleineren Stück Mauer, das im rechten Winkel angesetzt wurde, ist eine Gedenktafel für die Opfer der Sturmflut vom 16. – 17. Februar 1962 angebracht. Es werden 11 Namen von Männern und Frauen genannt.

Darunter ein Bibelvers des Neuen Testaments aus dem 1. Brief des Paulus an die Korinther (1.Korinther 15,26)

Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod

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1962 kam es zu einer Flutkatastrophe an der deutschen Nordseeküste. An den Unterläufen von Elbe und Weser sowie ihren damals noch ungesicherten Nebenflüssen wurden hohe, vorher nicht beobachtete Wasserstände erreicht. Vor allem an den seit der Flutkatastrophe von 1953 noch nicht erhöhten Deichen in diesen Flussgebieten kam es zu schweren Schäden und zahllosen Deichbrüchen. Insgesamt waren 340 Tote zu beklagen.

Außergewöhnlich schwer betroffen war das Unterelbegebiet mit der Hansestadt Hamburg, wo vor allem der Stadtteil Wilhelmsburg durch Deichbrüche in Mitleidenschaft gezogen wurde; dort starben die meisten der in Hamburg insgesamt zu beklagenden 315 Todesopfer. Ursächlich für das Ausmaß der Katastrophe in Hamburg waren gravierende städtebauliche und verwaltungsorganisatorische Mängel sowie technisch unzureichende und sich teilweise in einem schlechten Pflegezustand befindliche Deiche und andere Hochwasserschutzeinrichtungen.

Die Sturmflut vom 16./17. Februar 1962 fand in einer Zeit statt, in der die moderne Informationstechnologie wie auch die Methodik der Wasserstands- und Wettervorhersage in den Kinderschuhen steckte. Es gab keine Wettersatelliten, die für die Wasserstands- und Wettervorhersage zuständigen Stellen arbeiteten auf nationaler Ebene, eine internationale Vernetzung war nur rudimentär vorhanden. Insbesondere auf See fand die kontinuierliche Wetterbeobachtung nur in Form stündlicher Beobachtungen statt, die dann von Hand in Wetterkarten eingetragen wurden. Plötzlich eintretende Wetterverschlechterungen konnten so teilweise erst erkannt werden, wenn es für eine rechtzeitige Warnung schon zu spät war.

Als Kommunikationsmittel standen analoge Technologien in Form von Telefon, Fernschreiber und Funk zur Verfügung. Als Bindeglied zwischen den Behörden und der Bevölkerung dienten Aushänge, Tageszeitungen, Luftschutzsirenen sowie Lautsprecherwagen von Polizei und Feuerwehr. Fernsehen und Rundfunk sendeten nur eingeschränkt für einige Stunden am Tag. Die laufenden Programme wurden oft von anderen deutschen Sendeanstalten übernommen und ließen sich nur sehr schwer ändern oder unterbrechen. Als problematisch erwies sich auch immer wieder der Umstand, dass noch in den 1960er Jahren die Stromversorgung in den Siedlungsgebieten sowohl auf dem Land, als auch in den Städten mit Freileitungen erfolgte. Diese Freileitungen wurden durch Blitzschlag und durch Sturm oft schwer beschädigt, was zu großflächigen, langandauernden Stromausfällen führte. Unter solchen Bedingungen konnte die Bevölkerung lediglich durch Lautsprecherwagen von Polizei und Feuerwehr oder durch von Haus zu Haus gehende Beamte gewarnt werden.

Nach Wikipedia, abgerufen am 4. Februar 2018

 

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Diese beiden Moorburger Gebäude wurden durch die Sturmflut völlig zerstört. Im unteren sind alle anwesenden Bewohner ums Leben gekommen.


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Der Findling zu den Deutschen Freiheitskriegen 1813

Das als erstes errichtete Denkmal dieser Dreiergruppe ist der Findling, der am 23. Oktober 1910 feierlich enthüllt wurde. Er wurde von der Firma Emil Köhler aus Hamburg aus dem Harz nach Moorburg geschafft. Er wiegt ca. 150 Zentner, ist 4 Meter hoch und 1,40 Meter breit. Er ist den dreizehn im Kampf um die Moorburger Schanze getöteten Jägern gewidmet.

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Der große Findling ist umringt von kleineren, die früher verschieden große Kanonenkugeln trugen (siehe historisches Foto weiter unten). Einen äußeren Ring bilden eckige Granitpfeiler, die früher mit Ketten verbunden waren.

 

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Auf der Vorderseite steht ganz oben:

Nunquam retrorsum
lateinisch für: »Niemals zurück«, ist ein Wahlspruch des Welfenhauses und damit der Hannoverschen Armee. Auch nach dem Untergang des Königreichs am 29. Juni 1866 tauchte er noch als Devise der Veteranenverbände und welfisch gesinnter Kreise auf. Das Motto wurde später oft in abgewandelter Form »Nunquam retrorsum, semper prorsum!«, »Niemals zurück, immer nur vorwärts!«, verwendet. So z.B. von Ernst Jünger in seinem 1920 erschienenen autobiografischen Werk »In Stahlgewittern« und bei einigen studentischen Verbindungen.

Darunter das Wappen der Welfen: ein springender Schimmel. Ebenfalls als Bronzerelief das Hamburger Wappen. Dazwischen eine polierte Fläche mit der Widmung:

Zur Erinnerung an die große Zeit der deutschen Freiheitskriege und insbesondere an die in Moorburg siegreichen freiwilligen, hannoverschen Truppenabteilungen der Kielmannseggeschen, Lüneburger und Harzer=Sollinger Jäger, sowie an die Führerdienste des Landmannes Carl Heinrich Nieber.

Auf der Rückseite unter den Relief eines Lorbeerkranzes aus Bronze die Inschrift:

Im Kampf um die Moorburger Schanze gefallen, wurden auf dem alten Friedhof bestattet: von den Lüneburger Jägern 10 Namen von den Harzer-Sollinger Jägern 3 Namen

 

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Ganz oben ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen aus Bronze.

 

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Das historische Foto zeigt die Inszenierung mit den Kanonenkugeln und Ketten.

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Die Freiheitskriege

Als Befreiungskriege oder Freiheitskriege werden die kriegerischen Auseinandersetzungen in Mitteleuropa von 1813 bis 1815 zusammengefasst, mit denen die französische Vorherrschaft unter Napoleon Bonaparte über große Teile des europäischen Kontinents beendet wurde.

Gegen das Französische Kaiserreich, das sich mit Großbritannien seit 1793 nahezu ununterbrochen in einem weltumspannenden See- und Kolonialkrieg befunden hatte, bildete sich im Jahr 1813 nach Napoleons Niederlage im Russlandfeldzug von 1812 erneut ein Militärbündnis. In Deutschland entstand eine antifranzösische und national orientierte Publizistik, die eine Basis für den deutschen Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert bildete.

Nach einem wechselhaften Kriegsverlauf wurde Napoleon im Oktober 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen. Mit dem Rückzug Napoleons endete die französische Herrschaft über Teile Deutschlands, die sogenannte Franzosenzeit.

nach Wikipedia, abgerufen am 4. Februar 2018

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Der Kampf um die Moorburger Schanze

Der Kampf um die Moorburger Schanze gehört in die Hamburger »Franzosenzeit« von 1803 bis 1814. Die Dörfer der Marsch und Geest im Süden Hamburgs hatten in der Zeit der französischen Besetzung stark zu leiden. Sie mussten neben den üblichen Abgaben auch Verpflegung, Unterkunft und Dienste für die Französische Armee und später auch für die Belagerungsarmee der Alliierten stellen. Allein im Jahr 1807 wird die Anzahl durchziehender Truppen mit 959 Offizieren, 23 330 Unteroffizieren und Mannschaften sowie 1 685 Pferde angegeben, die alle jeweils eine Nacht in Harburg und Umland Quartier bezogen. Ganz schlimm kam es in den Jahren 1813 und 1814 während der Belagerung Hamburgs und Harburgs, in denen viele Dörfer fortlaufend geplündert, niedergebrannt oder sogar in die Kampfhandlungen verstrickt wurden.

Lesen Sie hier den Vortrag mit Bildern von Hans A. Gerdts, gehalten am 21. November 2013 im Süderelbe-Archiv, Neugraben
200 Jahre Moorburger Schanze – Die Kämpfe in der Franzosenzeit

Vortrag, Gerdts, 2013

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Die Kirche St. Maria Magdalena

Die evangelisch-lutherische Kirche St. Maria Magdalena wurde nahe dem Moorburger Elbdeich erbaut und 1597 geweiht. Die barocke Ausstattung stammt aus dem Jahre 1688.

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Im Inneren der Kirche befindet sich eine Wandtafel, auf der ebenfalls die 73 Namen der getöteten Soldaten des 1. Weltkriegs aufgeführt werden. Darüber die Aufforderung an den Betrachter:

Wofür sie starben, sollst Du leben!

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Woher kommt diese Zeile?

Wochenspruch aus »Schultexte zur Zeit des Nationalsozialismus«:
Geboren als Deutscher,
Gelebt als Kämpfer,
Gefallen als Held,
Auferstanden für das Volk.
Wofür sie starben, sollst Du nun leben,
Vergiß es nie, Soldat der Revolution.

Andrea Schwers, Kindheit im Nationalsozialismus aus biografischer Sicht, 2002

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Der Bildhauer Richard Kuöhl

Richard Emil Kuöhl wurde am 31. Mai 1880 in Meißen geboren. Seine handwerkliche Ausbildung als Kunsttöpfer erhielt er in einer der Modellfabriken dieses Zentrums keramischer Kunst. Nach dreijährigem Studium an der Dresdner Kunstgewerbeschule, wurde er als leitender Modelleur einer bauchemischen Versuchsanstalt mit den modernsten Techniken der Tonbearbeitung vertraut. 1912 folgte er seinem Dresdener Architekturprofessor Fritz Schumacher nach Hamburg. Dort arbeitete er in den 1920er und 1930er Jahren mit fast industriellem Ausstoß. Es entstanden Skulpturen in Stein, Keramik und Reliefs in Terrakotta. Er starb am 19. Mai 1961 in Rohlfshagen bei Bad Oldesloe.

     Kuoehl im Atelier 1930 web
        Foto: Stormarnsches Dorfmuseum

• Mitte der 1930er Jahre arbeitete Richard Kuöhl in seinem Atelier an der Tonfigur »Kind auf einem Seehund sitzend«

Kriegerdenkmäler gehörten während der Weimarer Republik zu den häufigsten und begehrtesten Auftragswerken deutscher Bildhauer. Auch Kuöhl hatte bereits zahlreiche Kriegerdenkmäler ausgeführt, dabei war es ihm stets gelungen, die von nationalistisch und militärisch gesinnten Kreisen mit einem »Ehrenmal« beabsichtigte politische Aussage künstlerisch zu formulieren. »Nicht Jammer und Not, sondern Mannestat und Einsatzbereitschaft, das Heldische, Kraftvolle, das ein Mahnmal verkörpern muß, zeigen die »Ehrenmäler«, die er geschaffen hat ... immer wieder spricht ein trotziges ›Dennoch!‹ aus diesen Denkmälern.

»Neben idealisierten nackten Kriegern ... hatte er in kontinuierlicher Folge eine Darstellungsform des grobschlächtigen uniformierten deutschen Soldaten entwickelt, die den Vorstellungen der neuen Auftraggeber offenbar besonders entsprach: Im Mittelpunkt des Lübecker Ehrenfriedhofs, 1924, steht breitbeinig ein Infanterist, der den Helm zum Gebet abgenommen hat. Auf dem Klinkersockel des Regimentsdenkmals in Rendsburg, 1927, lagert ein sterbender Soldat, dem der Helm herabgesunken ist. Auf dem Klinkersockel des Kriegerdenkmals in Langenhorn, 1930, beugt ein Soldat mit abgenommenem Helm das Knie vor dem toten Kameraden.

Kuöhl war mit seiner Praxis als Bauplastiker und Mitarbeiter von Architekten, mit seiner praktischen Erfahrung als einsatzbereiter Gestalter von Soldatengrabmälern und Ehrenfriedhöfen an der Front, vor allen Dingen aber mit dieser Reihe von Soldatendarstellungen, die instinktsicher das trafen, was Kriegervereine und Rechtsparteien sich unter neuer deutscher Plastik vorstellen mochten, prädestiniert für weitere und größere Aufgaben dieser Art.«

Zitat aus Volker Plagemanns Buch »Vaterstadt, Vaterland, schütz Dich Gott mit starker Hand«, Hans Christians Verlag, 1986

Eine Autorengruppe um Roland Jäger veröffentlichte 1979 ein Buch über den »Kriegsklotz« hinterm Dammtorbahnhof in Hamburg, das wohl umstrittenste Denkmal Kuöhls. Hier können Sie zwei Seiten daraus lesen:

Jäger u.a. / Kuöhl


Ebenfalls dokumentiert sind auf dieser Website Kuöhls Denkmäler in:

Hamburg Dammtor
Hamburg Langenhorn
Schleswig-Holstein Lübeck
Schleswig-Holstein Rendsburg
Schleswig-Holstein Wilster
Hamburg Neuenfelde
Hamburg Finkenwerder
Schleswig-Holstein Großhansdorf
Schleswig-Holstein Neumünster


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Moorburg – Hafenerweiterungsgebiet

 

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Foto: Vattenfall


Der rote Pfeil zeigt auf den Standort der Denkmäler auf dem Friedhof hinter dem Gelände des Kohlekraftwerks Moorburg. Der Güterzugverkehr dazwischen wird demnächst ausgebaut, dann führen zwei Gleise direkt am Pastorat vorbei.

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Das Pastorat wurde zwischen 1880 und 1885 im städtischen Villenstil gebaut. Zum Pastorat gehörte ein Bauernhof, der dem Bau der Bahn und des neuen Hauptdeiches zum Opfer fiel. Seit einigen Jahren muss sich die Kirchengemeinde Moorburg eine Pastorenstelle mit der Kirchengemeinde in Finkenwerder teilen. Aus diesem Grund wohnt im Pastorat kein Pastor mehr. Das Haus dient der Kirchengemeinde aber noch als Gemeindehaus.

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Im Eingangsbereich haben die Gemeindemitglieder dieses Zitat aus der Zeit der französischen Belagerung 1814 aufgehängt. Denn seit 1969 wird Moorburg wieder bedroht, diesmal von der Hafenwirtschaft. Am 23. September beschrieb Helmuth Kern, der damalige Senator für Wirtschaft und Verkehr in einem Brief (»Liebe Mitbürger in Altenwerder, Francop, Moorburg und Neuenfelde«) den Plan »Perspektive 2000«. Darin war festgelegt worden, dass diese Dörfer und ihre Bewohner dem Hafen weichen müssen. Und auch diesmal wollen sich die Moorburger nicht einfach vertreiben lassen.

 

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Dieses Plakat ist schon einige Jahre alt, hat aber nichts von seiner Aktualität verloren.

Die Kirchengemeindemitglieder Werner Rüpke und Uwe Böttcher haben uns eindrücklich die Situation im Dorf geschildert und uns viel Material mitgegeben zu dem Nervenkrieg, dem die Moorburger seit Jahrzehnten ausgesetzt sind. Herzlichen Dank dafür! Wir dokumentieren hier Zeilen, die den Moorburgern über die Jahre mit der Morgenzeitung auf den Frühstückstisch flatterten:

Der Superhafen »frißt« viele Süderelbe-Orte
Harburger Anzeigen und Nachrichten (HAN), 14. August 1969

Was soll mit der Moorburger Kirche geschehen?
HAN, 18. August 1971

Moorburg ist bald »dran«
HAN, 22. August 1975

Denkmalspfleger kämpft um Moorburg
Die Welt, 23. August 1975

Ein Gruß an Moorburg ...
Die »Harburger Anzeigen und Nachrichten« bringen zur 600-Jahr-Feier in Moorburg einen 16-seitige Sonderdruck heraus – kein Wort darin über Moorburg als Hafenerweiterungsgebiet. Ehrengast Bundeskanzler Helmut Schmidt rät in seiner Rede: »Passen Sie auf hier in Moorburg, daß sie nicht untergebuttert werden.«

Sorgen überschatten Festwoche
HAN, 25. August 1975

Jetzt muß Moorburg sterben! Ein neuer Hafenplan
HAN, 31. März 1976

Moorburg wird Industriegelände
Hamburger Abendblatt, 3./4. April 1976

Todeskampf einer Dorfgemeinschaft
HAN, 8. April 1980

1300 Bürger finden sich mit düsterer Zukunft ab
Lübecker Nachrichten, April 1980

»Entscheidungen neu überdenken«
HAN, 12. Mai 1980

Kirche wiederspricht den Plänen der Hansestadt
SWB, 14. Mai 1980

Moorburg: geb. 1375 – gest. 198?
NRS, 5. Juni 1980

Moorburg soll sterben, damit Hamburgs Hafen leben kann
Die Welt, Juni 1980

Pastor an der Front. Kirche soll im Dorf bleiben
BZ, 4. Juli 1980

Neuer Plan: Moorburg wird zum Spülfeld
HAN, 26. November 1980

Wie lange noch ...
SWB, 3. Dezember 1980

Moorburg hat die Schlacht verloren
Hamburger Abendblatt, Januar 1981

Moorburg darf nicht begraben werden!
Hamburger Utsichten, 14. Februar 1982

Leben auf gepackten Koffern
Harburger Rundschau, 29. November 1995

Moorburgs Kirche ist für mehr als 500 000 Mark saniert worden
HAN, 7. Dezember 1995

Hafen Boom: Jetzt kommt der Griff nach Moorburg
HAN, 13. Januar 2006

Moorburg: Das Ende der Grundschule
HAN, 26. Oktober 2006

Seit fast 50 Jahren müssen die Moorburger mit der Bedrohung leben. Das ist unmenschlich!

Eine Beschreibung der Situation von 2012:

»Moorburg, das geschundene Dorf«

www.gegenstrom13.de

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I N H A L T
Das Denkmal
Der Bildhauer Karl Opfermann
Die Tafel zum 2. Weltkrieg
Das Eiserne Kreuz
Der Stahlhelm
»Lerne vom Militär!«
Das Schwert
Schwertgeschichten

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Moorwerder

Am Moorwerder Norderdeich 90 an der Fassade des ehemaligen Schulgebäudes

Das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs ist zusammengesetzt aus Terrakottaplatten und -reliefs. Terrakotta ist die Bezeichnung für unglasierte keramische Produkte. Der Sockel besteht aus Klinkersteinen. Das Denkmal ist 1921 von Karl Opfermann (geboren 1891 in Nordschleswig, gestorben 1960 in Ahrensburg) entworfen und 1922 aufgestellt worden.

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Das Schulgebäude wurde 1911 von Johann Friedrich genannt Fritz Höger (geboren 1877 bei Elmshorn, gestorben 1949 in Bad Segeberg) entworfen. Er gilt als einer der führenden Vertreter des norddeutschen Backsteinexpressionismus. Der Architekt und Baumeister erbaute u.a. einige Kontorhäuser in Hamburg, das bekannteste ist das Chilehaus.

 

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Das Kriegerdenkmal wird durch einen flachen Klinkersockel erhöht. Daneben hängt eine graue, teilweise polierte Steintafel im Querformat für die Opfer des 2. Weltkriegs.

 

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Der größere, rechteckige Mittelteil besteht aus den Namenstafeln. Es werden 26 Namen genannt, die nach Sterbejahr – innerhalb der fünf Kriegsjahre – geordnet sind. Rechts und links angefügt sind die jeweils aus vier Teilen bestehenden Darstellungen eines antiken Soldaten in Rüstung, der sich auf sein riesiges Schwert stützt.

Mehr im Kapitel »Das Schwert« und »Schwertgeschichten«

 

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Wie unter einem schützenden Dach stehen die »Ritter« unter einem Gewölbe aus sehr kunstvoll, im Halbkreis zusammengesetzten Terrakottatafeln. Darauf lesen wir die Widmung der Denkmalsstifter:

Den Opfern des Weltkrieges
die dankbare Gemeinde Moorwaerder

Wobei mit Opfern des Weltkriegs ausschließlich die toten Soldaten gemeint sind.

Als Mittel- und Endpunkt sehen wir das Relief eines modernen Stahlhelms, wohl um die Brücke vom antiken Ritter zur Gegenwart des 1. Weltkriegs zu schlagen.

Mehr im Kapitel »Der Stahlhelm«

 

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Jedem toten Soldaten ist eine lange Zeile über zwei Terrakottaplatten zugeordnet. Die Namensliste beginnt mit dem Dienstgrad, meist abgekürzt, dann folgen Vor- und Nachnamen der Soldaten. Auf der nebenstehenden zweiten Platte werden Todesdatum und Todesort genannt. Alles ist kunstvoll ausgeblockt, zu große Löcher zwischen den Wörtern werden mit Punkten überbrückt. Die Liste wird fünf Mal unterbrochen von einer flachen Linie aus drei Steinen. Der mittlere kurze Stein benennt jeweils das Kriegsjahr 1914, 1915, 1916, 1917 und 1918.

Mehr zu den Dienstgraden im Kapitel »Lerne vom Militär!«

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Als unteren Abschluss der Namensplatten hat Karl Opfermann mittig einen Stein mit einem Eisernen Kreuz, flankiert von Dekorsymbolen, eingesetzt.

»Das Eiserne Kreuz wurde sehr häufig als Relief auf Kriegerdenkmälern verwendet. Es steht hierbei als solches symbolisch für die Anerkennung der besonderen ›Vaterlandstreue‹ der gefallenen Soldaten. Ihr Tod im Krieg wurde dafür als Beweis gedeutet. Durch die Verwendung des Eisernen Kreuzes auf einem Denkmal sollten die Soldaten posthum für ihr Verhalten ausgezeichnet werden und damit als Vorbilder für die Nachwelt gelten.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg 2006, S.45

 

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Für die Militärsymbolik bevorzugten Stifter und Bildhauer oft die antiken, weniger bedrohlichen Waffen. Der Eindruck eines heldenhaften Zweikampfs und eines mutigen Einsatzes der Kombattanten manifestiert sich, der Blick auf die grausame Wirklichkeit eines Kriegs mit modernen Waffen wird verstellt. Das Erinnern an die Schwerter der edlen Ritter in zahlreichen Legenden suggeriert einen per se gerechten Kampf. Nach dem »Schmachfrieden« von Versailles galt es den Kampf wieder aufzunehmen – gegen die inneren und äußeren Feinde.


»Völlig ungeachtet, nachgerade als Flucht vor der Realität der Schlachten des ersten Weltkriegs mit Panzern, Maschinengewehren und Giftgas wurde mit dem antiken Kämpfer eine zeitlose Form von Heldentum propagiert, bei der der Einzelne im Kampf Mann gegen Mann höchste Mannestugend verwirklichen kann. Dieses Bild des starken jungen Mannes sollte zum neuen Kampf anspornen, das Leid überlagern, Einigkeit symbolisieren und war [...] gegen den Versailler Vertrag gerichtet.«

• Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, S.64


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Der Bildhauer

Karl Opfermann, geboren am 28. September 1891 in Rødding Kommune / Nordschleswig, war ein deutscher Holz- und Steinbildhauer. Bis 1913 war er Schüler der Kunstgewerbeschule Flensburg, von 1913 bis 1914 an der Landeskunstschule Hamburg in der Klasse von Richard Luksch. Von Luksch stammt z.B. das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof in Nienstedten.

Luksch, Kriegerdenkmal Nienstedten

Opfermann war Mitglied der Hamburger Sezession; seine Werke entstanden hauptsächlich als Bauplastiken. 1930 schuf er die sechs männliche Monumentalfiguren am Haus des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV), dem heutigen Brahms Kontor.

HH Moorwewrder Opfermann Brahmskontor web2Foto: Ajepbah / Wikimedia Commons / Lizenz: CC-BY-SA-3.0 DE

Dieses Gebäude war bei seiner Vollendung das höchste Haus in Hamburg, das erste moderne Hochhaus. Es war Sitz von Verbänden, Lagezentrum der Polizei und während der Sturmflut 1962 das Hauptquartier des Krisenstabs unter Leitung von Innensenator Helmut Schmidt.

Karl Opfermann starb am 7. März 1960 in seiner Heimatstadt Ahrensburg. Er wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg beigesetzt.

Nach Wikipedia, abgerufen am 24. April 2018

Mehr zu Karl Opfermann und seinen Werken


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Die Tafel zum 2. Weltkrieg

Die schlichte graue Steintafel wird unten von zwei Quadersteinen gestützt, auf denen Anfangs- und Endjahr des 2. Weltkriegs stehen. Die hervorgehobenen Buchstaben, Linien und Sterne auf der Tafel sind poliert, sodass sie sich dunkelgrau abheben. Die Widmung lautet:

Den Opfern des 2. Weltkrieges zum Gedenken

Hinter dieser Zeile ist in Buchstabenhöhe ein Eisernes Kreuz in Kontur graviert, auf dem Foto ist es leider größtenteils von Zweigen verdeckt. Mit dem Eisernen Kreuz wurden Soldaten für Tapferkeit und militärische Leistung geehrt, im 2. Weltkrieg wurde es von Adolf Hitler verliehen. Auf Kriegerdenkmälern steht es symbolisch für vorbildliches Verhalten und »Vaterlandstreue« der toten Soldaten.

HH Moorwerder 2WK web


Umso erstaunlicher ist es, dass auf dieser Gedenktafel anscheinend auch oder ausschließlich ziviler Opfer gedacht wird, jedenfalls kann man vier Namen von Frauen lesen. Bei den meisten der 45 Namen sind die Vornamen allerdings abgekürzt. Oft sieht man den selben Nachnamen: viermal Mackens, neunmal Meyer. Es könnten Familien sein, deren Haus von einer Bombe getroffen wurde. Viermal wird zu den Namen das Geburtsjahr genannt: 1884, 1919, 1915 und für ein Kind 1942.

Mehr zum Eisernen Kreuz im nächsten Kapitel


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Das Eiserne Kreuz

Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden. Mit der vierten Stiftung zu Beginn des 2. Weltkriegs durch Adolf Hitler wurde es am 1. September 1939 auch offiziell zu einer deutschen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt.


SH Wulfsdorf Hitler EK web

• Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

»Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

DIE ZEIT, 5.6.2008

 

Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

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Der Stahlhelm

Neben dem militärischen Ehrenzeichen Eisernes Kreuz ist die Darstellung des Stahlhelms das meist gezeigte Symbol auf Kriegerdenkmälern. Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der Lazarettarzt Professor August Bier (nach ihm ist z.B. eine Klinik in Malente benannt) beobachtete höchst gefährliche Granatsplitterverletzungen des Gehirns in erschreckender Häufigkeit und entwickelte darum zusammen mit dem Ingenieur Dr. Friedrich Schwerd den neuen Helm aus Stahl, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30.000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

SH Sprenge Karte web

Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.

Auf dem Verwundetenabzeichen, das 1939 eingeführt wurde, war ein Stahlhelm zu sehen, obwohl offensichtlich seine Schutzwirkung nicht ausgereicht hatte:

SH Haffkrug Verwundetenabzeichen in Silber web


Adolf Hitler hatte die Verordnung über die Stiftung des Verwundetenabzeichen am 1. September 1939, dem Tag des Überfalls der Deutschen Wehrmacht auf Polen, erlassen.

Hitlers Verwundetenabzeichen auf Wikipedia


Die Einführung eines Stahlhelms für die Bundeswehr im Juni 1956 war ein Politikum. Den Forderungen des Militärs nach einem wirksamen Kopfschutz für die Soldaten wurde nur sehr zögerlich entsprochen. Unter keinen Umständen sollte der Helm für die Bundeswehr auf Konstruktionen beruhen, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.

Für den aktuellen »Gefechtshelm, allgemein«, der am 15. Januar 1992 eingeführt wurde, galten dann diese politischen Bedenken nicht mehr. Der Helm sollte unter Wahrung der modernsten militärischen Gesichtspunkte auch alle Vorteile des Stahlhelms der Wehrmacht in sich vereinigen.

Die Stahlhelme der alten Form blieben weiterhin auch im Gebrauch beim Bundesgrenzschutz und der Polizei.

Im Internet bieten eine Menge Militaria-Händler »Original-Stahlhelme der Deutschen Wehrmacht« zum Kauf an. Auch ein »Kinderhelm wie Stahlhelm M35 Wehrmacht Luftwaffe« für 190 Euro ist im Angebot. Ein T-Shirt, das Amazon anpries mit dem Aufdruck »SS-Stiefel, die besten Wanderschuhe aller Zeiten« wurde erst nach scharfen Protesten aus dem Sortiment genommen.

»Früher musste der Wehrmachtsfan noch in schmuddelige Militaria-Läden schleichen oder dreimal nachdenken, ob er seine Adresse bei einschlägigen rechtsextremen Versandhäusern hinterlassen will. Dank Amazon genügt jetzt ein Klick und der Wehrmachtsstahlhelm liegt auf dem Gabentisch«, empört sich die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke auf www.stimme.de. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagt dazu: »Ein angemessener Schritt wäre, die bisherigen Gewinne aus diesen Produkten an Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu spenden.«

Mehr dazu auf www.stimme.de: Stahlhelm unterm Christbaum


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»Lerne vom Militär!«

26 Soldaten aus Moorwerder sind im 1. Weltkrieg zu Tode gekommen. Auf dem Gedenkstein werden sie alle mit ihrem militärischen Rang genannt.

UNTOFZ., VICEF., SAN.GEFR., LDSTM. und ERS.RES. – die Dienstgradbezeichnungen der Soldaten und ihre Abkürzungen sind uns heute fremd, damals kannte sie jedes Kind. Im Kaiserreich blühte der Militarismus: so schneidig wie die preußischen Soldaten sollte die gesamte Gesellschaft sein: vom Greis bis zum Knirps. Unbedingter Gehorsam war das Ziel.


»Bereits die Kinder wuchsen in einer militarisierten Umgebung auf. Kriegsspiele waren äußerst beliebt. In kaum einem Kinderzimmer fehlte ein Satz Bleisoldaten, ebenso gehörte der Matrosenanzug zur Grundausstattung. Zu Weihnachten sangen die Kleinen: ›Morgen kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben, Trommel, Pfeifen und Gewehr, Fahn’ und Säbel und noch mehr, ja ein ganzes Kriegerheer möcht ich gerne haben.‹ In der Schule setzte sich die Einübung militärischer Denk- und Verhaltensmuster fort. Vielerorts glich das Schulleben einem zackigen Paukbetrieb, der wenig Raum ließ für Spontanität und Kreativität. [...]

MP Zehlendorf Kinderkarte web

›Lerne vom Militär!‹ – so lautete das Mantra der pädagogischen Fachliteratur. Das Aufstehen der Schüler beim Eintreten des Lehrers ins Klassenzimmer habe ›mit einem einzigen Ruck zu geschehen‹ und müsse ›klappen wie ein Bataillonstritt bei der Parade‹, hieß es in einem Lexikon der Pädagogik. Im ›Gänsemarsch mit regelrechtem Soldatenschritt‹ müssten die Schüler in den Pausen das Klassenzimmer verlassen und ›zwei und zwei im Schulhof ordnungsgemäß auf und ab marschieren‹.«

Volker Ullrich, ZEITGeschichte 4/2018, S. 45

... und noch eine revanchistische Postkarte »Deutsche Jugend« nach dem 1. Weltkrieg:

SH Marienwarder Deutsche Jugend 1WK web


Heil Dir Deutschland, deine Zukunft
             Schimmert vor dir hell und klar
Denn der Heldensinn der Väter
             Schlummert in der Jugend Schaar.

Aber auch 1956 billigt ein Leser der Frankfurter Illustrierten dem Militär, damals der gerade neu gegründeten Bundeswehr, in einem Leserbrief erzieherische Expertise zu:

Frankfurter Illustrierte 1956 leserbrief web

 

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Das Schwert

Das Schwert ist in der Menschheitsgeschichte die erste ausschließlich zum Töten anderer Menschen geschaffene Waffe. Ein Symbol der Macht: Wer auf dem Schlachtfeld unterlag, übergab dem Sieger seine Waffe. Das Schwert verleiht den Status eines Herrschers. Der englische König führt den Ritterschlag bis heute mit dem Schwert aus.

Nach dem Mittelalter verlor das Schwert seine Bedeutung als Waffe – und wurde in der Symbolsprache der Propaganda umso wichtiger. Im 1. Weltkrieg, dem ersten industriellen Krieg in der Geschichte, hatte das Schwert als Bild-Symbol auf Orden und Medaillen Hochkonjunktur. Auch im Nationalsozialismus galt das Schwert als Zeichen für heldenhaften Kampf, obwohl es natürlich nicht mehr benutzt wurde.

Für ihre Militärsymbolik bevorzugten Stifter und Bildhauer die antiken und damit weniger bedrohlichen Waffen. Der edle Zweikampf und der mutige Einsatz der Soldaten Mann gegen Mann scheint auf, der Blick auf die grausame Wirklichkeit der modernen Waffen im Stellungskrieg 1914-18 ist verstellt. Das Erinnern an die Schwerter der Ritter in zahlreichen Legenden suggeriert einen per se gerechten Kampf, den es nach dem 1. Weltkrieg wieder aufzunehmen galt – gegen den inneren und äußeren Feind.

Zitat aus dem Vortrag »Das Pinneberger Kriegerehrenmal« vom 8. Mai 2018 von Prof. Dr. Loretana de Libero, Universität Potsdam: »Das Denkmal sollte nach dem Willen der Stifter mit dem hoch aufragenden Schwert ein demonstratives wie offensives Zeichen setzen für die ›Mannhaftigkeit‹ und den ›Wehrwillen des deutschen Mannes vor aller Welt‹. Mit dieser Formulierung spielte der Ausschuss auf die Revision des Versailler Vertrages an, hier v.a. die militärischen Bestimmungen.«

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Schwertgeschichten

Die Legende vom Schwert Excalibur hat alles, was man nach dem 1. Weltkrieg für einen »Ehrenhain« brauchte: einen schwertschwingenden, kraftvollen Helden, der für die gerechte Sache kämpfte, einen edlen Ritter, »gefallen« durch eine böse List nach blutigem Gefecht – doch nun wartet sein Schwert darauf, wieder zum Einsatz zu kommen.

Vom mythischen Zauberer Merlin war das Schwert Caliburn durch einen Stein bzw. Amboss getrieben worden, wird in der Legende erzählt. Es hieß, nur der wahre künftige Herrscher könne es wieder herausziehen.

Nachdem zahlreiche Ritter und Adelige an dieser Aufgabe gescheitert waren, gelang es Artus (Arthur), dem Sohn des englischen Königs, das Schwert mühelos zu befreien, was ihn zum rechtmäßigen König machte. Als Artus das Schwert Caliburn in einer Schlacht zerschlagen hatte, schenkte die »Herrin vom See« dem jungen König als Ersatz Excalibur, damit er sein Königreich schützen könne.

SH Bad Schwartau King Arthur web


Der Legende nach gab Excalibur seinem Besitzer übermenschliche Kräfte, und seine Scheide machte jeden, der sie bei sich trug, unverwundbar. Artus’ Halbschwester Morgan LeFay raubte durch eine List die Scheide, sodass Artus bei Verletzungen wieder gefährdet war. Excalibur blieb ihm erhalten.

Nachdem Artus in einer Schlacht schwer verletzt wurde, brachte man ihn nach Avalon. Ein bis heute sagenumwobener Ort des Interesses, siehe beispielsweise den Fantasy-Roman »Die Nebel von Avalon«. Stirbt er dort oder ruht er nur? In Anspielung auf den christlichen Glauben an Auferstehung wird seine Rückkehr in Aussicht gestellt. Sir Bedivere, einer der zwölf Ritter der Tafelrunde von König Artus, warf Excalibur zurück in den See, wo es die »Herrin vom See« wieder annahm. Dort soll es der Sage nach noch immer ruhen.

Im 12. Jahrhundert machte Richard Löwenherz die Artus-Sage zum Werkzeug seiner Propaganda und behauptete, sein Schwert sei Excalibur.

Nach Wikipedia, abgerufen am 24.5.2020

»Die fantasievolle Erzählung indes macht den Helden zur Projektionsfläche des jeweiligen Zeitgeistes späterer Jahrhunderte. Die vermeintliche Aktualität schuf eine Glaubwürdigkeit, die historische Wahrheit ersetzte.«

Lesen Sie weiter auf www.spiegel.de


Weitere Schwertgeschichten mit der Option der bewaffneten Rückkehr um das Reich mit dem Schwert zu retten:

Holger Danske

Barbarossa

 

SH Flintbek Schwertkarte web

Am 6. August 1914 richtete Kaiser Wilhelm einen Aufruf an das deutsche Volk. Er sprach von den Feinden, die dem Deutschen Reich seinen Erfolg neiden und sich nun rüsten, um es zu überfallen. Das Zitat auf dieser Postkarte – es wird verziert mit Schwert und Eichenlaub – verweist auf den Sieg der »Väter« im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71.


Ab 1914 wurden in Deutschland zunehmend national gestimmte Gedichte verfasst. Einzelne Verse wurden von der Kriegspropaganda aufgegriffen und erreichten eine enorme Popularität. Eine Zeile aus dem »Haßgesang gegen England« wurde während des Krieges ein Schlachtruf des deutschen Heeres – »Gott strafe England«. Eine eigene Grußformel entstand: »Gott strafe England«, Erwiderung des Grußes: »Er strafe es«.

SH Bad Schwartau Gott strafe England web2


Hier eine Postkarte aus dem Jahr 1915 mit der bekannten Zeile aus dem »Haßgesang«. In dem Bild ist das Schwert in eine Ansicht von England gerammt, während ein christliches Kreuz es von hinten überstrahlt – ein Kreuz, das in diesem Fall natürlich die Unterstützung einzig des Deutschen Reichs durch Gott symbolisiert, entsprechend der Behauptung des deutschen Kaisers und seiner Soldaten: »Gott mit uns«.

SH Bad Schwartau Soldat am Schwert web2


Wir sehen ein Schwert, das im Boden steckt. Es soll der Eindruck erweckt werden, als sei der Hügel Golgatha gemeint, auf dem den neutestamentlichen Evangelien zufolge Jesus von Nazaret gekreuzigt wurde. Das Kreuz steht für den christlichen Glauben, dass im Opfertod Jesu Gott den Menschen heilend nahegekommen ist. Hier wird nun ein Soldat an einem Schwert hängend abgebildet, umgeben von einem göttlichen Strahlenkranz. »Ihr habt für uns euch hingegeben / Ihr seid gestorben, damit wir leben«: Der Opfertod Jesu wird dem Kriegstod der Soldaten gleichgestellt. Diese Analogie findet sich oft auf Kriegerdenkmälern.

Diese kleinen Bilder mit verschiedenen Motiven wurden vom Verlag der Wochenzeitung »Hamburger Warte« verkauft. Am 14. Dezember 1918 erschien die erste Ausgabe der »Hamburger Warte«, eine »politische Kampfschrift« gegen Marxismus und Judentum.

 

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I N H A L T
Das Denkmal
Der alte Standort
Die Fassade der Friedhofskapelle
Die Entstehung
Die Sturmflut 1962
Die Euthanasiemorde
Volkstrauertag 2016
Der Bildhauer Richard Kuöhl

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Neuenfelde

Auf dem neuen Friedhof am Organistenweg

Ein Sandsteinmonument mit aufgesetztem Bronzeadler für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs. Der zentrale Teil in Form eines Portals trägt die Namensplatten: vorne 46 Namen mit Dienstgrad, Herkunftsort, Todesdatum und Todesort bzw Todesland, hinten 40 weitere Namen sowie sechs Namen von vermissten Soldaten, bei denen jedoch auch der genaue Todestag und das Todesland aufgeführt sind. Auf dem Querbalken darüber die Inschrift:

Ihren gefallenen Helden von Hasselwerder und Nincop in Dankbarkeit gewidmet

Im Dach links und rechts die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs in der Mitte im Halbrelief ein kaiserliches Eisernes Kreuz. Namen, Zahlen und Inschrift sind mit rostroter Farbe ausgemalt.

HH Neuenfelde 1ganz web

 

HH Neuenfelde 1 Detail web


An den Seiten je ein Postament, das einen Stahlhelm auf einem Ehrenkranz trägt. Darunter auf beiden Seiten das Halbrelief eines gesenkten Schwertes im Lorbeerkranz.

HH Neuenfelde 1 Adler web


Der Bronzeadler auf einem wuchtigen Sockel ist im Abflug begriffen dargestellt, sein Hakenschnabel ist geöffnet, der kräftige rechte Fang ragt über den Sockel. Nur der Adler lässt eine Vor- und Rückseite vermuten, ansonsten ist das Denkmal seitengleich.

HH Neuenfelde 1 Rueck web

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Der alte Standort

Bis 1962 stand das Denkmal vor der Schule am Arp-Schnitger-Stieg, dann wurde es um drei Stufen gekürzt auf den Friedhof versetzt. Nach Aussage eines Friedhofbesuchers im Dezember 2016 sollte es nicht mehr – mit all seinen optischen, symbolischen und wörtlichen Aussagen – vor der Schule stehen. Es sollte vor der Friedhofskapelle wieder aufgebaut werden. Doch der Pastor wollte es dort auch nicht an so prominenter Stelle haben, darum steht es jetzt in der Ecke ganz hinten links. Wie das Gedenken an die toten Soldaten an der Friedhofskapelle jetzt aussieht? Siehe weiter unten.

SH Neuenfelde Schule web


Das Denkmal ist bis auf die aufgeführten Namen in der Mitte und die Sicht auf den Adler von vorne und hinten völlig identisch. Auf dem Foto unten ist zwar das jetzige Umfeld auf dem neuen Friedhof zu sehen, aber man kann sich vorstellen, dass Schüler- und Lehrerschaft, ob auf dem Schulhof oder aus den Fenstern der Klassenzimmer immer die Botschaft des Denkmals vor Augen hatten. Die Namenstafel, die von den Schulfenstern aus zu sehen ist, benennt ausser den toten Soldaten, die ja sicher zu einem Teil bekannt oder verwandt waren, auch die sechs vermissten Soldaten.
 

      HH Neuenfelde 1 Rueck ganz web


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Die Fassade der Friedhofskapelle

Die gesamte Backsteinfront sowie der Eingang zur Kapelle ist überzogen von den eingravierten Konturen verschiedener Figuren nach einem Entwurf von 1956 des Bildhauers Richard Kuöhl, dessen »Kriegsklotz« am Dammtorbahnhof in der Nazizeit eingeweiht wurde.


HH Neuenfelde Ganze Kapelle web


Zur Giebelspitze ist ein Kreuz gemauert, über die Szenerie verteilt sind noch schlichte Grabkreuze zu erkennen.


HH Neuenfelde Namen web


Drei Namensbänder aus roten Sandsteinplatten tragen die Namen der toten Soldaten des 1. Weltkriegs und die 225 Namen der toten Soldaten des 2. Weltkriegs. Die Bänder beginnen auf der linken Kapellenseite und ziehen um Ecke zur Doppeltür. Darüber ein kleineres Band mit den Jahreszahlen beider Kriege und der Kontur eines Eisernen Kreuzes dazwischen.

HH Neuenfelde Engel web


Die eingeritzten Figuren sind je nach Lichteinfall schwer oder leicht zu erkennen. Links wendet sich ein Engel an eine Gruppe von aufwärts steigenden Menschen.

HH Neuenfelde Familie web


Rechts oben Vater, Mutter und Kind zum Kreuz strebend. Der Vater scheint auf dem Bogen über dem Eingang zu laufen.

HH Neuenfelde Frau web


Darunter – links über dem ersten Kranz – eine trauernde Frau, die ein Grab bepflanzt.

HH Neuenfelde Hiob Detail web


Die Buchstaben in Ziegelsteinhöhe zitieren einen Vers aus dem Buch Hiob 36, 16:

Und auch dich lockt er aus dem Rachen / der Angst in weiten Raum | Da keine Bedrängnis mehr ist

Der zweite Teil des Satzes – und an deinem Tische, voll des Guten, wirst du Ruhe haben – fehlt. Der Vers, der auf ein Leben (!) in Ruhe, Wohlstand und Frieden verweist, soll derart verkürzt dem Soldatentod nach dem Kriegsgrauen einen tröstenden Aspekt verleihen.

Die aufgesetzte Schrift ist sehr schwer zu entziffern, auf dem Foto darüber ist sie zum großen Teil auch noch von den Kränzen verdeckt.


HH Neuenfelde Signatur web


Mittendrin ein Ziegelstein mit Kuöhls Signatur.


Ebenfalls dokumentiert sind auf dieser Website Kuöhls Denkmäler in:

Hamburg Dammtor
Hamburg Langenhorn
Schleswig-Holstein Lübeck
Schleswig-Holstein Rendsburg
Schleswig-Holstein Wilster
Hamburg Finkenwerder
Schleswig-Holstein Großhansdorf
Schleswig-Holstein Neumünster 
und besonders kurios Hamburg Moorburg


      HH Neuenfelde Sensemann web

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Die Entstehung

Richard Kuöhl hatte für seinen Entwurf des Kriegergedenkens zum 1. und 2. Weltkrieg an der Friedhofskapelle ein Modell erstellt. Bei der Realisation an der Kapellenwand hat er die Darstellungen dann noch einmal verändert.

HH Neuenfelde Kapelle Modell1 web


Zum Beispiel fliegt der Engel im Entwurf den Menschen voraus, während er ihnen dann in der Ausführung entgegen fliegt.


HH Neuenfelde Kapelle Modell2 web


Der Sensenmann, im Entwurf als nacktes Gerippe dargestellt, hat später ein Gewand an und hält die Sense weniger offensiv nach hinten.

HH Neuenfelde Kapelle Einweihung web


Bei der Einweihung 1956 sind dann wohl alle zufrieden. Jetzt sieht man, dass der voran schreitende Mann, nun mit dynamisch wehendem Schal, die Hände nach dem Kreuz ausstreckt, die Mutter hält das Kind nun fest an der Hand und die trauernde Frau auf dem Soldatenfriedhof beugt sich weniger gramgebeugt über die Gräber.

Diese drei Fotos sind Digitalisate des Kreisarchivs Stormarn >internationale Lizenz 4.0


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Die Sturmflut 1962

1962 wurden nach der schweren Sturmflut auch für diese Todesopfer Namenstafeln im Gang zur Kapellentür eingesetzt. Man kann darin eine Gleichsetzung von Kriegen und Naturkatastrophen sehen.

Vor den Namen die Widmung:

Zur Erinnerung an die Opfer der Sturmflut 16/17 Februar 1962

HH Neuenfelde Sturmflut web


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Die euthanasiemorde

2013 wurde für sechs Opfer der NS-Verbrechen eine weitere Tafel angebracht:

Ermordet, weil sie anders waren
1941 – 1945
(sechs Namen)

In seiner Freiheit von mir hat Gott den Anderen zu seinem Ebenbild gemacht.
D. Bonhoeffer

Die Morde sind beim Namen genannt, aber wer sagt, dass die Opfer »anders« waren? Unklar bleibt worin das »Anderssein« bestand.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass dieses »Anderssein« als Mordgrund aus der Nazi-Ideologie heraus bestimmt wurde.

HH Neuenfelde NS web

 

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Volkstrauertag 2016

Einer von sechs Kränzen: der Schützenverein Neuenfelde von 1912 e.V. zeigt auf der Schleife auch sein Logo.

HH Neuenfelde Schuetzenkranz web

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Der Bildhauer Richard Kuöhl

31. Mai 1880 Meißen – 19. Mai 1961 Bad Oldesloe, bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Richard Kuöhl gehörte in der NS-Zeit zu den erfolgreichsten Künstlern in Hamburg. Maike Bruhns schreibt über ihn: »Er hatte in Meißen eine Ausbildung zum Töpfer und Modelleur absolviert, anschließend bis 1905 ein Studium an der Kunstgewerbeschule Dresden. (…) 1912 folgte er seinem ehemaligen Lehrer für Architektur in Dresden, Fritz Schumacher, nach Hamburg. (…) In den 20er-Jahren übernahm Kuöhl neben diversen Aufträgen für Grabmäler und Gartenplastik die Ausführung von Kriegsdenkmälern in Norddeutschland. (…) Der Bildhauer verstand es, sich anzupassen, die Erwartungen der Kriegervereine und nationalistischen Kreis zu erfüllen, die markige Darstellungsformen und wuchtige, uniformierte Kriegerfiguren, die ›soldatische Tugenden‹ verkörperten, wünschten.« Kuöhl schuf 1934 auch das Denkmal des Infanterie-Regiments Nr. 76 am Dammtorwall. »Das Denkmal wurde mit einem Aufmarschgelände für feierliche Veranstaltungen umgeben und 1936 mit großem militärischen und städtischen Pomp eingeweiht, es galt fortan als sein ›Meisterstück‹.

Kuöhl blieb in der NS-Zeit der meistbeschäftigte Bildhauer Hamburgs. (…) der derbe ›Hummel-Brunnen‹ im von den Nationalsozialisten unter sozialhygienischen Aspekten sanierten und neu aufgebauten Gängeviertel vermittelte volkstümliches Heimatgefühl, auch er trug zu seiner Popularität bei. Ein dort befindliches Relief, ›Marschierendes Jungvolk‹, wurde nach 1945 abgebrochen. (…)

Kuöhl scheiterte als Kunstproduzent im Dienst der Macht letztlich an seiner Flexibilität, der Fähigkeit, sich virtuos und widerspruchslos auf jegliche Anforderung einzustellen, an seiner Verfügbarkeit für alles und jedes. Er hegte keine moralischen Skrupel, bezog keine eindeutige Gesinnung, sondern passte sich den jeweiligen Anforderungen an. (…) Nach Kriegsende trug ihm seine Haltung die Ablehnung der Aufnahme in den neuformierten BBK ein«.

• Quelle: Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1. Hamburg 2001. Portrait von Richard Kuöhl auf www.hamburg.de

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I N H A L T
Das Denkmal
Die Mauer
Das Gräberfeld
Volkstrauertag 2017

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Neuengamme

Auf dem Friedhof der Kirche St. Johannis

Der Findling mit der Inschrift in Kreuzform ist am 4. April 1920 eingeweiht worden. Diese ungewöhnliche Anordnung der Zahlen und Buchstaben wirkt zeitlos und grafisch kühl.

1914  1915  1916  1917  1918
Dank und Erfurcht allen die geblieben
1939  1940  1941  1942  1943 1944  1945

Die Trauer ist zurückgenommen, versachlicht, objektiviert, beherrscht durch die Annahme eines Trostes, die den Tod der Soldaten aus einer höheren, ehrfurchtgebietenden Bestimmung heraus erklären will. Danken soll man den Toten. So, als ob das Sterben die Erfüllung ihres Lebens, die Bestimmung des soldatischen Auftrags ist. Der Tod der Soldaten begründet eine spezifische Dankespflicht.

HH Neuengamme Stein web

Auf dem Neuengammer Friedhof wird ebenso an beide Kriege erinnert. Dort heißt es: »Dank und Ehrfurcht allen die geblieben.« »Dank« und »Ehrfurcht« sind zwei Begriffe, deren Verwendung in diesem Zusammenhang nach dem Zweiten Weltkrieg als einem deutschen Angriffskrieg höchst problematisch ist, denn »Dank« zum einen suggeriert fälschlicherweise, dass die Soldaten zur Verteidigung Deutschlands in den Krieg gezogen wären, also um seine Einwohnerinnen und Einwohner zu schützen, und »Ehrfurcht« zum anderen legt die Vorbildhaftigkeit des Kriegstodes nahe.

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, 2006, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg

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Die Mauer

Links vom Findling steht eine breite Backsteinmauer aus gelblichen Klinkersteinen.

HH Neuengamme Mauer web

Auf sechs eingelassenen Keramiktafeln stehen die Namen der getöteten Soldaten beider Weltkriege nach Jahren geordnet, 1914 – 1945.

HH Neuengamme Mauer links web


Die Tafeln sind oberflächlich geschädigt, sodass man die Buchstaben oft schwer entziffern kann. Das Todesjahr vorangestellt wurden die Namen in zwei Spalten zur Mitte bündig graviert. Die drei linken Tafeln nennen die Namen von 113 tote Soldaten des 1. Weltkriegs mit Todesjahren von 1914 bis 1919. Acht Soldaten sind vermisst.

HH Neuengamme Mauer mitte web


Nach dreizehn Namen auf der dritten Tafel beginnen übergangslos mit der Jahreszahl 1944, danach 1940, 1941 ... die Namen der Toten des 2. Weltkriegs.

HH Neuengamme Mauer rechts web


Die Namen auf den letzten drei Tafeln sind unterteilt in 90 Männer, die wohl als Soldaten »gefallen« sind. 57 werden als vermisst genannt. 21 sind an den Kriegsfolgen gestorben, davon eine Frau. Es werden 11 Bombenopfer genannt, davon vier Frauen.

HH Neuengamme Bodenplatte web

In der Mitte vor der Mauer liegt eine Steinplatte mit dem Logo des VDK (Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands) mit der Inschrift:
Die auf diesem Friedhof beigesetzten 42 Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft sind in unser Gedenken eingeschlossen

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Das Gräberfeld

Vor der Kirche St. Johannis, entlang der Hecke an der Straße, sind in zwei Reihen einfache Steinkreuze, im Stil der Kreuze auf Soldatenfriedhöfen, aufgestellt.

HH Neuengamme vorne web


Auf der Rasenfläche zwischen den Reihen sind zwei ovale Beete angelegt.

HH Neuengamme Stein vorne web


Am Anfang der inneren Reihe steht der Stein mit dem Sinnspruch:

Selig sind die reinen Herzens sind

Im Bibelvers Matthäus 5,8 sagt Jesus: Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

HH Neuengamme vorne dreier web


Auf jedem Steinkreuz ist der Name mit Geburts- und Todesdatum eines Wehrmachtssoldaten aus dem 2. Weltkrieg genannt. Unter jedem Namen ist ein Eisernes Kreuz in Kontur graviert.

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Volkstrauertag 2017

Am Findling hat die Kirchengemeinde einen Kranz niedergelegt mit dem Schleifentext:

Lass dich nicht vom Bösen überwinden,
sondern überwinde das Böse mit Gutem
Römer 12,21

HH Neuengamme 2017 web

Wie in der Antike üblich, sind auch die neutestamentlichen Briefe häufig mit Mahnungen versehen. In diesem Fall stammt der Satz aus der Feder des Apostels Paulus, der sich in einem Brief der Gemeinde in Rom vorstellt. Der Vers steht in einem Abschnitt, in dem Paulus sich mit seinem Verständnis der christlichen Feindesliebe auseinander setzt. Wer seinem Feind Gutes tut, wird nicht ihn sondern die Feindschaft selbst überwinden. Dieser Vers ist vor allem als Konfirmationsspruch sehr beliebt. Vielleicht liegt das daran, dass der Spruch zwar auf der einen Seite eine Ermahnung ist, auf der anderen Seite aber zunächst einmal die angeredete Person als »gut« voraussetzt – als einen guten Menschen, der aber von Bösem bedroht ist.

Erklärung von www.evangelisch.de

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I N H A L T
Der frühe Obelisk
Die erste Erweiterung zum 1. Weltkrieg
Die zweite Erweiterung
Wer ist zuständig?
Märzrevolution von 1848
Deutsch-Dänischer Krieg 1864
Deutscher Krieg gegen Österreich 1866

Deutsch-Französischer Krieg 1870/71
Expeditionskorps 1900/01 in China
Das Nationaldenkmal
Kriegervereine
Der Adler
»Wir sind die Herren der Welt«
Das Eiserne Kreuz
Die Deutsche Eiche

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Neugraben

An der Cuxhavenerstraße bei der Michaeliskirche

Die kleine dreiteilige Anlage unter Eichen befindet sich auf dem Grundstück der Kirchengemeinde, abgeteilt durch einen schmiedeeisernen Zaun mit Pforte. Im Zentrum steht ein Sandsteinobelisk mit eingelassenen schwarzen Marmortafeln und als Reliefs Lorbeerkranz, Eisernes Kreuz und gekreuzte Bajonette mit Palmwedeln und Schleife. An der Spitze sitzt ein Adler aus Bronze mit ausgebreiteten Schwingen. Mehr zur Symbolik der Eichen im Kapitel »Die Deutsche Eiche«.

HH Neugraben Obelisk Mauer web


Der Obelisk wurde 1913, also ein Jahr vor Beginn des 1. Weltkriegs, vom »Kriegerverein Neugraben und Umgebung« errichtet. Er erinnert an 43 Teilnehmer der Kriege und militärischen Auseinandersetzungen von 1848 (Märzrevolution), 1864 (Deutsch-Dänischer Krieg), 1866 (Deutscher Krieg gegen Österreich), 1870/71 (Deutsch-Französischer Krieg) und mit R. Schumacher an einen Kolonialsoldaten, der an der blutigen Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstands in China im Jahr 1900/01 beteiligt war. Mehr Informationen zu den Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen in den jeweiligen Kapiteln. 

Im Hauptteil des Obelisken sind an drei Seiten schwarze Marmortafeln eingelassen. Sie sind goldfarben beschriftet.

HH Neugraben Obelisk Tafel Vorne web


Die Tafel auf der Frontseite beginnt mit einer Zuschreibung für den einzigen toten Kombattanten dieser Kriege aus Neugraben:

Mit Gott für König und Vaterland
starb 1870 den Heldentod
Joh. Thiemann. Fischbeck.

»Mit Gott für König und Vaterland« ist ein preußischer Wahlspruch, die Devise von Friedrich Wilhelm III. Sie beinhaltet einerseits die Tatsache, dass er als preußischer König das »landesherrliche Kirchenregiment« innehatte, d.h. er fungierte als oberster Bischof der protestantischen Landeskirche. Erst 1919, sechs Jahre nach Errichtung des Obelisken, wurde die Trennung von Staat und Kirche vollzogen, nachdem die »gottgewollte Obrigkeit« im November 1918 durch die Revolution ins Exil getrieben und der Bund von »Thron und Altar« damit beendet worden war.

Andererseits zeigt sich in dem Spruch die Hybris, dass Gott mit Preußen in den Krieg zieht und andere Völker ihm egal sind. Auch das »Vaterland« muss mal wieder herhalten als lohnenswerter Anlass im Krieg zu sterben. Es ist untrennbar mit der eigenen Identität verknüpft. Die Interessen des Vaterlands und seiner politischen Vertreter werden nicht hinterfragt. Und es gibt auch einen Trost für die Hinterbliebenen: ihre Lieben sind den »Heldentod« gestorben.

»›Sie starben den Heldentod‹ steht auf den Denkmälern. So, als ob das Sterben die Erfüllung ihres Lebens, die Bestimmung des soldatischen Auftrags ist. Der Tod eines Soldaten muss erklärt und gerechtfertigt werden und er begründet eine spezifische Erinnerungspflicht. Wobei es nicht die Toten sind, die die Lebenden dazu verpflichten könnten, es sind immer die Überlebenden, die als Denkmalstifter die Getöteten für ihre Zwecke benutzen, sie als Helden, als Retter des Vaterlands, als Vorbild für Treue und Pflichterfüllung benennen, deren Tod nicht sinnlos gewesen sein darf.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.142


»Mit der Bezeichnung ›Held‹ sollte die besondere militärische Leistung des Gefallenen, die letztendlich vor allem in seinem Tod bestand, verbal ausgezeichnet werden. Der Tod der Soldaten belegt nicht ihr militärisches Versagen, sondern zeugt von besonderem Mut und Einsatz.«

Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 89

»Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.«

• Kurt Tucholsky


Es folgt ein Sinnspruch, der nahezu identisch ist mit der Inschrift am Nationaldenkmal für die Befreiungskriege auf dem Kreuzberg in Berlin:

Den Gefallenen
zum Gedächtnis,
den Lebenden
zur Anerkennung,
den kommenden
Geschlechtern
zum Nacheifern!

Der Stifter des Obelisken, der Kriegerverein Neugraben und Umgebung, hat allerdings zur Verstärkung noch ein Ausrufezeichen angefügt. Mehr im Kapitel »Das Nationaldenkmal«.

Es folgt die Stifterangabe:

Errichtet 1913 vom Kriegerverein
Neugraben u. Umg. zu Ehren
der Veteranen von 1848 bis 1900

Mehr im Kapitel »Kriegervereine«.

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An den Seiten folgen die Namen von 43 Kriegsteilnehmern, geordnet nach Herkunftsort und mit Vermerk, an welchem Krieg sie teilgenommen haben. Weitere Angaben wie z.B. Geburts- oder Todesdaten werden nicht genannt. Die Vornamen sind abgekürzt.

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Auf der linken Seite werden Kriegsteilnehmer aus Hausbruch (ein Veteran), Neuwiedenthal (2) und Neugraben(18) aufgezählt. Von den 21 Veteranen haben 13 gegen Frankreich gekämpft. Mehr im Kapitel »Deutsch-Französischer Krieg 1870/71«.

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Auf der rechten Seite ist die dritte Tafel eingelassen.

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Darauf werden Kriegsteilnehmer aus Scheideholz (6 Veteranen) und Fischbeck (16) aufgezählt. Von den 22 Veteranen haben 12 im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gekämpft.

Der letzte auf der Tafel. R. Schumacher, kam 1900 aus China zurück. Das Völkerrecht ignorierend, hatten 1900/1901 die alliierten Truppen des deutschen Oberbefehlshabers Graf Waldersee in einer Rache­aktion zehntausende chinesischer Frauen, Männer und Kin­der ermordet und vergewaltigt, sie brandschatzten und raubten Kulturgut. Mehr im Kapitel »Expeditionskorps 1900/01 in China«.


Robert Schumacher hat 1898 sein Buch »Kiautschou und die Ostasiatische Frage: Erlebnisse aus China und der japanischen Gefechtsfront« veröffentlicht. Vielleicht handelt es sich um den R. Schumacher aus Fischbeck? Auf alle Fälle war er ein deutscher Soldat in China und seine Schilderungen geben einen Eindruck davon, wie Kolonialherren, Kolonialsoldaten und Missionare über chinesische Menschen geurteilt haben. Die Kiautschou-Bucht mit Tsingtau und dem Hinterland wurde 1898 von China mit allen Hoheitsrechten auf 99 Jahre an das Deutsche Reich verpachtet. Das Gebiet war etwa so groß wie Hamburg.

Google-Book: Kiautschou und die Ostasiatische Frage


Diesen Hinweis bekamen wir von Dr. Eckart Schörle. Herzlichen Dank!


Auf dem letzten Foto sehen wir links einen Findling, auf dem nächsten Foto ist er von vorn zu sehen.


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Mit der Rundung des Steins wird ein Zweig oder ein Blatt dargestellt. Darunter in versetzten Zeilen die Widmung:

Unseren
Toten
zum Gedenken

Wann der Stein aufgestellt wurde und welcher Toten gedacht werden soll, wissen wir nicht. Falls auch hier Soldaten gemeint sind, zitieren wir dazu Hartmut Häger, ›Kriegstotengedenken in Hildesheim‹, Seite 29: »Doch nur scheinbar stellt sich das Kriegerdenkmal dem Vergessen in den Weg. Tatsächlich befördert es das Vergessen, indem es nur ausgewählte Aspekte des Geschehenen repräsentiert: Wirkungen ohne Ursachen, Geschehnisse ohne Geschichte, Ergebnisse ohne Prozesse, Namen ohne Persönlichkeit, Opfer ohne Täter.«

»Unseren Toten zum Gedenken«, das ist die heute übliche diffuse, alle Kriegsopfergruppen umfassende Formulierung: egal ob Wehrmachtssoldaten, SS-Männer, zivile Opfer, die Toten in Konzentrationslagern, hingerichtete Deserteure und Menschen im Widerstand ... nur eins ist klar bei der Wortwahl »Unseren«: es handelt sich um deutsche Opfer.

 

Nun gucken wir uns noch die weiteren Attribute des Obelisken an, von oben nach unten:

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Der Bronzeadler, detail- und naturgetreu gearbeitet, steht auf einer Kugel. Damit könnte eine Kanonenkugel = Kampf, Krieg oder eine Weltkugel = Macht, Herrschaft gemeint sein. Mehr zur Symbolik des Adlers auf Kriegerdenkmälern in den Kapiteln »Der Adler« und »Wir sind die Herren der Welt«.

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Darunter sehen wir einen Lorbeerkranz mit Schleife im Relief. Im alten Rom wurden siegreiche Waffen mit Lorbeerzweigen umwunden, später wurden den »Helden« von der Siegesgöttin Viktoria Lorbeerkränze gereicht oder aufs Haupt gesetzt.

Erneut Hartmut Häger in seinem Buch auf Seite 133: »Während des Ersten Weltkriegs sah sich der Lorbeer nationalistischer Verdächtigungen ausgesetzt. Er werde aus ›welschem Feindesland‹ eingeführt und sei deshalb ungeeignet für den Siegeskranz der Gefallenen. Eichen- und Tannenkränze seien dem italienischen Importartikel vorzuziehen. Verdrängen konnte das Eichenlaub den Lorbeer nicht, bedrängen offenbar schon.«


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Weiter unten folgt ein weiteres Zierstück: die Ecken werden von Akanthus-Blättern umschmeichelt. Blätter der distelartigen Akanthuspflanze sind bis heute ein wiederkehrendes Motiv in der Ornamentik.

An der Frontseite des Obelisken wird mittig das militärische Ehrenzeichen eines Eisernen Kreuzes abgebildet, mit innenliegender Kontur und in der Version der zweiten Stiftung von 1870 mit einem »W« für Kaiser Wilhelm I. Mehr im Kapitel »Das Eiserne Kreuz«.

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Über dem dreistufigen Sockel endet der Obelisk mit einem Relief aus einem Gebinde aus Palmblättern und dahinter liegenden gekreuzten Bajonetten. Von oben nach unten ist am Obelisken allerhand militärische Symbolik zusammengekommen.

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Am Fuß des Obelisken liegt bei unserem Besuch Ende Januar 2024 noch der gut erhaltene Kranz vom Volkstrauertag im November.

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Die Erste Erweiterung zum 1. weltkrieg

Im Jahr 1923 erfolgt die erste Erweiterung der Denkmalsanlage für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs – in den Unterlagen des Süderelbe-Archivs wird sie »Grotte« oder »Felsenmal« genannt: eine leicht gebogene Feldsteinmauer mit abgestuften Seiten und einem einsteinigen Vorsprung als Sockel und Kranzablage.

HH Neugraben Mauer web2


Im später, nämlich 1958, aufgesetzten Schriftband auf hellgrauem Sandstein steht:

DEN TOTEN ZUR EHR' DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG

HH Neugraben komplett Kirche web


Drei wiederum schwarze Marmortafeln mit goldfarbenen Buchstaben und Ziffern sind eingelassen.

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Auf der größten Tafel in der Mitte werden in zwei Spalten 46 Namen mittig gesetzt aufgezählt. Wieder ohne weitere Angaben, die Vornamen sind mit dem Initial abgekürzt.

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Die Namensliste beginnt aussen jeweils mit einem Eisernen Kreuz in der dritten Stiftung zum 1. Weltkrieg mit Krone, »W« für Wilhelm II und der Jahreszahl »1914«. Das Eiserne Kreuz wird auf Kriegerdenkmälern den toten Soldaten von den Denkmalsstiftern posthum und kollektiv verliehen. Allein ihr Soldatentod beweist die dafür erwartete Tapferkeit und die Treue.

Zwischen den Eisernen Kreuzen beginnt die Inschrift:

Im Weltkrieg
1914 // 1918
starben für Ihr Vaterland
aus den Ortschaften Neugraben:

»Wenn in den Inschriften explizit erwähnt wird, für was die Soldaten gestorben sind, ist es in den häufigsten Fällen das »Vaterland«. Die Verwendung dieses Begriffes war nach dem Ersten Weltkrieg meist mit einer nationalistischen Haltung verbunden: das deutsche Vaterland, mit dem die eigene Identität untrennbar verknüpft ist, und nur das deutsche Vaterland stellt höchsten Wert dar. Dass dieses »Vaterland« aus dem Streben nach europäischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet.« schreibt Kerstin Klingel in ihrem Buch »Eichenkranz und Dornenkrone« 2006 auf Seite 94.

Mit dem Ziel seine Herrschaftsgebiete auszuweiten, trat Deutschland im August 1914 in den 1. Weltkrieg ein. In den folgenden vier Jahren kam es zu Materialschlachten mit dem erstmaligen Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Aus dem Deutschen Reich kamen fast zwei Millionen Soldaten ums Leben, weltweit etwa 17 Millionen, das übertraf alles bisher Dagewesene bei weitem.

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Auf der linken Tafel stehen in gleicher Weise 40 Namen von Soldaten aus Hausbruch. Rechts und links, etwas entfernt von der Tafel, sehen wir einfache Eisenhaken als Kranzhalter.

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Auf der rechten Tafel folgen 23 tote Soldaten aus Fischbek und zum Schluss werden wohl nachbenannte Soldaten aus Hausbruch (4) und Neugraben (5) aufgezählt.

Welche Mahnung die Initiatoren 1958 mit dem damals aufgesetzten Schriftband an die Lebenden aussprechen wollten, wissen wir nicht. Soldaten kollektiv zu ehren und gleichzeitig die Lebenden zum Frieden zu mahnen, wäre schwer zu verstehen.

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Das »Felsenmal« von hinten. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite sieht man ein Haus mit türkisen Baldachinen. Es ist die Moschee der Islamische Gemeinde Neugraben Yildiz Camii, in der auf türkisch und deutsch gepredigt wird. Sie gehört zum Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V., das ist ein Zusammenschluss von 16 Moscheegemeinden in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit dem Motto: Eine Brücke zwischen Menschen und Kulturen.

Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V.

 

HH Neugraben gesamt hinten Abendlicht web


Friedliche Abendstimmung ...

... und noch ein frühes Foto, das nach der Einweihung des »Felsenmals« 1923 entstanden ist:

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Damals gab es noch eine Wiese vor der Denkmalsanlage!

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Die zweite Erweiterung

Wie oben schon erwähnt, erhielt die konkave Feldsteinmauer 1958 ein Schriftband aus hellgrauem Sandstein mit Deckelplatte.

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Mit der Widmung:

DEN TOTEN ZUR EHR' DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG

Ausserdem wurde ein großer Steinblock geteilt, die Hälften wurden rechts und links von der Mauer aufgestellt.

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Auf dem linken Steinblock steht unter einem Eisernen Kreuz in Kontur:

„Den Gefallenen,
Vermissten,
in Lazaretten
u. Gefangenschaft
Verstorbenen
des Weltkrieges
1939 – 1945

»Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden. [...]

Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort.«

Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S. 60/61, S.22

 

Um den Wortlaut der Inschrift hatte es im Vorfeld einen Briefwechsel gegeben. Der Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen u. Vermißtenangehörigen e.V., Ortsverband Hmbg. Neugraben wandte sich an Pastor Wachsmuth von der Ev.-luth. Kirchengemeinde: »Bei der Beratung über die Gestaltung des Ehrenmals dürfte übersehen worden sein, dass ausser den Gefallenen, Vermißten, den in der Heimat und auf der Flucht Umgekommenen, noch Tausende auf andere Art ihr Leben hingeben mussten. Wir denken hier an unsere Kameradem, die in den Kriegsgefangenen- + Zwangsarbeiterlagern und Gefängnissen verhungert, erschlagen und zu Tode gequält worden sind.

Wir als Heimkehrer haben die Verpflichtung übernommen, diese Kameraden, deren letzte Worte ›grüßt mir unsere Heimat‹ waren, nicht zu vergessen. […] So wie vorgesehen, sind unsere Kameraden, die am schwersten gelitten haben – ausgeschlossen, vergessen.«

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Der Verband der Heimkehrer (VdH), mit durchaus revanchistischen Intentionen, war seit September 1950 eine Interessenvertretung von deutschen und österreichischen ehemaligen Kriegsgefangenen des 2. Weltkriegs, den Heimkehrern und den Spätheimkehrern. Mit letzteren sind auch die in der Sowjetunion verurteilten Kriegsverbrecher im 2. Weltkriegs gemeint. Lesen Sie dazu einen von vielen, im Wesentlichen gleichlautenden, Beiträgen aus dem Jahrbuch des VdH von 1952 »Wir mahnen die Welt«:

Jahrbuch 1952

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Die Inschrift auf dem rechten Steinblock beginnt, obwohl es sich hier um zivile Opfer handelt, ebenfalls mit dem militärischen Ehrenzeichen, dem Eisernen Kreuz:

„Den durch den Krieg
1939 – 1945 
in der Heimat 
u. auf der Flucht 
verschollenen
u. umgekommenen 
Männern, Frau
und Kindern

Am 16. November 1958 wurde diese zweite Erweiterung eingeweiht.

»Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«

Ralph Giordano, Die zweite Schuld


Zusammenfassend muss man feststellen: In dieser Anlage wird an Kriege und militärische Auseinandersetzungen aus fast einem Jahrhundert erinnert. Sie sind maßgeblich von Preußen, dem Deutschen Kaiserreich und Nazi-Deutschland begonnen worden. Es wird jedoch ausschließlich der deutschen Toten gedacht.

1958 wurde die Anlage das letzte Mal erweitert. Diese Jahre waren in der Bevölkerung von Nachkriegsdeutschland noch bestimmt von der Verdrängung der Schuld ...

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Wer ist zuständig?

Auf dem Grund und Boden der Michaelisgemeinde errichtete der Kriegerverein Neugraben 1913 den Obelisken, ebenso wie 1923 die Felssteinmauer. Im Oktober 1950 beklagt der Kirchenvorstand, dass der »hiesige Krieger-Verein« die Pflege und Instandhaltung nicht mehr übernimmt: »Seit 45 ist jede Fürsorge unterblieben.« Aber die Bitte um Unterstützung wird vom Denkmalschutzamt und vom Lichtwarkausschuss negativ beschieden.

Im Jahr 1958 trat die Kyffhäuser-Kameradschaft Neugraben im deutschen Soldatenbund »Kyffhäuser« die Rechtsnachfolge des Kriegervereins an. Die Kameradschaft hat dann mit Zustimmung der Kirchengemeinde die Erweiterung für die Toten des 2. Weltkriegs durchgeführt. Im Ortsbereich Hausbruch - Neugraben - Fischbek wurden viele kleine und große Spenden gesammelt und in einer Mappe dokumentiert. In den Protokollen der Mitgliederversammlung der Kyffhäuser Kameradschaft ist vom »Kamerad Pastor Wachsmuth« als Vertreter der Michaeliskirche die Rede.

Spenden web


»Über dem Felsenmal für die Opfer des ersten Weltkrieges soll ein aus grauem Sandstein gefertigtes Schriftband mit Deckplatte angebracht werden ... Zu beiden Seiten dieses Ehrenmales werden zwei Findlingsblöcke ... aufgestellt werden. Über dem linken Findling wird sich das Eiserne Kreuz erheben ...« (Harburger Nachrichten, 15. April 1958). Der Kirchenvorstand sagte zu, dass das »Abschirmgitter« zurückgesetzt werden kann, damit die Öffentlichkeit jederzeit von der Straße aus Zugang hat.

 

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Dies ist ein Einweihungsfoto der zweiten Erweiterung am 16. November 1958 – die Findlingsblöcke sind auf diesem Foto nicht zu sehen. Aber viele Kränze, das neue Schriftband auf der Feldsteinmauer und das 1952 erbaute Gemeindehaus direkt dahinter.

In einem Brief vom 24. Dezember (!) 1958 beklagt der Ausschuß des Ev.-luth. Gesamtverbandes Harburg die Kosten, die durch die Verantwortung für die Denkmäler auf Kirchengrund entstehen. »Wir meinen auch, daß es ein Unrecht ist, wenn der Staat sich der Ehrenpflicht gegenüber seinen Gefallenen glaubt entziehen zu dürfen.« (siehe PDF-Download weiter unten)

Zur Einweihung am 16. November 1958 werden 18 Vereine und Verbände und andere Kameradschaften im Kyffhäuserbund eingeladen. »Ich bitte Sie, zu dieser Einweihung eine Abordnung zu entsenden. Falls Sie mit Fahne erscheinen und sich am Kirchgang beteiligen, wollen Sie sich bitte um 9 Uhr 30 beim Gastwirt Peter Wolkenhauer einfinden, damit ein geschlossener Fahneneinmarsch erfolgen kann.«

In einer Vereinbarung vom 18.10.1966 verpflichtet sich die Kameradschaft, weiter für die Unterhaltung des Denkmals und der gärtnerischen Anlagen zu sorgen.

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Bei Auflösung der Kameradschaft sollten Rechte und Pflichten auf die Kirchengemeinde als Eigentümerin übergehen. Dieser Fall trat 1973 ein.

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Das Denkmal verwahrlost nun zusehends. Eine zeitlang übernehmen Kirchenmitglieder pflegerische Arbeiten, hatten dies aber 1997 schon seit ein paar Jahren eingestellt.

1997/98 wird eine umfassende Renovierung von der Michaelisgemeinde, dem Schützenverein Scheideholz und dem Schützenverein Neugraben durchgeführt. An den Materialkosten beteiligen sich die Kirchengemeinde, das Kreisdenkmalschutzamt und der Ortsausschuss Süderelbe. Die Schützen malen die Inschriften neu aus und leisten die erforderlichen Maurerarbeiten. Herr Kaiser vom Schützenverein Neugraben spendet die Bepflanzung.

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Harburger Nachrichten, 30. April 1997

Dokumente aus dem Süderelbe-Archiv

• Wir danken sehr herzlich Katrin Ehlberg vom Süderelbe-Archiv für die großzügige Unterstützung. Die historischen Fotos und die Dokumente stammen aus dem Archiv in der Bücherhalle Neugraben.


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Die Denkmalsanlage liegt an der viel befahrenen Cuxhavenerstraße, der B 73.

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Märzrevolution von 1848

»Ausgehend von Frankreich brach 1848 eine Revolutionswelle über Europa herein und erfasste den größten Teil des europäischen Kontinents.

SH Neugraben Ereignisblatt aus den revolutionaeren Maerztagen 18 19 Maerz 1848 mit einer Barrikadenszene aus der Breiten Strasse Berlin webFoto: Wikimedia Commons, gemeinfrei

»Erinnerung an den Befreiungskampf in der verhängnisvollen Nacht 18.–19. März 1848«, mit einer Barrikadenszene aus der Breiten Strasse, Berlin

Unruhen und Kämpfe erschütterten die politische und gesellschaftliche Ordnung in Frankreich, den deutschen und italienischen Staaten, dem gesamten österreichischen Vielvölkerstaat und den Grenzzonen des Osmanischen Reiches auf dem Balkan. In Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und in Skandinavien verstärkten sich Reformbewegungen. Zentrales Anliegen der politisch aktiven Bevölkerung in den meisten Kernräumen der Revolution war die Schaffung von Nationalstaaten. Hinzu kam die Demokratisierung der politischen Herrschaftssysteme und Neuordnung der Sozialverfassungen. Die nationalen, liberalen und sozialen Bestrebungen scheiterten mit der gewaltsamen Niederschlagung der Revolution 1849. Der Sieg der restaurativen Mächte leitete vielerorts reaktionäre Jahre ein, in denen sich moderne Ideen nur langsam Bahn brachen.«

Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, Berlin. 15. September 2014. Text: CC BY NC SA 4.0

    Der komplette Beitrag


    Weitere Informationen:

    Am 18. März 1848 fand die Märzrevolution in Berlin ihren blutigen Höhepunkt. Wie kam es zu den Ausschreitungen? Warum ist die Revolution gescheitert?

    Deutschlandfunk


    Mit der Revolution von 1848 entstand erstmals ein deutscher Nationalstaat. Zuvor zeichnete sich der deutschsprachige Raum durch Vielstaatlichkeit und föderative Staatenbünde aus.

    Bundeszentrale für politische Bildung


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    Deutsch-Dänischer Krieg 1864

    Mit den Deutschen Einigungskriegen setzte Preußen die Idee des deutschen Nationalstaates im Sinn der kleindeutschen Lösung durch. Nach den Siegen im Deutsch-Dänischen Krieg, 1864, dem Deutschen Krieg gegen Österreich, 1866 und dem Deutsch-Französischen Krieg, 1870/71 entstand das preußisch dominierte Deutsche Kaiserreich. Heute gedenken vor allem die Dänen des ersten der drei Kriege, durch die Otto von Bismarck gewaltsam seinen deutschen Nationalstaat schuf.

    Der Deutsch-Dänische Krieg war ein neun Monate andauernder militärischer Konflikt um die Herzogtümer Schleswig und Holstein, insbesondere um die Zugehörigkeit des Herzogtums Schleswig. Mit der Novemberverfassung von 1863, die eine gemeinsame Verfassung für das Königreich Dänemark und das Herzogtum Schleswig war, sollte Schleswig näher an den dänischen Gesamtstaat angebunden werden, während sich zugleich die deutschgesinnte Bewegung Schleswig in Verbindung mit Holstein einem zu schaffenden deutschen Nationalstaat anschließen wollte. Die Kriegsgegner waren einerseits Preußen und das Kaisertum Österreich, andererseits der Dänische Gesamtstaat. Die zahlen- und waffentechnisch weit überlegenen österreichisch-preußischen Truppen besiegten die dänische Armee in dem kurzen Feldzug.

    HH Neugraben Dueppeler Schanzen Gemaelde Wikimedia Commons gemeinfrei webFoto: Wikimedia Commons, gemeinfrei

    • Gemälde von Wilhelm Kamphausen: Die kriegsentscheidende Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April 1864

    Weitere Informationen:

    »Am 30. Oktober 1864 unterzeichnen Preußen, Österreich und Dänemark in Wien einen Friedensvertrag. Dänemark muss Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten. Damit verliert Dänemark fast eine Million Einwohner und ein Drittel seiner Fläche. Im Vertrag von Gastein vom 14. August 1865 erhält Preußen die Herzogtümer Sachsen-Lauenburg und Schleswig. Holstein fällt an Österreich. Doch Preußen provoziert seinen einstigen Partner Österreich mehrfach und löst damit 1866 den ›Deutschen Krieg‹ aus.«

    NDR.de. Deutsch-Dänischer Krieg 1864: »In Gottes Namen drauf«


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    Deutscher Krieg gegen Österreich 1866

    ... ist der zweite der Deutschen Einigungskriege. Vom 14. Juni 1866 bis zum 23. August 1866 kam es zum sogenannten Deutschen Krieg, bei dem sich Preußen und Österreich bekriegten. Eine entscheidende Rolle spielten hierbei die Auseinandersetzungen rund um Gebiete in Norddeutschland, die damals noch zu Österreich gehörten. Losgetreten wurde der Krieg von Otto von Bismarck, der aufgrund preußisch-österreichischer Rivalitäten seine Truppen ins österreichische Holstein einmarschieren ließ.

    HH Neugraben Deutscher Krieg Wikimedia Commons gemeinfrei webFoto: Wikimedia Commons, Deutsches Historisches Museum, gemeinfrei

    • Gemälde von Georg Bleibtreu: »Die Schlacht von Königgrätz«. Der preußische König Wilhelm I., Bismarck und General Moltke beobachten die größte Umfassungsschlacht der Kriegsgeschichte: Am 3. Juli 1866 standen sich etwa 180.000 Österreicher und 200.000 Preußen gegenüber. 1.500 Geschütze kamen zum Einsatz. Mit dem Sieg der preußischen Armee eröffnete sich der Weg für eine Reichseinigung unter preußischer Führung – ohne Österreich

    Preußen gewann den Krieg und es wurde der Friedensvertrag von Prag, der Prager Frieden, geschlossen.

    Mehr Informationen:

    »Entschieden wurde der Krieg nach nur wenigen Wochen in der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866. Im europäischen Ausland wurde der überraschend schnell errungene Sieg Preußens mit Misstrauen betrachtet.«

    LeMO. Lebendiges Museum Online


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    Deutsch-Französischer Krieg 1870/71

    ... ist der dritte der Deutschen Einigungskriege. Er war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits.

    Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. die französischen Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.

    Von den großen Schlachten gingen im gesamten Kriegsverlauf alle für Frankreich verloren oder endeten im Patt. Im Februar 1871 fand sich die französische Regierung, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit.

    Noch während Paris von deutschen Truppen belagert wurde, proklamierten die deutschen Fürsten und Vertreter der Freien Städte am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser, eine Demütigung für die Franzosen. Hohe Reparationszahlungen und vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich.


    SH Oldesloe Anton von Werner Kaiserproklamation web

    • Wandgemälde von Anton von Werner für die Ruhmeshalle Berlin: Die Kaiserproklamation in Versailles. Nicht zu übersehen: Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck, der mit seiner aggressiven und heimtückischen Politik die Proklamation eines deutschen Kaisers möglich gemacht hatte.

    »Die Deutung der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Versailler Spiegelsaal als Demütigung Frankreichs gehörte ebenso zum erinnerungspolitischen Konzept des im Kaiserreich vereinten Deutschland wie die alljährliche Zeremonie des Sedantages, an dem der entscheidende Sieg vom 2. September 1870 gefeiert wurde. Doch jede Demütigung zieht die nächste nach sich, und so muss es kaum verwundern, dass Frankreich im Sommer 1919 nach Beendigung des Ersten Weltkrieges seinen Sieg über Deutschland ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles auskostete. Es gehört sicherlich zu den grössten Verdiensten Charles de Gaulles, dass er nach 1945 kein «drittes Versailles» folgen liess, sondern mit dem Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 die Kette gegenseitiger Demütigungen durchbrach.«

    Der Historiker Clemens Klünemann in Neue Zürcher Zeitung, 9.1.21

    Mehr auf www.bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung


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    Expeditionskorps 1900/01 in China

    Unter der westlichen Bezeichnung »Boxeraufstand« versteht man eine chinesische Bewegung gegen den europäischen, US-amerikanischen und japanischen Imperialismus. Die Staaten hatten sich im Rahmen ihrer Kolonialpolitik in China festgesetzt. Die Vertreter der chinesischen Bewegung machten die »Fremden« für das um sich greifende Elend verantwortlich. Um die Jahreswende 1899/1900 kam es in der Provinz Schantung zu vereinzelten offenen Ausbrüchen.

    In der Folge stellten sechs europäische Staaten sowie die USA und Japan ein Expeditionskorps für eine Intervention in China zusammen. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte unverzüglich auf den Vorschlag einer gemeinsamen Militäraktion europäischer Staaten reagiert, weil sich in diesem Rahmen die verstärkte Rolle des Deutschen Reiches in der Weltpolitik demonstrieren ließ. Zu seiner Genugtuung konnte er erreichen, dass dem ehemaligen deutschen Generalstabschef Feldmarschall Alfred Graf von Waldersee der Oberbefehl über dieses gemeinsame Expeditionsheer übertragen wurde. Bei der Verabschiedung eines Teils der deutschen Truppen am 27. Juli in Bremerhaven hielt Wilhelm II. seine berüchtigte Hunnenrede:

    »Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dies Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre alte Kultur stolz ist. Bewährt die alte preußische Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freudigen Ertragen von Leiden, mögen Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel […] Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschlands in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!«

    nach Wikipedia, abgerufen am 7. Januar 2018

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    • Detail einer im Jahr 1901 mit der chinesischen Kaiserlichen Post in die Schweiz verschickten Postkarte.

    Hauke Neddermann hat für »freedom roads! – postkoloniale Erinnerungskultur« eine Charakterisierung von Graf Waldersee geschrieben:

    Graf Waldersee


    Bei seiner Rückkehr im Jahr 1902 wurde Graf von Waldersee zum Ehrenbürger der Stadt Itzehoe ernannt.


    Mehr Informationen:

    »Der chinesische ›Boxeraufstand‹ von 1900 war sowohl das Ergebnis lang andauernder europäischer, amerikanischer und japanischer Einmischung in die chinesische Wirtschaft und des Zerfalls der korrupten und ineffizienten Ching-Dynastie als auch die kurzfristige Folge des Versuchs der Regierung, die verständlichen Ressentiments der Bevölkerung gegen koloniale Niederlassungen auszunutzen. Die ›Boxer‹-Mitglieder des Geheimbundes Yi-he quan (›Faust für Recht und Einigkeit‹) – bekämpfen Missionierung und Industrialisierung Chinas durch Ausländer ...«

    Website deutsche-schutzgebiete.de


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    Das Nationaldenkmal

    Die Widmung auf dem Obelisken von 1913 in Neugraben: Den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den kommenden Geschlechtern zum Nacheifern! ist nahezu identisch mit der Inschrift am Nationaldenkmal von 1818 für die Befreiungskriege auf dem Kreuzberg in Berlin.

    Auf der höchsten Stelle der Erhebung legte König Friedrich Wilhelm III. am 19. September 1818 den Grundstein des deutschen Nationaldenkmals für die Siege in den Befreiungskriegen. Das Denkmal war 1818-1821 von Karl Friedrich Schinkel geschaffen worden.

    HH Neugraben Nationaldenkmal Wikimedia Commons webFoto: Wikimedia Commons / Jörg Zägel, Lizenz 3.0

    • Das Nationaldenkmal für den Sieg in den Befreiungskriegen gegen Napoleon auf dem Kreuzberg im Viktoriapark in Berlin-Kreuzberg, hier die Ostseite mit Erinnerung an die Schlachten von Groß-Görschen (Mitte), Großbeeren (links) und Denewitz (rechts).


    Die Einweihung des Denkmals erfolgte am 30. März 1821, dem Jahrestag der Erstürmung des Montmartre. Bei gleicher Gelegenheit erhielt der Hügel seinen heutigen Namen Kreuzberg. Die Widmungsinschrift verfasste im Auftrag des Königs der Altphilologe August Boeckh:

    Der König dem Volke,
    das auf seinen Ruf hochherzig
    Gut und Blut dem Vaterlande darbrachte.
    Den Gefallenen zum Gedächtniß,
    den Lebenden zur Anerkennung,
    den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung.

    Die zweite Hälfte dieses Textes war die gängige Vorlage für Kriegerdenkmäler beider Weltkriege, teilweise nur geringfügig verändert oder man verzichtete, besonders bei Denkmälern für den 2. Weltkrieg, auf die Zeitebene der Zukunft. Die letzte Zeile wurde auf Denkmälern zum 1. Weltkrieg verwendet, um die nachfolgende Generation in revanchistischer Absicht in die Pflicht zu nehmen.

    In Neugraben erhielt die Steinmauer mit den Tafeln zum 1. Weltkrieg 1958 nachträglich ein Schriftband mit dem Text:

    Den Toten zur Ehr den Lebenden zur Mahnung 

    Was damit 1958 gemeint war, ist nicht klar: Die Soldaten werden geehrt, die Lebenden gemahnt. Zu was? Die Ehrung der toten Soldaten nicht zu vergessen?


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    Kriegervereine

    »Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 erfuhren Vereine und Organisationen, in denen das Andenken an den Deutsch-Französischen Krieg wachgehalten werden sollte, enorme Popularität. 1896 wurde durch Sammlung der Kriegervereine auf dem thüringischen Kyffhäuser-Berg ein Mahnmal zum Andenken an die deutsche Einheit eingeweiht. Der vier Jahre später gegründete ›Deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser‹ umfaßte als Dachverband schon bald nahezu sämtliche Kriegervereine des Kaiserreichs. In der Weimarer Republik bildete der formell unpolitische Kyffhäuserbund einen fruchtbaren Boden für die Verherrlichung des Ersten Weltkriegs und die Verbreitung der Dolchstoßlegende sowie der behaupteten Kriegsschuldlüge.

    Die etwa 29.000 lokalen Kriegervereine im Deutschen Reich pflegten neben einer intensiven Kameradschaft und der Fürsorge für Kriegsversehrte den Mythos des Frontkämpfertums. Zumeist waren sie die Initiatoren für den Bau von Kriegerdenkmalen, die nach 1918 in nahezu jeder deutschen Gemeinde zu finden waren und deren größtes das Tannenberg-Denkmal in Ostpreußen war. Dem kollektiven Gedenken an die Kriegserlebnisse dienten auch die ab 1925 alle zwei Jahre stattfindenden Reichskriegertage, an denen sich neben Kriegervereinen Wehrverbände wie der Stahlhelm beteiligten.

    1932 rief der Kyffhäuserbund seine ca. zwei Millionen Mitglieder auf, ihre Stimme bei der bevorstehenden Reichspräsidentenwahl seinem seit 1919 amtierenden Ehrenpräsidenten Paul von Hindenburg zu geben. Für seinen Gegenkandidaten, den ehemaligen Frontsoldaten Adolf Hitler, eine allzu schmerzliche Erfahrung. Vier Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP verfügte er 1937 die Umbenennung des traditionsbewußten Kyffhäuserbunds in ›NS-Reichskriegerbund‹, der 1943 aufgelöst wurde.«

    Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, Text: CC BY NC SA 4.0

    Link zum Beitrag

     

    »Am 3. März 1943, einen Monat nach der Niederlage in der Schlacht von Stalingrad, löste Adolf Hitler den Kyffhäuserbund auf Reichsebene auf. Das Vermögen wurde der NSDAP übertragen und die weiter bestehenden lokalen Vereine, die in der Endphase des Zweiten Weltkriegs den Grundstock für die Volkssturm-Einheiten bildeten, der Partei unterstellt.

    Nach 1945: Durch Kontrollratsgesetz Nr. 2 (Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen) vom 10. Oktober 1945 wurden alle Organisationen und Einrichtungen, die der nationalsozialistischen Herrschaft gedient haben, ›abgeschafft und für ungesetzlich erklärt‹, so unter anderem auch der NS-Reichskriegerbund.

    1952 begann die Wiedergründung des Verbandes mit allen Landesverbänden. Heute betont er seine Rolle als Reservisten- und Schießsportverband. Ein Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1990 legte nahe, dass er sich am rechten Rand des politischen Spektrums bewegt. Der Verband sieht sich durch die ›Kyffhäusertreffen‹ der Partei ›Alternative für Deutschland‹ (AfD) unbegründet mit dieser Partei assoziiert und betont die Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit und Grundgesetz als zentrale Aufgaben des Verbandes.«

    • Nach Wikipedia, abgerufen am 14. Juli 2020

     

    »Militärische Vereine spielten früher im gesellschaftlichen Leben eine weit größere Rolle als heute! Geachtet war nur der Mann, der ›gedient‹ hatte. Im Zivilleben konnte man durch die Mitgliedschaft in einem Militärverein am Ansehen, dass der Soldatenstand genoß, weiter teilhaben. So wurden die ›Kriegervereine‹, wie sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts genannt wurden, die mitgliederstärkste Vereinsform in Deutschland. Am Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte ihr Zusammenschluß zum ›Kyffhäuserbund‹. Neben allgemeinen Kriegervereinen bildeten sich Kameradschaften bestimmter Regimenter oder Waffengattungen. [...]
    In engem Zusammenhang mit dem Kriegsvereinswesen stehen viele Denkmäler in Stadt und Land: Die Vereine regten ihre Errichtung an, spendeten Geld dafür und marschierten bei ihrer Einweihung auf.«

    Ludwig Arndt, Militärvereine in Norddeutschland, BOD, Werbetext zum Buch, 2008

    SH Witzhave Elbe Jeetzel Zeitung 2005 web


    Eine Todesanzeige in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 23. März 2005 (!)


    2006 beantwortete die Bundesregierung die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu Traditionsverbänden, Kameradschaftsvereinen und dem Rechtsextremismus.

    Deutscher Bundestag Drucksache 16/1282


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    Der Adler

    Der Adler auf dem Obelisken in Neugraben ist detailreich gearbeitet. Aufmerksam, mit aufgestellten Schwingen zum Abflug bereit, sitzt er auf seinem Ausguck. Das ist kein gemütliches Ausruhen, angespannt wartet er auf seinen Einsatz, der unmittelbar bevorzustehen scheint.

    HH Neugraben Adler seitlich web

    »Der Adler ist als ›der mächtigste König im Luftrevier‹ (Anfang des ›Seeräuberlied‹, das zum Marschliederkanon der Wehrmacht gehörte), der König der Lüfte und wehrhafter Beschützer seines Horstes.«

    • Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, S. 137

    »Als Hoheitszeichen des Deutschen Reiches und als Symbol für deutsche Macht und Stärke galt der Seeadler. Der Raubvogel konnte nach 1871 wachsam nach Westen spähen, oft aufreizend mit den Flügeln schlagen und/oder den geöffneten Schnabel drohend dem französischen Feind entgegenstrecken. [...]
    Unmittelbar vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrages stieß die ›Deutsche Tageszeitung‹ vom 26. Juni 1919 den Stoßseufzer aus, es möge ›vielleicht doch in nicht so ferner Zeit [...] – der Tag komm[en], an welchem das Deutsche Volk sich aus seinem tiefen Fall wieder erheben kann und der deutsche Adler von neuem den Flug zur Sonne unternimmt.‹ Dieser sehnsüchtige Wunsch wurde in die Gedenkwelt hineingetragen – Hamburg-Gross Borstel, Oktober 1922: ›Mit kräftigen Krallen steht er trotzig und lauernd auf seinem eisernen Grund, den scharfen Blick nach Westen gerichtet‹; Wasserkuppe/Rhön, 1923, Weiherede des Oberstleutnants a.D. Walter von Eberhardt: ›Und eigene Kraft wird es sein, die alle Fesseln, die Schmach und Schande, die Not und Elend uns angelegt haben, wieder sprengen wird. Nach Westen blickt der Adler. Er weist uns den Weg, den wir gehen müssen.‹ Auch dort die Kranzschleife des ›Bundes der Jagdflieger‹ am Tag der Einweihung: ›Adler, Du, halte die Wacht! Um uns ist Schande und Nacht. / Siehe, dort hinter dem Rhein / Schlummert der Brüder Gebein / Bis einst der Morgen erwacht. Adler, Du, halte die Wacht!‹.«

    Loretana de Libero, Rache und Triumph, Krieg Gefühle und Gedenken in der Moderne, De Gruyter Oldenbourg, S.95f


    Oberst a.D. Roethe beschrieb den steinernen Adler in der Festrede vor der Enthüllung des Denkmals in Waren an der Müritz am 26. Juni 1932 folgendermaßen:

    »Der Adler des Steins, der nun sogleich vor Ihren Augen erscheinen wird, er ist das Bild des Adlers der Deutschen, das Sinnbild von Deutschlands Macht und Herrlichkeit. Noch verkrampft sich die rechte Klaue auf dem am Boden liegenden Stahlhelm, dem Zeichen der deutschen Wehrhaftigkeit. Aber schon sieht er in der Ferne das Morgenrot des kommenden Tages, schon regt er die Flügel.

    So gebe der allmächtige Lenker der Geschicke der Völker, der uns diese Prüfungszeit auferlegt hat, daß gar bald der Adler des Deutschen Volkes die mächtigen Schwingen breite zum stolzen kühnen Fluge der Sonne entgegen in die ferne glückhafte Zukunft unseres Volkes. Und daß wir bald die Gelegenheit finden, das stolze Lied in die Lüfte zu jubeln, das der Dichterherold unserer Väter ihnen mitgab in die Kämpfe und Märsche nach Paris, wo sie sich die Kaiserkrone und das einige mächtige Reich holten – das Lied:

    Flieg, Adler, flieg! Wir folgen nach
    Ein Einig Volk in Waffen.
    Wir folgen nach, ob tausendfach
    Des Todes Pforten klaffen.
    Und fallen wir: Flieg, Adler, flieg!
    Aus unserm Blute wächst der Sieg.
    V o r w ä r t s ! «

    HH Neugraben Adler hinten web


    Sieben Jahre später flog er dann wieder, der Adler: der 2. Weltkrieg begann mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen.
     

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    »wir sind die Herren der Welt«

    Der mächtigste König im Luftrevier
    Ist des Sturmes gewaltiger Aar.
    Die Vöglein erzittern, vernehmen sie nur
    Sein rauschendes Flügelpaar.
    Wenn der Löwe in der Wüste brüllt,
    Dann erzittert das tierische Heer.
    Ja, wir sind die Herren der Welt
    Die Könige auf dem Meer.
    Tirallala, tirallala
    Tirallala, tirallala
    hoi! hoi!

    Zeigt sich ein Schiff auf dem Ozean,
    So jubeln wir freudig und wild;
    Unser stolzes Schiff schießt dem Pfeile gleich
    Durch das brausende Wogengefild.
    Der Kaufmann erzittert vor Angst und vor Weh,
    Den Matrosen entsinket der Mut,
    Und da steigt am schwankenden Mast
    Unsre Flagge, so rot wie das Blut.
    Tirallala, tirallala
    Tirallala, tirallala
    hoi! hoi!

    Wir stürzen uns auf das feindliche Schiff
    Wie ein losgeschossener Pfeil.
    Die Kanone donnert, die Muskete kracht,
    Laut rasselt das Enterbeil,
    Und die feindliche Flagge, schon sinkt sie herab.
    Da ertönt unser Siegesgeschrei:
    Hoch lebe das brausende Meer,
    Hoch lebe die Seeräuberei!
    Tirallala, tirallala
    Tirallala, tirallala
    hoi! hoi!


    SA-Version (ca. 1930)
    Der mächtigste König von Groß-Berlin
    das ist der Isidor Weiß
    Doch Dr. Goebbels der Oberbandit
    der macht ihm die Hölle schon heiß
    Seine eigene Schupo die nimmt ihn sich vor
    man hört es bis zum Brandenburger Tor
    Er nennt sich Dr. Bernhard Weiß doch bleibt er der Isidor


    »Der mächtigste König im Luftrevier«, auch bekannt als Piratenlied, ist ein seit 1915 belegtes Volkslied, das im 1. Weltkrieg als eine Art inoffizielle Hymne der deutschen U-Bootfahrer zu besonderer Popularität kam. Wegen Formulierungen, die während der NS-Diktatur hinzugefügt wurden, wird das Singen des Liedes durch Bundeswehrsoldaten kontrovers beurteilt.

    Während der NS-Diktatur wurde das Lied vom Regime gefördert und umgeschrieben. So wurden aus den »Fürsten der Welt« in der NS-Version die »Herren der Welt«. Auch wurde das Lied textlich von der SA so umgedichtet dass es ein Spottlied auf den damaligen jüdischen Polizeivizepräsidenten von Berlin Bernhard Weiß wurde. Nach dem 2. Weltkrieg ist »Der mächtigste König im Luftrevier« unter anderem im Liedgut der Pfadfinderbewegung belegt und in dem Liederbuch »Die Mundorgel« enthalten.

    »Der mächtigste König im Luftrevier« wurde nach dem 2. Weltkrieg auch ins Liedgut der Bundeswehr übernommen. So findet es sich 1983 im Liederbuch der Fallschirmjäger und 1991 im offiziellen Liederbuch der Bundeswehr »Kameraden singt!« Nachdem der ARD-Kulturreport am 25. November 2001 einen Beitrag über die Geschichte des Schlagers Lili Marleen und das Liedgut der Bundeswehr ausstrahlte, wurde auch der Text des Piratenliedes kontrovers diskutiert. Für Kritik sorgte vor allem, dass die Bundeswehr nicht die ursprüngliche Version, sondern die Version mit dem während der NS-Diktatur umgeschriebenen Text übernommen hatte.

    Nach Wikipedia, abgerufen am 8.3.2021

    Das erste Liederbuch der Bundeswehr erschien 1958. Getreu dem Adenauerschen Appell »Vergesst mir die Musike nicht, das ist eine wichtige Sache für die Soldaten!« Ab Juni 2017 wurde das Liederbuch der Bundeswehr »Kameraden singt!« von 1991 dann auf Geheiß der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen überarbeitet.


    »Als es im 2. Weltkrieg gegen England ging, sang die Wehrmacht ›Der mächtigste König im Luftrevier‹. Darin heißt eine Zeile: "Ja, wir sind die Herren der Welt". Und auch heute wird das Lied mit dieser Zeile noch so gesungen. [Der Musikwissenschaftler Eberhard] Frommann fürchtet, dass sich die Bundeswehr bei einem eventuellen Auslandseinsatz mit solch einem Lied unbeliebt machen könnte.

    ›Die Soldaten, die da jetzt nach Afghanistan gehen oder auch im Kosovo stationiert sind, sollten sich hüten, diese Lieder, die diesen Aggressionsgeist der Wehrmacht noch in sich tragen, so wie ›Ja, wir sind die Herren der Welt‹, noch zu singen.«

    Mehr auf www.ag-friedensforschung.de

     

    Auch Volksbarde Heino hat den mächtigsten König im Luftrevier vertont, beim »Tirallala, tirallala« läßt er sich von einem fröhlichen Mädelchor begleiten:

    YouTube, Heino: Der mächtigste König ...


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    Das Eiserne Kreuz

    »Das Eiserne Kreuz wurde erstmalig 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet. Es war der erste militärische Orden, der nicht nur an Offiziere, sondern auch an einfache Soldaten für ihre militärischen Verdienste verliehen werden konnte. Kurz darauf führte der König die allgemeine Wehrpflicht ein. Das bisherige Söldnerheer wandelte sich zum Bürgerheer und für die Bürger mussten Anreize geschaffen werden, das eigene Leben im Krieg aufs Spiel zu setzen. Damit begann eine neue Zeit beim preußischen Militär: Soldaten waren nicht mehr nur Befehlsempfänger ohne Stimme und ohne Namen, sondern seit dieser Zeit wurden sie zu Vorbildern gemacht, denen nachgeeifert werden sollte. Der König versprach in der Stiftungsurkunde jedem Soldaten für den eventuellen Kriegstod ein Denkmal, das heißt, die Erwähnung auf einem Denkmal. Zumeist wurde das damals als Tafel in einer Kirche realisiert: Zeugnis der engen Verbindung von Monarchie und Kirche.

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    • »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

    Das Eiserne Kreuz wurde sehr häufig als Relief auf Kriegerdenkmälern verwendet. Es steht hierbei als solches symbolisch für die Anerkennung der besonderen ›Vaterlandstreue‹ der gefallenen Soldaten. Ihr Tod im Krieg wurde dafür als Beweis gedeutet. Durch die Verwendung des Eisernen Kreuzes auf einem Denkmal sollten die Soldaten posthum für ihr Verhalten ausgezeichnet werden und damit als Vorbilder für die Nachwelt gelten. Nach 1813 wurde es 1870 von Kaiser Wilhelm I. und 1914 von Kaiser Wilhelm II. neu gestiftet.

    SH Raisdorf EK Hitlerspruch webFoto: Deutsches Historisches Museum, Berlin, Inv.-Nr. PK 2005/2

    Die von Adolf Hitler am 8. November 1939 anlässlich des Überfalls auf Polen ausgesprochene Losung

    Auch Adolf Hitler führte 1939 das Eiserne Kreuz als militärische Auszeichnung wieder ein, mit einem Hakenkreuz im Zentrum.«

    Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone 2006, S. 44f


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    • Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

    »Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

    Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

    DIE ZEIT, 5.6.2008


    Soldaten der Wehrmacht kämpfen nicht nur pflichtschuldig  und gehorsam. Ohne die Gefühlswelt aus Stolz, Ehre und Männlichkeit ist nicht zu erklären, warum so viele an die Front streben – und dem Krieg bis zum Untergang verhaftet bleiben. (Frank Werner in ZEITGeschichte 4/2018)

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    Geschickte Propaganda: Begehrenswerte Ordensbrust in »Die Woche« Januar 1940.

    Das Eiserne Kreuz ist das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Manchmal wird es dort auch als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz verwendet. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z.B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

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    ... und heutzutage: Die Redaktion des Spiegel illustriert den Titel Nr.50 / 10.12.2022 zur Razzia bei »Reichsbürgern« und »Querdenkern«, denen vorgeworfen wird, einen Staatsstreich geplant zu haben, mit einem Eisernen Kreuz.

    »Andreas Gabalier besang in Mein Bergkamerad ›eine Freundschaft, die ein Männerleben prägt, wie ein eisernes Kreuz, das am höchsten Gipfel steht.‹ Michael Fischer vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik bezeichnete das als ›gewollte Provokation‹, die kaum ein naiver Zufall sein könne.

    Die Agentur für soziale Perspektiven konstatiert: Das Eiserne Kreuz sei neben dem Thorshammer ›das am häufigsten gezeigte Symbol der extremen Rechten‹. Zwar sei es je nach Kontext ›kein explizit rechtes Bekenntnis, doch stets ein Symbol für Militarismus und martialische Männlichkeit.‹

    Wikipedia, abgerufen am 16.3.2023


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    Die deutsche Eiche

    Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue.

    Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019

     
    »Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«

    Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525


    »Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«

    Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de

    »1933 wurde mit einer offiziellen Zeremonie eine Adolf-Hitler-Eiche auf dem Dorfplatz gepflanzt (s. Foto). Auf dem Foto sieht man Heinrich Behnke, [...] sowie Hartwig Gäde. Herbert Hansen, mit weißen Kniestrümpfen, musste damals ein Gedicht aufsagen. Lehrer Kühl hielt eine Rede.

    Am 8. Mai 1945, am Tag der deutschen Kapitulation, wurde die Eiche von Ernst Meier mit den Worten umgehauen: ›Du Aas kümmst af!«
    Hartwig Gäde erzählt dazu: ›As ik ut de Gefangenschaft, ut den Krieg kam, da käm de ole Meier to mi hin un seggt: ›Soll ik di mal wiesen, wo diene Adolf Hitler Eiche is? Denn komm mal mit!‹. Da ist er dann mit mir in seinen Garten gegangen und zeigte auf einen Zaunpfahl. Die Eiche hatte er abgesägt und einen Zaunpfahl daraus zurechtgeschnitten. Der alte Meier war der SPD treu geblieben.«

    SH Rethwisch Hitlereiche web

    • Diese schöne Geschichte steht in der »Chronik der Landgemeinde Rethwisch« von Doris Moßner und Inga Rogga aus dem Jahr 2001.

     

    NDR-Zeitreise: Die Geschichte der »Hitlereichen«

    Schleswig-Holstein Magazin vom 14. April 2023



    SH Oldesloe Bundesarchiv Bild 146 1974 160 13A Theodor Eicke web
    Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1974-160-13A / CC-BY-SA 3.0


    Eichenlaub als höchste Zier: SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS Theodor Eicke im Jahr 1942.


    Bei der Olympiade 1936 in Berlin erhielten die 129 Sieger neben einer Goldmedaille einen Topf mit einer Eiche. Das Organisationskomitee deklarierte sie im amtlichen Bericht als »schönes Sinnbild deutschen Wesens, deutscher Kraft, deutscher Stärke und deutscher Gastfreundschaft«.

    »Die Olympia-Eichen«, Bericht auf spiegel.de 2014

     

    »Eichenlaub« war ab 1999 ein rechtsextremes Liedermacher-Duo aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes

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    Kurzfilme zu den Denkmälern

    Seit ein paar Jahren existiert die Website www.denk-mal-gegen-krieg.de, auf der die Evangelische Akademie sich kritisch mit der bestehenden Erinnerungskultur auseinandersetzt. Die häufigsten Erinnerungsmale an die vergangenen Kriege sind Kriegerdenkmäler, auf denen der Soldatentod verklärt und die zivilen Opfer verschwiegen werden.

    An einigen Orten produzieren wir kurze Videos und stellen sie online. Den Film über das Denkmal in Hamburg-Nienstedten können Sie hier sehen: YouTube> und die Einführung zur Filmreihe bei YouTube>

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    I N H A L T
    Das Denkmal
    Volkstrauertag 2015
    Christliche Motive
    Der Opfertod
    »Dem Vaterlande ...«
    Die Einweihung 1920
    Die Geschichte
    »Das blutende Deutschland«
    Die Erweiterung zum 2. Weltkrieg
    Hinter der Hecke ...

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    Nienstedten

    Auf dem Friedhof in der Rupertistraße

    Am Hauptweg des Friedhofs wird der Blick des Besuchers an einer Abzweigung durch den »grünen Tunnel« der hohen Kirschlorbeerhecke auf das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs gelenkt. Die gewollte Inszenierung des dargestellten Jesus Christus am Kreuz mit einem Stahlhelm über dem Kopf wird aus dieser Perspektive besonders deutlich.


    HH Nienstedten entfernt              

    Das achteckige Sandsteinmonument, aus dem das Relief von Jesus Christus am Kreuz hervortritt, wird von einem überdimensional großen Stahlhelm auf Eichenlaub, ebenfalls aus Sandstein, gekrönt.

     

    HH Nienstedten


    Rundherum sind auf sieben massiven Steinblöcken die Namen der 277 im 1.Weltkrieg getöteten Soldaten eingemeißelt worden. Darüber lesen wir den umlaufenden Text in kräftigen Lettern:

    DEM VATERLANDE BRACHTEN IHR LEBEN ZUM OPFER

    Das Monument wurde nach einem Entwurf des Bildhauers Richard Luksch aus einem Sandstein hergestellt, es ist am 5. Dezember 1920 eingeweiht worden. Richard Luksch ist am 23. Januar 1872 in Wien geboren und am 21. April 1936 in Hamburg gestorben. Er wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Von 1907 bis 1936 war er Professor an der Kunstgewerbeschule Hamburg am Lerchenfeld (heute Hochschule für bildende Künste Hamburg). In seiner künstlerischen Arbeit blieb er zeitlebens dem Jugendstil verbunden, sein später Stil war aber »geometrisch geschärft«.

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    Volkstrauertag 2015

    Nach dem Gottesdienst, im Beisein der uniformierten Abordnung der Bundeswehr ...

    HH Nienstedten VTT 15 11 2015 02 Kirche web

    ... werden die Kränze aus dem Altarraum der Nienstedtener Kirche zum Kriegerdenkmal getragen.

     

    HH Nienstedten VTT 15 11 2015 05 web


    Am Denkmal wird dann »Da Pacem Domine« intoniert:

    Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.
    Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten,
    denn du, unser Gott, alleine.


     HH Nienstedten VTT 15 11 2015 08 web2            
    Der Kranz der Bundesministerin für Verteidigung Ursula von der Leyen.

    HH Nienstedten VTT 15 11 2015 10 web


    ... und noch ein Erinnerungsfoto mit den Kameraden. Die Führungsakademie der Bundeswehr liegt in der Nachbarschaft, daher gibt es am Volkstrauertag immer hochrangigen Besuch am Kriegerdenkmal auf dem Nienstedtener Friedhof.


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    Christliche Motive

    »Auf einem großen Teil der Denkmäler des Ersten Weltkriegs finden sich christliche Motive. Diese Denkmäler sind vorwiegend von Kirchengemeinden oder auf Friedhöfen aufgestellt. Der Gedanke des Trost für die Angehörigen der vielen toten Männer stand bei den Stiftern und Künstlern im Vordergrund. Dieser wurde jedoch fast nie mit einer kriegskritischen Haltung verbunden. Im Gegenteil: bei Darstellungen eines Kreuzes oder sogar von Jesus am Kreuz wird der Kreuzestod Christi, als Opfer für die Menschheit, in Analogie zum Kriegstod des Soldaten, der sich auf die gleiche Weise opfert und dadurch bereits gerechtfertigt ist, gesehen. Das Denkmal, bei dem dies in Hamburg am deutlichsten wird, ist das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof Nienstedten von Richard Luksch (1872 – 1936). An der einen Seite des Denkmals hängt dort buchstäblich ein Relief des gekreuzigten Jesus. Dieser ist im Strahlenkranz mit Strahlen aus seinen Wundmalen dargestellt und das Wort ›Opfer‹ aus der Inschrift prangt über dem Kreuz. Zudem krönt das Denkmal ein überdimensionales Stahlhelmrelief. In Verbindung von Trophäe und christlicher Ikonographie wird das Motiv des christlichen Trostes völlig aufgehoben, diesem widersprechen zudem auch die martialischen Gesichtszüge der Jesusfigur.«

    • Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Seite 66/67

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    Der Opfertod

    Genau zwischen Stahlhelm mit Eichenlaub und Jesus am Kreuz lesen wir die Wörter »ZUM OPFER« – das kann kein Zufall sein.

    »Mit dieser Inschrift wird eine Analogie des Gefallenenschicksals mit dem Märtyrertod von Jesus Christus hergestellt: die Soldaten haben sich für das ›Vaterland‹ geopfert wie Jesus Christus für die Menschheit. Diese Argumentation versucht, dem Kriegstod einen Sinn zu geben.«

    • Ebd., Seite 93

    HH Nienstedten Detail web

    Dem Soldatentod durch christliche Analogien eine religiöse Weihe zu geben und ihn als »Opfertod« zu verklären, ist das Ziel vieler Inschriften auf Kriegerdenkmälern. »Kriege, in denen planvoll getötet und grausam gestorben wird, fordern die Sinnstiftungsleistung des Kollektivs der Überlebenden auf ganz besondere Weise heraus.« schreibt der Historiker Kaiser dazu.

    Es steht nicht die Trauer im Vordergrund vielmehr wird der Tod im Krieg in einen Zusammenhang gestellt, der ihn zu einem nicht zu hinterfragenden Opfer macht. Der Kreuzestod Christi, als Opfer für die Menschheit, wird dem Kriegstod der Soldaten gleichgesetzt, die sich ebenso opferten und deren Tod so gerechtfertigt wird. Christus wird eins mit den kämpfenden Soldaten, diese werden ihm gleich im Opfer ihres eigenen Lebens. Dieses Denkschema wünschten sich die Denkmalsstifter nach dem 1. Weltkrieg. Keine Publikation, in der heute über die Inschriften von Kriegerdenkmälern nachgedacht wird, kommt daran vorbei. Wir nennen noch drei Beispiele:

    »Im Krieg getötete Kombattanten (aktiv an Kriegshandlungen Beteiligte, d.h. u.a. Soldaten) wurden vor allem auf Denkmälern des  1. Weltkrieg als Opfer bezeichnet oder stilisiert. Damit wurden zum einen das vermeintliche Unverschulden des eigenen Todes und zum anderen das Leben als Gabe für ein höheres Ziel ausgedrückt. Dies relativiert die Tatsache, dass Soldaten nicht in erster Linie Opfer, sondern vor allem Handelnde waren. Obendrein zeigt die ›Bewertung des Soldatentodes als christlicher Opfertod, wie dies im […] Gedenken nach 1918 gang und gäbe war‹ deutlich die einseitige Verwobenheit mit der Kirche und die Fehlinterpretation des Evangeliums (vgl. Schneider 1991: S. 317). Das damit die zivilen Opfer der Kriege relativiert werden kommt klar zum Ausdruck.«

    www.kirchliche-dienste.de/arbeitsfelder/frieden

     

    »... sondern greift von scheinbar neutraler Warte den Opfergedanken auf, der starke Assoziationen zu christlichen Vorstellungen hervorruft. Damit rückt der Krieg in die Sphäre des überindividuellen Schicksals, dem sich die Soldaten in einer freien ethischen Entscheidung gestellt hätten, um die Gemeinschaft zu bewahren: Der Krieg als moralische Herausforderung und Verpflichtung.«

    Günter Kaufmann, Historische Denkmäler in Kiel, S.277

     

    »Die Gedenkstätten sind ausnahmslos Ausdruck des Bedürfnisses, das Gedenken an den Tod der Soldaten zu sakralisieren, also zu etwas Heiligem zu stilisieren. In Form von Kreuzen, Säulen, Räumen der Stille oder Plastiken wird nicht der Tod, sondern der vorgebliche Sinn dieses Todes dargestellt. [...]

    Die Sakralisierung schirmt die Gedenkorte auch gegen Widerspruch ab, denn wer würde in einem Raum der Stille oder vor einem Kreuz laut protestieren? Die Ent-Profanisierung beschützt den Tod der Soldaten besonders vor Ansprüchen der Überlebenden. Obwohl diese im Einsatz eine Gruppe bildeten, grenzen die Denkmäler die Toten von den Versehrten ab.

    Nur wer starb, wird in Inschriften und auf Tafeln geehrt, wer überlebte nicht. ... Psychische Krankheiten, lebenslange körperliche Schäden, Schwierigkeiten bei der beruflichen Widereingliederung ließen sich mit der Sakralisierung des Gedenkens nicht in Einklang bringen.

    Auffällig ist auch, dass die Soldaten zwar als Söhne oder als Opfer, manchmal auch als Krieger benannt und dargestellt werden, nie aber als Tötende. Der Gefallene existiert als Begriff, es gibt aber keine Bezeichnung für den, der ihn zu Fall gebracht hat. Reinhart Koselleck meint dazu:

    ›Gestorben wird alleine, zum Töten des Anderen gehören zwei. Die Fähigkeit des Menschen, seinesgleichen umzubringen, konstituiert vielleicht mehr noch menschliche Geschichte als seine Grundbestimmung, sterben zu müssen.‹«

    Clemens Tangerding im Deutschlandfunks, 18.11.2012

     

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    »Dem Vaterlande ...«

    Das deutsche Vaterland war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts untrennbar mit der eigenen Identität verknüpft, lesen wir bei Kerstin Klingel in ihrem Buch »Eichenkranz und Dornenkrone«:

    »Wenn in den Inschriften explizit erwähnt wird, für was die Soldaten gestorben sind, ist es in den häufigsten Fällen das ›Vaterland‹. Die Verwendung dieses Begriffes war nach dem Ersten Weltkrieg meist mit einer nationalistischen Haltung verbunden: das deutsche Vaterland, mit dem die eigene Identität untrennbar verknüpft ist, und nur das deutsche Vaterland stellt höchsten Wert dar. Dass dieses ›Vaterland‹ aus dem Streben nach europäischer Vormachtstellung mit im wahrsten Sinne Feuereifer in den Ersten Weltkrieg eingetreten ist, die Soldaten also in Wahrheit für einen Staat starben, der mittels ihrer Hilfe und ohne Rücksicht die eigenen Machtinteressen verfolgte, wird ausgeblendet.«

    Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg 2006


    Was schreiben andere Fachleute über die Vaterlandsliebe der Deutschen in dieser Zeit:

    »Kriegerdenkmäler für den ›gemeinen Mann‹ stehen in einer eigenen Tradition, die begann, als im 18. Jahrhundert das stehende Heer das Söldnerheer verdrängte und das stehende Heer sich durch die allgemeine Wehrpflicht – in Preußen 1814 eingeführt – zum Volksheer wandelte. Das Söldnerheer verrichtete ein riskantes aber Profit versprechendes Handwerk. Das Freiwilligen- oder Volksheer griff nicht des Geldes wegen zu den Waffen. Die Vorstellung, das Vaterland von feindlicher Besetzung zu befreien oder vor feindlichem Zugriff zu schützen, wurde auch in den Kriegen aufrechterhalten und propagiert, wo die Führung den Angriff befahl.«

    Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.78

     

    »Der Erste Weltkrieg war eine Materialschlacht – auch in der Propaganda. Für alle kriegerischen Auseinandersetzungen gilt, dass Objektivität und Ausgewogenheit den eigenen Interessen zumeist entgegenlaufen. Wenn das vermeintliche Wohl und die Zukunft des Staates auf dem Spiel stehen, ist es das Ziel einer jeden Regierung, den Fluss unabhängiger Informationen so weit es geht zu unterbinden und eine geschlossene Meinungsfront aufzubauen, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung hinter sich zu vereinen und Zustimmung für das eigene Handeln zu erhalten. Gleichzeitig gilt es, die Bevölkerung zu mobilisieren und keinen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungen und am glücklichen Ausgang des Konfliktes aufkommen zu lassen. In der national aufgeladenen, zum Teil hysterische Züge tragenden Atmosphäre sich überbietender Vaterlandsliebe bedurfte es keiner staatlichen Einflussnahme, um im Sommer 1914 Millionen Deutsche geistig für den Kampf zu mobilisieren.«

    Arnulf Sriba, LeMO, Creative-Commons-Lizenz »Namensnennung 4.0 international«

    Mehr bei »Lebendiges Museum online« (LeMO)

     

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    Die Einweihung 1920

    Aus der Rede von Pastor Thun:

    »Da steht es denn nun, unser Ehrendenkmal! Unseren Gefallenen zu Ehren, zu dankbarem, treuem Gedächtnis ist es gesetzt von Männern und Frauen unserer Gemeinde; ernster Künstlersinn hat es uns erdacht, heraus aus dem Miterleben der schweren Zeit, nervige Faust hat es aus Wesergestein herausgemeißelt, der deutsche Ahorn soll seine Zweige darüber wölben, Tannengrün es dicht umhegen. Euch allen soll es gehören, ihr Väter und Mütter, ihr Frauen und Bräute, ihr Brüder und Schwestern, die ihr den Namen eures geliebten Sohnes, Mannes oder Bruders hier eingegraben findet. Euch soll es vor allem gehören.«

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    Die Geschichte

    Im Dezember 1970 wurde im »Heimatboten« Nr. 12 des Bürger- und Heimatvereins Nienstedten e.V. unter dem Pseudonym »West« folgende Klage veröffentlicht:

    »50 Jahre, am 5. Dezember, sind vergangen, als Pastor Thun Worte des Gedenkens für die im 1. Weltkrieg Gefallenen der alten Kirchengemeinde Nienstedten bei der Einweihung sprach. [...] Die nervige Faust, die einstmals die Namen der Gefallenen am Denkmal herausmeißelte, hat wohl in Gedanken damit gerechnet, daß in Zukunft ein nachfolgendes Geschlecht dafür sorgen wird, daß die Namen auch weiterhin lesbar die Erinnerung wachrufen werden, aber dem ist nicht so. Der im Laufe von 50 Jahren an dem Stein angesammelte Schmutz hat bewirkt, daß die Namen kaum noch zu erkennen sind. Wiederholte Bitten an die Kirchenverwaltung, wenigstens das Denkmal reinigen zu lassen, sind bis heute ergebnislos geblieben. Angeblich wegen Geldmangel oder auch aus fehlendem guten Willen, oder sind es andere Gründe, die Namen nicht lesbar zu machen?«


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    Foto aus dem Jahr 1970 zum oben zitierten Artikel im »Heimatboten«

     

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    Dieser Brief des Steinmetzbetriebs Gebr. Reichert wurde dann im April 1971 im »Heimatboten« Nr. 4 veröffentlicht. Die Nienstedtener Bürger hatten unterschiedliche Meinungen darüber, wie mit den Verfärbungen und Verschmutzungen des Kriegerdenkmals umzugehen sei. Diese Meinungen wurden zum Teil im »Heimatboten« dokumentiert.

    »Der Heimatbote«

    Unser Dank geht an die Geschichtswerkstatt Ottensen, die uns das Material zur Verfügung gestellt hat.

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    »Das blutende Deutschland«

    Redakteur Hintze schreibt in der Zeitung »Norddeutsche Nachrichten« am 25. November 1950 unter dem Titel »Grabstätten von Schönheit und Kultur«:

    »Im Jahre 1920 wurde durch Professor Luksch ein Ehrendenkmal für die im ersten Weltkriege gefallenen Gemeindemitglieder errichtet: Ein zwei Meter hoher Rundbau mit eichenlaubbekränztem Stahlhelm und einer eigenartigen Christusfigur an der Vorderseite, die das blutende Deutschland symbolisiert. Die 260 Namen auf den seitlich angebrachten Gedenktafeln werden von Blutbuchen beschattet.«

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    Die Erweiterung

    Am Rand des Denkmalsplatzes wurde nach dem 2.Weltkrieg ein rechteckiges, leicht konkaves Sandsteinmonument errichtet. Die Inschrift:

    LASSET EUCH
    VERSÖHNEN
    MIT GOTT 2. KOR. 5,20  

    1939       1945

     




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    Hinter der Hecke ...

    ... befindet sich das Grab der Familie Fürchtegott Reemtsma.

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    Das Gedicht von Rainer Maria Rilke über das »Fallen« links neben der nackten Soldatenfigur liest sich in dieser Nachbarschaft anders als gewohnt.


    Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
    als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
    sie fallen mit verneinender Gebärde.

    Und in den Nächten fällt die schwere Erde
    aus allen Sternen in die Einsamkeit.

    Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
    Und sieh Dir andre an: Es ist in allen.

    Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
    unendlich sanft in seinen Händen hält.
     

    Links und rechts daneben liegen die Grabplatten:

    Reemt
    10. Oktober 1927
    3. September 1943

    Jochen
    11. Mai 1923
    1. März 1945

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    I N H A L T
    Denkmal 1. Weltkrieg
    36 Grabsteine
    Denkmal 2. Weltkrieg
    Denkmal 1870/71

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    Ochsenwerder

    Auf dem Friedhof der Kirche St. Pankratius

    Das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 1. Weltkriegs befindet sich nahe der Kirche, auf der Stirnseite eines kleinen Platzes, der von einer Hecke umgeben ist. Ringsherum sind 36 einzelne, unterschiedlich gestaltete Grabsteine aufgestellt worden, die weiter unten näher beschrieben werden. In der Mitte des Platzes steht eine umzäunte Eiche. Das Denkmal wurde am 27. März 1921 eingeweiht.

    HH Ochsenwerder 1WK web


    Das Denkmal ist zusammengesetzt aus einem hohen Granitkreuz und einem dreistufigen Granitsockel. In den Sockel sind drei Bronzetafeln eingelassen auf denen die 167 Namen der toten Soldaten aufgeführt sind.

     

    HH Ochsenwerder 1WK Inschrift web


    Auf der schmalen Stufe gleich unter dem Kreuz liest man die Inschrift:

    Den Opfern des Weltkrieges
    die dankbare Gemeinde

    Da nur Männernamen mit militärischem Dienstgrad genannt werden, ist klar, dass mit »Opfern« ausschließlich Soldaten gemeint sind.

     

    HH Ochsenwerder 1WK Namen vorne web


    Auf der großen Tafel vorne werden 100 Soldaten aus der Gemeinde Ochsenwerder und 13 aus der Gemeinde Tatendorf aufgezählt.

    HH Ochsenwerder 1WK Namen Ausschnitt web


    Auf den Tafel werden Dienstgrad, Nachname, Vorname, Todesdatum und Todesort genannt.

     

    HH Ochsenwerder 1WK Seite web


    Auf der schmalen Tafel auf der linken Seite kann man die Angaben über 28 Soldaten aus der Gemeinde Spadenland lesen.

     

         HH Ochsenwerder 1WK Seitentafel web

    Auf der rechten Seite wurden den 25 Soldaten aus der Gemeinde Moorwerder wurde nachträglich noch der Reservist Paul Prüfer hinzugefügt, der am 22. Juli 1919 in Russland gestorben ist.

    Das Kriegerdenkmal in Moorwerder an der Fassade der alten Schule können Sie auch auf dieser Website ansehen.

    Moorwerder

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    36 Grabsteine

    Die Inschriften, in denen neben den üblichen Redewendungen auch Trauer und Schmerz zum Ausdruck gebracht werden, befinden sich auf den Grabmalen, die die Angehörigen für die toten Soldaten aus ihrer Familie aufgestellt haben. Zum Beispiel die Inschrift für Willy Behnken:

    Ach, zu früh gingst Du von Dannen
    ließest einsam uns zurück
    lieber Gatte, treuer Vater
    nahmst uns fort das ganze Glück

     

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    In der Mitte des Rasenplatzes ist am Zaun um die Eiche eine Bronzetafel angebracht. Sie erinnert an den bei Langemark getöteten Abiturienten und Studenten der Medizin Georg Haupt, der als »Krankenträger« gearbeitet hatte.

    HH Ochsenwerder Baum web


    Folgendes Gedicht widmete ihm seine Familie:

    Als Knabe zogst Du diesen Baum,
    Im Kindesspiel dem Schicksal dienend
    Nun steht er hier, träumt Deinen Traum
    Von Deutschlands Ruhm der Zukunft grüßend

    Kerstin Klingel kommentiert es 2006 in ihrem Buch »Eichenkranz und Dornenkrone«: In dieser Inschrift steckt, trotz der Erwähnung von Kind und Natur, der revanchistische Geist, der Deutschlands politisches Wiedererstarken in möglichst naher Zukunft wollte.

     

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    Oft bemerkt man den Versuch der Hinterbliebenen, sich mit dem Verweis auf Gottes Allmacht, der allem, was er auf der Erde geschehen läßt, einen Sinn zubilligt.

     

         HH Ochsenwerder Grab4 web


    So wie bei diesem Grabstein für Adolf Peters:
    Es ist bestimmt in Gottes Rat,
    daß man vom Liebsten, was
    man hat, muß scheiden.

    Darüberhinaus hat die Familie sich allerdings dem offiziellen Sprachgebrauch angepaßt:
    Er starb den Heldentod fürs Vaterland

     

         HH Ochsenwerder Grab1 web


    Erwin Jacobsen wird auf dem Bronzerelief an seinem Grabstein in Uniform dargestellt. Dazu heißt es:

    In der Blüte der Jahre, in der Fülle der Kraft
    Hat die Feindeskugel Dich hingerafft
    Nun bist Du gekrönt nach blutigem Streit
    Mit der Krone des Lebens in Ewigkeit

     

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    Der Landsturmmann Willy Sannmann ist »auf dem Felde der Ehre gefallen« und »ruht in Bout-Dewille«. Ihm wird gewünscht:

    »Schlaf’ wohl, du liebes Vaterherz in fremder Erde.«

    Ein tröstlicher Gedanke, wenn der tote Verwandte nicht zuhause beerdigt werden konnte.

     

    HH Ochsenwerder Grab2 web


    Die Familie ehrt den Unteroffizier Ferdinand Witt mit einem Eisernen Kreuz, einer militärischen Auszeichnung, im Lorbeerkranz.

         HH Ochsenwerder Grab6 web


    Auch hier wird wieder nach großer Trauerbekundung Trost in Gottes Plan gesucht:

    Ach ich kann es garnicht fassen,
    Dass Du niemals kehrst zurück,
    So jung musst du Dein Leben lassen,
    Zerstört ist unser ganzes Glück,
    Doch es liegt in des Höchsten Plan,
    Was Gott tut, das ist wohlgetan!
    Die Liebe höret nimmer auf !

     

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    Der Denkmalsplatz von hinten, mit Blick auf die Kirche St. Pankratius.

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    Denkmal 2. weltkrieg

    Die symmetrische Anlage auf Rasen liegt am Ende des Friedhofs, angrenzend an Felder und Wiesen. Sie ist umgeben von einer Buchenhecke und Birken. Am 17. März 1957 wurde sie eingeweiht.

    HH Ochsenwerder Kreuze web


    Rechts und links sind jeweils sechs Stelen aus Granit aufgestellt worden. An der Stirnseite steht ein Monument in Altarform, aus wuchtigen Steinen gemauert. Diese Arbeiten hat der Steinmetz Herbert Weiß ausgeführt. Dahinter ragen drei Holzkreuze auf, das mittlere ist höher und kräftiger als die beiden anderen. Man denkt dabei an die Szene auf dem Berg Golgatha, wo den neutestamentlichen Evangelien zufolge Jesus von Nazareth und zwei weitere Männer gekreuzigt wurden.

     

    HH Ochsenwerder 2WK web

    Auf der Frontseite sind ober- und unterhalb einer eingelassenen Steinplatte die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs graviert:
    1939
    1945 (auf den Fotos vom Buchsbaumkranz und Tannengrün verdeckt)

    Auf der Tafel die Inschrift:
    Zum ehrenden Gedenken
    den Opfern des II. Weltkrieges
    Boben dat Leben steiht de Dood, ober boben
    den Dood doar steiht wedder dat Leben

    (Rechts und links von der ersten Zeile ein symentrisches Kreuz)

     

         HH Ochsenwerder 2WK Stele web


    Unter den Überschriften »Gefallene u. Gestorbene«, »Vermißte u. Verschollene« und »Bombenopfer« werden auf den 12 Stelen insgesamt 299 Namen genannt. Auf der Stele oben sind die zivilen Opfer, die »Bombenopfer« aufgeführt: 20 Männer und 19 Frauen. Die Namen sind nach Jahren, 1943 bis 1945, und nach den sieben Tagen, an denen der Bombenangriffe stattfanden, geordnet. Da kann man dann oft zwei-, drei- oder öfter den selben Familiennamen lesen. Der letzte Angriff am 31. März 1945 tötete 12 Menschen.

         HH Ochsenwerder 2WK Stele2 web

    Auch die 260 Namen auf den 11 weiteren Stelen sind nach Todesjahr und Todestag geordnet. 1954 ist das letzte Jahr, das aufgeführt wird. 258 Männer, die wohl Soldaten waren, werden genannt und zwei Frauen, wobei eine »vermisst«, die andere »verunglückt« ist.

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    Denkmal 1870/71

    Am Eingang zum Friedhof steht unter einer Eiche der Sandsteinobelisk zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg. Er ist 1872 vom Kirchspiel Ochsenwerder errichtet worden.
    Unter der stumpfen Spitze an allen vier Seiten befindet sich das Relief eines Eisernen Kreuzes.

         HH Ochsenwerder 70 71 vorne web


    Helle Marmortafeln sind in den Sandstein eingepasst. Die Inschrift in der Spitze vorne lautet:

    Zur Erinnerung an den glorreichen Feldzug von 1870 - 71
    (Dekorlinie)
    Es nahmen aus dem Kirchspiel Ochsenwärder an dem Feldzuge teil:
    (Die Namen fehlen)

    Die Inschrift auf der Tafel im Sockel lautet:
    Gewidmet von dem Kirchspiel Ochsenwerder. 1872

    Die unterschiedlichen Schreibweisen von »Ochsenwärder – Ochsenwerder«lassen darauf schließen, dass die Inschrift auf der Tafel im Sockel später angefertigt wurde. Vielleicht standen dort früher die Namen der Soldaten?

    Der Deutsch-Französische Krieg wird z. B. beim Kriegerdenkmal in Altengamme näher beschrieben.

    Altengamme

     

         HH Ochsenwerder 70 71 rechts web


    An der rechten Seite sind auf der Sockelplatte die Renovierungsjahre festgehalten:
    Renoviert
    1896.
    (Schmucklinie)
    1913.
    1993.

    Auf der gegenüberliegenden Seite:
    Errichtet 1872

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    I N H A L T
    Das Denkmal
    Das Problem
    Volkstrauertag 2020
    Volkstrauertag 2019
    Volkstrauertag 2017
    Volkstrauertag 2013
    Willi-Bredel-Gesellschaft
    Kriegerehrenallee wird umbenannt
    Der Volksbund
    Der Soldatenfriedhof
    Private Grabmale
    Dazwischen Hakenkreuz und SS-Runen
    Staatliche Grabpflege für KZ-Kommandanten
    Die »Heldengedächtnishalle«

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    Ohlsdorf

    Auf der Mittelallee des Ohlsdorfer Friedhofs

    Der kleine, aber wuchtige begehbare Rundbau, das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten des 2. Weltkriegs, steht im Zentrum des zweiflügeligen Soldatenfriedhofs beider Weltkriege.

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    Das Monument besteht aus acht kapitellosen Granitsäulen und einem Kern aus rotem Backstein, in den zwei offene sich gegenüberliegende Eingänge führen. Die Halle wurde unter der Leitung des Architekten Gustav Oelsner erbaut, J. Meinert hat sie entworfen, mitgearbeitet hat auch Robert Tischler (16. Oktober 1885 Frankenhausen - 1959 München), der Architekt des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK). Die Anlage wurde am 27. September 1953 eingeweiht.

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    Innen stehen sich zwei große Reliefs von Franz Mikorey (30. Dezember 1907 Dessau - 17. September 1986 München) gegenüber. Auf der einen Seite Soldaten auf einem Friedhof, die wohl gerade einen Kameraden beerdigen. Ihnen gegenüber ist Gruppe von Frauen und Kindern dargestellt – nachdenklich und trauernd.

    HH Ohlsdorf Soldaten web

    © Michael Wassenberg, https://gottesacker.wordpress.com

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    © Michael Wassenberg, https://gottesacker.wordpress.com

    Ein »Ehrenbuch« unter einer roten Marmorplatte im Boden enthält die Namen von 2330 im 2. Weltkrieg getöteten Soldaten. Die Inschrift auf der eingelassenen Platte lautet:
    1939  Sonne und Sterne seht Ihr nicht mehr, Ihr Geopferten, aber Ihr lebt in den Herzen derer, die glauben.  1945

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    • Die Marmorplatte am 22. Mai 2016

    Innen, über einem Ausgang:
    1939  Ihr findet sie, wo Ihr nach ihnen fragt. Im Osten gefallen, im Westen beklagt. 1945

    »Die verwendeten Texte, die einerseits eine freie Inschriftenlyrik versuchen, andererseits abstrakte Religionsmetaphern benutzen, kennzeichnen die Ratlosigkeit der Zeit und die Unmöglichkeit, für den Soldatentod eine Sinngebung zu finden.«

    Volker Plagemann, Vaterstadt, Vaterland..., Christiansverlag, 1986.

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    An der Außenwand steht unter dem Logo des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK):
    Zum Gedenken an die im Weltkriege 1939 (Eisernes Kreuz) 1945 gefallenen Soldaten

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    © Staro1/Wikimedia Commons


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    Das Problem

    »Das ist ja ein sehr wuchtiger Rundbau mit Säulen, es hat eine monumentale Anmutung und ist natürlich nur vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund zu verstehen.« Und der bedarf heute einer Kommentierung, betonte Ulrike Dorfmüller vom Volksbund 2012 im Deutschlandradio Kultur. Die monumentale Ästhetik und vor allem die Inschriften im Inneren des tempelartigen Rundbaus seien aus heutiger Sicht problematisch.

    Problem ist auch, dass mit den Kränzen am Volkstrauertag einseitig der toten Soldaten des 2. Weltkrieges gedacht wird, während die vielen anderen Opfergruppen durch die Kranzpräsentation unter den eisernen Lettern »Zum Gedenken an die im Weltkrieg 1939-1945 gefallenen Soldaten« missachtet bleiben. Seit Jahren ist bekannt, dass auf dem Gräberfeld für die »Gefallenen« auch KZ-Häftlinge und Widerstandskämpfer*innen, 8 Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen, 46 jüdische Soldaten der Roten Armee, mehr als 60 hingerichtete Wehrmachtsdeserteure und andere Opfer der Naziherrschaft liegen.

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    Volkstrauertag 2020

    Die traditionelle Busfahrt des Volksbunds ist ausgefallen, aber nicht aufgrund historischer Einsichten, sondern wegen Corona.

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    Aber auch in diesem Jahr ließen es sich Bürgerschaft und Senat nicht nehmen, gleich neben dem Kranz für die »Opfer der NS-Gewaltherrschaft« ...

     

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    Fotos: René Senenco


    ... auch der Täter der NS-Gewaltherrschaft zu gedenken. Dieser Kranz verhöhnt die Opfer!


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    Volkstrauertag 2019

    Wie auch die Jahre vorher hielten wieder der »Volksbund Deutsche Kriegsgräbervorsorge«, zwei Kameradschaften und Vertreter des Hamburger Senats ihr Gedenkritual am problematischen Kriegerdenkmal ab. Einige Kritiker trafen gegen Mittag dort ein, da waren die Kränze schon gebracht worden.

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    Als dann um 15 Uhr der Bus des Volksbundes mit etwa 60 Menschen vorfuhr, wurde von den Friedensbewegten »Nag nein!« von Wolfgang Borchert verlesen. Dann folgte das übliche Programm – diesmal mit einer Rede von Generalmajor Oliver Kohl.

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    © Fotos: René Senenco

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    Volkstrauertag 2017

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    Ein problematisches Denkmal: Trotzdem wurden auch 2017 wieder viele ehrende Kränze niedergelegt.

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    Trotzdem gedachte am Volkstrauertag 2017 wieder ein Bundeswehroffizier am »Kriegstempel« der toten Soldaten.

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    © Fotos: René Senenco

    Trotzdem durften die rechtslastigen Verbände U-Boot-Kameradschaft Hamburg (mit Eisernem Kreuz und U-Boot im Logo) und der Bund Deutscher Fallschirmjäger e.V. (mit Kriegsflugzeugen im Logo) wieder ihre Kränze aufstellen.

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    Volkstrauertag 2013
     HH Ohlsdorf VTT2013 archiv bredelgesellschaft web2


    Trotzdem gedachte am Volkstrauertag 2013 wieder ein Bundeswehroffizier am »Kriegstempel« der toten Soldaten, trotzdem wurde auch 2014 vom Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg dort ein Kranz niedergelegt:

    HH Ohlsdorf Halle 2015

    Fotos: René Senenko


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    Willi-Bredel-Gesellschaft

    Die Geschichtswerkstatt e.V. lud zum Volkstrauertag 2014 mit folgendem Text zu einer Aktion ein:

    Unter den eisernen Lettern »Zum Gedenken an die im Weltkriege 1939-1945 gefallenen Soldaten« legen am Volkstrauertag jedes Jahr der Hamburger Senat, der Bundesverteidigungsminister und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gemeinsam mit zwei rechtslastigen Kameradschaftsverbänden der U-Bootfahrer und der Fallschirmjäger Kränze nieder. Auf der Internetseite der U-Boot-Kameraden Hamburgs lässt sich deren große Verehrung für den Großadmiral und Hitlernachfolger Dönitz nachlesen. An der Kranzniederlegung zum Volkstrauertag 2013 gedachte am Rundbau ein Offizier der Führungsakademie Hamburg auch den »in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten«. Wir halten diese Geste für einen schlimmen Missbrauch der hier beigesetzten 2300 Toten. Die wochenlang am Rundbau verbleibenden Kränze erwecken zudem den Eindruck, dass es bei der Ehrung ausschließlich um tote Soldaten des 2. Weltkriegs geht. Dabei ist seit 22 Jahren bekannt, dass auf dem Gräberfeld Hunderte Opfer des Nationalsozialismus liegen, die mit den Kränzen völlig ignoriert werden. Auf dem Gräberfeld liegen ohne jede Kennzeichnung der Gräber Hunderte Hitlergegner, KZ-Häftlinge, 46 jüdische Kriegsgefangene der Roten Armee, acht verhungerte Kinder von Zwangsarbeiterinnen und rund 70 hingerichtete Wehrmachtsdeserteure. Auf Anregung der Willi-Bredel-Gesellschaft wurde 2013 ein Runder Tisch eingerichtet, um diesen unhaltbaren Zustand zu ändern. Dennoch hält der Volksbund wegen seiner Abhängigkeit von der Bundeswehr an seinem alljährlichen Ritual fest. 
Der Deutsche Bundestag hat am 15. Mai 1997 festgestellt: »Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom national- sozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen.« Wir fordern deshalb, auf eine öffentliche Ehrung von Soldaten des Vernichtungskrieges künftig zu verzichten.

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    Schon seit vielen Jahren bemüht sich die Willi-Bredel-Gesellschaft um eine historisch und politisch angemessene Gestaltung und Kommentierung der Gräberanlage:

    Am 5. Juni 2010 machte sie mit einer ersten Aktion auf dem Soldatenfriedhof (Friedhof Ohlsdorf) erstmals auf die in Hamburg hingerichteten Deserteure aufmerksam, die sich dem verbrecherischen Krieg der Wehrmacht verweigert oder entzogen hatten. Der Künstler Uwe Schmidt las am Mikrofon die Namen der bisher ermittelten 68 Opfer vor. Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, erzählte von seinem eigenen Schicksal und Elke Olsson führte die Teilnehmer zum Grab ihres Vaters Willi Dittmann. Dittmann war kurz vor Kriegsende noch wegen Fahnenflucht am Höltigbaum hingerichtet worden. Sein Grab liegt nur wenige Meter vom Gefallenendenkmal entfernt. Feuerwehr und Baumpfleger befestigten für die Dauer von zwei Wochen ein 3,50 x 5 Meter großes Transparent am Gefallenendenkmal. Darauf hat die Bredelgesellschaft die erwähnten 68 Namen verzeichnet.

    HH Ohlsdorf Transparent web

    © A. Mundt


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    Kriegerehrenallee wird umbenannt

    Am Mittwoch, den 24. Juni 2015 steht es auf Seite 8 im Hamburger Abendblatt:

    »Die Kriegerehrenallee auf dem Ohlsdorfer Friedhof wird noch in diesem Jahr umbenannt – vorraussichtlich noch im Sommer ... ›Eine Ehrung von Soldaten der Reichswehr beziehungsweise der Wehrmacht impliziert die Akzeptanz der deutschen Kriegsziele im Ersten und Zweiten Weltkrieg‹, sagte der Vorsitzende [der Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V.] Hans Matthaei dem Abendblatt. ›Die hier bestatteten Soldaten haben nicht ihr Vaterland verteidigt, sondern ausschließlich Eroberungskriege geführt.‹ Daher sei eine Umbenennung ›seit Langem überfällig‹.

    Auch die Friedhofsleitung ist mittlerweile für eine Umbenennung aufgeschlossen. Rainer Wirz, Leiter Friedhöfe, teilt dazu mit: ›Wir begrüßen den runden Tisch der Initiative ›Umgang mit Weltkriegsgräbern‹ zum Thema Umbenennung der Kriegerehrenallee. Wenn es mit Zustimmung der zuständigen Behörde zu einer Änderung kommt, werden wir umgehend die Beschilderung und die Friedhofspläne entsprechend der neuen Benennung anpassen‹.«


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    Der Volksbund

    Der Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK) informiert nun auf seiner Internetseite über die Initiative »Umgang mit den Weltkriegsgräbern«:

    Dass auf Kriegsgräberstätten nicht ausschließlich Soldaten und Teilnehmende des Krieges liegen, sondern auch zivile Opfer und weitere Personengruppen, ist gemeinhin bekannt. Dass »Deutsche Soldatengräber« jedoch neben Soldaten auch Flüchtlinge, Zivilisten oder Kriegsgefangene bergen, ist weniger bekannt.
    Dies ist auf den »Soldatengräbern« des Ohsldorfer Friedhofs der Fall: Dort sind nicht nur Soldaten beigesetzt. Die Grabfelder, die sich rechts und links des Rundbaus von 1953 erstrecken und als »Deutsche Soldatengräber« gekennzeichnet sind, lässt genau wie die Inschrift auf der Südseite des Rundbaus darauf schließen, dass es sich um einen Soldatenfriedhof handelt. Es finden sich auf den Flächen jedoch auch Gräber von Angehörigen anderer Personengruppen. Darunter gibt es Flüchtlinge und andere Zivilisten, KZ-Häftlinge, im Hamburger Untersuchungsgefängnis Hingerichtete, von der NS-Militärjustiz verurteilte Deserteure, jüdische sowjetische Kriegsgefangene und Kinder von Zwangsarbeiterinnen.
    Der Volksbund Hamburg hat sich im Februar 2013 mit einigen Hamburger Institutionen und Organisationen zusammengetan, um dies genauer zu erforschen und dafür eine Initiative zu gründen: die Initiative »Umgang mit den Weltkriegsgräbern auf dem Ohlsdorfer Friedhof«. Erklärtes Ziel ist ein angemessener Umgang mit den Weltkriegsgräber-Anlagen auf dem Ohlsdorfer Friedhof und deren historisch sachgerechte Kommentierung. Zu den Mitgliedern der Initiative gehören die Hamburger Friedhöfe-AöR, die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die Landeszentrale für politische Bildung, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., die VVN-BdA Landesverband Hamburg und die Willy-Bredel Gesellschaft e.V.

    Derzeit wird eine korrekte Bezeichnung erarbeitet, die den historischen Umständen gerecht wird. Bis dahin verbleiben die bisherigen Beschriftungen am Ort, ergänzt durch eine Informationsschrift, die über die Umstände aufklärt. Im Verlauf der Forschung wird nicht nur für eine richtige Bezeichnung gesorgt, Besuchende können sich auch über die Forschungsergebnisse auf Informationstafeln über die Opfer und ihre Schicksale vor Ort und bei uns informieren.

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    Der Soldatenfriedhof

    Gleich nach Ausbruch des Krieges 1914 sahen sich die Soldaten mit der Aufgabe konfrontiert, ihre toten Kameraden begraben zu müssen. Die mittlerweile ausgebauten Bahnnetze erlaubten einen schnellen Transport Verletzter und Toter in ihre Heimatorte. Die Zahl der im Lazarett Sterbenden und der überführten Toten war so groß, dass die Verwaltung des Ohlsdorfer Friedhofs schon 1914 die Anlage eines Soldatenfriedhofs planen mußte. Der Entwurf von 2015 stammte von Friedhofsdirektor Wilhelm Cordes. Er war als V-förmige Anlage von Gräberfeldern in die übrige Friedhofslandschaft eingepaßt worden. Zunächst hatten individuelle Holzkreuze auf den Gräbern gestanden.

    HH Ohlsdorf alt web

    Nachdem der Wettbewerb »Zur Anlage von Soldatengrabzeichen« 1920 ohne befriedigendes Ergebnis geblieben war, hatte die »Grabmalgenehmigungsstelle« 1925 gleich hohe Stelen entworfen, sie haben alle die gleiche Schrift, sind aber oben unterschiedlich geformt. Noch heute stehen auf einer offenen Rasenfläche die 3400 Sandsteinstelen mit der so genannten »Kriegstanne« in der Mitte – wie Soldaten in Reih und Glied, jeder Individualität beraubt.

    HH Ohlsdorf Graber web


    Der am 27. 9. 1953 eingeweihte Friedhof für die toten Soldaten des 2. Weltkriegs wurde dem alten »Ehrenfriedhof« angegliedert. Er besteht aus Kissensteinen aus Keramik, unterbrochen von Steinkreuzgruppen.

    HH Ohlsdorf 2WK web

    Statistik des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

    Die Kriegsgräberstätten nehmen eine Fläche von etwa 12 Hektar des 400 Hektar großen Friedhofs ein.

    1. Weltkrieg (mehr als 4.000 Kriegstote):
    3400 deutsche Soldaten (Grabanlage an der »Kriegerehrenallee«)
    249 Kriegstote verschiedener Nationen
    676 Soldaten des British Commonwealth (Anlage der Commonwealth War Graves Commission)

    2. Weltkrieg (mehr als 48.000 Kriegstote und Opfer der Gewaltherrschaft):
    1.932 Opfer der Konzentrationslager
    1.703 Zwangsarbeiter aus 28 Nationen
    320 ausländische Kriegsopfer (nach dem Krieg verstorben)
    1889 Soldaten des British Commonwealth (Anlage der Commonwealth War Graves Commission)
    mehr als 400 Kriegsopfer aus den Niederlanden (Niederländische Ehrenanlage)
    49 Flüchtlinge
    1.931 deutsche Soldaten (Gräberfeld an der »Kriegerehrenallee«)
    36.918 Bombenopfer in vier Sammelgräbern von 1943
    2.282 Bombenopfer (Gemeinschaftsanlage mit Dornenkrone)


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    Private grabmale

    An der Peripherie der Anlage für die toten Soldaten stehen mehrere aufwändig gestaltete Grabmale, die Familien für ihre Angehörigen errichtet haben. Zum Beispiel das der Familie Brinckmann für die Söhne John und Walter:

    HH Ohlsdorf Brinckmann web2         


    Zu Füßen des Soldaten aus dem 1. Weltkrieg mit langem Mantel und Pickelhaube liegen ausländische Opfer des NS-Regimes, darunter Kinder von Zwangsarbeiterinnen.

    Herbert Diercks hat die Situation in seinem Buch »Friedhof Ohlsdorf – Auf den Spuren von Naziherrschaft und Widerstand« auf den Seiten 59-62 beschrieben.

    Herbert Diercks


    Weitere Gräber für tote Soldaten auf dem Ohlsdorfer Friedhof:

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    Dr. Lachmann ist »auf dem Felde der Ehre« zu Tode gekommen.


    HH Ohlsdorf Grab web2


    Jesus tätschelt dem kleinen, mit gefalteten Händen gläubig aufschauenden Soldaten in Uniform mit Knobelbechern, Koppel und Kurzschwert den Kopf – segnet er ihn gar? Die Verniedlichung setzt sich bei der Inschrift darunter fort:

    EDDY
    GEFALLEN D. 10. MAI 1915


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    Dazwischen Hakenkreuz und
    SS-Runen

    Ein weiteres Gräberfeld mit Opfern des Naziregimes, die aber nicht als solche gekennzeichnet sind, liegt nahebei. Zwischen beiden Gräberfeldern kann man diesen Grabstein betrachten:

    HH Ohlsdorf Grab Schumacher SS web        

    • Im Februar 1939 starb der 22-jährige Heinz Schumacher den »Fliegertod für sein Vaterland«. Unten die SS-Runen.


    1987 wurde erstmals eine Fotodokumentation von Grabmalen aus der Zeit des Nationalsozialismus in Hamburg im Gemeindesaal der Osterkirche gezeigt:

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    1993 sprach Prof. Peter Reichel in seinem Vortrag zur nochmaligen Eröffnung der Fotodokumentation über den »eigentümlich zurückgenommenen persönlichen Schmerz ... versachlicht, objektiviert, beherrscht durch die Annahme einer von außen kommenden Tröstung, die den Tod des getöteten Soldaten aus einer höheren, gleichsam schicksalhaften Bestimmung heraus sinnstiftend erklären will ... So, als ob das Sterben für etwas die Erfüllung seines Lebens, die Bestimmung des soldatischen Auftrags und Strebens ist ... Spätestens hier wird erkennbar, daß der Tod des getöteten Soldaten einer besonderen Erklärung und Rechtfertigung bedarf und offenbar auch eine spezifische Erinnerungspflicht begründet.«


    Vortrag von Prof. Peter Reichel


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    Staatliche Grabpflege für KZ-Kommandanten

    Am 18. November 2019 stand es im Hamburger Abendblatt:

    »Warum gilt dieser Mann, der für Leid und Tod unzähliger Menschen (...) verantwortlich ist, offiziell immer noch als ›Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft‹ im Sinne des Kriegsgräbergesetzes?«, fragte der Sprecher der Linksfraktion, Florian Kaiser. »Wir sind der Meinung, es darf keinen einzigen weiteren Cent Steuergeld für die Grabpflege dieses Naziverbrechers geben.«


    Artikel Hamburger Abendblatt, 18. November 2019, Seite 10


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    Die »Heldengedächnishalle«

    Im Juli 1919 schlug Pastor Andresen als Vertreter der Kirche der Friedhofsdeputation eine Heldengedenkhalle als Hamburger »Gesamtkriegerehrung« vor und zwar auf dem Platz des heutigen Rundbaus. Dieser Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung.

    HH Ohlsdorf Postkarte Puritz web

    • Diese offizielle Werbepostkarte bildet den Entwurf von Walther Puritz aus dem Jahr 1921 ab. Das »Büro des Arbeitsausschusses: Hamburg-Kunsthalle« ließ sie drucken und verkaufte sie für 1 Mark.

    Viele Jahre mit den unterschiedlichsten Plänen später, klärte sich die Frage der zentralen »Gefallenenehrung«: die Stele am Rathausmarkt wurde errichtet. Lesen Sie hier die schwierige Vorgeschichte eines Kriegerdenkmals auf dem Ohlsdorfer Friedhof, die 1979 eine Autorengruppe um Roland Jäger, in »Ein Kriegsdenkmal in Hamburg«, veröffentlichte. Unser Dank gilt den Autoren.

    Roland Jäger u.a.

    Zentrales Kriegergedenken Hamburg-Mitte

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    Kurzfilme zu den Denkmälern

    Seit ein paar Jahren existiert die Website www.denk-mal-gegen-krieg.de, auf der die Evangelische Akademie sich kritisch mit der bestehenden Erinnerungskultur auseinandersetzt. Die häufigsten Erinnerungsmale an die vergangenen Kriege sind Kriegerdenkmäler, auf denen der Soldatentod verklärt und die zivilen Opfer verschwiegen werden.

    An einigen Orten produzieren wir kurze Videos und stellen sie online. Den Film über das Denkmal in Hamburg-Oldenfelde können Sie hier sehen: YouTube> und die Einführung zur Filmreihe bei YouTube>

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    I N H A L T
    Das Denkmal
    Die Geschichte in Bildern
    »Ihren gefallenen Söhnen«
    Schwerter
    Der Versailler Vertrag
    Das Eiserne Kreuz
    Der Stahlhelm
    Eichenlaub
    Die Blutbuche
    Umgestaltung nach Graffiti?

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    Oldenfelde

    Ein Platz am westlichen Ende des Delingsdorfer Wegs

    Man kann die eingefaßte kreisförmige Anlage über drei Zugänge betreten, jeweils vier Stufen führen zum erhöhten Platz des Denkmals für die getöteten Soldaten des 1. Weltkriegs.

    HH Oldenfelde gesamt web

    Umgeben von Hecken und mittlerweile hohen Bäumen, hinter dem Obelisken steht eine Blutbuche, zeigen sich Treppenanlagen, runde Umrandungen und das Denkmal selber – ein Obelisk auf einem vierseitigen Unterbau – einheitlich in hellgrauem Granitgestein.

    HH Oldenfelde Treppe web

    HH Oldenfelde Tafel web


    Eine der Form des Obelisken angepasste aufgesetzte Bronzetafel mit verziertem Rand trägt die Widmung in erhabenen Lettern:

    Ihren im Weltkrieg gefallenen Söhnen in dankbarer Erinnerung
    die Gemeinde Oldenfelde

    Obwohl der 1. Weltkrieg so viele Menschenleben forderte und der Krieg verloren wurde, wird der Kriegstod in den Inschriften fast aller Kriegerdenkmäler als sinnvoll interpretiert, für den man den Soldaten dankbar sein muss.

    »Auf welchem dieser steinernen oder metallenen ›Ehrenmale‹ wurde beim Namen genannt, für wen oder was gestorben worden ist? Kein Wort von nationaler Machtpolitik, von Hegemonialstreben, nackten Besitzinteressen, Beutegier, Eroberungsgelüsten und Weltherrschaftsphantasien, für die Millionen von deutschen und fremden Soldaten umgekommen sind. Diese Motive werden ebenso wenig genannt wie die Namen derer, die in den beiden Weltkriegen aus dem Massensterben Profit geschlagen, Blut in Gold verwandelt und zu ihrem eigenen militärischen Ruhm gewissenlos ganze Armeen geopfert haben.«

    Ralph Giordano, Die zweite Schuld

     

    HH Oldenfelde Namen web


    An allen vier Seiten sind die Namen der getöteten Soldaten graviert, insgesamt sind es 45. Ursprünglich waren die Namen mit Goldfarbe ausgemalt. Jetzt sind sie kaum noch zu entziffern. Jede Seite hat einen Dachstein, aus dem in der Mitte ein Eisernes Kreuz gearbeitet worden ist.

    Das militärische Ehrenzeicen »Eisernes Kreuz« wurde den toten Soldaten hier posthum und kollektiv für die – nach Ansicht der Denkmalsstifter – durch den Kriegstod erwiesene Treue und Tapferkeit verliehen, egal wie sich der Einzelne tatsächlich verhalten hat.

     

    HH Oldenfelde Jahreszahl web


    Auf der Rückseite die Inschrift:
    Errichtet 1921

     

    HH Oldenfelde Schwerter web


    Im oberen Bereich des Obelisken sehen wir auf den Seiten, die nach Ost und West zeigen, also zu den ehemaligen Kriegsfronten im Westen und im Osten, gekreuzte Schwerter im Relief. Die Symbolik ist eindeutig: Schwerter fordern die nachfolgenden Generationen zur Wehrhaftigkeit und Rache für die »Schmach« des Versailler Vertrags auf.

     

    HH Oldenfelde Helm web


    Auf der Frontseite im Relief: ein Stahlhelm auf Eichenlaub.


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    Die Geschichte in Bildern

    2008 ...

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    Mit Blümchen im Rondeel und ordentlicher Hecke.

    1952 ...

    HH Oldenfelde 1952 web

    Noch ohne die Widmungstafel, dafür mit Pflanzenkübeln auf den Pfosten, Kränzen und strammstehenden Uniformträgern.

    1933 ...

    HH Oldenfelde 1933 web

    Ein Zaun mit hängenden Ketten zu den Straßen und ein freier Blick zum Denkmal.

    1925 ...

    HH Oldenfelde 1925 web

    Granitkugeln auf den Pfosten mit einer Absperrkette verbunden und heller Kies auf dem Denkmalplatz.

    Kurz nach der Einweihung 1923

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    Ein Blick von oben zeigt den neuen Platz in Oldenfelde: am 27. Mai 1923 wurde er laut Bürgerverein Rahlstedt eingeweiht.

    Alle Fotos und Postkarten haben wir vom Bürgerverein Rahlstedt erhalten. Ganz herzlichen Dank an Horst Schwarz.

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    »Ihren gefallenen Söhnen«

    »›Gefallenendenkmal‹ verweist auf das Wort ›fallen‹, dem Wörter wie ›hinfallen‹ aber auch ›fällen‹ zuzuordnen sind. Der Tod im Krieg versinnbildlicht sich in diesen Wörtern. Er entkleidet sich im Wort ›fallen‹ seines Schreckens, im Wort ›fällen‹ verkleidet er sich in einen starken Baum, der von einem Naturereignis (Blitzschlag) oder einem übermächtigen technischen Mittel (Axt, Säge) umgelegt wurde. Es ist ein aseptischer Tod, der nichts mit den apokalyptischen Bildern gemein hat, die beispielsweise Erich Maria Remarque und Wolfgang Borchert in der Literatur oder Otto Dix in der bildenden Kunst hervorrufen: zerfetzte Gedärme, verpestete Lunge [...] Für das Fallen ist niemand so recht haftbar zu machen: der Schnee fällt, die Aktienkurse fallen – das Schicksal waltet hier wie dort.«

    Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.22

    »Die Entscheidung für Metaphern deutet darauf hin, dass das Grauen des Kriegstodes vom Denkmal verbannt werden sollte. An den geliebten Menschen möchte man sich nicht im Zustand seiner Hinfälligkeit erinnern, sondern ihn als kraftvollen Menschen im Gedächtnis bewahren. Das am häufigsten verwendete Wort ›Gefallener‹ (oder ›gefallen‹) schließt die Dimension des Kraftvollen in seine Definition ein. Die Vorstellung eines ritterlichen Turniers leuchtet auf. Nur ein Aufrechter kann zum Gefallenen werden.«

    Ebd. S. 60/61


    »Die Überhöhung des soldatischen Opfers lässt sich nicht nur an den Kriegerdenkmälern ablesen, sondern auch am Siegeszug einer Metapher: ›der Gefallenen‹. [...] Ihre Stunde schlug im ersten Weltkrieg, als die unterschiedslose und massenhafte Vernichtung der Soldaten nach sprachlicher Bewältigung verlangte. Die Bezeichnung ›Gefallene‹ eroberte jetzt Inschriften und Ansprachen, Briefe und Statistiken.

    Im Wort ›fallen‹ verschmolzen Abschiedsschmerz und Opfermythos, und mit jeder Verwendung wurde diese Verbindung abgerufen und bestätigt. Zugleich ließ sich der Ausdruck wie eine Abkürzung verwenden. Je selbstverständlicher wurde, dass ein Soldat der ›fiel‹, dies für das Vaterland, das Volk oder wofür auch immer tat, umso eher ließ sich auf die immer neue Benennung dieser Opferziele verzichten. Deren Gefühlswert übertrug sich auf das Wort ›fallen‹, das zur Chiffre all dieser Sinnstiftungen aufstieg. Wer gefallen war, der war jetzt stets schon für die vermeintlich gute Sache gestorben, der hatte seine Opferbereitschaft bewiesen.«

    Klaus Latzel, ZEITGeschichte 4/2018, S. 100

    Die häufig verwendete Bezeichnung »Söhne« stellt eine Vertrautheit her, die getöteten Soldaten werden familiär vereinnahmt, denn familiäre Verbindung verpflichtet.

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    Schwerter

    Das Schwert verweist auf die Helden der Antike und damit auf  eine »edle Gesinnung der Kämpfenden«. Artus, Parzival, Roland, Siegfried & Co. – tragen ihre Schwerter als Recken der Tapferkeit und Treue. Auf den Kriegerdenkmälern fordern Schwerter, selbst wenn sie als Zeichen der Niederlage gesenkt oder abgebrochen dargestellt werden, die nachfolgenden Generationen zu »Wehrwillen und Mannhaftigkeit« auf.

    Das Schwert ist in der Menschheitsgeschichte die erste ausschließlich zum Töten anderer Menschen geschaffene Waffe. Ein Symbol der Macht: Wer auf dem Schlachtfeld unterlag, übergab dem Sieger seine Waffe. Das Schwert verleiht den Status eines Herrschers. Die englische Königin führt den Ritterschlag bis heute mit dem Schwert aus.

    Nach dem Mittelalter verlor das Schwert seine Bedeutung als Waffe – und wurde in der Symbolsprache der Propaganda umso wichtiger. Im 1. Weltkrieg, dem ersten industriellen Krieg in der Geschichte, hatte das Schwert als Bild-Symbol auf Orden und Medaillen Hochkonjunktur. Auch im Nationalsozialismus galt das Schwert als Zeichen für heldenhaften Kampf, obwohl es natürlich nicht mehr benutzt wurde.

     

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    Der Versailler Vertrag

    Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg musste Deutschland laut dem Versailler Friedensvertrag ein Siebtel seines Territoriums mit einem Zehntel seiner Bevölkerung abtreten. Außerdem verlor Deutschland alle Kolonien. Die Stärke des deutschen Heers wurde auf 100.000 Soldaten begrenzt. Schwere Waffen und der Besitz von Luftstreitkräften waren der Reichswehr verboten.

    »Da der Versailler Vertrag zudem die Verantwortlichkeit Deutschlands und seiner Verbündeten für den Krieg und die Schäden festschrieb, wurde das Deutsche Reich zu erheblichen alliierten Reparationsforderungen herangezogen. Vor allem wegen dieses ›Kriegsschuldartikels‹ wurde der Versailler Vertrag von der äußersten Rechten bis hin zur Sozialdemokratie grundsätzlich als ein ›Diktat-‹ und ›Schandfrieden‹ abgelehnt. [...] Der Vertrag trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Zusammen mit der Dolchstoßlegende wurde der Versailler Vertrag in den folgenden Jahren zu heftigster Agitation gegen die Weimarer Republik und das Ausland genutzt. Nicht nur die extreme Rechte warf den republikanischen Kräften vor, mit der Befürwortung und   Unterzeichnung des Vertrags entschieden zu einer Erniedrigung des Deutschen Reichs und zur Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts Deutschlands beigetragen  zu haben. Zahlreiche Bilder und Postkarten zeigten die einst stolze und kämpferische Germania gefesselt und willfährig am Marterpfahl. Die ›Fesseln von Versailles‹ zu sprengen gehörte in den Jahren der Weimarer Republik  daher zum Hauptziel deutscher Außenpolitik.«

    Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, CC BY NC SA 4.0


    Mehr zum Versailler Vertrag

    Mehr zur Dolchstoßlegende

     

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    Das Eiserne Kreuz

    Nach einer Skizze des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wurde der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel am 13. März 1813 mit der Erstellung einer Reinzeichnung für das erste Eiserne Kreuz beauftragt.

    Am 8. August 1914 hatte Wilhelm II. dann in seiner Eigenschaft als preußischer König die Stiftung seiner beiden Vorgänger erneuert und machte das Eiserne Kreuz durch seine breit angelegte Verleihungspraxis zu einem quasi deutschen Orden.


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    • »Fake News« anno 1914: Das Deutsche Reich hatte gerade das neutrale Belgien überfallen, damit die Truppen sich auf dem schnellsten Weg zum Erzfeind Frankreich begeben konnten.

    Am 1. September 1939, dem Tag des Überfalls auf Polen, erneuerte Adolf Hitler das Eiserne Kreuz in 4. Stiftung und machte das ehemals preußische Ehrenzeichen zu einem nationalsozialistischen Kriegsorden. Dabei profitierte er vom hohen moralischen und symbolischen Wert der traditionsreichen Auszeichnung. Hitler verzichtete auf seine Initialen als Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, die auf ihn persönlich vereidigt war. Stattdessen wurde das Hakenkreuz, das Symbol des NS-Staates, in die Mitte des traditionsreichen Ordens eingefügt und von der Rückseite wurden das Monogramm König Friedrich Wilhelms III. und das Eichenlaub entfernt. Heute ist das Eiserne Kreuz mit Hakenkreuz in der Mitte ein verfassungsfeindliches Propagandamittel.


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    • Auch Hitler trug das Ehrenkreuz an der Brust

    »Vor allem die nahe der Front operierenden Sonderkommandos, die sowohl Juden ermordeten als auch an der Partisanenbekämpfung beteiligt waren, wurden von den Armeegenerälen reichlich mit Eisernen Kreuzen bedacht. Um nur die größten Verbrecher unter ihnen zu nennen, sei auf Rudolf Lange verwiesen, der für den Mord an den Juden Lettlands verantwortlich war, und auf Friedrich Jeckeln, der Massaker um Massaker organisierte, in der Westukraine, in Kiew (Babij Jar) und in Riga. Beide bekamen schließlich das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.«

    Zitiert aus einem Artikel »Orden für Massenmord« von Dieter Pohl 

    DIE ZEIT, 5.6.2008


    Als Kriegsauszeichnung oder Verdienstorden wird das Eiserne Kreuz seit 1945 nicht mehr verliehen. Aufgrund seiner identitätsstiftenden Tradition bestimmte am 1. Oktober 1956 Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz zum Erkennungszeichen für die Luftfahrzeuge und Kampffahrzeuge der Bundeswehr. So stellt es in allen drei Teilstreitkräften das Hoheitszeichen dar (z. B. an gepanzerten Fahrzeugen und an Luftfahrzeugen). Die Truppenfahnen der Bundeswehr tragen in ihrer Spitze ein durch goldenes Eichenlaub umfasstes Eisernes Kreuz. Auch das Ehrenzeichen der Bundeswehr (Ehrenmedaille, Ehrenkreuz in Bronze, Silber oder Gold) trägt das Eiserne Kreuz als Symbol für Freiheitsliebe, Ritterlichkeit und Tapferkeit auf der Vorderseite. Ebenso wird es auf Briefen, Visitenkarten und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit als »Dachmarke« der Bundeswehr verwendet. Das Eiserne Kreuz als Symbol findet sich noch heute in verschiedenen Verbandsabzeichen der Bundeswehr.

    Nach Wikipedia, abgerufen am 7. 12. 2017

    Neben dem Thorshammer ist das Eiserne Kreuz das am häufigsten gezeigte Symbol in der rechten Szene. Es wird in allen erdenklichen Formen angeboten, z. B. als Ohrstecker, Anhänger oder Gürtelschnalle.

     

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    Der Stahlhelm

    Neben dem Eisernen Kreuz ist die Darstellung des Stahlhelms das meist gezeigte Symbol auf Kriegerdenkmälern. Die neuen Methoden der Artilleriekampfes im 1. Weltkrieg erforderten einen verbesserten Kopfschutz für die Soldaten. Der Lazarettarzt Professor August Bier beobachtete höchst gefährliche Granatsplitterverletzungen des Gehirns in erschreckender Häufigkeit und entwickelte darum zusammen mit dem Ingenieur Dr. Friedrich Schwerd den neuen Helm aus Stahl, der die bis dahin getragenen ledernen Pickelhauben ablöste. Die ersten 30 000 Helme wurden im Dezember 1915 an die Truppen an der Westfront ausgeliefert.

    Die Vorstellung von der stählernen Schutzwirkung wurde fortan auf Postkarten, Kriegsanleiheplakaten, Schmuckblättern usw. propagandistisch ausgeschlachtet und symbolisch überhöht. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde dieser Symbolwert noch gesteigert.


         SH Kasseedorf Plakat Stahlhelm web

         Plakat von Ludwig Hohlwein zum 10. Reichsfrontsoldatentag 1929

    Der Historiker Jürgen Kraus erklärt die Wirkmacht des Stahlehelms mit »der großen formalen Ähnlichkeit des neuen Stahlhelms mit typischen Helmformen des Mittelalters. [...] Indem der Träger des Stahlhelms so in die Nähe der historischen Gestalt des Ritters »als Repräsentant des deutschen Heeres« gerückt wurde, was auf zahlreichen Plakaten der Zeit in vielfältiger Weise geschah, konnte er als überzeitlicher »Kämpfer für Deutschland« stilisiert werden, der »ganz wie seine Vorkämpfer über die Jahrhunderte hinweg Unheil von Deutschland abzuwehren bestimmt war.«

    Kriegsvolkskunde, Gottfried Korff (Hg.), Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V., 2005, S.130f

     

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    Eichenlaub

    Die Eiche zählt schon lange als »deutscher« Baum. Ihr hartes Holz und das charakteristische, spät fallende Laub machten sie seit der Zeit der Germanen zum Symbol für Unsterblichkeit und Standhaftigkeit. In jüngerer Zeit, besonders seit der Romantik, gilt die Eiche zudem als Symbol der Treue. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen und dergleichen dient Eichenlaub in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches bzw. der Lorbeerkranz.

    Nach Wikipedia, abgerufen am 12. November 2019

     

    »Die Eiche beziehungsweise das Eichenlaub setzen im Denkmal einen deutsch-nationalen Akzent. Die Eiche galt seit dem 18. Jahrhundert als heldisch-deutsches Symbol und assoziiert als ›deutsche Eiche‹ darüber hinaus urwüchsige Stärke und mythologische Vergangenheit.«

    Reinhard Alings, Monument und Nation, Berlin 1996, S. 525


    »Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich ›wie die deutsche Eiche‹ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. [...] Im deutschen Volk wurde Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile ihre ›Hitler-Eichen‹.«

    Wolf Stegemann, www.rothenburg-unterm-hakenkreuz.de

     

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    DiE Blutbuche

    Nach Eichen sind es oft die Bäume mit »Blut« im Namen, die zu den Kriegerdenkmälern gepflanzt werden. Hier in Oldenfelde ist es eine Blutbuche. Meinhold Lurz, Autor des 6-bändigen Standardwerks zu den Kriegerdenkmälern in Deutschland, schreibt zu einer Anlage in Hamburg-Lokstedt:

    »Besonders bemerkenswert sind hier zudem die Bäume: die Anlage wurde mit Blutahornbäumen bepflanzt, als Zeichen für das für das ›Vaterland‹ vergossene Blut.«

    Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland, Bd 4, Heidelberg 1985, S.143


    Unsere Dokumentation Hamburg-Lokstedt


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    Umgestaltung nach Graffiti?

    Die linksautonome Szene in Oldenfelde hat Anfang des Jahres 2018 zum zweiten Mal das Kriegerdenkmal mit roter Farbe besprüht.

    HH Oldenfelde 20180117 wobl web

     

    Wir entnehmen dem Artikel aus dem Jahr 2018, dass die ehrenamtlichen Betreuer des Denkmals vom Bürgerverein Oldenfelde schon länger überlegen, wie die Botschaft des Denkmals ergänzt und die Anlage umgestaltet werden kann. Die beiden Schulen in Oldenfelde sollen in den Prozess eingebunden werden.

    René Senenko unseren herzlichen Dank für diesen Hinweis.


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    I N H A L T
    Das Denkmal
    Die Geschichte
    Die Direktive Nr. 30 des Kontrollrats der Alliierten von 1946
    1870/71: Der Deutsch-Französische Krieg
    1848/51: Hinrich Fehrs
    Volkstrauertag 2017
    Der Findlingsmythos

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    OSdorf

    An der Osdorfer Landstaße: Am Eichenplatz

    Das Denkmal steht in einer kleinen Anlage mit Eichen und Rhododendren, direkt an der viel befahrenen vierspurigen Osdorfer Landstraße.

     

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    Es ist den getöteten Soldaten beider Weltkriege gewidmet.

     

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    Eine große aufgesetzte Bronzetafel trägt in zarten Großbuchstaben die Aufschrift:

    1914 – 18
    Dem Gedenken unserer Gefallenen
    1939 – 45

    Die Vorgängertafel hatte nach der Direktive Nr. 30 des Kontrollrats der Alliierten 1946 entfernt werden müssen. Mehrheitlich waren die Osdorfer mit der Entfernung nicht einverstanden gewesen: »Der Gedenkplatz in Osdorf war zum Schandfleck der Gemeinde geworden«. Die neue Tafel wurde nach dem Entwurf des Osdorfer Künstlers und Graphikers A. Günther angefertigt und 1950 eingesetzt. Seit Ende 2018 steht der Stein wieder ohne Tafel da. Sie ist gestohlen und bis heute, April 2019, nicht wieder aufgefunden worden. Die Entscheidung, ob und in welcher Form eine neue Tafel angebracht wird, ist noch nicht gefallen.

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    Die Bronzetafel ist mit dicken Schrauben am Stein befestigt. Die Ecken zieren Blümchen.

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    Die Jahreszahlen beider Weltkriege bekamen Lorbeerzweige im Relief an die Seite gestellt.

     

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    Von hinten ist der große Stein abgestützt. Direkt davor führt der Fußweg vorbei.

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    Die Geschichte

    Am 23. Oktober 1950 erschien ein Artikel zur neuen »Ehrentafel« des Kriegerdenkmals in den Norddeutschen Nachrichten:

    Bei dem gestrigen herrlichen Spät-Sommerwetter hatten sich zahlreiche Osdorfer Einwohner, vor allem auch die Osdorfer Vereine – Gesangverein Harmonia, Reiterverein der Elbdörfer, Turn- und Sportverein Osdorf, der Bund der Kriegsbeschädigten Ortsgruppe Osdorf, die Freiwillige Feuerwehr und Vertreter der Dienststelle Osdorf – zur Weihe der neuen Tafel des Gedenksteines auf dem Ehrenplatz der Gefallenen in Osdorf eingefunden.

    Ernst Leseberg, Oberbrandmeister der Osdorfer Freiwilligen Feuerwehr, die sich besonders um die Erneuerung der Gedenktafel bemüht hat, hielt die Begrüßungsansprache und enthüllte den Gedenkstein. In markanten Worten schilderte er die Entstehung des Gedenksteines nach dem ersten Weltkriege und die Zerstörung der Ehrentafel beim Einzug der Besatzungsmächte. Der Gedenkplatz in Osdorf war zum Schandfleck der Gemeinde geworden. Öffentliche Gelder wurden zur Erneuerung nicht zur Verfügung gestellt. Auf Anraten stellte sich daher die Freiwillige Feuerwehr in den Dienst der guten Sache und dank der Gebefreudigkeit aller Osdorfer konnte jetzt die Ehrentafel erneuert werden.

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         • Feuerwehr-Wache beim Ehrenmal

    Der Gedenkstein, ein alter Findling aus der Osdorfer Gemarkung, ist erhalten geblieben und die neue Tafel gedenkt schlicht und einfach der Gefallenen beider Weltkriege. Die Tafel wurde nach dem Entwurf des Osdorfer Künstlers und Graphikers A. Günther angefertigt. Für die Ausschmückung des Gedenkplatzes hatte das städtische Gartenbauamt gesorgt. Allen dankte Ernst Leseberg im Namen der Freiwilligen Feuerwehr für die Unterstützung und ersuchte alle, diesen Platz stets als Mahn- und Ehrenplatz zu halten.

    Dann sprach in zu Herzen gehenden Worten der Osdorfer Pastor Lehmann zu der versammelten Gemeinde und gedachte der Opfer und Gefallenen beider Kriege. Unter den Klängen »Ich hatt’ einen Kameraden«, gespielt von der Feuerwehrkapelle, legten die Vereine und die Vertreter des Ortsausschusses ihre Kränze, teils in den Vereinsfarben, am Ehrenmal nieder. Der Gesangverein »Harmonia« verschönte die Feier durch den Sanctus von Schubert und die Hymne »Seele der Welt«.

     

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    • Hier sieht man noch die Umrisse der alten Tafel, die nach der Direktive Nr. 30 des Kontrollrats der Alliierten 1946 entfernt werden musste.


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    • Von der ersten Renovierung berichten die Norddeutschen Nachrichten am 12. November 1965

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    Die Direktive Nr. 30

    Am 13. Mai 1946 verfügte der Kontrollrat der Alliierten u.a. folgende Direktive:

    »Von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Direktive an ist untersagt und als gesetzwidrig erklärt die Planung, der Entwurf, die Errichtung, die Aufstellung und der Anschlag oder die sonstige Zurschaustellung von Gedenksteinen, Denkmälern, Plakaten, Statuen, Bauwerken, Straßen- oder Landstraßenschildern, Wahrzeichen, Gedenktafeln oder Abzeichen, die darauf abzielen, die deutsche militärische Tradition zu bewahren und lebendig zu erhalten, den Militarismus wachzurufen oder die Erinnerung an die nationalsozialistische Partei aufrechtzuerhalten, oder ihrem Wesen nach in der Verherrlichung von kriegerischen Ereignissen bestehen.

    Direktive Nr. 30

     

    Diese Direktive wurde sehr unterschiedlich umgesetzt, z.B. durfte der »Kriegsklotz« am Dammtorbahnhof stehen bleiben.

    Dammtor: Die Anweisung Nr. 30


    Am 5. Mai 1955 wurde sie in Westdeutschland durch die Alliierte Hohe Kommission wieder ausser Kraft gesetzt.


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    1870/71: Der Deutsch-
    Französische Krieg

    Links vom Hauptstein liegt ein kleinerer Findling mit den Jahreszahlen des Deutsch-Französischen Kriegs. In großen schwarzen Ziffern steht dort:

    1870/71

    Der Schrägstrich teilt die beiden Jahreszahlen wie einen mathematischen Bruch.

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    Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 bis 1871 war eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits.

    Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage der spanischen Thronkandidatur eines Hohenzollernprinzen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ließ die Emser Depesche, mit der er darüber informiert worden war, dass König Wilhelm I. die französischen Forderungen abgelehnt hatte, in provokant verkürzter Form veröffentlichen. Dies erregte auf beiden Seiten nationalistische Empörung und veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen.

    Von den großen Schlachten gingen im gesamten Kriegsverlauf alle für Frankreich verloren oder endeten im Patt. Trotzdem fand sich die französische Regierung erst im Februar 1871, nach dem Fall von Paris, zum Vorfrieden von Versailles bereit. Offiziell endete der Krieg am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt, der hohe Reparationen sowie die Abtretung Elsaß-Lothringens durch Frankreich vorsah.

    Nach dem Deutsch-Dänischen und dem Deutschen Krieg von 1864 und 1866 gilt der Konflikt mit Frankreich als dritter und letzter der deutschen Einigungskriege. Noch während seines Verlaufs traten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt dem Norddeutschen Bund bei, der sich mit Wirkung vom 1. Januar 1871 Deutsches Reich nannte. Der preußische König Wilhelm I. nahm den Titel „Deutscher Kaiser“ an, Otto von Bismarck wurde erster Reichskanzler. In Frankreich hatte der Krieg nicht nur die endgültige Abschaffung der Monarchie zur Folge. Vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens erzeugte einen dauerhaften, gegen Deutschland gerichteten Revanchismus. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich. Beides belastete die deutsch-französischen Beziehungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

    nach Wikipedia, abgerufen am 9. 12. 2017

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    1848/51: Hinrich Fehrs

    Rechts vom Hauptstein liegt ein kleinerer rötlicher Findling, der dem niederdeutschen Dichter Hinrich Fehrs gewidmet ist. Neben einem Blumengebinde steht die schwarze Inschrift:

    Hinr. Fehrs. 1848/51

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    Johann Hinrich Fehrs, geboren am 10. April 1838 in Mühlenbarbek, gestorben am 17. August 1916 in Itzehoe, war ein niederdeutscher Erzähler und Lyriker. Er lebte den größten Teil seines Lebens in Itzehoe. Er war Lehrer und Rektor an der Auguste Viktoria-Schule.

    Sein bekanntestes Werk ist ein Roman, der in über zwanzigjähriger Arbeit entstandene Text erschien 1907: »Maren – En Dörproman ut de Tiet von 1848/51«. Er spielt zur Zeit des Krieges zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark 1848/50. Die Protagonistin Maren möchte ihrer Familie durch die Heirat mit einem wohlhabenden, aber von ihr nicht geliebten Mann helfen und scheitert an dem dadurch ausgelösten inneren Konflikt. Die vielschichtige Handlung gibt einen Einblick in das dörfliche Leben in Holstein Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Titel »En Dörproman ut de Tiet von 1848/51« inspirierte wohl zu der Inschrift des Findlings.

    Die Fehrs-Gilde hat sich zum Ziel gesetzt, das Werk Johann Hinrich Fehrs’ lebendig zu halten.

    Im 1. Weltkrieg wurden Fehrs' heimatliterarische Texte unter einem völkisch-nationalen Aspekt als soldatisch-propagandistische Beiträge zum Krieg gewertet, siehe: Friedrich Schnoor: »Un as in den'n Kriegslarm wi staht in't Feld, / Kämpft still in sien Heimat uns' ›Dichterheld‹.«

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    Volkstrauertag 2017

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    Viel Schwarz-Rot-Gold am Eichenplatz

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    Der Findlingsmythos

    Die Findlingsdenkmäler erlebten um die Jahrhundertwende eine erste Hochkonjunktur. In Schleswig-Holstein wurden sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gedenken an den Deutsch-Dänischen Krieg errichtet. In dieser Tradition gab es nach dem 1. Weltkrieg eine erneute massenhafte Aufstellung von Findlingsdenkmälern. Wie die vermeintlich germanischen Hünengräber erschienen die eiszeitlichen Findlinge als Symbole nationaler Identität, als »urdeutsch«. Nach dem 1. Weltkrieg sollten sie auch eine Verachtung gegenüber der von vielen als künstlich und widernatürlich empfundenen Weimarer Republik ausdrücken. Sie zeugen von einer nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist auch nach der Niederlage im 1. Weltkrieg unzerstörbar war.

     

    »Der Findling kann als ›Klassiker‹ unter den Denkmalsformen bezeichnet werden. Denkmalsfindlinge stehen meist unter einer Eiche auf einem größeren Platz. Die große Beliebtheit von Findlingsdenkmälern ist zunächst einmal in rein äußerlichen Faktoren begründet. Granitfindlinge standen in Norddeutschland allerorts zur Verfügung, die Eiszeit hatte sie aus Skandinavien mitgebracht. Das heißt, nach einem Findling musste nicht lange gesucht werden, der Transportaufwand war bei kleinen bis mittelgroßen Findlingen gering und meistens waren die Transportwege kurz. Zudem war es leicht möglich, die Findlinge mit nur wenig Bearbeitung in Denkmäler zu ›verwandeln‹: Bei den meisten Denkmälern wurde sich lediglich darauf beschränkt, die Vorderseite leicht zu glätten und eine Inschrift einzuhauen. Häufig umringte man den Findling mit kleineren Feldsteinen, die, real oder auch nur optisch, seinen Sockel bildeten. Alles in allem war die Errichtung eines Findlingsdenkmals finanziell gesehen eine sehr günstige Angelegenheit [...]

    Neben den pragmatischen ›Vorzügen‹ bei der Entscheidung für ein Findlingsdenkmal gab es aber auch ideologische Gründe. Nach völkischer Lehre im 19. Jahrhundert wurden Findlinge als urgermanische Zeugnisse angesehen. Die so genannten ›Hünengräber‹ aus prähistorischer Zeit wurden als germanische ›Heldenhügel‹ gedeutet und ihnen wurde eine spezifische nationale Aura zugesprochen. Aus diesem Grund wurden sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Stiftern als besonders geeignet angesehen, identitätsstiftend zu wirken: eine geeinte deutsche Nation, die sich auf ihre germanischen Wurzeln besinnt [...]

    Auch in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg wurden [...] neue Findlingsdenkmäler errichtet. Sie folgten in ihrer Bedeutung weiterhin der germanischen Tradition und zeugten von der nationalistischen Haltung der Stifter, für die der deutsche Geist im ersten Weltkrieg unzerstörbar war.«

    • Kerstin Klingel, Eichenkranz und Dornenkrone, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, S. 45-47, S. 65-66

    »Findlinge wecken Assoziationen zu germanischen und keltischen Hünengräbern und Dolmen. Die Romantik entdeckte sie wieder, nach den Befreiungskriegen verbreiteten sie sich als Denkmalstyp und setzten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend in Norddeutschland gegen den Obelisk durch. [...] Als Monolith steht der Findling für die Einheit des Landes, fast unbearbeitet, strahlt er Naturwüchsigkeit aus, selbst ein Teil der uralten Überlieferung mahnt er zu ewigem Gedenken.«

    Hartmut Häger, Kriegstotengedenken in Hildesheim, Gerstenberg 2006, S.134

    »Germanisierende Motive finden sich in Gestalt zahlreicher Findlingsdenkmäler. In den Hünengräbern sah man ›Vorbilder für Erinnerungsmale, würdig der Größe des Opfers, das die Söhne unseres Volkes gebracht haben‹.

    • Gerhard Schneider, »... nicht umsonst gefallen»?, Hannoversche Geschichtsblätter 1991, S. 203

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